Urteil des BGH vom 07.07.2006

BGH (unterhaltung, zugang, benutzung, winterdienst, umfang, anlage, vorschrift, verhältnis, sache, schnee)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 156/05 Verkündet
am:
7. Juli 2006
W i l m s,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juli 2006 durch die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch,
die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der
5. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 8. Juni 2005
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverweisen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Eigentümerin des Flurstücks 129/26 der Flur 10 der Ge-
markung H. (B. ), das sie als Acker und Wald nutzt. An der
nördlichen Grenze des Flurstücks zu den im Eigentum des Klägers stehenden
Flurstücken 129/24 und 129/25 verläuft ein etwa 3 m breiter Weg, der den Zu-
gang von einer öffentlichen Straße, dem Radelandweg, zu dem Flurstück der
Beklagten bildet. Das Flurstück 129/25 grenzt an den Radelandweg. Seine Be-
bauung versperrt dem dahinter gelegenen Flurstück 129/24 den Zugang zu die-
sem.
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Der Kläger nutzt das Flurstück 129/24 für seinen Gewerbebetrieb als
Tischler und Zimmermann. Der Zugang erfolgt über den Weg auf dem Flurstück
der Beklagten. 1990 einigten sich die Parteien, den Zugang durch eine Grund-
dienstbarkeit zu sichern. Die Dienstbarkeit wurde gemäß Bewilligung der Be-
klagten vom 8. Oktober 1990 in das Grundbuch des belasteten Grundstücks
eingetragen. Die Bewilligung enthält keine Regelungen zur Unterhaltung des
Weges.
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Der Kläger meint, die Beklagte sei als Eigentümerin der Wegefläche ver-
pflichtet, die Verkehrssicherheit des Weges zu gewährleisten. Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Weg von November bis März eines jeden Jah-
res von Schnee zu räumen und den Weg zu streuen. Das Amtsgericht hat die
Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der
von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt er seinen Klageantrag
weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint den geltend gemachten Anspruch. Es hat
festgestellt, dass eine Vereinbarung zur Unterhaltung des Weges zwischen den
Parteien nicht getroffen sei. Es meint, auch aus § 1020 Satz 2 BGB ergebe sich
der geltend gemachte Anspruch nicht. Selbst wenn man unterstelle, dass es
sich bei dem Weg um eine Anlage im Sinne der Vorschrift handele und die Ver-
kehrssicherungspflicht als Pflicht zur Unterhaltung im Sinne von § 1020 Satz 2
BGB angesehen werde, sei die Vorschrift nicht einschlägig, weil der Weg von
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beiden Parteien genutzt werde. Da §§ 741 ff. BGB auf die Nutzung des Weges
durch die Parteien keine Anwendung fänden, könne keine der Parteien von der
jeweils anderen verlangen, den Weg zu räumen und zu streuen. Einem Dritten
gegenüber, der aufgrund einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf
dem Weg zu Schaden komme, sei jede der Parteien verantwortlich und müsse
daher im eigenen Interesse Gefahren vorbeugen, die mit der Nutzung des We-
ges verbunden seien.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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II.
An der Erfüllung des Winterdienstes auf dem Weg haben im Verhältnis
zueinander grundsätzlich beide Parteien mitzuwirken.
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Der Weg auf dem Grundstück der Beklagten bildet eine Anlage im Sinne
von § 1020 Satz 2 BGB. Ob und in welcher Weise der Weg befestigt ist, ist oh-
ne Bedeutung. Schon Fahrspuren bedeuten eine Anlage im Sinne der Vorschrift
(Senat, Urt. v. 17. Februar 2006, V ZR 49/05, NJW 2006, 1428, 1429). Dass
zumindest derartige Spuren auf dem Grundstück der Beklagten als Zufahrt zu
den Flurstücken der Parteien dienen, ist nach dem beiderseitigen Vortrag un-
streitig.
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Die eingetragene Berechtigung zur Benutzung des Weges lässt den Klä-
ger Halter des Weges im Sinne von § 1020 Satz 2 BGB sein. Die Frage, ob er
den Weg angelegt hat, ist insoweit ohne Bedeutung (MünchKomm-BGB/
Falkenberg, 4. Aufl., § 1020 Rdn. 9; RGRK-BGB/Rothe, 12. Aufl., § 1020
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Rdn. 5; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1020 Rdn. 5; Staudinger/Mayer, BGB
[2002], § 1020 Rdn. 13). Die Mitbenutzung des Weges durch die Beklagte führt
nicht dazu, dass der Kläger nicht Halter des Weges ist, sondern hat zur Folge,
dass sich die Beklagte, sofern sich aus den Umständen bei der Bestellung der
Dienstbarkeit nichts Anderes ergibt, gegenüber dem Kläger an der Unterhaltung
des Weges, zu der die Wahrung der Verkehrssicherungspflicht gehört (Senat,
BGHZ 161, 115, 122), zu beteiligen hat (Senat, aaO, 119 ff.). Das Maß der Ver-
pflichtung der Parteien im Verhältnis zueinander wird von dem Umfang und der
Intensität der beiderseitigen Nutzung des Weges bestimmt. Ist nichts anderes
feststellbar, haben gemäß §§ 748, 742 BGB beide Parteien im selben Umfang
zur Unterhaltung des Weges und damit zum Winterdienst auf diesem Weg bei-
zutragen (Senat, aaO, 123).
Das haben die Parteien bisher nicht gesehen; Feststellungen zu Umfang
und Intensität der beiderseitigen Nutzung des Weges sind nicht getroffen. Die
Aufhebung und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht gibt
den Parteien Gelegenheit, näheres hierzu vorzutragen. Bei der Entscheidung
wird auch zu berücksichtigen sein, dass die Beklagte behauptet hat, der Weg
sei mit einem Tor verschließbar gewesen, bis der Kläger dieses entfernt habe.
Trifft dieses Vorbringen zu und sind weder die Beklagte noch ein Pächter der
Beklagten bei Eis und Schnee auf die Benutzung des Weges angewiesen,
konnte die Beklagte ihre Pflicht zur Verkehrssicherung auf dem Weg im Winter
dadurch vermeiden, dass sie die Benutzung des Weges durch Dritte verhinder-
te, indem sie das Tor verschloss. Verhält es sich so, ist für eine Verpflichtung
der Beklagten gegenüber dem Kläger, sich an dem Winterdienst auf dem Weg
zu beteiligen, kein Raum. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Beteiligung an
dem Winterdienst scheidet schließlich auch dann aus, wenn die Benutzung des
Weges durch die Beklagte, ihre Pächter und Besucher im Verhältnis zur Nut-
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zung des Weges durch den Kläger und die Angehörigen sowie Besucher seines
Betriebs von absolut untergeordnetem Ausmaß ist.
Klein Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Bad Liebenwerde, Entscheidung vom 07.01.2005 - 13 C 148/04 -
LG Cottbus, Entscheidung vom 08.06.2005 - 5 S 6/05 -