Urteil des BGH vom 21.12.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 143/08 Verkündet
am:
26. Mai 2010
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 1573, 1578 b; ZPO § 323 a.F.; EGZPO § 36; FamFG § 239
a) Für die Abänderung eines Prozessvergleichs über nachehelichen Unterhalt we-
gen Unterhaltsbefristung kommt es vorrangig darauf an, inwiefern der Vergleich
im Hinblick auf die spätere Befristung eine bindende Regelung enthält. Mangels
einer entgegenstehenden ausdrücklichen oder konkludenten vertraglichen Rege-
lung ist jedenfalls bei der erstmaligen Festsetzung des nachehelichen Unterhalts
im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien die spätere Befristung des Un-
terhalts offenhalten wollen. Eine Abänderung des Vergleichs ist insoweit auch
ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und ohne Bindung an den Ver-
gleich möglich.
b)
§
36 EGZPO regelt lediglich die Abänderung solcher Unterhaltstitel und
-vereinbarungen, deren Grundlagen sich durch das Unterhaltsrechtsänderungs-
gesetz vom 21. Dezember 2007 geändert haben. Bei der Abänderung einer vor
dem 1. Januar 2008 geschlossenen Vereinbarung zum Aufstockungsunterhalt ist
das nicht der Fall (im Anschluss an Senatsurteil vom 18. November 2009 - XII ZR
65/09 - FamRZ 2010, 111).
c) Zur Befristung des Aufstockungsunterhalts nach § 1573 Abs. 2 BGB.
BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 - XII ZR 143/08 - OLG München
AG München
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Mai 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin
Weber-Monecke und die Richter Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Klinkhammer und
Schilling
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats - Familiensenat -
des Oberlandesgerichts München vom 31. Juli 2008 wird auf Kos-
ten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie streiten über die Befristung
des nachehelichen Unterhalts.
1
Die Parteien heirateten im September 1988. Sie waren seinerzeit beide
38 Jahre alt. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Ehe wurde auf
den im Juni 1999 zugestellten Scheidungsantrag am 15. Juni 2004 geschieden.
Der Kläger ist Leitender Oberarzt an einem Universitätsklinikum. Die Beklagte
hat nach einem abgebrochenen Studium keine abgeschlossene Berufsausbil-
dung und arbeitet nach einer Weiterbildung zur Kulturmanagerin - wie schon
zum Zeitpunkt der Scheidung - bei einem Goethe-Institut.
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Im Zuge des Scheidungsverfahrens schlossen die Parteien am 15. Juni
2004 einen Prozessvergleich über den nachehelichen Unterhalt, in dem sich
der Kläger zu einem monatlichen Unterhalt von 1.500 € verpflichtete. Als
Grundlagen des Vergleichs waren die beiderseitigen Nettoeinkommen (4.900 €
und 1.400 €) niedergelegt. Außerdem vereinbarten die Parteien eine Abände-
rungsmöglichkeit für den Fall, dass ihre Einkommen sich um mehr als 10 % ver-
änderten.
3
Der Kläger begehrt die Abänderung des Unterhalts und hat sich neben
einer Verringerung seiner Einkünfte wegen nicht mehr anfallender Sonderdiens-
te auf eine Befristung des Unterhalts berufen. Die Beklagte macht geltend, der
Kläger sei mit dem Befristungseinwand ausgeschlossen.
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Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Klage abgewiesen, weil sich
die Verhältnisse seit dem Vergleichsabschluss insbesondere hinsichtlich der
Befristung nicht geändert hätten. Auf die Berufung des Klägers hat das Beru-
fungsgericht den Unterhalt bis einschließlich Dezember 2012 befristet. Mit der
zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte den Wegfall der Befristung.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
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I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Unterhalt sei nach § 1578 b
Abs. 2 BGB grundsätzlich zu befristen, es sei denn, es lägen besondere Um-
stände vor, die dies unbillig erscheinen ließen, wie die Dauer der Ehe, die Zeit
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der Kinderbetreuung und die Gestaltung der Haushaltsführung. Die Ehe habe
bis zur Zustellung des Scheidungsantrags mehr als zehn Jahre gedauert und
sei daher nicht als kurz anzusehen. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass die
Parteien bereits vorher längere Zeit zusammengelebt hätten. Eine Befristung
sei dagegen nicht unbillig, weil ehebedingte Nachteile nicht zu erkennen seien.
Die Beklagte habe keine abgeschlossene Ausbildung. Angesichts ihres Alters
von damals bereits 38 Jahren sei mit einem Abschluss auch nicht mehr zu rech-
nen gewesen, zumal die Beklagte - da aus der Ehe keine Kinder hervorgegan-
gen seien - jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, ihre Abschlussprüfung zu
machen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Beklagte auch ohne die
Ehe keine besser bezahlte Erwerbstätigkeit gefunden hätte, als sie sie jetzt
beim Goethe-Institut ausübe. Die Gestaltung einer Ehe als Haushaltsführungs-
ehe stehe einer Beschränkung nur entgegen, soweit der Bedürftige im beider-
seitigen Einvernehmen eine eigene Erwerbstätigkeit zurückstelle, um dem an-
deren Ehegatten die volle berufliche Entfaltung zu ermöglichen, und dadurch
selbst berufliche Nachteile erlitten habe. Das sei hier nicht der Fall. Der schon
abgelaufene Zeitraum von vier Jahren seit der Scheidung würde ausreichend
berücksichtigen, dass sie sich auf die neue Situation einstellen müsse.
§ 1578 b BGB sei aber nur nach Maßgabe des § 36 EGZPO auf vor dem
1. Januar 2008 getroffene Unterhaltsvereinbarungen anzuwenden. Die Parteien
hätten eine unbefristete Unterhaltsvereinbarung getroffen, nachdem sie sich
zunächst intensiv wegen einer Befristung nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. ausei-
nandergesetzt hätten. Dadurch habe die Beklagte in besonderem Maße davon
ausgehen können, dass sie den Unterhaltsanspruch so lange behalte, wie auf
Seiten des Klägers Leistungsfähigkeit und auf ihrer Seite Bedürftigkeit vorliege.
Unter Berücksichtigung dieses Umstands und der Tatsache, dass aufgrund des
jetzigen Alters der Beklagten davon auszugehen sei, dass sie ihre Einkom-
menssituation voraussichtlich nicht mehr verbessern werde, die Parteien aber
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auch vor der Scheidung lange Zeit getrennt gelebt hätten, erscheine eine Be-
grenzung des Unterhaltsanspruchs bis einschließlich Dezember 2012 ange-
messen.
II.
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Das hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
1. Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis
Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor
diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25. November
2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010,
192).
Die Abänderung des Prozessvergleichs
vom 15. Juni 2004 richtet sich somit nach § 323 ZPO a.F. (vgl. nunmehr
§§ 238, 239 FamFG).
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2. Die Revision rügt allerdings zu Recht, dass das Berufungsgericht sich
nicht mit der Bindungswirkung des Vergleichs auseinandergesetzt hat. Denn
eine Abänderung wäre von vornherein nicht zulässig, wenn und soweit ihr die
Bindungswirkung des Vergleichs entgegensteht.
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a) Die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO a.F. findet nach stän-
diger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Vergleiche keine Anwen-
dung (BGHZ 85, 64, 73 = FamRZ 1983, 22, 24; Senatsurteil vom 23. November
1994 - XII ZR 168/93 - FamRZ 1995, 221, 223). Dass sich die Sachlage seit
dem Vergleichsabschluss nicht wesentlich verändert hat, wovon hier aufgrund
der Feststellungen des Berufungsgerichts allerdings auszugehen sein dürfte,
steht also anders als regelmäßig bei einem Urteil (dazu vgl. Senatsurteil vom
18. November 2009 - XII ZR 65/09 - FamRZ 2010, 111 Tz. 17 ff.) der Abände-
rung eines Vergleichs nicht ohne weiteres im Wege.
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Abgesehen davon, dass sich auch aus einem Urteil ergeben kann, dass
die Frage einer künftigen Befristung vom Gericht nicht abschließend geprüft
worden ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 2000 - XII ZR 88/98 - FamRZ 2000,
1499, 1501) und auch dem Urteil in diesem Fall nur eine eingeschränkte
Rechtskraftwirkung zukommt, richtet sich die Abänderung eines Prozessver-
gleichs allein nach materiellrechtlichen Kriterien (Senatsurteil vom 25. Novem-
ber 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Tz. 13; BGHZ 85, 64, 73 = FamRZ
1983, 22, 24; Senatsurteil vom 19. März 1997 - XII ZR 277/95 - FamRZ 1997,
811, 813; klarstellend zu Senatsurteil vom 9. Juni 2004 - XII ZR 308/01 -
FamRZ 2004, 1357, 1360; vgl. § 239 Abs. 2 FamFG). Dabei ist - vorrangig ge-
genüber einer Störung der Geschäftsgrundlage - durch Auslegung zu ermitteln,
ob und mit welchem Inhalt die Parteien eine insoweit bindende Regelung getrof-
fen haben.
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b) Im vorliegenden Fall ist die Abänderung wegen Befristung nach
§ 1578 b Abs. 2 BGB durch den Vergleich nicht gehindert. Vielmehr ergibt eine
interessengerechte Auslegung des Vergleichs, dass im Hinblick auf die Unter-
haltsbefristung eine spätere Abänderung vorbehalten bleiben sollte.
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Die Ermittlung des Inhalts und der Bedeutung von Individualvereinbarun-
gen ist Aufgabe der Tatsacheninstanzen. Deren Auslegung kann vom Revisi-
onsgericht grundsätzlich nur darauf geprüft werden, ob der Auslegungsstoff
vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte
Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt
sind oder ob die Auslegung auf im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfeh-
lern beruht (BGHZ 150, 32, 37 = NJW 2002, 3248, 3249 und Senatsurteil vom
28. Juli 2004 - XII ZR 292/02 - NJW-RR 2004, 1452, 1453), wobei die Ausle-
gung auch ohne entsprechende Rüge vom Revisionsgericht zu überprüfen ist
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(§ 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO; Senatsurteil vom 4. März 2009 - XII ZR 18/08 -
FamRZ 2009, 768 Tz. 15 m.w.N.).
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Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die gebotene Auslegung
des Vergleichs unterlassen. Denn es hat sich in seiner Entscheidung mit dem
- vom Amtsgericht für begründet erachteten - Einwand der Beklagten, die dem
Vergleich zugrunde liegenden Verhältnisse hätten sich nicht geändert und eine
Unterhaltsbegrenzung habe nicht dem damaligen Parteiwillen entsprochen,
nicht auseinandergesetzt. Es hat ein Vertrauen der Beklagten auf den Fortbe-
stand des Unterhaltstitels nur bei der Bemessung der Unterhaltsdauer herange-
zogen und damit eine mögliche Bindungswirkung des Vergleichs vernachläs-
sigt.
Da aber die hier maßgeblichen Tatsachen unstreitig sind und eine weite-
re Aufklärung nicht geboten ist, kann der Senat die Auslegung des Vergleichs
selbst vornehmen (vgl. Musielak/Ball ZPO 7. Aufl. § 546 Rdn. 5 m.w.N.). Diese
führt zu dem Ergebnis, dass der Kläger den Befristungseinwand auch noch
nachträglich erheben kann, ohne dass es auf eine Änderung der Tatsachenlage
ankommt.
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aa) Dass die Parteien den Befristungseinwand für die Zukunft ausschlie-
ßen wollten, lässt sich dem Wortlaut des Vergleichs nicht entnehmen. Auch
daraus, dass die Parteien im Hinblick auf die Einkommensentwicklung eine spä-
tere Abänderung des Vergleichs bedachten und insoweit zur Abänderbarkeit
des Vergleichs eine nähere Regelung trafen, folgt noch nicht, dass sie andere,
Abänderungsgründe ausschließen wollten. Bei der gebotenen interessenge-
rechten Auslegung ist vielmehr zu berücksichtigen, dass neben den Einkom-
mensverhältnissen etliche andere Gesichtspunkte für eine Abänderung in Be-
tracht kommen (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 -
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FamRZ 2010, 192: verfestigte Lebensgemeinschaft), die einen generellen Aus-
schluss der Abänderung aus weiteren Gründen als fernliegend erscheinen las-
sen. Schon aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Abänderungsbestim-
mung in dem Vergleich im Zweifel nicht als eine abschließende Regelung ge-
wollt war.
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bb) Wohl kann die Befristung oder ihr Ausschluss im Einzelfall Verhand-
lungsgegenstand und Bestandteil der Äquivalenzvorstellungen der Parteien
geworden sein, indem sie etwa die Höhe des Unterhalts und die Befristung ge-
geneinander abgewogen haben. Dies hätte zur Folge, dass die Befristung in die
Unterhaltsbemessung eingeflossen wäre und eine spätere Abänderung an der
Bindungswirkung des Vergleichs scheitern würde. Davon kann im vorliegenden
Fall aber nicht ausgegangen werden.
Die zeitliche Begrenzung des Unterhalts war allerdings zwischen den
Parteien vor Abschluss des Vergleichs umstritten. Ferner hat die Beklagte vor-
getragen, dass sie dem Kläger zur streitigen Höhe des von ihm erzielten Ein-
kommens teilweise nachgegeben habe, indem der Unterhalt gegenüber dem
Trennungsunterhalt niedriger festgelegt worden sei. Daraus folgt indessen noch
nicht, dass die Parteien von einer Unabänderbarkeit des Vergleichs ausgingen.
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Ein etwaiges Nachgeben der Beklagten zur Unterhaltshöhe hat im Wort-
laut der Vereinbarung keinen Niederschlag gefunden. Selbst ein gegenüber
dem seinerzeit vom Oberlandesgericht Köln festgesetzten Trennungsunterhalt
teilweise geübter Verzicht der Beklagten in dem von ihr - allerdings ohne nach-
vollziehbare Begründung - dargelegten Umfang von monatlich 300 € stünde
nach seiner wirtschaftlichen Bedeutung offensichtlich außer Verhältnis zu einem
endgültigen Verlust des Befristungseinwands für den Kläger. Außerdem verfüg-
te die Beklagte einschließlich des vereinbarten Unterhalts jedenfalls über Ein-
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künfte von monatlich insgesamt 2.900 €, was ohne Darlegung eines konkreten
Unterhaltsbedarfs in dieser Höhe bereits eine vollständige Notwendigkeit der
Unterhaltsbeträge zur Bestreitung des Lebensbedarfs in Frage stellt.
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Auch dass der Kläger seinen früher erhobenen Einwand, der Unterhalt
sei zeitlich zu begrenzen, schließlich fallen ließ, besagt noch nichts zu einer
späteren Befristung des Unterhalts. Denn die Beklagte hatte den Vorschlag des
Klägers einer Befristung bis Oktober 2004 seinerzeit mit der Begründung abge-
lehnt, dass ihr eine Befristung nicht zugemutet werden könne, weil nicht abseh-
bar sei, ob der zunächst befristete Arbeitsvertrag mit dem Goethe-Institut ver-
längert werde oder nicht. Wenn der Kläger unter diesen Umständen nicht auf
der Befristung bestand und in dem Vergleich eine zunächst unbefristete Unter-
haltspflicht übernahm, kann daraus jedenfalls nicht gefolgert werden, die Par-
teien seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Unterhalt auch in
Zukunft nicht mehr befristet werden könne. Auch ein Nachgeben des Klägers,
nachdem er zuvor die Befristung geltend gemacht hatte, geht demnach nicht
weiter, als dass die Prüfung der Befristung auf einen späteren Zeitpunkt hi-
nausgeschoben werden sollte.
cc) Mangels einer entgegenstehenden ausdrücklichen oder konkludenten
vertraglichen Regelung ist im Zweifel vielmehr davon auszugehen, dass die
Parteien die spätere Befristung des Unterhalts offenhalten wollten. Der Ver-
gleich entfaltet dann insoweit keine Bindungswirkung für die Zukunft, sondern
eröffnet den Parteien - vergleichbar mit einem Urteil, durch das über eine späte-
re Befristung ausweislich der Entscheidungsgründe noch nicht entschieden sein
soll - eine spätere Abänderung auch ohne Änderung der zugrunde liegenden
tatsächlichen Verhältnisse.
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Anders als bei Tatsachen, die unmittelbar für die Bemessung des Unter-
halts maßgeblich sind, besteht bei der Befristung des Unterhalts nach § 1578 b
Abs. 2 BGB (§ 1573 Abs. 5 BGB a.F.) die Besonderheit, dass sie von der Unbil-
ligkeit einer weitergehenden Unterhaltsleistung abhängt und dieser Umstand
jedenfalls bei der erstmaligen Festlegung des nachehelichen Unterhalts im Zu-
sammenhang mit der Scheidung regelmäßig erst in der Zukunft eintritt. Es liegt
daher nahe, dass der Unterhaltspflichtige, wenn im Vergleich nicht sogleich ei-
ne Regelung zur Dauer der Unterhaltsgewährung getroffen oder aber eine Be-
fristung ausgeschlossen worden ist, mit einem Ausschluss des Befristungsein-
wands regelmäßig nicht einverstanden ist und auch der Unterhaltsberechtigte
nach Treu und Glauben die Zahlungsbereitschaft des Unterhaltspflichtigen nur
als eine in diesem Sinne eingeschränkte verstehen kann.
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Dass der Senat in ständiger Rechtsprechung bei der Abänderung eines
Urteils für die Präklusion nach § 323 Abs. 2 ZPO a.F. (vgl. § 238 Abs. 2
FamFG) nicht darauf abstellt, ob die Voraussetzungen der Unterhaltsbegren-
zung bereits eingetreten waren, sondern darauf, ob die Gründe für eine Unter-
haltsbegrenzung bereits zuverlässig vorauszusehen waren (zuletzt Senatsurteil
vom 18. November 2009 - XII ZR 65/09 - FamRZ 2010, 111, 117 m.w.N.), lässt
sich auf die Abänderung von Prozessvergleichen nicht ohne weiteres übertra-
gen. Denn im Gegensatz zu einem Urteil, dem eine von Amts wegen vorzu-
nehmende Prüfung der Befristung nach § 1578 b Abs. 2 BGB vorauszugehen
hat und das auch im Fall, dass die Befristung vom Gericht übersehen wurde,
Rechtskraftwirkung entfaltet, steht es den Parteien eines Vergleichs frei, die
- gegenwärtig noch nicht eingreifende - Befristung einer späteren Klärung vor-
zubehalten.
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Da die Befristung erst in der Zukunft eingreift und von einer auf den Be-
fristungszeitpunkt bezogenen umfassenden Billigkeitsabwägung abhängt, ist
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eine Festlegung der Unterhaltsdauer anders als beim Urteil jedenfalls nicht
zwingend und wird daher von den Parteien zum Zeitpunkt der Scheidung eine
frühzeitige Festlegung im Zweifel noch nicht gewollt sein. Dementsprechend
wird eine anlässlich der Scheidung ohne Befristung getroffene Unterhaltsver-
einbarung noch nicht auf der Vorstellung beruhen, dass eine Abänderung we-
gen einer erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt eingreifenden Befristung
nicht mehr stattfinden könne (vgl. auch Senatsurteil vom 12. April 2006
- XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1008).
c) Allerdings ist zu beachten, dass der im Vergleich getroffenen Rege-
lung eine gewisse Mindestdauer zukommen muss, um dem Interesse der Par-
teien an einer rechtssicheren Regelung zu genügen. Daher wird es regelmäßig
jedenfalls treuwidrig sein, wenn der Unterhaltspflichtige schon kurze Zeit nach
dem Vergleichsschluss eine Abänderung der getroffenen Regelung verlangt.
Von welchem Zeitraum hier auszugehen ist und ob die Frage nicht bereits im
Rahmen der schließlich vom Familiengericht festzulegenden Unterhaltsdauer
ausreichend berücksichtigt werden kann, braucht hier indessen nicht entschie-
den zu werden. Denn maßgeblich ist nicht auf das Datum des Abänderungsver-
langens abzustellen, sondern auf den geltend gemachten Befristungszeitpunkt,
weil durch diesen auch die Geltungsdauer des Vergleichs bestimmt wird und
einem verfrühten Abänderungsverlangen im Übrigen schon das den Unterhalts-
pflichtigen treffende Prozess- und Kostenrisiko hinreichend entgegenwirken
dürfte.
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Im vorliegenden Fall bezieht sich die vom Kläger verfolgte Befristung auf
das Ende des Jahres 2012 und somit auf mehr als achteinhalb Jahre nach dem
Vergleichsabschluss. Demnach ist das Abänderungsverlangen des Klägers je-
denfalls nicht treuwidrig.
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d) Da sich die Zulässigkeit der nachträglichen Geltendmachung des Be-
fristungseinwands schon aus einer interessengerechten Auslegung des Ver-
gleichs ergibt und insoweit eine Bindung an den Vergleich nicht besteht, kommt
es auf die Frage einer Störung der Geschäftsgrundlage und einer Anpassung
des Vergleichs nach § 313 BGB nicht an.
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3. Das Berufungsgericht hat demnach mangels weiterer Bindungen im
Ergebnis zu Recht über die Befristung nach § 1578 b Abs. 2 BGB entschieden.
Die im angefochtenen Urteil ausgesprochene Befristung ist wiederum im Er-
gebnis nicht zu beanstanden.
Auf die Befristung ist das seit dem 1. Januar 2008 geltende Unterhalts-
recht anzuwenden (Art. 4 Unterhaltsrechtsänderungsgesetz; vgl. auch § 36
Nr. 7 EGZPO und Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 27 f.).
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a) Die Revision rügt insoweit, dass das Berufungsgericht einen fehlerhaf-
ten Rechtssatz aufgestellt habe, indem es davon ausgegangen sei, dass ein
Unterhaltsanspruch grundsätzlich zu begrenzen sei, es sei denn, es lägen be-
sondere Gesichtspunkte vor, die eine Begrenzung als unbillig erscheinen lie-
ßen. Diese Rüge ist im Ausgangspunkt begründet.
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Die Befristung ist nach § 1578 b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 BGB vom Famili-
engericht auszusprechen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch
auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Er-
ziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Aus § 1578 b
BGB ergibt sich, dass nach der gesetzlichen Konzeption die Befristung des Un-
terhalts nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellt. Das Familiengericht
hat demnach zu prüfen, ob die fortdauernde Unterhaltspflicht unbillig ist, nicht
aber, ob der Befristung Billigkeitsgründe entgegenstehen (vgl. Senatsurteil vom
24. März 2010 - XII ZR 175/08 - zur Veröffentlichung bestimmt - Tz. 22).
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b) Allerdings beruht die Entscheidung nicht auf dem vom Berufungsge-
richt vorangestellten Regel-Ausnahme-Verhältnis (§§ 545, 561 ZPO), weil die
vom Berufungsgericht ausgesprochene Befristung aufgrund der von ihm ab-
schließend getroffenen Feststellungen im Ergebnis gleichwohl Bestand hat.
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35
aa) Die Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts we-
Abs. 1, Abs. ondere davon
ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetre-
ten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor
allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kin-
des, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während
der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (Abs. 1 Satz 2, 3
BGB).
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Beklagten durch
die Rollenverteilung in der Ehe keine beruflichen Nachteile entstanden sind. Die
Klägerin war bei Eheschließung 38 Jahre alt und hatte keine abgeschlossene
Berufsausbildung. Die Weiterbildung zur Kulturmanagerin absolvierte sie wäh-
rend der Ehe. Da sie in diesem Beruf auch nach der Scheidung eine Vollzeitbe-
schäftigung ausübt, ist ihr aus der Ehe insoweit kein Nachteil entstanden. Der
Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge ist schließlich vornehmlich Auf-
gabe des Versorgungsausgleichs, durch den die Interessen des Unterhaltsbe-
rechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden (Senatsurteile vom 16. April
2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325 Tz. 42 und vom 25. Juni 2008
- XII ZR 109/07 - FamRZ 2008, 1508 Tz. 25).
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bb) § 1578 b BGB beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers
allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berück-
sichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität (BT-Drucks.
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16/1830 S. 19). Denn indem § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB "insbesondere" auf
das Vorliegen ehebedingter Nachteile abstellt, schließt er andere Gesichtspunk-
te für die Billigkeitsabwägung nicht aus (Senatsurteil vom 14. April 2010
- XII ZR 89/08 - zur Veröffentlichung bestimmt - Tz. 44).
38
Insofern hat das Berufungsgericht mit der Dauer der Ehe, dem Vertrauen
der Beklagten in den Fortbestand des Unterhalts, dem Alter der Beklagten bei
Scheidung und ihrer voraussichtlich mangelnden Möglichkeit zur Verbesserung
ihrer Einkommenssituation die wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt.
Dass das Berufungsgericht in der nach dem Vorbringen der Beklagten
voraussichtlich unzureichenden Altersvorsorge keinen Hinderungsgrund für die
Befristung gesehen hat, ist wiederum nicht zu beanstanden. Die unzureichende
Altersvorsorge beruht auf der Erwerbsbiografie der Beklagten vor der Ehe-
schließung, die im Alter von 38 Jahren nicht über eine adäquate Altersvorsorge
verfügte. Dass auch der Versorgungsausgleich die vorhandene Lücke nicht
schließen kann, beruht auf der Ehezeit von nur knapp elf Jahren. Das voreheli-
che Zusammenleben ist, anders als es das Berufungsgericht gesehen hat,
grundsätzlich kein Billigkeitskriterium im Sinne von § 1578 b BGB. Denn daraus
kann sich weder ein ehebedingter Nachteil ergeben, noch kann das voreheliche
Zusammenleben ohne weiteres ein erhöhtes Maß an nachehelicher Solidarität
begründen. Eine Befristung des nachehelichen Aufstockungsunterhalts kann
schließlich nicht allein mit der Erwägung abgelehnt werden, dass damit der Ein-
satzzeitpunkt für einen späteren Anspruch auf Altersunterhalt nach § 1571 Nr. 3
BGB entfällt (Senatsurteil vom 25. Juni 2008 - XII ZR 109/07 - FamRZ 2008,
1508 Tz. 24 f.).
39
cc) In Anbetracht der Unterhaltsbefristung bis 2012 ist nicht davon aus-
zugehen, dass für das Berufungsgericht die von ihm unzutreffend formulierte
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Prämisse zum Regel-Ausnahme-Verhältnis von Unterhalt und Befristung bei der
Bemessung der Frist entscheidende Bedeutung zugekommen wäre. Das könn-
te allenfalls in Anbetracht des Umstands gelten, dass das Berufungsgericht
aufgrund der nach § 1578 b Abs. 2, Abs. 1 BGB zu treffenden Abwägung eine
Unterhaltsdauer von etwas mehr als vier Jahren seit der Scheidung für ausrei-
chend gehalten hat. Ob diese Frist hier angemessen gewesen wäre, kann je-
doch dahinstehen. Denn das Berufungsgericht ist aufgrund einer Einbeziehung
von § 36 EGZPO im Ergebnis zu einer deutlich längeren Frist gelangt, die sich
insgesamt auf mehr als achteinhalb Jahre nach der Scheidung und mehr als
fünfzehn Jahre nach der Trennung im Jahr 1997 beläuft.
Dabei hat das Berufungsgericht allerdings übersehen, dass § 36 EGZPO
nicht einschlägig ist. § 36 Nr. 1 EGZPO findet nur für den Fall Anwendung, dass
im Rahmen der Abänderung von Unterhaltstiteln oder -vereinbarungen Um-
stände "durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts erheblich gewor-
Nr. 1, stellt in diesem Fall die Abänderung unter die
einschränkende weitere Voraussetzung der Zumutbarkeit und enthält im Übri-
gen lediglich die Klarstellung, dass die Gesetzesänderung, soweit sie zu einer
Änderung der wesentlichen Verhältnisse führt, einen Abänderungsgrund im
vom 18. November 2009
- XII ZR 65/09 - FamRZ 2010, 111 Tz. 16). Im vorliegenden Fall hat sich indes-
sen durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 keine
Änderung ergeben. Im Hinblick auf den Aufstockungsunterhalt nach § 1573
Abs. 2 BGB war eine Befristung schon nach der zuvor bestehenden Gesetzes-
lage gemäß § 1573 Abs. 5 BGB (a.F.) zulässig. Die Änderung der Rechtspre-
chung zum Stellenwert der Ehedauer bei der Unterhaltsbefristung (Senatsurteil
vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006) betrifft den vorliegen-
den Fall nicht, weil § 36 Nr. 1, 2 EGZPO auf die Änderung der Rechtsprechung
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- abgesehen von deren Erheblichkeit im vorliegenden Fall - keine Anwendung
findet.
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Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Befristung des Unterhalts ist
demnach im Ergebnis jedenfalls nicht unangemessen kurz. Die unzutreffende
Anwendung von § 36 EGZPO beschwert die Beklagte als Revisionsklägerin
schließlich nicht.
Hahne Weber-Monecke
Prof. Dr. Wagenitz ist
urlaubsbedingt an der
Unterschrift verhindert.
Hahne
Klinkhammer
Schilling
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 28.09.2007 - 526 F 2789/07 -
OLG München, Entscheidung vom 31.07.2008 - 12 UF 1736/07 -