Urteil des BGH vom 14.07.2003

BGH (zpo, verhältnis zu, nebenintervenient, vergleich, verhältnis, gegner, aufhebung, gerichtskosten, mitwirkung, partei)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 15/02
vom
14. Juli 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Juli 2003 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Graf
beschlossen:
Unter Aufhebung des Beschlusses des 20. Zivilsenats des Ober-
landesgerichts Stuttgart vom 6. Juni 2002 unter Ziffer II 1 2. und 3.
Abs. wird der Antrag der Nebenintervenienten zu 1 [Dr. D.]
und zu 2 [Dipl.-Ing. B.] auf Festsetzung ihrer Kosten abgewie-
sen.
Die Nebenintervenienten zu 1 und zu 2 tragen die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens zu 54,4 % bzw. 45,6 %.
Beschwerdewert: 104.836,08
Gründe:
I. Der Kläger nahm als Konkursverwalter der A. AG den Beklagten in sei-
ner Eigenschaft als früheres Aufsichtsratsmitglied der A. AG auf Schadenersatz
in Anspruch. Der Beklagte verkündete in der ersten Instanz Herrn Dr. D.
und im Berufungsrechtszuge dem Sachverständigen Dipl.-Ing. B. den Streit,
die beide dem Rechtsstreit auf seiten des Beklagten beitraten. Ohne Mitwirkung
der beiden Streitverkündeten schlossen die Parteien vor dem Berufungsgericht
einen Vergleich, der hinsichtlich der Kosten folgende Regelung enthält:
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"Jede Partei trägt in beiden Instanzen ihre eigenen außergerichtli-
chen Kosten sowie die Hälfte der Gerichtskosten. ... Die Parteien
erklären ausdrücklich, daß durch diesen Vergleich weder dem ...
noch den beiden Nebenintervenienten auf seiten des Beklagten
Kostenerstattungsansprüche eingeräumt werden sollen."
Die Nebenintervenienten haben die Auffassung vertreten, daß zu ihren
Gunsten ungeachtet der Regelung im Vergleich der Parteien Kostenentschei-
dungen zu treffen sind; während der Nebenintervenient zu 1 beantragt hat,
nach § 91 a ZPO zu entscheiden, hat der Nebenintervenient zu 2 verlangt, die
Hälfte der durch seine Nebenintervention verursachten Kosten dem Kläger auf-
zuerlegen.
Das Berufungsgericht (OLG-Report Stuttgart 2003, 55 f.) hat die durch
die Nebenintervenienten zu 1 und zu 2 entstandenen Kosten jeweils zur Hälfte
ihnen selbst und im übrigen dem Kläger auferlegt. Dagegen wendet sich der
Kläger mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde.
II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Kläger ist nicht verpflichtet, die
Hälfte der den Nebenintervenienten des Beklagten entstandenen Kosten zu
tragen.
1. Mit Recht hat das Berufungsgericht seinen Beschluß auf § 101 ZPO
gestützt und sich an einer zugunsten der Nebenintervenienten ergehenden Ent-
scheidung nicht schon durch den Vergleich der Parteien gehindert gesehen, der
den Rechtsbeschwerdegegnern Kostenerstattungsansprüche ausdrücklich nicht
einräumen sollte. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 101 ZPO, der die
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Gleichstellung des Nebenintervenienten mit der von ihm unterstützten Haupt-
partei sicherstellen will ("Grundsatz der Kostenparallelität"), steht als gesetzli-
cher Anspruch ohne Mitwirkung des Nebenintervenienten nicht zur Disposition
der Prozeßparteien (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Januar 1967 - III ZR 15/64,
NJW 1967, 983).
2. Kommt es danach auf die Kostenregelung an, die die Parteien im Ver-
hältnis zueinander getroffen haben (§§ 101, 98 ZPO), kann dem Berufungsge-
richt nicht darin gefolgt werden, daß die vereinbarte Aufhebung der Kosten
(§ 92 ZPO) genauso zu behandeln ist wie eine Kostenteilung.
Das Berufungsgericht befindet sich mit seiner gegenteiligen Auffassung
zwar im Einklang mit der grundlegenden Entscheidung des V. Zivilsenats des
Bundesgerichtshofs vom 1. November 1960 (V ZR 47/55, NJW 1961, 460) und
der ihr weithin folgenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des
Schrifttums (vgl. z.B. OLG Celle, NJW-RR 2002, 140, OLGR 2001, 16 und
OLGR 2000, 60; OLG München, OLGR 2002, 17; OLG Koblenz, OLGR 2000,
17; OLG Bremen, OLGR 1998, 285; Zöller/Herget, ZPO 23. Aufl. § 101 Rdn. 23;
Thomas/Putzo, ZPO 24. Aufl. § 101 Rdn. 4), wenn es bei vergleichsweise gere-
gelter Kostenaufhebung zwischen den Hauptparteien dem Nebenintervenienten
einen Anspruch auf Ersatz der Hälfte seiner Kosten gegen den Gegner der un-
terstützten Hauptpartei zuerkennt.
Mit seinem nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung ergangenen
Beschluß vom 3. April 2003 (V ZB 44/02 - z.V. in BGHZ bestimmt) hat der
V. Zivilsenat jedoch die genannte Rechtsprechung aufgegeben. Er hat im An-
schluß an andere Entscheidungen von Oberlandesgerichten (vgl. OLG
Karlsruhe, NJW-RR 1997, 1293; OLG Dresden, NJW-RR 1999, 1668; OLG
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Frankfurt/Main, OLGR 2000, 156; OLG Stuttgart, NJW-RR 2002, 215; OLG
Frankfurt/Main, OLGR 1998, 363; OLG Celle, Anwaltsblatt 1983, 176; OLG
Nürnberg, Juristisches Büro 1988, 613; OLG Karlsruhe, OLGZ 86, 383; OLG
Nürnberg, MDR 1995, 533; OLG Karlsruhe, MDR 1997, 401; OLG Nürnberg,
BauR 2000, 1379) und strikt zwischen Kostenaufhebung und Kostenteilung
unterscheidend nunmehr ausgesprochen, daß der Nebenintervenient bei einer
Kostenaufhebung zwischen den Hauptparteien Kostenerstattung nicht verlan-
gen kann.
Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Der Streithelfer ist - wie die
Vorschrift in § 101 ZPO unter Bezugnahme auf § 98 ZPO belegt - an die durch
Vergleich vorgenommene Kostenquotierung im Verhältnis zwischen den Haupt-
parteien gebunden und damit ebenso zu behandeln, wie die von ihm unter-
stützte Hauptpartei. Kostenaufhebung bedeutet, daß jede Partei die Gerichts-
kosten je zur Hälfte und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst trägt
(vgl. hierzu zur Entstehungsgeschichte BGH, V. Zivilsenat, Beschl. v. 3. April
2003 aaO u. Zöller/Herget aaO, § 92 Rdn. 1; Musielak/Wolst, ZPO § 92 Rdn. 5).
Ebenso wie die unterstützte Hauptpartei von ihrem Gegner nicht Kostenerstat-
tung fordern kann, muß der Nebenintervenient/Streithelfer es als Konsequenz
seiner Rechtsstellung im Verhältnis zu den Parteien hinnehmen, daß auch er
die durch seine Beteiligung an dem Rechtsstreit entstandenen Kosten selbst
tragen muß. Daß dies die Folge der Vergleichsvereinbarungen zwischen den
Prozeßparteien ist, rechtfertigt nicht, in diesem Fall den Grundsatz der Kosten-
parallelität aufzugeben. Denn auch sonst muß der Nebenintervenient die für ihn
unter Umständen nachteiligen Auswirkungen von Prozeßhandlungen der
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Hauptpartei tragen und hat auch etwa in den Fällen der Klage- oder Rechts-
mittelrücknahme oder des Anerkenntnisses keine Möglichkeit, von dem Gegner
der Hauptpartei Erstattung seiner Kosten zu verlangen.
Röhricht Goette Kurzwelly
Münke Graf