Urteil des BGH vom 11.02.2010

BGH (vertrag, fonds, klausel, verhandlung, sache, haftung, anleger, gesellschafter, prospekt, gesellschaft)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 120/09
Verkündet
am:
11. Februar 2010
K i e f e r
Justizangestellter
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Februar 2010 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dörr,
Dr. Herrmann, Hucke und Tombrink
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 21. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts München vom 2. März 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger machen gegen den beklagten Wirtschaftsprüfer Ersatzan-
sprüche im Zusammenhang mit einer Beteiligung an der F. Z. GbR
geltend, die sie am 20. August 2003 zeichneten.
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Die Anlage wurde anhand eines von der Fondsgesellschaft herausgege-
benen Emissionsprospekts vertrieben. Unter anderem nach Nummer 10 der
darin enthaltenen Erläuterungen der rechtlichen Grundlagen des Fonds hatte
zur Absicherung der Kapitalanleger ein Wirtschaftsprüfer die Kontrolle über die
zweckgerechte Verwendung der Gesellschaftereinlage übernommen. Dem lag
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ein im Prospekt hinter dem Gesellschaftsvertrag als Anlage 2 abgedruckter Mit-
telverwendungskontrollvertrag zwischen der F. Z . GbR und dem dort
noch nicht benannten Wirtschaftsprüfer zugrunde. Dieser Vertrag enthielt ins-
besondere folgende Regelungen:
"§ 1 Sonderkonto
(1) Die Fonds-Gesellschaft richtet ein Sonderkonto bei einem
Kreditinstitut ein, über das sie nur gemeinsam mit dem Beauf-
tragten verfügen kann ("Sonderkonto"). Auf das Sonderkonto
sind die Gesellschaftereinlagen einzuzahlen und die von der
Fonds-Gesellschaft ausgereichten Darlehen zu tilgen.
§ 4 Haftung
(1) Dieser Vertrag wird als Vertrag zu Gunsten Dritter, und zwar
zu Gunsten aller Gesellschafter abgeschlossen. Die Gesell-
schafter können aus diesem Vertrag eigene Rechte herleiten.
(2) Schadensersatzansprüche gegen den Beauftragten können
nur geltend gemacht werden, wenn die Fonds-Gesellschaft
oder die Gesellschafter nicht auf andere Weise Ersatz zu er-
langen vermögen."
Weiter enthielt der Vertrag in § 1 Abs. 3 die Bedingungen, unter denen
Zahlungen von dem Sonderkonto geleistet werden durften und deren Einhal-
tung der Mittelverwendungskontrolleur zu überwachen hatte.
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Der Beklagte war Mitte März 2003 als Mittelverwendungskontrolleur ge-
wonnen worden und hatte mit der Fondsgesellschaft den im Prospekt wieder-
gegebenen Vertrag abgeschlossen.
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Nachdem Mitte Dezember 2004 wirtschaftliche Schwierigkeiten der
Fondsgesellschaft offen gelegt wurden, befindet sich diese seit Ende des Jah-
res 2005 in Liquidation. Die Kläger begehren von dem Beklagten im Wege des
Schadensersatzes die Rückzahlung der von ihnen geleisteten Einlage abzüglich
der aus der Liquidation erhaltenen Beträge Zug um Zug gegen Abtretung des
Anspruchs auf Auszahlung weiteren Liquidationserlöses. Ferner beantragen sie,
festzustellen, dass der Beklagte sich mit der Annahme der angebotenen Abtre-
tung in Verzug befinde und sie von möglichen noch bestehenden Verpflichtun-
gen aus der Beteiligung freizustellen habe. Sie werfen dem Beklagten unter an-
derem vor, er habe die ihm nach dem Vertrag übertragene Mittelverwendungs-
kontrolle nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Insbesondere habe die Fondsgesell-
schaft entgegen § 1 Abs. 1 des Mittelverwendungskontrollvertrags (im Folgen-
den: MVKV) und den Angaben im Prospekt ohne Mitwirkung des Beklagten ü-
ber die angelegten Gelder verfügen können.
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Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Ansprüche
weiter.
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Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des ange-
fochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-
richt.
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I.
Nach dessen Auffassung scheiden Forderungen gegen den Beklagten
wegen Verletzung seiner aus dem Mittelverwendungskontrollvertrag folgenden
Pflichten aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 MVKV aus. Diese
Klausel unterliege keiner AGB-Kontrolle, da sie zwischen der F. Z.
GbR und dem Beklagten individuell ausgehandelt worden sei.
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Deliktische Ansprüche scheiterten an nicht ausreichendem Sachvortrag.
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II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann sich der Beklagte
gegenüber den Anlegern - und damit auch gegenüber den Klägern - nicht auf
die Subsidiarität seiner Haftung gemäß § 4 Abs. 2 MVKV berufen. Die Klausel
ist insoweit nach § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB unwirksam, wie der Senat mit Urteil
vom 19. November 2009 (III ZR 108/08 - ZIP 2009, 2446, zur Veröffentlichung
in BGHZ vorgesehen) entschieden hat, das ein Urteil desselben Berufungsse-
nats zu demselben Beklagten, demselben Fonds, demselben Mittelverwen-
dungskontrollvertrag und zu einem auch ansonsten im Wesentlichen gleich ge-
lagerten Sachverhalt betraf. Danach gilt zusammengefasst Folgendes:
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1.
Bei § 4 Abs. 2 MVKV handelt es sich um eine der Inhaltskontrolle nach
§§ 307 ff BGB unterliegende Klausel. Zwar ist sie vordergründig eine einzeln
ausgehandelte Vertragsbestimmung, da sie - nach dem im Revisionsverfahren
zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand - individuell zwischen dem Beklag-
ten und der Fondsgesellschaft vereinbart worden ist. Allerdings handelt es sich
um eine Bestimmung, die für eine Vielzahl von vertraglichen Verhältnissen vor-
formuliert ist und die der Beklagte über die zwischen der Fondsgesellschaft und
den Anlegern geschlossenen Verträge gegenüber diesen verwendete. In der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass es für die An-
wendbarkeit des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht darauf
ankommt, ob derartige Klauseln Bestandteil eines zweiseitigen Vertrags sind.
Vielmehr können nach dem Schutzzweck des AGB-Rechts auch vorformulierte
Klauseln der Inhaltskontrolle unterliegen, die nicht im engen Sinne Vertragsbe-
dingungen sind, sofern sie im Zusammenhang mit einer vertraglichen Bezie-
hung stehen (Senat aaO S. 2446 Rn. 12 m.w.N.).
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Der Schutzzweck der §§ 305 ff BGB gebietet es, auch § 4 Abs. 2 MVKV
der Inhaltskontrolle zu unterwerfen (Senat aaO S. 2447 f Rn. 13 ff). Bei dem
Mittelverwendungskontrollvertrag handelt es sich um vorformulierte Bedingun-
gen, die Ausdruck einer die Vertragsfreiheit einschränkenden überlegenen Ver-
handlungsmacht des Beklagten und der Fondsgesellschaft gegenüber den An-
legern sind. Die Bedingungen des zwischen dem Beklagten und der Fondsge-
sellschaft geschlossenen Vertrags sollten nach den übereinstimmenden Vor-
stellungen der Beteiligten von vornherein gegenüber einer unbestimmten Viel-
zahl von Anlegern Verwendung finden, ohne dass eine Bereitschaft des Beklag-
ten oder der Fondsgesellschaft erkennbar war, über ihren Inhalt zu verhandeln.
Der Anleger sah sich damit in zumindest gleicher Weise den vorformulierten
Bedingungen des Drittschutzes ausgeliefert wie bei einem unmittelbaren Ver-
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tragsschluss mit dem Beklagten. Er hatte - wie bei Vertragsverhandlungen mit
ungleicher Gestaltungsmacht sonst auch - nur die Wahl, den Beitrittsvertrag
abzuschließen und den damit vermittelten Schutz durch die Mittelverwendungs-
kontrolle zu den vorformulierten Bedingungen in Anspruch zu nehmen oder auf
beides zu verzichten. Die inhaltliche Gestaltungsmacht lag insoweit einseitig bei
dem Beklagten sowie der Fondsgesellschaft (Senat aaO Rn. 14). Die Interes-
senlage des Anlegers ist in Bezug auf den Mittelverwendungskontrollvertrag
auch sonst mit der eines Vertragsschließenden vergleichbar, der im Hinblick auf
die Leistungen der Gegenseite eigene Dispositionen - hier den Beitritt zur
Fondsgesellschaft - vornimmt (Senat aaO S. 2448 Rn. 15).
2.
Die Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 MVKV ist, soweit die Ansprüche
der Anleger beschränkt werden, gemäß § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB unwirksam.
Eine nach § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB unzulässige Haftungsbegrenzung liegt
unter anderem vor, wenn der Gläubiger auch wegen Ersatzansprüchen auf-
grund grob fahrlässiger Pflichtverletzungen darauf verwiesen wird, seine Scha-
densersatzforderungen zunächst bei anderen, eventuell mithaftenden Personen
geltend zu machen (Senat aaO Rn. 16 m.w.N.). So liegt es hier. § 4 Abs. 2
MVKV nimmt Ansprüche aufgrund grob fahrlässiger Pflichtverletzungen nicht
von der Haftungseinschränkung aus.
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3.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Anwendung von § 309 Nr. 7
Buchst. b BGB auf § 4 Abs. 2 MVKV auch nicht aufgrund der Erwägung ausge-
schlossen, der durch den Vertrag begünstigte Anleger erwerbe nur ein ab-
gespaltenes Recht, das von vornherein nur in begrenztem Umfang bestehe, so
dass er durch die fragliche Klausel nicht in ihm an sich zustehenden Rechten
beschränkt werde (siehe zu den Einzelheiten Senat aaO Rn. 17 ff).
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III.
Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1
ZPO). Da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerich-
tig - keine Feststellungen zu den dem Beklagten vorgeworfenen Verletzungen
seiner aus dem Mittelverwendungskontrollvertrag folgenden Pflichten getroffen
hat, kann der Senat eine eigene Sachentscheidung nicht treffen. Die Sache war
daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-
rückzuverweisen. Dieses wird hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfol-
gen der Haftung des Beklagten auch die in dem in der Parallelsache III ZR
109/08 ergangenen Senatsurteil vom 19. November 2009 (ZIP 2009, 2448)
aufgestellten Grundsätze zu beachten haben. Gegebenenfalls wird es sich auch
mit den weiteren Rügen der Revision zu befassen haben, auf die nä-
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her einzugehen der Senat im derzeitigen Verfahrensstadium keine Veranlas-
sung sieht.
Schlick
Dörr
Herrmann
Hucke
Tombrink
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 07.08.2008 - 32 O 24902/07 -
OLG München, Entscheidung vom 02.03.2009 - 21 U 4670/08 -