Urteil des BGH vom 12.08.2008

BGH (menge, einfuhr, beihilfe, heroin, strafkammer, aufhebung, verhandlung, stpo, mitfahrer, verurteilung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 260/08
vom
12. August 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerde-
führers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
12. August 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Düsseldorf vom 28. November 2007 mit den zugehöri-
gen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Beihilfe zur Einfuhr mit Be-
täubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge und wegen Handeltreibens mit Betäu-
bungsmitteln (Fälle II. 1 und 2 der Urteilsgründe) verurteilt
worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Beihilfe zum Handeltrei-
ben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zu
deren Einfuhr" in zwei Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmit-
teln zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die
hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des An-
geklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Üb-
rigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 1 und 2 der Urteils-
gründe kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat die konkurrenzrechtli-
chen Auswirkungen einer von ihm als möglich festgestellten Sachverhaltsvari-
ante verkannt.
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Nach den Feststellungen führte der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteils-
gründe mit seinem Pkw und vier anderen Personen eine Einkaufsfahrt nach
Rotterdam durch. Nachdem zwei der Mitfahrer 50 Gramm Heroin zum Zwecke
des gewinnbringenden Weiterverkaufs erworben hatten, brachte der den Pkw
selbst steuernde Angeklagte seine Mitfahrer und die Betäubungsmittel nach
Düsseldorf zurück. Die Strafkammer vermochte nicht sicher festzustellen, ob
auch der Angeklagte bei dieser Einkaufsfahrt selbst Heroin für den Eigenkon-
sum oder zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs erworben hatte.
Im Fall II. 2 der Urteilsgründe verkaufte der Angeklagte etwa zwei Wochen nach
der Einkaufsfahrt rund acht Gramm Heroin gewinnbringend.
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Danach besteht die Möglichkeit, dass der Angeklagte das im Fall II. 2 der
Urteilsgründe veräußerte Heroin im Rahmen des von Fall II. 1 erfassten Ge-
schehens in Rotterdam zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs
erworben und sodann in die Bundesrepublik eingeführt hat. In diesem Falle wä-
ren die beiden, den Fällen II. 1 und 2 zugrunde liegenden Handlungen rechtlich
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als eine Tat im Sinne einer Bewertungseinheit anzusehen. Ausgehend vom
(weiten) Begriff des Handeltreibens erfasst die Rechtsfigur der Bewertungsein-
heit alle Betätigungen, die sich auf den Vertrieb desselben Betäubungsmittels
richten (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ-RR 2008, 88; BGH, Beschl. vom 23. Mai 2003
- 3 StR 134/03; Weber, BtMG 2. Aufl. vor §§ 29 ff. Rdn. 436 ff. m. w. N.). Der
Angeklagte hätte somit bereits mit dem Erwerb und der Einfuhr des Heroins den
Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die zum gewinnbringenden Wei-
terverkauf bestimmte Menge des Heroins erfüllt gehabt. Die nachfolgende Ver-
äußerung des Betäubungsmittels oder eines Teils davon wäre daher ein weite-
rer unselbständiger Teilakt der Bewertungseinheit. Dies hätte zur Folge, dass
die im Rahmen desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte - der
zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs erfolgte Erwerb in Rotter-
dam, die Einfuhr und die Veräußerung in Düsseldorf - keine mehrfache Verwirk-
lichung des Tatbestandes darstellten, sondern nur als eine Tat des Handeltrei-
bens anzusehen wären (vgl. Weber aaO §§ 29 ff. Rdn. 411, 440). Dieses stün-
de hier mit der vom Angeklagten verwirklichten Einfuhr von Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge und mit der den beiden Mitfahrern geleisteten Beihilfe
zu deren Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tat-
einheit. Damit erweist sich die Ansicht der Strafkammer, ihre (alternative) An-
nahme, der Angeklagte habe in Rotterdam selbst kein Heroin gekauft, könne
ausschließlich zu seinen Gunsten wirken (UA S. 25), als rechtsirrig.
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Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgrün-
de erfasst auch die beiden zugehörigen Einzelstrafen. Dies zieht die Aufhebung
des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Die Sache bedarf in
diesem Umfang neuer Verhandlung und Entscheidung.
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Der Senat weist darauf hin, dass nach den bisherigen Feststellungen im
Fall II. 1 der Urteilsgründe - aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts - rechtlich eine in Mittäterschaft begangene Einfuhr
von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bezüglich des von den Mitfah-
rern erworbenen Heroins nahe gelegen hätte.
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Becker Pfister von Lienen
Hubert Schäfer