Urteil des BGH vom 20.02.2014

BGH: mitbestrafte nachtat, mitbestrafte vortat, überweisung, betrug, inhaber, wiederherstellung, karte, straftat, überprüfung, bankguthaben

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 1 7 8 / 1 3
vom
20. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Februar
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Düsseldorf vom 14. Januar 2013 im Schuldspruch dahin
geändert, dass der Angeklagte wegen Urkundenfälschung in
Tateinheit mit Betrug oder Computerbetrug, wegen Computer-
betruges sowie wegen versuchten Computerbetruges in fünf
Fällen verurteilt ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in Tat-
einheit mit Betrug oder Computerbetrug, Computerbetruges in zwei Fällen so-
wie versuchten Computerbetruges in fünf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe
von zwei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die allgemei-
ne Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den
aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
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Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
versuchte der Angeklagte in zwei Fällen, durch die Einreichung gefälschter
Überweisungsträger die jeweiligen Banken zu veranlassen, ohne Wissen der
Kontoinhaber Überweisungen auf Fremdkonten vorzunehmen, für die er sich
wiederum ohne Wissen ihrer Inhaber EC-Karten und PIN-Nummern verschafft
hatte. Er hatte die Absicht, die - nach seiner Vorstellung nach maschineller Be-
arbeitung - überwiesenen Beträge nach der Gutschrift von den Zielkonten ab-
zuheben und für eigene Zwecke zu verwenden. Die Überweisungen wurden
allerdings nicht ausgeführt (Fälle II. 2. a) (1) und (2) der Urteilsgründe). In drei
weiteren Fällen versuchte er, an Geldautomaten Gelder abzuheben, die durch
Dritte in der beschriebenen Weise auf die jeweiligen Konten überwiesen wor-
den waren. Dies misslang (Fälle II. 2. a) (3), (4) und (5) der Urteilsgründe).
Schließlich reichte er am 27. September 2011 bei der Bank fünf
mit gefälschter Unterschrift versehene Überweisungsträger zu Lasten des Kon-
tos der Fa. D.
e.G. ein, mit denen insgesamt rund 5.000 € auf das Konto
eines anderen Kunden überwiesen und dort gutgeschrieben wurden. Ob die
Überweisung nach Prüfung durch einen Bankmitarbeiter oder maschineller
Überprüfung durchgeführt wurde, konnte nicht festgestellt werden (Fall II. 2. b)
(1) der Urteilsgründe). Der Angeklagte beabsichtigte, die Beträge vom Konto
des Kunden abzuheben, dessen EC-Karte und PIN er sich auf unbekanntem
Wege verschafft hatte. Diesen Entschluss setzte er noch am gleichen Tag um,
indem er im Abstand von einer Minute vom selben Geldautomaten einmal
550
€ und einmal 450 € abhob (Fälle II. 2. b) (2) und (3) der Urteilsgründe).
Das Landgericht hat den Fall II. 2. b) (1) der Urteilsgründe als Urkunden-
fälschung in Tateinheit mit Betrug oder Computerbetrug und die Fälle II. 2. b)
(2) und (3) der Urteilsgründe jeweils als Computerbetrug gewertet. Zur Begrün-
dung der von ihm angenommenen Tatmehrheit hat es u.a. ausgeführt, dass
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durch die jeweiligen Taten zwar allein die Bank geschädigt sei. Den-
noch sei das Abheben des Geldes keine mitbestrafte Nachtat zu der vorange-
gangenen manipulierten Überweisung, da hierdurch die zunächst durch das
Überweisen verursachte schadensgleiche Vermögensgefährdung der Bank
zum Schaden vertieft worden sei.
Die Verurteilung wegen versuchten Computerbetruges in den Fällen
II. 2. a) (1) bis (5) der Urteilsgründe sowie wegen Urkundenfälschung in Tatein-
heit mit Betrug oder Computerbetrug im Fall II. 2. b) (1) der Urteilsgründe be-
gegnet keinen durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken. Im Ergebnis zu
Recht hat das Landgericht auch angenommen, dass die letztgenannte Tat zu
dem als Computerbetrug gewerteten nachträglichen Abheben des Geldes in
den Fällen II. 2. b) (2) und (3) im Verhältnis der Tatmehrheit steht. Dagegen
hält der Schuldspruch wegen zweifachen Computerbetrugs in den Fällen
II. 2. b) (2) und (3) der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der
ausdrücklichen Erörterung bedürfen lediglich die folgenden Gesichtspunkte:
1. Die Urteilsgründe belegen nicht, dass der Angeklagte sich in den
Fällen II. 2. b) (2) und (3) der Urteilsgründe wegen zweier Fälle des Computer-
betruges (§ 263a Abs. 1 StGB) strafbar gemacht hat.
a) Nach den Feststellungen hob der Angeklagte mit der auf unbekannte
Weise erlangten EC-Karte des Kontoinhabers am gleichen Bankautomaten um
16.52 Uhr 550 € und um 16.53 Uhr 450 € von dem Konto ab, auf dem die nicht
autorisierten Überweisungen gutgeschrieben worden waren. Auf dieser Tatsa-
chengrundlage erweist sich die konkurrenzrechtliche Beurteilung der beiden
Abhebungen als zwei selbständige Taten als nicht tragfähig. Vielmehr stellen
sich die einzelnen, in kurzem zeitlichen Abstand getätigten Zugriffe an ein und
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demselben Geldautomaten nicht als selbständige Taten, sondern als in natürli-
cher Handlungseinheit stehende Teile einer einheitlichen Tat nach § 263a
Abs. 1 StGB dar (BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 2011 - 3 StR 432/10, juris
Rn. 19; vom 24. Juli 2012 - 4 StR 193/12, NStZ-RR 2013, 13). Mithin liegt ledig-
lich ein Computerbetrug vor.
b) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Dem steht
§ 265 StPO nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen den abweichenden
Tatvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
c) Damit entfällt eine der beiden Einzelstrafen von 60 Tagessätzen zu je
1 €. Der Gesamtstrafenausspruch hat dennoch Bestand. Die bloße Korrektur
des Konkurrenzverhältnisses hat keine Verringerung des Tatunrechts und des
Schuldgehalts in seiner Gesamtheit zur Folge (BGH, Beschluss vom 30. März
2004 - 4 StR 529/03, wistra 2004, 417, 418). Der Senat schließt deshalb aus,
dass das Landgericht vor dem Hintergrund der verbleibenden Einzelstrafen von
einem Jahr und neun Monaten, fünf Mal acht Monaten und 60 Tagessätzen die
Gesamtstrafe ohne die Verhängung einer weiteren Einzelstrafe von 60 Tages-
sätzen milder als geschehen zugemessen hätte (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
2. Bei den Fällen II. 2. b) (1) der Urteilsgründe - Urkundenfälschung in
Tateinheit mit Betrug oder Computerbetrug - einerseits und II. 2. b) (2) und (3)
der Urteilsgründe - Computerbetrug - andererseits handelt es sich um zueinan-
der im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB) stehende, materiellrechtlich
selbständige Straftaten, die insbesondere nicht als mitbestrafte Vor- oder Nach-
tat hinter die jeweils andere zurücktreten.
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a) Der durch das Abheben des Geldes verwirklichte Computerbetrug
bleibt nicht als mitbestrafte Nachtat straflos.
aa) Die mitbestrafte Nachtat ist eine selbständige, den Tatbestand eines
Strafgesetzes erfüllende rechtswidrige und schuldhafte Handlung, durch die der
Täter den Erfolg der Vortat oder die durch diese erlangte Position
sichert, ausnutzt oder verwertet. Sie bleibt straflos, wenn die Bewertung des
konkreten Sachverhalts ergibt, dass dieser nachfolgenden, an sich strafbaren
Handlung wegen ihres inneren - funktionalen - Zusammenhangs mit der (Vor-)
Haupttat kein eigener Unwertgehalt zukommt, so dass auch kein Bedürfnis be-
steht, sie neben der Haupttat selbständig zu bestrafen. Voraussetzung für die
Straflosigkeit der Nachtat ist, dass die Geschädigten der beiden Straftaten
identisch sind, die Nachtat kein neues Rechtsgut verletzt und der Schaden qua-
litativ nicht über das durch die Haupttat verursachte Maß hinaus erweitert wird
(BGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - 2 StR 69/07, NStZ 2008, 396 mwN).
bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die durch das Einreichen
gefälschter Überweisungsträger veranlasste Überweisung vom Konto der
D. e.G. auf das des anderen Bankkunden führte bei der D. e.G. ei-
nen Vermögensschaden im Sinne der §§ 263, 263a StGB herbei. Es kann da-
hinstehen, ob bereits durch diese Transaktion daneben auch die
Bank einen strafrechtlich relevanten Schaden erlitt. Diese wurde jedenfalls
(endgültig bzw. vertiefend) durch das unbefugte Abheben des Geldes geschä-
digt. Ob der betreffende Kontoinhaber beim Abheben des Geldes in der hiesi-
gen Fallkonstellation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass seinem Konto zu-
nächst ein Geldbetrag gutgeschrieben und dieser sodann abgehoben wird, ne-
ben der Bank als Geschädigter anzusehen ist, bedarf somit keiner Entschei-
dung. Im Einzelnen:
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(1) Mit dem Überweisungsauftrag erhält die Bank den Auftrag, zu Lasten
des Girokontos des Überweisenden eine Gutschrift auf einem Empfängerkonto
zu bewirken. Bei hausinternen Überweisungen erfolgt dies durch eine bankin-
terne Verrechnung, bei der der Betrag dem Empfängerkonto gutgeschrieben
wird. Das Buchgeld verbleibt dabei, da ein weiteres Kreditinstitut auf Seiten des
Empfängers der Gutschrift nicht beteiligt ist, bei der überweisenden Bank (vgl.
Trück in Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., Müller-Gugenberger/Bieneck, § 49
Rn. 43). Zwar erwirbt der Empfänger mit der Gutschrift auf seinem Konto, die
ein abstraktes Schuldversprechen begründet, einen Anspruch gegen die Bank
auf Auszahlung des Betrages. Doch ist die Bank damit nicht der Gefahr einer
zweifachen Forderung - durch den Inhaber des Überweisungskontos wie den
des Empfängerkontos - hinsichtlich des selben Betrages ausgesetzt. Denn ihr
steht bei Fehlbuchungen nach AGB-Banken Nr. 8 ein Stornorecht zu, das sie
ohne Beteiligung des Inhabers des Kontos, dem der Betrag fälschlicherweise
gutgeschrieben wurde, ausüben kann; diese Rückbuchung beseitigt den mate-
riellen Anspruch des Kontoinhabers aus dem abstrakten Schuldversprechen
(BGH, Beschlüsse vom 8. November 2000 - 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196,
201 f.; vom 6. März 2012 - 4 StR 669/11, StV 2012, 407, 408). Durch die nicht
autorisierte Überweisung wegen eines möglichen Zugriffs des Täters auf das
Zielkonto tritt somit allenfalls eine Vermögensgefährdung für die Bank ein (vgl.
BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 1995 - 1 StR 372/95, NStZ 1996, 203; vom
24. April 2007 - 4 StR 558/06, NStZ-RR 2007, 236 f.; vgl. auch Beschluss vom
6. März 2012 - 4 StR 669/11, StV 2012, 407, 408). Ob diese nach den Vorga-
ben aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Be-
schlüsse vom 10. März 2009 - 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370; vom 23. Juni
2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., NJW 2010, 3209) bereits einen Schaden im Sinne
der Tatbestände des Betrugs bzw. Computerbetrugs darstellt, erscheint
zweifelhaft. Einen insoweit relevanten Vermögensschaden erleidet die Bank
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aber spätestens dann, wenn das Geld - wie vorliegend - vom Täter an einem
Geldautomaten vom Empfängerkonto abgehoben wird. Denn das am Geldau-
tomaten abgehobene Bargeld wird aus dem Vermögen des Geldinstituts ausge-
folgt; ein Aufwendungsersatzanspruch gegenüber dem Kontoinhaber hat die
Bank bei unberechtigten Abhebungen nicht (BGH, Urteil vom 18. Juli 2007
- 2 StR 69/07, NStZ 2008, 396, 397).
(2) Durch die mittels eines gefälschten Überweisungsträgers veranlasste
Überweisung von ihrem Konto entstand (auch) der D. e.G. ein Schaden im
Sinne der §§ 263, 263a StGB. Zwar wird das Vermögen des Inhabers des
Überweisungskontos durch die Fehlbuchung materiell nicht vermindert, da er
seinen Anspruch aus dem Bankguthaben nicht verliert. Daneben kann er jeder-
zeit - unter Einhaltung der Frist des § 676b Abs. 2 BGB - nach § 675u Satz 2
BGB eine Wiederherstellung seines Kontostandes verlangen. Dennoch entsteht
ihm in Höhe des überwiesenen Betrages ein faktischer, messbarer wirtschaftli-
cher Nachteil. Der Inhaber des Überweisungskontos trägt nämlich das Risiko,
die Fehlbuchung überhaupt zu bemerken, um eine Wiederherstellung seines
Kontostandes verlangen zu können. Bis dahin weist sein Konto einen um den
abgebuchten Betrag verminderten Kontostand auf, was - wenn auch nur vo-
rübergehend - seine Bonität berührt und ihn jedenfalls faktisch daran hindert,
über diesen Betrag zu disponieren (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013
- 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119, 127). Das "Buchgeld" ist - solange die Wieder-
gutschrift aussteht - für den Kontoinhaber nicht verfügbar (BGH, Urteil vom
19. Juli 2001 - IX ZR 62/00, NJW 2001, 3190, 3191). Die unberechtigte Konto-
belastung kann im weiteren Verlauf auch zu Folgeschäden führen, etwa
dadurch, dass die Bank einen begebenen Scheck nicht einlöst, einen Wechsel
zu Protest gehen lässt oder eine Überweisung nicht ausführt, so dass sich der
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Kontoinhaber seinerseits Regressansprüchen ausgesetzt sehen kann (BGH,
Urteil vom 10. Juli 2001 - VI ZR 206/00, NJW 2001, 3183, 3184).
b) Umgekehrt erweist sich die manipulierte Überweisung des Geldbetra-
ges nicht im Verhältnis zum späteren unbefugten Abheben als mitbestrafte Vor-
tat.
Eine straflose mitbestrafte Vortat liegt vor, wenn diese das notwendige
oder regelmäßige Mittel zur Haupttat ist. Diese Voraussetzungen sind nicht ge-
geben; denn das unbefugte Abheben des Geldes von einem Konto erfordert
nicht notwendigerweise oder regelmäßig, dass auf dieses Konto zuvor von ei-
nem anderen mittels eines gefälschten Überweisungsträgers ein Geldbetrag
überwiesen wurde.
c) Da der Angeklagte nach alldem mit der manipulierten Überweisung
eine Straftat - jedenfalls auch - zum Nachteil der D. e.G. als Inhaberin des
Überweisungskontos und mit dem Abheben des Geldes am Bankautomaten
eine weitere Straftat mit einem eigenständigen Unwertgehalt - jedenfalls auch -
zum Nachteil der Bank begangen hat, hat er sich wegen Urkun-
denfälschung in Tateinheit mit Betrug oder Computerbetrug (zur Zulässigkeit
der Wahlfeststellung zwischen Betrug und Computerbetrug vgl. BGH, Be-
schluss vom 12. Februar 2008 - 4 StR 623/07, NStZ 2008, 281, 282) sowie we-
gen eines nachfolgenden Computerbetruges strafbar gemacht (zum entspre-
chend zu bewertenden Verhältnis zwischen betrügerischer Scheckeinlösung
und nachfolgenden Computerbetrug vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - 2 StR
69/07, NStZ 2008, 396, 397).
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3. Der geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt eine Ermäßigung der
Gebühr und die Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach
§ 473 Abs. 4 StPO nicht.
Schäfer Hubert Mayer
Gericke Spaniol
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