Urteil des BGH vom 20.11.2006

BGH (berechnungsgrundlage, vergütung, umfang, zuschlag, verordnung, festschrift, ergebnis, beschwerde, bezug, zeitpunkt)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 240/06
vom
18. September 2008
in dem Insolvenzverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter
Dr. Fischer
am 18. September 2008
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer
des Landgerichts Lüneburg vom 20. November 2006 wird auf Kos-
ten des vorläufigen Insolvenzverwalters als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
9.558,79 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 11. Mai 2000 bestellte das Amtsgericht den Rechts-
beschwerdeführer zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen des
Schuldners. Am 1. Dezember 2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und
der Rechtsbeschwerdeführer zum Insolvenzverwalter bestellt.
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Der
Rechtsbeschwerdeführer
beantragte, seine Vergütung als vorläufiger
Insolvenzverwalter auf 18.836,08 € festzusetzen. Als Berechnungsgrundlage
setzte er 70.000 € an, wobei er den Wert der mit Aus- und Absonderungsrech-
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ten belasteten Gegenstände einbezog. Er beantragte, die Regelvergütung um
Zuschläge von 25 % für die Betriebsfortführung, 5 % für die schwere Erreich-
barkeit des Schuldners und 25 % wegen eines versuchten außergerichtlichen
Vergleichs zu erhöhen, also auf 80 % der Regelvergütung des Insolvenzverwal-
ters festzusetzen.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 die Vergü-
tung auf insgesamt 9.277,29 € festgesetzt. Es ist von einer Berechnungsgrund-
lage von 70.000 € ausgegangen und hat einen Zuschlag von insgesamt 45 %
zuerkannt, diesen aber nicht auf den für den vorläufigen Insolvenzverwalter gel-
tenden Regelbruchteil von 25 % aufgeschlagen, was 70 % ergeben hätte, son-
dern aus der Regelvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters von 25 %
berechnet.
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Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit
Beschluss vom 20. November 2006 als im Ergebnis unbegründet zurückgewie-
sen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der vorläufige Insolvenzverwalter sei-
nen Vergütungsantrag in vollem Umfang weiter.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 64 Abs. 3, § 21 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) aber unzulässig. Weder hat
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entschei-
dung des Rechtsbeschwerdegerichts.
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1. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die Rechtssache sei von
grundsätzlicher Bedeutung, weil nach der Entscheidung des Beschwerdege-
richts am 29. Dezember 2006 die Zweite Verordnung zur Änderung der Insol-
venzrechtlichen Vergütungsverordnung in Kraft getreten sei. Abweichend von
der vom Landgericht zugrunde gelegten Rechtsprechung des Senats in BGHZ
165, 266 zur Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters seien infolge der
Änderung des § 11 InsVV die mit Aus- und Absonderungsrechten belasteten
Gegenstände in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen, wenn sich der vor-
läufige Insolvenzverwalter mit ihnen in erheblicher Weise befasst habe. Diese
Regelung habe Rückwirkung für alle nicht rechtskräftig abgeschlossenen Fest-
setzungsverfahren, also auch im vorliegenden Fall. Deshalb sei die Frage er-
heblich, ob sich derartige Gegenstände bei der Berechnungsgrundlage oder
durch einen Zuschlag auswirkten. Das Landgericht habe sich nicht mit der Fra-
ge befasst, ob sich der Rechtsbeschwerdeführer in erheblichem Umfang mit
Aus- und Absonderungsrechten befasst habe. Dies könne aber aufgrund des
Vorbringens des Rechtsbeschwerdeführers angenommen werden.
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2. Die aufgeworfene Frage ist nicht entscheidungserheblich.
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a) Für die Frage, ob Gegenstände, die mit Aus- und Absonderungsrech-
ten belastet sind, bei der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu be-
rücksichtigen sind, hat der Senat entschieden, dass auch nach der ersten Än-
derung der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung solche Gegenstände
nur berücksichtigt werden, wenn sich der vorläufige Insolvenzverwalter in er-
heblichem Umfang damit beschäftigt hat (BGHZ 165, 266, 271 f; 168, 321, 324
Rn. 6 ff). Hieran hat sich durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Insol-
venzrechtlichen Vergütungsverordnung nichts geändert. Nur wenn sich der vor-
läufige Insolvenzverwalter in erheblichem Umfang mit diesen Gegenständen
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befasst hat, sollen sie hiernach bei der Berechnungsgrundlage berücksichtigt
werden (§ 11 Abs. 1 Satz 4 InsVV n.F.). Hat er sich nicht in erheblichem Um-
fang damit befasst, können sie auch nach der Neufassung dieser Vorschrift kei-
ne Berücksichtigung finden (BGH, Beschl. v. 11. Oktober 2007 - IX ZB 15/07,
ZIP 2007, 2226, 2227 Rn. 5 ff; Vill in Festschrift Gero Fischer, 547, 557 f).
b) Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde im Ergebnis für unbe-
gründet angesehen, weil es die Berechnungsgrundlage mit lediglich 19.000 €
festgesetzt hat. Auch bei Zubilligung der beantragten 80 % der Regelvergütung
des Insolvenzverwalters ergebe sich damit eine geringere Vergütung als vom
Amtsgericht festgesetzt.
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Das mit Absonderungsrechten belastete Vermögen hat es nicht in die
Berechnungsgrundlage einbezogen, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2
Nr. 1 und 2 InsVV nicht vorlagen. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwer-
de nicht.
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Das Beschwerdegericht hat auf die genannte Rechtsprechung des Se-
nats abgestellt, wonach ein Zuschlag zu gewähren ist, wenn der vorläufige In-
solvenzverwalter durch die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten in
erheblichem Maße, also über das gewöhnliche Maß hinaus in Anspruch ge-
nommen worden ist. Es hat jedoch festgestellt, dass hierzu im Vergütungsan-
trag ausreichender Sachvortrag fehlt.
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Dies ist zutreffend. Der von der Rechtsbeschwerde in Bezug genomme-
ne Sachvortrag in dem Antrag auf Festsetzung der Vergütung vom 18. Oktober
2005 lässt eine erhebliche Befassung (vgl. zur Abgrenzung BGH, Beschl. v.
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28. September 2006 - IX ZB 230/05, ZIP 2006, 2134, 2136 Rn. 20 mit zahlrei-
chen Nachweisen) nicht erkennen.
Im Zeitpunkt der Antragstellung war zwar die Senatsentscheidung vom
14. Dezember 2005 (BGHZ 165, 266) noch nicht ergangen. Der Rechtsbe-
schwerdeführer hätte aber auch nach der von ihm zugrunde gelegten früheren
Rechtsprechung des Senats zu einer erheblichen Befassung vortragen müssen,
weil andernfalls die Vergütung bei Einbeziehung der mit Aus- und Absonde-
rungsrechten belasteten Gegenstände in die Berechnungsgrundlage entspre-
chend zu kürzen gewesen wäre (BGHZ 146, 165, 177).
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Dass das Beschwerdegericht einen Hinweis hätte erteilen müssen, wird
von der Rechtsbeschwerde nicht gerügt. Es wird auch nicht vorgetragen, was
der Rechtsbeschwerdeführer ergänzend hätte vorbringen können.
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c) Es kann deshalb weiterhin offen bleiben, ob die seit dem
29. Dezember 2006 geltende Zweite Verordnung zur Änderung der Insolvenz-
rechtlichen Vergütungsverordnung Rückwirkung entfalten kann für Verfahren,
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die - wie im vorliegenden Fall - vor dem 1. Januar 2004 eröffnet worden sind
(vgl. hierzu Vill in Festschrift Gero Fischer, 547, 565).
Ganter
Raebel
Vill
Lohmann
Fischer
Vorinstanzen:
AG Uelzen, Entscheidung vom 06.12.2005 - 7 IN 43/00 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 20.11.2006 - 3 T 51/06 -