Urteil des BGH vom 27.11.2008

BGH: wiedereinsetzung in den vorigen stand, verschulden, rechtspflege, verfügung, gewährleistung

5 StR 496/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 27. November 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2008
beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Land-
gerichts Hamburg vom 26. Oktober 2007 werden nach § 349
Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die von dem Angeklagten zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegebene Re-
visionsbegründung ist nicht innerhalb der einmonatigen Revisionsbegrün-
dungsfrist nach § 345 Abs. 1 StPO angebracht worden. Diese endete wegen
des dazwischen liegenden Wochenendes mit Ablauf des Montag, 11. Febru-
ar 2008. Tatsächlich trägt die Revisionsbegründungsschrift den 20. Febru-
ar 2008 als Eingangsstempel, den Tag, an dem der Rechtspfleger mit seiner
Unterschrift die Übernahme der Verantwortung für den Inhalt der Revisions-
begründung übernommen hat.
Dem Angeklagten, dessen Verteidiger nicht nur die allgemeine Sachrüge,
sondern auch Verfahrensrügen fristgerecht erhoben hat, war namentlich für
seine Verfahrensrügen von Amts wegen keine Wiedereinsetzung in den vori-
gen Stand zu gewähren. Ein amtliches Verschulden, das dazu genötigt hätte,
liegt nicht vor. Der Rechtspfleger hat vermerkt, die Revisionsbegründung sei
dem Rechtsantragsdienst am 6. Februar 2008 vorgelegt worden; ihre Bear-
beitung sei vom 6. Februar 2008 bis 20. Februar 2008 erfolgt. Angesichts der
vorliegenden vier Verfahrensakten, drei Sonderbände, eines Leitzordner-
Protokollbandes, des 105 Seiten umfassenden Urteils und einer – abgese-
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hen von der erhobenen allgemeinen Sachrüge – Verfahrensrügen aufwei-
senden Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten von 315 Seiten ist der
dokumentierte zeitliche Prüfungsumfang des Rechtspflegers nicht unverhält-
nismäßig lang. Dies gilt gerade unter Berücksichtigung folgenden Umstands:
das Recht eines Revisionsführers, die Revision zu Protokoll der Geschäfts-
stelle zu begründen, besteht nur innerhalb der normalen Dienststunden
(BGH NStZ 1996, 353; BGHR StPO § 45 Abs. 1 Satz 1 Frist 1). In diesem
Zusammenhang kann aber nicht erwartet werden, dass der Rechtspfleger
während seiner gesamten Dienststunden für die Prüfung der vorliegenden
Revisionsbegründung zur Verfügung steht. Denn zu berücksichtigen bleibt
das Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchti-
gen, nicht allein auf einen Angeklagten fokussierten Rechtspflege. Nichts
anderes gilt für den hier vorliegenden Fall, in dem der Angeklagte dem
Rechtspfleger eine von ihm, dem Angeklagten, verfasste Revisionsbegrün-
dungsschrift in dem oben beschriebenen Umfang vorlegt, die der Rechtspfle-
ger gewissenhaft zu prüfen hat, um dem Erfordernis einer gestaltenden Beur-
teilung gerecht zu werden.
Ein amtliches Verschulden ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt zu erken-
nen, dass der Rechtspfleger bei der Vorlage dieser Revisionsbegründungs-
schrift gehalten gewesen wäre, den „gerichtserfahrenen“ Angeklagten wäh-
rend der Überprüfungszeit darüber zu informieren, dass er seine Überprü-
fung nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist wird bewältigen können.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Eröffnung der Möglich-
keit einer Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle durch den
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verteidigten Angeklagten rechtsstaatlich nicht geboten ist (BGH
NStZ-RR
2008, 312; Senatsbeschluss vom 17. September 2008
– 5 StR 435/08).
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