Urteil des BGH vom 13.02.2003

BGH (absolute verjährung, ersitzung, eigentum, grundbuch, norm, eintragung, herausgabe, zpo, erlöschen, literatur)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 38/02
vom
13. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 13. Februar 2003 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke und Dr. Gaier
beschlossen:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Dresden vom 20. Dezember 2001 wird
nicht angenommen.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revi-
sion hat im Endergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg.
Die Frage, ob - wie das Berufungsgericht meint - Art. 237 § 2
Abs. 2 EGBGB nur dann eingreift, wenn bei Ablauf der
Ausschlußfrist noch Eigentum des Volkes oder des nach der Ab-
wicklung Zuordnungsberechtigten eingetragen war, ist nicht ent-
scheidungserheblich. Jedenfalls greift die Norm nicht ein, wenn
- wie hier - ein Dritter gutgläubig das Eigentum erworben hat und
in das Grundbuch eingetragen worden ist (vgl. auch Art. 237 § 2
Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 EGBGB), so daß eine Ersitzung nicht
mehr möglich ist.
Soweit die Revision unter Hinweis auf Schmidt/Gohrke, VIZ 2000,
697 ff, die Ansicht vertritt, daß die Norm immer schon dann ein-
greift, wenn vor dem 3. Oktober 1990 Eigentum des Volkes ein-
getragen und später ein anderer Eigentümer im Grundbuch ein-
getragen war, so verkennt sie, daß die zitierten Autoren das nur
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für den Fall annehmen, daß sich die Unrichtigkeit des Grund-
buchs auch bei Eintragung eines "anderen Eigentümers" fortsetzt.
Im hier vorliegenden Fall wird aber das Grundbuch mit Eintragung
des Gutgläubigen richtig. Dann tritt der gesetzliche Erwerb nach
Art. 237 § 2 EGBGB nicht mehr ein (Schmidt/Gohrke, VIZ 2000,
697, 698 bei Fn. 13).
Eine analoge Anwendung der Norm auf den entstandenen An-
spruch aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt nicht in Betracht.
Dies wäre mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar.
Mit Art. 237 § 2 EGBGB hat der Gesetzgeber darauf reagiert, daß
der Senat die Ersitzung von Volkseigentum, jedenfalls vor dem
31. Dezember 2005, verneint hat (BGHZ 132, 245; 136, 228). Er
wollte mit der Fristenregelung ein ähnliches Ergebnis erzielen, al-
so eine Art Buchersitzung (vgl. LG Rostock, VIZ 2002, 589, 591;
Böhringer, OV spezial 1999, 258; Schmidt/Gohrke, VIZ 2000, 697)
oder absolute Verjährung ohne Einredeerfordernis (vgl. Schnabel,
ZOV 1997, 384, 389). Wenn ein Bucheigentümer das Grundstück,
bevor er es ersessen hat, wirksam veräußert, bleibt er dem wah-
ren Eigentümer zur Herausgabe des Erlöses auch über den
- fiktiven - Ersitzungszeitpunkt hinaus verpflichtet. Er hätte die Er-
sitzung abwarten müssen. Soweit in Rechtsprechung und Litera-
tur diskutiert wird, ob und inwieweit schuldrechtliche Ansprüche
auf Herausgabe mit dem Erlöschen des dinglichen Herausgabe-
anspruchs infolge Ersitzung ebenfalls erloschen sind (RGZ 130,
69; Staudinger/Wiegand, BGB [1995], § 937 Rdn. 18 ff; Soer-
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gel/Mühl, BGB, 12. Aufl., § 937 Rdn. 7), geht es stets um Fälle, in
denen tatsächlich ersessen wurde, und um die Frage, ob vertrag-
liche Rückgewähransprüche oder Ansprüche aus Leistungskon-
diktion bestehen bleiben. Davon unterscheidet sich der vorliegen-
de Fall. Hier ist es nicht zur Ersitzung gekommen. Der Anspruch
aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB ist entstanden. Nur der Gesetzge-
ber hätte ihn ausschließen können. Das ist Art. 237 § 2 EGBGB
nicht zu entnehmen, und eine Analogie scheitert daran, daß ein
Ausschluß - wie die Parallele zur gewöhnlichen Ersitzung zeigt -
nicht zwingend ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97
Abs. 1 ZPO).
Wenzel Tropf Krüger
Lemke Gaier