Urteil des BGH vom 20.06.2006

BGH: nachlässigkeit, verrechnung, buchungsbeleg, stammeinlage, form, lebensversicherung, aufrechnung, einsichtnahme, schriftstück, pauschal

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Gericht:
OLG Frankfurt 18.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
18 U 127/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 529 Abs 1 Nr 2 ZPO, § 531
Abs 2 Nr 3 ZPO
(Berufungsverfahren: Zurückweisung aus Nachlässigkeit in
erster Instanz nicht gehaltenen neuen Vortrags)
Leitsatz
Zur Zurückweisung neuen Vortrags in der Berufung, der aus Nachlässigkeit nicht
bereits in der ersten Instanz gehalten wurde
Tenor
[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde
vom Gericht nicht mitgeteilt.]
Gründe
I.
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen
Urteil sowie der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen gemäß § 540
Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen,
da der Senat die Revision nicht zugelassen hat, die Beschwer der Beklagten
20.000,00 € nicht übersteigt und ein Rechtsmittel gegen das Urteil deshalb
unzweifelhaft nicht zulässig ist, vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf
die zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich Bezug genommen wird, zur
Zahlung von 12.782,30 € nebst Zinsen an den Kläger verurteilt. Auch das
Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung der Sach- und
Rechtslage.
Der Senat hat hierzu in seinem Beschluss vom 10. April 2006 (Bl. 133 ff. d. A.), mit
dem er den Antrag der Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die
zweite Instanz zurückgewiesen hat, ausgeführt:
„Die darlegungs- und gegebenenfalls beweispflichtige Beklagte hat nicht
ausreichend vorgetragen, wann und unter welchen Umständen sie die zweite
Hälfte der von ihr zu erbringenden Stammeinlage an die Insolvenzschuldnerin
geleistet hat. Ihr diesbezügliches Vorbringen entbehrt ausreichender Substanz.
Eine Beweisaufnahme kommt deshalb auch in zweiter Instanz nicht in Betracht.
Nach den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, von denen
abzuweichen im vorliegenden Fall kein Anlass besteht, genügt der Hinweis der
Beklagten auf die Bilanzen für die Jahre 1998 und 1999 ebenso wenig wie die
Bezugnahme auf den in erster Instanz vorgelegten „Buchungsbeleg“ (Bl. 44 d. A.)
oder der mit Schriftsatz vom 14. September 2005 (Bl. 49 f. d. A.) erstmals
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oder der mit Schriftsatz vom 14. September 2005 (Bl. 49 f. d. A.) erstmals
gehaltene pauschale Vortrag, es habe eine Verrechnung mit Steuerguthaben der
Beklagten für die Jahre 1995 bis 1998 bei dem Finanzamt O1 stattgefunden.
Beweiserleichterungen für die Beklagte kommen nicht in Betracht. Ihr war es
vielmehr durchaus zumutbar, gegebenenfalls nach Einsichtnahme in die bei dem
Kläger befindlichen Unterlagen, ausreichende Einzelheiten zu diesen nicht allzu
lange zurückliegenden Vorgängen vorzutragen. So bleibt es zum Beispiel unklar, in
welcher Höhe die behaupteten Steuerguthaben bestanden und ob die
Verrechnung auf einmal oder in mehreren Etappen erfolgte.
Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob die pauschal behauptete
Verrechnung mit den Grundsätzen des § 19 GmbHG vereinbar war. Die von der
Beklagten in dem erstinstanzlichen Rechtsstreit hilfsweise erklärte Aufrechnung
mit angeblichen Ansprüchen aus einer Lebensversicherung hat das Landgericht zu
Recht wegen eines Verstoßes gegen § 19 Abs. 2 GmbHG als nicht durchgreifend
angesehen.“
Hieran hält der Senat fest.
Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten in dem späteren
Schriftsatz vom 25. April 2006 (Bl. 142 ff. d. A.) ist eine Abänderung des
erstinstanzlichen Urteils nicht veranlasst.
Soweit dieser Schriftsatz neuen, von dem Kläger insbesondere mit dessen
nachgelassenem Schriftsatz vom 16. Mai 2006 (Bl. 177 f. d. A.) bestrittenen
Tatsachenvortrag enthält, ist dieser gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 Nr. 3
ZPO der Entscheidung nicht zugrunde zu legen, da er aus Nachlässigkeit nicht
bereits im ersten Rechtszug gehalten worden ist. Die Beklagte hat sich in ihrer
Klageerwiderung vom 16. Juni 2005 (Bl. 18 ff. d. A.) lediglich mit dem Inhalt der
Bilanzen der Jahre 1998 und 1999 sowie einem als „Buchungsbeleg“ bezeichneten
Schriftstück vom 24. August 1999 (Bl. 44 d. A.) verteidigt. Das Landgericht hat sie
sodann in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2005 (Bl. 46 d. A.) darauf
hingewiesen, dass sie darzulegen habe, wann und in welcher Form sie die als
Bareinlage zu erbringende restliche Stammeinlage eingezahlt haben wolle. Mit
Schriftsatz vom 14. September 2005 (Bl. 49 ff. d. A.) hat die Beklagte sodann
vorgebracht, private Steuerguthaben seien der Insolvenzschuldnerin
gutgeschrieben und von dem damaligen Steuerberater als Stammkapital gebucht
worden, ohne insoweit konkrete Einzelheiten vorzutragen. Dass sie weiteren
Sachvortrag erst in der zweiten Instanz mit Schriftsatz vom 25. April 2006 (Bl. 142
ff. d. A.) gehalten hat, ist als fahrlässig und damit nachlässig im Sinne des § 531
Abs. 2 Nr. 3 ZPO anzusehen. Die Beklagte hat die Verspätung des Vortrages nicht
erklärt. Soweit sie in erster Instanz darauf verwiesen hat, die entsprechenden
Unterlagen befänden sich bei dem Kläger, ist dies unbeachtlich. Zum einen hätte
die Beklagte die betreffenden Unterlagen einsehen können. Zum anderen war es
offensichtlich möglich, den neuen Vortrag auch ohne entsprechende Einsicht
gleichwohl zu halten. So hat die Beklagte nunmehr etwa die Kopie eines
„Gesellschafterbeschlusses vom 24. August 1999“ (Bl. 174 d. A.) vorgelegt, ohne
allerdings darzulegen, warum dies nicht bereits in erster Instanz zusammen mit
dem „Buchungsbeleg“ vom selben Tage geschehen konnte.
Die Beklagte wäre im Übrigen auch gehalten gewesen, den neuen Vortrag mit der
Berufungsbegründung zu halten. Nachdem das Landgericht sie insoweit bereits
auf ihre Darlegungspflicht hingewiesen hatte und dieser Umstand der tragende
Grund des erstinstanzlichen Urteils gewesen war, bedurfte es nicht auch noch
eines weiteren ausdrücklichen rechtlichen Hinweises durch den Senat.
Der Vortrag der Beklagten wäre im Übrigen, auch wenn man ihn zuließe,
insgesamt nicht ausreichend. Der Senat verweist zur Begründung in diesem
Zusammenhang zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in dem Schriftsatz
des Klägers vom 16. Mai 2006 (Bl. 177 f. d. A.), denen er sich anschließt. Hinzu
kommt, dass der Vortrag der Beklagten auch widersprüchlich ist. Mit Schriftsatz
vom 14. September 2005 (Bl. 49 d. A.) hat sie noch behauptet, die der
Gesellschaft gutgeschriebenen Steuerguthaben seien über den als restliche
Einlage zu leistenden Betrag von 25.000,00 DM hinausgegangen. Mit Schriftsatz
vom 25. April 2006 (Bl. 142 ff. d. A.) trägt sie angebliche
Steuerrückerstattungsansprüche von insgesamt nur 7.526,42 DM vor und
behauptet, im Übrigen seien mehrere Privatdarlehen gewährt worden bzw.
Bareinzahlungen erfolgt. In dem als Beleg nunmehr ebenfalls vorgelegten
angeblichen „Gesellschafterbeschluss vom 24. August 1999“ (Bl. 174 d. A.) ist
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angeblichen „Gesellschafterbeschluss vom 24. August 1999“ (Bl. 174 d. A.) ist
wiederum ausschließlich von verschiedenen kurzfristigen Darlehen mit einem
Gesamtbetrag von 48.263,37 DM die Rede, ohne dass irgendwelche
Steuerrückerstattungsansprüche auch nur erwähnt sind. Ein derartiger
Sachvortrag ist einer Beweisaufnahme nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.
10, 711, 713 ZPO, §§ 542, 543, 544 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO
nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch
erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.