Urteil des BGH vom 02.07.2014

BGH: gleichartige idealkonkurrenz, erwerb, abholung, übermittlung, lieferung, amphetamin, marihuana, gesamtstrafe, strafzumessung, urlaub

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 S t R 1 8 8 / 1 4
vom
2. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 2. Juli 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Paderborn vom 4. Februar 2014
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte
des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem
Erwerb von Betäubungsmitteln in zwei Fällen, des uner-
laubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tatein-
heit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in
zehn Fällen sowie des unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in fünf Fällen schuldig ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaub-
tem Erwerb von Betäubungsmitteln in 21 Fällen und wegen unerlaubten Han-
deltreibens mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen, davon in zehn Fällen in Tatein-
heit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, zu der Gesamtfreiheits-
strafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich
der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts ge-
stützten Revision. Der Generalbundesanwalt beantragt ausweislich der Ausfüh-
rungen in der Antragsschrift zur Begründung seines Teilaufhebungsantrags die
Aufhebung des angefochtenen Urteils im Strafausspruch. Das Rechtsmittel
führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und in deren Folge zur Aufhebung
des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO.
1. Die Annahme von 20 selbständigen, real konkurrierenden Taten des
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in den Fällen II.1.
bis 20. der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
a) Nach den Feststellungen kaufte der Angeklagte in der Zeit von No-
vember 2010 bis März 2011 in mindestens 19 Fällen von seinem Lieferanten
jeweils 100 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 12 % und
50 g Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 6 %, das zur ge-
winnbringenden Weiterveräußerung und lediglich zu einem geringen Teil zum
Eigenkonsum bestimmt war. Der Angeklagte erhielt die Betäubungsmittel auf
Kommissionsbasis und musste bei Abholung der neuen Lieferung jeweils die
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vorangegangene bezahlen (II.1. bis 19. der Urteilsgründe). Bei einem weiteren
Kommissionsgeschäft in dem genannten Tatzeitraum bezog der Angeklagte
250 g Marihuana und 150 g Amphetamin jeweils der vorgenannten Qualität, das
er überwiegend gewinnbringend weiterverkaufte und zu einem kleinen Teil
selbst konsumierte.
b) Da der
– weit auszulegende (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005
– 1 GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 262) – Begriff des Handeltreibens mit Betäu-
bungsmitteln nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowohl das
Aufsuchen des Lieferanten zur Abholung einer verabredeten Lieferung zur Wei-
terveräußerung vorgesehener Betäubungsmittel als auch die Übermittlung des
für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abneh-
mer zum Lieferanten tatbestandlich erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013
– 4 StR 418/12, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 14 mwN), sind
die objektiven Ausführungshandlungen der jeweils unmittelbar aufeinander fol-
genden Umsatzgeschäfte teilweise identisch. Denn das Aufsuchen des Liefe-
ranten diente nach den Feststellungen jeweils zugleich der Übermittlung des
Entgelts für die vorangegangene und der Abholung der vereinbarten neuer-
lichen Betäubungsmittellieferung. Die Teilidentität der Ausführungshandlungen
der jeweils unmittelbar aufeinander folgenden Umsatzgeschäfte hat zur Folge,
dass sämtliche auf die einzelnen Handelsmengen bezogenen tatbestandlichen
Bewertungseinheiten des Handeltreibens im Wege der gleichartigen Ideal-
konkurrenz zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge verknüpft sind (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013
– 4 StR 418/12 aaO; Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 223/13, NStZ-RR
2014, 144; Beschluss vom 22. Januar 2010
– 2 StR 563/09, NStZ 2011, 97).
Durch das einheitliche Delikt des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungs-
mitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG werden die tat-
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einheitlich verwirklichten, an sich rechtlich selbständigen 20 Taten des uner-
laubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG
zu einer Erwerbstat verklammert, sodass sich der Angeklagte in den Fällen II.1.
bis 20. der Urteilsgründe insgesamt wegen einer Tat des unerlaubten Handel-
treibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit uner-
laubtem Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig gemacht hat.
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend, wobei nach § 260
Abs. 4 Satz 5 StPO davon abgesehen wird, die gleichartige Idealkonkurrenz in
der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. § 265 StPO steht nicht entgegen,
da sich der umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen
hätte verteidigen können.
2. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der für die Taten II.1.
bis 20. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Der
Senat hebt auch die Einzelstrafen für die Taten II.21. bis 36. der Urteilsgründe
auf, um dem neuen Tatrichter eine insgesamt abgestimmte Strafzumessung zu
ermöglichen. Die dem Strafausspruch zugrunde liegenden tatsächlichen Fest-
stellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in
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Widerspruch stehende Feststellungen durch den neuen Tatrichter bleiben mög-
lich.
Sost-Scheible
Cierniak
RiBGH Dr. Franke befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Cierniak
Bender
Quentin