Urteil des BGH vom 10.05.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 128/04
Verkündet am:
10. Mai 2005
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
ZPO § 130 Nr. 6, § 520 Abs. 5
a) Die in Computerschrift erfolgte Wiedergabe des Vor- und Nachnamens des
Prozeßbevollmächtigten unter einer als Computerfax übermittelten Berufungs-
begründungsschrift stellt keine den Anforderungen des § 130 Nr. 6 2. Halbs.
ZPO genügende Wiedergabe der Unterschrift dar.
b) Das Fehlen der Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten unter der Berufungs-
begründungsschrift kann ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus an-
deren, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der Unter-
schrift vergleichbare Gewähr dafür ergibt, daß der Rechtsmittelanwalt die Ver-
antwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernommen und
diese willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat. Dabei sind nur spätestens
bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist dem Berufungsgericht bekannt
gewordene Umstände berücksichtigungsfähig.
BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 10. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Braunschweig vom 26. Februar
2004 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Berufung sowie dar-
über, ob den Klägern wegen einer Versäumung der Frist zur Berufungs-
begründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 10. April 2003
ganz überwiegend abgewiesen. Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtig-
ten der Kläger am 14. April 2003 zugestellt worden. Die Berufung der
Kläger ist am 7. Mai 2003 eingegangen, die Berufungsbegründungsfrist
bis zum 16. August 2003 verlängert worden. Am 18. August 2003, einem
Montag, ist beim Berufungsgericht als Computer-Fax eine Berufungsbe-
gründung eingegangen, die eine eingescannte Unterschrift des Prozeß-
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bevollmächtigten der Kläger nicht enthält. Der Schriftsatz schließt auf der
letzten Seite mit dem in der gleichen Computerschrift geschriebenen
Vor- und Nachnamen des Prozeßbevollmächtigten der Kläger sowie der
Bezeichnung "Rechtsanwalt". Am 25. August 2003 ist die Berufungsbe-
gründung per Post nochmals beim Berufungsgericht eingegangen, und
zwar mit der handschriftlichen Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten
der Kläger.
Auf den gerichtlichen Hinweis vom 28. Oktober 2003, daß die am
18. August 2003 als Fax eingegangene Berufungsbegründungsschrift
nicht unterschrieben sei, haben die Kläger am selben Tage vorsorglich
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Kläger machen
geltend, zur Fristwahrung reiche die Berufungsbegründungsschrift auch
ohne eine eingescannte Unterschrift aus. Aus der Begründungsschrift
lasse sich auch so die Urheberschaft des Prozeßbevollmächtigten und
sein Wille, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, entnehmen. Zur
Begründung des Wiedereinsetzungsantrages tragen die Kläger vor, daß
ihr Prozeßbevollmächtigter die Berufungsbegründungsschrift als Fax um
18.36 Uhr mit allen 26 Seiten versandt habe, und zwar auf der letzten
Seite oberhalb der Wiedergabe seines Namens mit seiner eingescannten
Unterschrift.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Berufungsgericht den Antrag
der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen
und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die
Revision der Kläger, die das Berufungsgericht nur beschränkt zugelas-
sen hat.
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Entscheidungsgründe:
A.
Die Revision ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Zwar hat das Berufungsgericht im Urteilstenor und in den Ent-
scheidungsgründen die Revision nur zugelassen, "soweit die Berufung
als unzulässig verworfen worden ist". Diese Beschränkung der Zulas-
sung der Revision ist aber unzulässig. Die Zulassung der Revision kann
nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur auf einen
tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes be-
schränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der
Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGHZ 101,
276, 278 f.; 111, 158, 166, st.Rspr.). Unzulässig ist es hingegen, die Zu-
lassung der Revision auf eine bestimmte Rechtsfrage oder ein Entschei-
dungselement des Urteils zu beschränken (BGHZ 90, 318, 320; 101,
aaO; BGH, Urteil vom 26. März 1982 - V ZR 149/81, NJW 1982, 1535
m.w.Nachw.). Da auch die Frage der Zulässigkeit der Berufung ein sol-
ches nicht selbständig anfechtbares Urteilselement darstellt, ist die Be-
schränkung der Zulassung der Revision auf diese Frage unzulässig
(BGH, Urteile vom 6. Mai 1987 - IVb ZR 52/86, NJW 1987, 3264 f. und
vom 3. Mai 2001 - XII ZR 62/99, NJW 2001, 2259).
Fehlt es danach an einer wirksamen Beschränkung der Zulassung,
so ist allein die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam, die
Revision daher unbeschränkt zugelassen (Senatsurteile vom 20. Mai
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2003 - XI ZR 248/02, WM 2003, 1370, 1371, vom 23. September 2003
- XI ZR 135/02, W M 2003, 2232, 2233, vom 20. April 2004 - XI ZR
171/03, W M 2004, 1230, 1231 und vom 26. Oktober 2004 - XI ZR
255/03, WM 2005, 127, 128). Die von den Klägern hinsichtlich der Ver-
sagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhobene Nichtzu-
lassungsbeschwerde ist damit gegenstandslos.
B.
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht (NJW 2004, 2024) hat im wesentlichen aus-
geführt:
Die Berufung sei unzulässig, weil die Kläger sie innerhalb der bis
zum 18. August 2003 laufenden Berufungsbegründungsfrist nicht wirk-
sam begründet hätten. Wirksamkeitsvoraussetzung hierfür sei eine ein-
gescannte Unterschrift oder zumindest ein Vermerk, daß eine Unter-
zeichnung wegen der gewählten Übertragungsform nicht erfolgen könne.
Die an ein Oberlandesgericht gerichtete Berufungsbegründung bedürfe
nach § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6, § 78 Abs. 1 ZPO grundsätzlich der Un-
terschrift eines bei einem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsan-
walts. Das Erfordernis der Unterschrift solle gewährleisten, daß der
Schriftsatz tatsächlich vom Prozeßbevollmächtigten herrühre, dieser für
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seinen Inhalt die Verantwortung übernehme und daß der Wille, das
Schriftstück in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher festgestellt
werden könne. Darauf, ob ohne die Unterschrift in einem dieser drei
Punkte Zweifel bestünden, komme es nach der bisherigen Rechtspre-
chung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht an.
Bei der Einlegung und Begründung von Berufungen durch Telefax
(Telekopie) sei die Übermittlung des unterschriebenen anwaltlichen
Schriftsatzes per Kopie erforderlich; dabei reiche die kopierte Unter-
schrift aus, sei aber auch notwendig. Hier sei die Berufungsbegründung
durch ein sogenanntes Computer-Fax erfolgt. Diese Art der Übermittlung
bestimmender Schriftsätze sei durch den Beschluß des Gemeinsamen
Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 aner-
kannt. Danach sei aber erforderlich, daß die Person des Erklärenden da-
durch eindeutig bestimmt werde, daß seine Unterschrift in dem Compu-
ter-Fax eingescannt oder darin der Hinweis enthalten sei, daß der be-
nannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unter-
zeichnen könne. Auch ein derartiger Hinweis fehle hier. Über diese groß-
zügige Handhabung könne nicht hinausgegangen und deshalb auf die
Unterschrift bzw. ein Unterschriftssurrogat nicht völlig verzichtet werden.
Insbesondere reiche der in gleicher Schrift wie im Schriftsatz verwendete
darunter gesetzte Name des Prozeßbevollmächtigten nicht aus.
Das Berufungsgericht könne aus Gründen der Rechtssicherheit
nicht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgen, nach
der sich bei Fehlen einer erforderlichen Unterschrift die Erfüllung der
Formerfordernisse nach den Umständen des Einzelfalls bestimme. W ür-
de in vorliegendem Fall auf das Erfordernis einer eingescannten Unter-
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schrift oder eines Vermerks, daß wegen der Übermittlung in elektroni-
scher Form das Schriftstück nicht unterschrieben werde, verzichtet, so
wäre das Unterschriftserfordernis für das Computer-Fax hinfällig, aber
auch bei herkömmlich übermittelten Schriftsätzen kaum mehr zu rechtfer-
tigen.
Der Wiedereinsetzungsantrag sei unbegründet. Es sei nicht glaub-
haft gemacht, daß ein Bedienungsfehler des Prozeßbevollmächtigten der
Kläger als Ursache für das Fehlen der eingescannten Unterschrift aus-
scheide.
II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung im
Ergebnis stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung der
Kläger als unzulässig verworfen, weil die Berufung innerhalb der Beru-
fungsbegründungsfrist nicht wirksam begründet worden ist (1.). Auch die
Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Ver-
säumung der Berufungsbegründungsfrist ist rechtlich nicht zu beanstan-
den (2.).
1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
und vor ihm schon des Reichsgerichts (RGZ 31, 375, 377; 151, 82, 83;
BGHZ 37, 156, 157; 92, 251, 255 f.; 97, 283, 284 f.) muß die Berufungs-
begründung als bestimmender Schriftsatz die Unterschrift des für sie ver-
antwortlich Zeichnenden tragen. Die Unterschrift ist grundsätzlich Wirk-
samkeitserfordernis. Sie soll die Identifizierung des Urhebers der schrift-
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lichen Prozeßhandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum
Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsat-
zes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (BGHZ 37, 156,
157; 75, 340, 349; 97, 283, 285). Das letztgenannte Erfordernis soll si-
cherstellen, daß es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf
handelt, sondern daß es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem
Gericht zugeleitet worden ist (BGHZ 75, 340, 349; 144, 160, 162). Für
den Anwaltsprozeß bedeutet dies, daß die Berufungsbegründung von
einem dazu Bevollmächtigten und bei dem Prozeßgericht zugelassenen
Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfaßt, aber nach eigenverantwortlicher
Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muß (BGHZ 97, 251, 253 f.;
BGH, Urteile vom 29. Oktober 1997 - VIII ZR 141/97, NJW-RR 1998, 574
und vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, NJW 2003, 2028).
b) Hat die Rechtsprechung bisher grundsätzlich für bestimmende
fristwahrende Schriftsätze zur Sicherstellung dieser prozeßrechtlichen
Anforderungen die handschriftliche Unterschriftsleistung des Berechtig-
ten verlangt, so sind doch hiervon vor allem im Hinblick auf den techni-
schen Fortschritt in einem erheblichen Umfang Ausnahmen zugelassen
worden. So hat die Rechtsprechung bereits früh die Übermittlung einer
Rechtsmittelschrift und anderer bestimmender Schriftsätze durch ein Te-
legramm oder mittels Fernschreiben für zulässig erachtet (vgl. die Nach-
weise bei BGHZ 144, 160, 162 ff.). Auch die Übermittlung fristwahrender
Schriftsätze per Telefax ist in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt
zulässig (vgl. BGHZ 144, 160, 164 m.w.Nachw.). Für eine - wie hier -
durch Computer-Fax übermittelte Berufungsbegründung hat der Gemein-
same Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes am 5. April 2000 ent-
schieden (BGHZ 144, 160), daß in Prozessen mit Vertretungszwang be-
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stimmende Schriftsätze formwirksam durch elektronische Übertragung
einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Ge-
richts übermittelt werden können. Zur Begründung hat er ausgeführt
(aaO S. 165), der Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und insbe-
sondere die Verläßlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, könne auch im
Falle einer derartigen elektronischen Übermittlung gewahrt werden. Ent-
spreche ein bestimmender Schriftsatz inhaltlich den prozessualen Anfor-
derungen, so sei die Person des Erklärenden in der Regel dadurch ein-
deutig bestimmt, daß seine Unterschrift eingescannt oder der Hinweis
angebracht sei, daß der benannte Urheber wegen der gewählten Über-
tragungsform nicht unterzeichnen könne.
c) Nach § 130 Nr. 6 1. Halbs. ZPO sollen die vorbereitenden
Schriftsätze die Unterschrift der Person enthalten, die den Schriftsatz
verantwortet. Halbs. 2 dieser von der Rechtsprechung für bestimmende
Schriftsätze stets als zwingend angesehenen Vorschrift fordert bei
Übermittlung durch einen Telefax-Dienst (Telekopie) "die Wiedergabe
der Unterschrift in der Kopie". Der Wortlaut des § 130 Nr. 6 ZPO beruht
auf der Neufassung durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Anpassung der
Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den mo-
dernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542).
Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz (BT-
Drucks. 14/4987, S. 23) ist eine Korrektur der Rechtsprechung zum Un-
terschriftserfordernis nicht beabsichtigt; dies sei im Hinblick auf die Ent-
scheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des
Bundes vom 5. April 2000 nicht geboten. In der Gegenäußerung der
Bundesregierung (BT-Drucks. 14/4987, S. 43 f.) zur Stellungnahme des
Bundesrates werden Inhalt und Begründung des Beschlusses des Ge-
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meinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April
2000 ausführlich wiedergegeben. Wenn der Gesetzgeber dann in der
Neufassung des § 130 Nr. 6 2. Halbs. ZPO in Kenntnis dieser Recht-
sprechung und der technischen Entwicklung für den Fall der Übermitt-
lung eines Schriftsatzes durch ein Telefax ausdrücklich "die Wiedergabe
der Unterschrift in der Kopie" verlangt, spricht angesichts des eindeuti-
gen Gesetzestextes sehr viel dafür, daß die vom Gemeinsamen Senat
der obersten Gerichtshöfe des Bundes für den Fall eines Computer-
Faxes für zulässig gehaltene Ersetzung der Unterschrift durch den Hin-
weis, daß der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform
nicht unterzeichnen könne, nicht mehr als zulässig angesehen werden
kann (so Musielak/Stadler, ZPO 4. Aufl. § 129 Rdn. 11; Stein/Jonas/
Leipold, ZPO 22. Aufl. § 130 Rdn. 49; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zi-
vilprozeßrecht 16. Aufl. § 65 Rdn. 14; Hannich/Meyer-Seitz/Schwartze,
ZPO-Reform 2002 § 130 Rdn. 5 (S. 336); Krüger/Bütter MDR 2003,
S. 181, 182). Dafür spricht auch, daß die Unterschrift beim Computer-
Fax ohne nennenswerte Schwierigkeiten eingescannt werden kann, so
daß kein überzeugender Grund besteht, darauf entgegen dem Geset-
zeswortlaut zu verzichten.
Diese Frage bedarf jedoch vorliegend keiner abschließenden Ent-
scheidung. Weder enthält das am Abend des 18. August 2003 übermittel-
te Computer-Fax einen Hinweis, daß eine Unterschrift wegen der ge-
wählten Übertragungsform nicht möglich sei, noch beabsichtigte der Pro-
zeßbevollmächtigte der Kläger, der Berufungsbegründung einen derarti-
gen Hinweis beizufügen. Vielmehr hat er nach eigenen Angaben ver-
sucht, das Computer-Fax mit seiner eingescannten Unterschrift zu über-
mitteln.
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Die Wiedergabe des Vor- und Nachnamens des Prozeßbevoll-
mächtigten der Kläger mit der daruntergesetzten Bezeichnung "Rechts-
anwalt" am Ende des Computer-Faxes genügt als solche nicht den An-
forderungen des § 130 Nr. 6 2. Halbs. ZPO. Diese Bestimmung fordert
nach ihrem eindeutigen Wortlaut die Wiedergabe der Unterschrift in der
Kopie, also des handschriftlichen Namenszuges. Dem entspricht eine
maschinen- oder computerschriftliche "Unterzeichnung" nicht (Stein/
Jonas/Leipold, aaO § 130 Rdn. 48). Sofern der Entscheidung des Ge-
meinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes diesbezüglich
eine andere Auffassung zu entnehmen sein sollte, genügt die Wiederga-
be des Namens in Druckbuchstaben jedenfalls nach der Neufassung des
§ 130 Nr. 6 ZPO nicht mehr (Musielak/Stadler, aaO § 129 Rdn. 11;
Dästner NJW 2001, 3469, 3470 Fn. 10; Krüger/Bütter, aaO).
d) aa) Stellt somit die eigenhändige Unterschrift eines Rechtsan-
walts grundsätzlich eine unerläßliche Wirksamkeitsvoraussetzung für
fristwahrende bestimmende Schriftsätze im Anwaltsprozeß dar, so sind
jedoch auch von diesem Grundsatz Ausnahmen möglich. Das Erfordernis
der Schriftlichkeit ist nämlich kein Selbstzweck (vgl. BGHZ 97, 283, 285).
Es soll, wie der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bun-
des in seiner Entscheidung vom 30. April 1979 (BGHZ 75, 340, 348 f.)
dargelegt hat, gewährleisten, daß aus dem Schriftstück der Inhalt der
Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie aus-
geht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können; außerdem
muß feststehen, daß es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen
Entwurf handelt, sondern daß es mit Wissen und Willen des Berechtigten
dem Gericht zugeleitet worden ist. Deshalb kann das Fehlen einer Unter-
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schrift bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise unschädlich
sein, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift ver-
gleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das
Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen.
Das ist - was das Berufungsgericht verkannt hat - nicht nur ständi-
ge Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 10, 1, 2;
81, 32, 36 f.; BVerwG NJW 1995, 2121, 2122; 2003, 1544), des Bundes-
sozialgerichts (BSG NJW 1997, 1254, 1255; 2001, 2492, 2493), des
Bundesfinanzhofs (BFHE 111, 278, 285; 148, 205, 207 f.; BFH,
BFH/NV 2000, 1224) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG NJW 1979,
183), sondern - ungeachtet bestehender Unterschiede der verschiedenen
Verfahrensordnungen - grundsätzlich auch des Bundesgerichtshofs (vgl.
BGHZ 24, 179, 180; 37, 156, 160; 97, 251, 254; BGH, Beschluß vom
9. Dezember 2003 - VI ZB 46/03, BGH-Report 2004, 406). So hat der
Bundesgerichthof mit Beschluß vom 3. Mai 1957 (BGHZ 24, 179, 180)
entschieden, daß der Mangel der Unterschrift in dem als Urschrift der
Berufung gedachten Schriftsatz durch die gleichzeitig eingereichte be-
glaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes behoben wird, auf der der Be-
glaubigungsvermerk von dem Prozeßbevollmächtigten handschriftlich
vollzogen worden ist. In einer anderen Entscheidung (BGHZ 97, 251,
254) hat der Bundesgerichtshof das Fehlen einer Unterschrift auf der Be-
rufungsbegründung für unschädlich erachtet, wenn auch ohne die Unter-
schrift des Rechtsmittelanwalts aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht
erfordernden Umständen, zweifelsfrei feststeht, daß der Rechtsmittelan-
walt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift
übernommen hat, und letzteres in einem Fall bejaht, in dem die Beru-
fungsbegründungsschrift fest mit einem von dem Rechtsanwalt unter-
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zeichneten Begleitschreiben verbunden war (vgl. auch BGHZ 37, 156,
160). Und mit Beschluß vom 9. Dezember 2003 (VI ZB 46/03, BGH-
Report 2004, 406) hat der Bundesgerichtshof für den Fall des Fehlens
einer Unterschrift unter einer Berufungsbegründungsschrift entschieden,
daß sich zumindest aus den Umständen eindeutig ergeben müsse, daß
der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Begrün-
dungsschrift übernommen habe. Ob entsprechende Anforderungen bei
einem Computer-Fax eines Klägers gegeben sind, das mit dem Satz en-
det "Dieser Brief wurde maschinell erstellt, wird nicht eigenhändig unter-
schrieben" (so BSG NJW 1997, 1254 f.), bedarf keiner Entscheidung, da
es hier an einem solchen Hinweis fehlt. Eine Anrufung des Gemeinsa-
men Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist deshalb im Hin-
blick auf die angeblich abweichende Entscheidung des Bundessozialge-
richts entgegen der Ansicht der Revision nicht veranlaßt, zumal der hier
maßgebliche § 130 Nr. 6 2. Halbs. ZPO über die Anforderungen an eine
Telekopie erst nach der zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts
in die Zivilprozeßordnung eingefügt worden ist.
bb) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der anderen
obersten Gerichtshöfe des Bundes zur ausnahmsweisen Wirksamkeit
nicht unterzeichneter Rechtsmittelbegründungsschriften trägt dem An-
spruch der Prozeßbeteiligten auf Gewährung wirkungsvollen Rechts-
schutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) sowie ihren
Rechten aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung, die es
verbieten, den Zugang zur jeweiligen nächsten Instanz in unzumutbarer,
aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren
(vgl. BVerfGE 40, 272, 274 f.; 41, 23, 26; 41, 323, 326 f.; 44, 302, 305 f.;
74, 228, 234; 77, 275, 284; 110, 339, 342). An die Beachtung formeller
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Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Rechtsschutzbegehrens
dürfen aus diesem Grund keine überspannten Anforderungen gestellt
werden (BVerfG NJW 2002, 3534).
cc) Entgegen der Auffassung der Revision ergeben hier die Um-
stände im Zusammenhang mit der Übermittlung der Berufungsbegrün-
dungsschrift nicht eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Ur-
heberschaft des Prozeßbevollmächtigten der Kläger sowie seinen Willen,
für ihren Inhalt die Verantwortung zu übernehmen und sie an das Beru-
fungsgericht zu übermitteln. Die Tatsache, daß der Prozeßbevollmächtig-
te der Kläger bereits rechtzeitig Berufung gegen das landgerichtliche Ur-
teil eingelegt hat, reicht hierfür ebensowenig aus wie der gedruckte
Briefkopf auf dem Begründungsschriftsatz; beides bietet keine der Unter-
schrift vergleichbare Gewähr dafür, daß das Schriftstück von einer beim
Berufungsgericht postulationsfähigen Person stammt und mit deren Wil-
len in den Verkehr gebracht worden ist (vgl. BVerwG NJW 2003, 1544).
Auch der Umstand, daß nach Fristablauf beim Berufungsgericht ein mit
dem Computer-Fax seinem Inhalt und seiner Form nach gleicher und von
dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger persönlich unterschriebener Be-
gründungsschriftsatz eingegangen ist, reicht insoweit nicht aus (vgl.
BVerwG Buchholz 310 § 81 VwGO Nr. 16), da nur spätestens bei Ablauf
der Begründungsfrist bekannt gewordene Umstände berücksichtigungs-
fähig sind (BVerwG NJW 2003, 1544).
Der am Ende des Computer-Faxes mit dem Zusatz "Rechtsanwalt"
wiedergegebene Vor- und Nachname des Prozeßbevollmächtigten der
Kläger bietet ebenfalls keine ausreichende Gewähr dafür, daß dieser die
Verantwortung für die Berufungsbegründung übernommen und diese wil-
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lentlich an das Berufungsgericht übermittelt hat. Rechtsmittelbegrün-
dungsschriften müssen nicht von einem am Rechtsmittelgericht zugelas-
senen Rechtsanwalt gefertigt sein. Sie werden in der Praxis vielfach von
Korrespondenzanwälten, wissenschaftlichen Mitarbeitern oder nicht am
Rechtsmittelgericht zugelassenen Sozien unterschriftsreif vorbereitet.
Dem Umstand, daß unter der für die Unterschrift vorgesehenen Stelle
der Name eines Rechtsanwalts vermerkt ist, ist daher nicht ausreichend
sicher zu entnehmen, daß der Entwurf von diesem Rechtsanwalt verfaßt
worden ist, sondern kann auch bedeuten, daß der tatsächliche Verfasser
die eigenverantwortliche Prüfung des Inhalts des bestimmenden Schrift-
satzes und seine Unterzeichnung durch den namentlich genannten
Rechtsanwalt vorgesehen hat. Ob dieser für den Inhalt des Schriftsatzes
bereits die Verantwortung übernommen hat, ist danach in Fällen wie hier
völlig offen.
Entgegen der Auffassung der Revision kann auch dem Umstand,
daß das Computer-Fax dem Berufungsgericht am letzten Tag der Beru-
fungsbegründungsfrist übermittelt worden ist, nicht mit einer für den An-
waltsprozeß erforderlichen Sicherheit entnommen werden, daß es sich
dabei nicht um einen bloßen Entwurf handelte. Allein der Zeitpunkt der
Übermittlung eines nicht unterzeichneten bestimmenden Schriftsatzes
sagt für sich genommen noch nichts darüber aus, ob er von einem beim
Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt verantwortet wird. Gerade
der drohende Ablauf einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungs-
frist kann einem nicht postulationsfähigen Verfasser der Rechtsmittelbe-
gründung vielmehr Veranlassung geben, zur Fristwahrung einen Schrift-
satz zu übermitteln, den der namentlich genannte Rechtsanwalt noch
nicht eigenverantwortlich geprüft hat. Daß der Inhalt der als Computer-
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Fax übermittelten Berufungsbegründung von dem Prozeßbevollmächtig-
ten der Kläger verantwortet und von ihm bewußt in den Verkehr gebracht
worden ist, läßt sich danach hier mit der erforderlichen Sicherheit nicht
feststellen.
2. Auch die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist greift die Revisi-
on ohne Erfolg an. Das Berufungsgericht hat einen Fehler am Emp-
fangsgerät des Oberlandesgerichts als fernliegend angesehen und aus-
geführt, es komme entweder ein technischer Fehler im Sendegerät oder
aber ein vom Prozeßbevollmächtigten der Kläger verschuldeter Bedie-
nungsfehler als Ursache für das Fehlen einer eingescannten Unterschrift
in dem Computer-Fax in Betracht. Es sei aber nicht glaubhaft gemacht,
daß ein Bedienungsfehler des Prozeßbevollmächtigten als Ursache für
das Fehlen der eingescannten Unterschrift ausscheide. Das hält revisi-
onsrechtlicher Überprüfung stand. Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschul-
den verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Das
Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten ist einer Partei zuzurechnen
(§ 85 Abs. 2 ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann danach
nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen
die Möglichkeit offenbleibt, daß die Fristversäumung von der Partei bzw.
ihrem Prozeßbevollmächtigten verschuldet war (BGH, Beschlüsse vom
26. September 1991 - I ZB 12/91, NJW 1992, 574, 575, vom 18. Oktober
1995 - I ZB 15/95, NJW 1996, 319 und vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 10/04,
NJW-RR 2005, 143, 145).
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Zu Recht hat das Berufungsgericht hier einen Bedienungsfehler
des Prozeßbevollmächtigten der Kläger, der dazu geführt hat, daß das
Fax ohne eingescannte Unterschrift übermittelt worden ist, nicht als aus-
geschlossen angesehen. Der Prozeßbevollmächtigte einer Partei hat mit
der Bedienung technischer Geräte, die er selbst zur Übermittlung be-
stimmender Schriftsätze einsetzt, soweit vertraut zu sein, daß die Über-
mittlung in der Form sichergestellt ist, die von § 130 Nr. 6 2. Halbs. ZPO
vorgeschrieben ist. Daß das Berufungsgericht es als glaubhaft gemacht
angesehen hat, daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger weder bei der
Übermittlung noch später einen Bedienungsfehler bemerkt hat, schließt
einen verschuldeten Bedienungsfehler nicht aus. Das Berufungsgericht
weist insoweit zu Recht darauf hin, daß Bedienungsfehler am Computer
unbemerkt bleiben können. Damit hat das Berufungsgericht die an die
Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts zu stellenden Anforderungen nicht
in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise überspannt.
- 18 -
III.
Die Revision der Kläger konnte danach keinen Erfolg haben und
war deshalb zurückzuweisen.
Nobbe Richter am Bundes- Joeres
gerichtshof Dr. Müller
ist wegen Urlaubs ge-
hindert, seine Unter-
schrift beizufügen.
Nobbe
Wassermann Mayen