Urteil des BGH vom 07.05.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 71/08 Verkündet
am:
7. Mai 2009
Bürk,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
InsO § 134 Abs. 1
Das Stehenlassen einer ungekündigten, aber kündbaren Darlehensforderung stellt
auch im Anwendungsbereich der Schenkungsanfechtung keine zur Entgeltlichkeit
führende Leistung dar (Fortführung von BGHZ 174, 297, 311).
BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - IX ZR 71/08 - LG Mönchengladbach
AG
Erkelenz
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Mai 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter
Raebel, Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts - 2. Zivilkammer -
Mönchengladbach vom 26. März 2008 wird auf Kosten der Be-
klagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 4. August 2004 am
15. September 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der
M. GmbH (fortan: Schuldnerin). Gesellschafter und Geschäftsführer
der im Februar 2002 gegründeten Schuldnerin ist P. M. . Ge-
schäftsgegenstand der Schuldnerin war der Vertrieb vornehmlich von Produk-
ten von E. M. , die unter der Firma P. M. , Baum-
und Rosenschulen, Gartenbaubetrieb handelte (fortan: Einzelunternehmen).
Zuvor hatte E. M. den Vertrieb ihrer Produkte selbst vorge-
nommen. Einzelunternehmen und Schuldnerin unterhielten bei der beklagten
Sparkasse jeweils Girokonten. Im Januar 2003 wies das Konto der Schuldnerin
ein Guthaben aus, die Konten des Einzelunternehmens wurden debitorisch ge-
führt. Die Beklagte sah die an das Einzelunternehmen ausgereichten Kredite
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zunehmend als gefährdet an, weil die als Sicherheit unter anderem bestellte
Globalzession durch die Zwischenschaltung der Schuldnerin entwertet war und
ein Kontenausgleich zugunsten des Einzelunternehmens ausblieb. Am
14. Februar 2003 verpfändete die Schuldnerin ihr derzeitiges und künftiges
Guthaben auf dem Geschäftskonto an die Beklagte. Gesichert wurden die
bankmäßigen Ansprüche der Beklagten gegen das Einzelunternehmen. Der
Sicherungszweck war auf die Forderungen der beklagten Sparkasse aus Kredi-
ten und Darlehen gegen das Einzelunternehmen auf näher bezeichneten Kon-
ten (damals insgesamt 2.400.283,95 €) sowie auf die in einem hier nicht inte-
ressierenden Poolvertrag benannten Kredite und Darlehen begrenzt.
Am 4. Oktober 2004 wies das Konto der Schuldnerin bei der Beklagten
ein Guthaben von 4.807,98 € aus. Der Kläger hat die Verpfändung als unent-
geltliche Leistung angefochten; er begehrt die Auskehr dieses Betrages. Die
Beklagte hält ihr Absonderungsrecht an dem Guthaben für anfechtungsfest.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr statt-
gegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der zugelassenen Revision.
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Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision ist unbegründet.
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I.
Das Berufungsgericht meint: Die Verpfändung des Kontoguthabens
durch die Schuldnerin zugunsten der Beklagten stehe dem Herausgabean-
spruch nicht entgegen, weil sie nach § 134 Abs. 1 InsO als unentgeltliche Leis-
tung anfechtbar sei. Werde - wie hier - eine dritte Person in den Zuwendungs-
oder den Gegenleistungsvorgang eingeschaltet, sei für die Beurteilung der Un-
entgeltlichkeit nicht entscheidend, ob der Schuldner selbst einen Ausgleich für
die von ihm erbrachte Leistung erhalten habe. Zu fragen sei vielmehr, ob der
Empfänger seinerseits eine Gegenleistung erbracht habe. An ihr fehle es hier.
Es könne offen bleiben, ob das Stehenlassen einer gekündigten oder kündba-
ren Forderung als ausgleichender Gegenwert für die (Nach-)Besicherung in Be-
tracht zu ziehen sei. Dies setze jedenfalls voraus, dass der Darlehensrückzah-
lungsanspruch im Zeitpunkt der Besicherung durchsetzbar, also nicht wirt-
schaftlich wertlos gewesen sei. Die Beklagte habe zu der von ihr behaupteten
Werthaltigkeit der Kredite nicht hinreichend vorgetragen. Da es sich um Tatsa-
chen handele, die zu ihrem Bereich gehörten und dem Einblick des Klägers
weitgehend entzogen seien, treffe sie insoweit die "sekundäre Darlegungslast".
Hierauf habe das Amtsgericht mit Hinweisbeschluss vom 10. August 2006 zu-
treffend hingewiesen. Eines weiteren Hinweises habe es nicht bedurft. Der an-
gebotene Sachverständigenbeweis könne den fehlenden Sachvortrag nicht er-
setzen. Die Entgeltlichkeit der Zuwendung folge entgegen der Auffassung des
Amtsgerichts auch nicht daraus, dass die Beklagte die Geschäftsbeziehung mit
dem Einzelunternehmen fortgeführt und eine Erhöhung des Sollsaldos um rund
15.000 € zugelassen habe. Vereinbart sei dies nicht gewesen. Erbringe der
Leistungsempfänger im Nachhinein ein Vermögensopfer, führe dies nicht zur
Entgeltlichkeit der Leistung.
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II.
Diese Begründung hält im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand.
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1. Wird eine dritte Person in einen Zuwendungsvorgang eingeschaltet,
kommt es für die Frage der Unentgeltlichkeit der Leistung des Schuldners nicht
darauf an, ob der Schuldner selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten
hat. Entsprechend der Wertung des § 134 Abs. 1 InsO, dass der Empfänger
einer Leistung dann einen geringeren Schutz verdient, wenn er keine ausglei-
chende Gegenleistung zu erbringen hat, hängt die Unentgeltlichkeit von dem
Ausbleiben eines Vermögensopfers des Zuwendungsempfängers ab (BGHZ
162, 276, 279 f; 174, 228, 231 Rn. 8; BGH, Urt. v. 30. März 2006 - IX ZR 84/05,
WM 2006, 1156, 1157). Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob der Leis-
tungsempfänger eine Gegenleistung erbringt, ist der Zeitpunkt der Vollendung
des Rechtserwerbs (BGHZ 162, 276, 281; BGH, Urt. v. 30. März 2006 - IX ZR
84/05, aaO). Hat er vertragliche Leistungen bereits erbracht, kann eine ausglei-
chende Gegenleistung nur nach dem Wert eines bestehenden, aber noch nicht
ausgeglichenen Anspruchs bemessen werden. Ist dieser im Zeitpunkt der Leis-
tung nicht werthaltig, liegt eine unentgeltliche Zuwendung vor. Der Leistungs-
empfänger, der lediglich eine nicht werthaltige Forderung gegen seinen Schuld-
ner verliert, ist gegenüber den Gläubigern des Insolvenzschuldners nicht
schutzwürdig, denn er hätte ohne dessen Leistung, auf die er keinen Anspruch
hatte, seine Forderung nicht durchsetzen können (BGHZ 162, 276, 281 f; BGH,
Urt. v. 30. März 2006 - IX ZR 84/05, aaO). Hingegen ist unerheblich, ob der
Schuldner gegenüber dem mittelbar begünstigten Drittschuldner - etwa im
Rahmen einer konzernähnlichen Abrede - zu der Leistung verpflichtet war oder
ob er ein eigenes Interesse an der Leistungserbringung hatte (BGHZ 174, 228,
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232 Rn. 11 ff; BGH, Urt. v. 1. Juni 2006 - IX ZR 159/04, WM 2006, 1396, 1397
Rn. 14).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die Verpfändung des Kontoguthabens
durch die Schuldnerin selbst dann als unentgeltliche Leistung anzusehen, wenn
etwaige Ansprüche der Beklagten gegen das Einzelunternehmen auf Rückzah-
lung des Darlehens im Februar 2003 noch hätten durchgesetzt werden können.
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a) Nach dem in dem angefochtenen Urteil zulässigerweise in Bezug ge-
nommenen tatsächlichen Vorbringen der Beklagten hat sich die Sicherheitenla-
ge in Bezug auf das Einzelunternehmen durch die Gründung der Schuldnerin
deutlich verschlechtert. Da dieses selbst keine Sicherheiten habe erbringen
können, habe der Beklagten auch die Befugnis zugestanden, die Kredite zu
kündigen. Die Guthabenverpfändung durch die Schuldnerin sei erfolgt, um der
drohenden Kündigung entgegenzutreten. Eine Kreditkündigung hätte auch für
die GmbH das Ende bedeutet. Zum Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung seien
keine neuen Kredite herausgelegt worden.
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Danach ist zunächst davon auszugehen, dass der mögliche Anspruch
der Beklagten aus dem Darlehensvertrag gegen das Einzelunternehmen auf
Nachbesicherung wegen Vermögensverschlechterung, der schließlich durch die
Verpfändung des Guthabens aus der Kontoverbindung mit der Schuldnerin er-
füllt worden ist, nicht werthaltig war. Die Beklagte hat deshalb dadurch, dass
der Nachbesicherungsanspruch durch Verpfändung gemäß §§ 267, 362 Abs. 1
BGB ganz oder teilweise erloschen ist, wirtschaftlich nichts verloren, was als
Gegenleistung für die Zuwendung der Schuldnerin angesehen werden kann.
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b) Der Senat hat allerdings in seinem ebenfalls einen Fall der Nachbesi-
cherung betreffenden Urteil vom 1. Juni 2006 (IX ZR 159/04, aaO) noch offen-
gelassen, wie das Stehenlassen einer durchsetzbaren Forderung zu bewerten
ist, wenn ein Dritter dafür eine Sicherheit stellt. Nach den in jenem Verfahren
getroffenen Feststellungen war der Darlehensrückzahlungsanspruch gegen den
Drittschuldner des Zuwendungsempfängers im Zeitpunkt der Nachbesicherung
nicht mehr durchsetzbar, also wirtschaftlich wertlos, so dass der Leistungsemp-
fänger mit dem Stehenlassen des Darlehens schon deshalb kein Vermögensop-
fer erbracht hat (vgl. BGH, Urt. v. 1. Juni 2006 - IX ZR 159/04, aaO; hierzu Kay-
ser WM 2007, 1, 7).
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Im vorliegenden Fall liegt dies nach dem eigenen Vortrag der Beklagten
ebenfalls nahe, weil diese ähnlich wie in dem bereits entschiedenen Fall (vgl.
Kayser, aaO S. 7 unter 3 a) einräumt, dass eine Kreditkündigung "auch" für die
GmbH das Ende bedeutet hätte.
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Ob die diesbezügliche Beweislastentscheidung des Berufungsgerichts,
die dies im Ergebnis ebenfalls so sieht, zutrifft oder aber - wie die Revision
meint - verfahrenswidrig zustande gekommen ist, kann offenbleiben. Jedenfalls
beruht das angefochtene Urteil hierauf nicht (vgl. § 545 Abs. 1 ZPO). Nach der
neuen Rechtsprechung des Senats zu § 142 InsO enthält das Stehenlassen
einer Darlehensforderung keine ausgleichende Gegenleistung, weil allein damit
dem Schuldner kein neuer Vermögenswert zugeführt wird. Der Schuldner hat
ihn vielmehr bereits durch die Darlehensgewährung erhalten; das bloße Unter-
lassen der Rückforderung bedeutet keine Zuführung eines neuen Vermögens-
wertes (BGHZ 174, 297, 311 Rn. 41; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 142
Rn. 13 c; Mitlehner ZIP 2007, 1925, 1930). Diese Rechtsprechung findet im
Anwendungsbereich des § 134 Abs. 1 InsO ebenfalls Anwendung, wenn ein
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ungekündigter Kredit eines Drittschuldners nachträglich besichert wird, ohne
dass dem eine vereinbarte Gegenleistung des Sicherungsnehmers gegenüber-
steht. In diesem Fall ist das Sicherungsgeschäft unentgeltlich, und zwar unab-
hängig davon, ob die Rückführung des stehengelassenen Kredits des Dritt-
schuldners hätte durchgesetzt werden können oder nicht (vgl. MünchKomm-
InsO/Kirchhof, aaO § 134 Rn. 33; Ganter WM 2006, 1081, 1084).
c) Auf die Entwicklung des Kontostandes in der Folgezeit kommt es nicht
an, weil für die Beurteilung der Gegenleistung - wie ausgeführt - der Zeitpunkt
der Vollendung des Rechtserwerbs maßgeblich ist (vgl. § 140 Abs. 1 InsO).
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Ganter Raebel Kayser
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
AG Erkelenz, Entscheidung vom 26.04.2007 - 14 C 441/05 -
LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 26.03.2008 - 2 S 76/07 -