Urteil des BGH vom 25.11.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 69/09 Verkündet
am:
25. November 2009
Ring,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 556a Abs. 1
Der Vermieter ist bei der Abrechnung von Wasserkosten mangels entsprechender
Vereinbarungen nicht verpflichtet, verschiedene Nutzergruppen durch jeweils geson-
derte Zähler zu erfassen. Der Verbrauch von Wohneinheiten kann in der Weise er-
mittelt werden, dass der mittels Zwischenzähler gemessene Verbrauch eines ge-
werblichen Mieters von dem Gesamtverbrauch laut Hauptwasserzähler abgezogen
wird.
BGH, Urteil vom 25. November 2009 - VIII ZR 69/09 - LG Mannheim
AG Mannheim
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger, den Richter Dr. Achilles und die Richterin
Dr. Fetzer
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer
des Landgerichts Mannheim vom 11. Februar 2009 wird zurück-
gewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der Klägerin in M. . Das
Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, besteht aus einer Gewerbeeinheit
mit einer Fläche von 312,90 qm sowie vier Wohneinheiten mit einer Gesamtflä-
che von 295 qm.
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Die Klägerin erteilte dem Beklagten unter dem 28. September 2007 die
Nebenkostenabrechnung für den Abrechnungszeitraum vom 1. Mai 2006 bis
zum 30. April 2007. Hiervon sind in der Revisionsinstanz noch die Positionen
Wasser, Abwasser und Niederschlagswasser in Höhe von insgesamt 473,31 €
im Streit.
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Die Klägerin ermittelt den auf die vier Wohnungen umzulegenden Was-
serverbrauch, indem sie den mittels Zwischenzähler gemessenen Verbrauch
der Gewerbeeinheit von dem Gesamtverbrauch laut Hauptwasserzähler ab-
zieht. Die Verteilung innerhalb der Wohneinheiten erfolgt nach dem Maßstab
der Wohnfläche.
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Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 1.171,92 € nebst Zinsen ge-
richteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landge-
richt das Urteil des Amtsgerichts unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels dahin abgeändert, dass der Beklagte (lediglich) zur Zahlung von
688,01 € nebst Zinsen verurteilt ist; die weitergehende Klage hat es abgewie-
sen. Mit der vom Berufungsgericht im Hinblick auf die Umlage der Kosten für
Wasser, Abwasser und Niederschlagswasser zugelassenen Revision erstrebt
der Beklagte die Aufhebung des Berufungsurteils und Abweisung der Klage
insoweit, als er in den Vorinstanzen zur Zahlung von mehr als 214,70 € nebst
Zinsen verurteilt worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
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I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
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Die Abrechnung der Wasserkosten sei von der Klägerin korrekt vorge-
nommen worden. Die Anwendung der Differenzmethode nach Vorwegabzug
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des durch Zwischenzähler gemessenen Verbrauchs der Gewerbeeinheit sei
nicht zu beanstanden. Zwar habe der Beklagte geltend gemacht, dass neben
dem Zwischenzähler für die Gewerbeeinheit auch Zwischenzähler für die ein-
zelnen Wohnungen vorhanden seien, so dass die Abrechnungen der Wohnun-
gen nach Verbrauch erfolgen müssten. Eine Beweisaufnahme über diesen
Streitpunkt sei aber nicht erforderlich. Denn die Klägerin habe das Vorhanden-
sein von Messeinrichtungen für die einzelnen Wohnungen bestritten, und der
Beklagte habe daraufhin nicht konkret vorgetragen, dass in seiner Wohnung ein
Zwischenzähler eingebaut sei. Üblicherweise befänden sich derartige Messein-
richtungen in der Wohnung selbst, denn die Anbringung von Zwischenzählern
für die einzelnen Wohnungen im Keller wäre wegen der dann erforderlichen
gesonderten Steigleitungen unwirtschaftlich.
Der Beklagte könne die anteilige Tragung der nach der Differenzmethode
ermittelten Wasserkosten der Mieter auch dann nicht verweigern, wenn es da-
bei zu höheren Messungenauigkeiten komme als bei Vorhandensein eines wei-
teren Zwischenzählers für die Wohneinheiten. Dass dies zu einer krassen Un-
billigkeit und groben Benachteiligung der Mieter führe, sei weder vom Beklagten
vorgetragen noch sonst erkennbar. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts-
hofs zur Vorerfassung von Heizkosten sei aufgrund der Gesetzeslage nicht oh-
ne weiteres auf die Wasserkosten übertragbar.
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II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revi-
sion zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen,
dass der Beklagte die in der Abrechnung vom 28. September 2007 ausgewie-
senen anteiligen Kosten für Wasser, Abwasser und Niederschlagswasser in
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Höhe von 473,31 € zu tragen hat, so dass sich unter Berücksichtigung des in
der Revisionsinstanz nicht mehr streitigen Betrages von 214,70 € eine Zah-
lungspflicht des Beklagten in Höhe des der Klägerin vom Berufungsgericht zu-
gesprochenen Betrages von 688,01 € ergibt.
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1. Zutreffend und von der Revision unbeanstandet geht das Berufungs-
gericht davon aus, dass die Parteien die Umlage der Wasserkosten vereinbart
haben und die von der Klägerin erstellte Abrechnung den formellen Anforde-
rungen genügt.
2. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Abrechnung auch mate-
riell richtig.
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a) Dass die Klägerin einen Vorwegabzug für die Gewerbeeinheit vorge-
nommen hat, wird von der Revision nicht beanstandet und begegnet aus
Rechtsgründen keinen Bedenken.
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b) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Abrechnung der Was-
serkosten nicht deshalb fehlerhaft, weil die Klägerin nur den Verbrauch der Ge-
werbeeinheit durch einen gesonderten Zwischenzähler erfasst und den
Verbrauch der Wohnungen anhand der so genannten Differenzmethode ermit-
telt hat.
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Zwar ist im Geltungsbereich des § 5 Abs. 2 Satz 2 HeizkostenV eine
Vorerfassung von Nutzergruppen in der Weise erforderlich, dass der Anteil je-
der Nutzergruppe am Gesamtverbrauch durch einen gesonderten Zähler erfasst
wird (Senatsurteil vom 16. Juli 2008 - VIII ZR 57/07, NZM 2008, 767, Tz. 24).
Ein Verstoß hiergegen hat gemäß § 12 HeizkostenV ein Kürzungsrecht in Höhe
von 15 % bei den zu Unrecht nicht verbrauchsabhängig abgerechneten Kosten
zur Folge. Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat und auch die Revision
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nicht verkennt, gibt es aber für den Bereich der Abrechnung von Kosten für
Wasser, Abwasser und Niederschlagswasser keine der Bestimmung des § 5
Abs. 2 HeizkostenV entsprechende Vorschrift zur Vorerfassung von Nutzer-
gruppen.
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Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich auch aus §§ 315, 556a
BGB nicht, dass bei der Abrechnung von Wasserkosten verschiedene Nutzer-
gruppen durch jeweils gesonderte Zähler erfasst werden müssten. § 556a
Abs. 1 BGB sieht auch für verbrauchsabhängige Kosten eine Abrechnung nach
der Wohnfläche vor, sofern nicht die Parteien eine anderweitige Vereinbarung
getroffen haben oder tatsächlich eine Verbrauchserfassung für alle Mieter er-
folgt (vgl. Senatsurteil vom 12. März 2008 - VIII ZR 188/07, NZM 2008, 444,
Tz. 12). Die gesetzliche Regelung schreibt mithin eine generelle Verbrauchser-
fassung für Wasserkosten nicht vor und nimmt die damit verbundenen Unge-
nauigkeiten bei der Abrechnung in Kauf.
Mit dem Vorwegabzug für den gewerblichen Mieter trägt die Klägerin
dem unterschiedlichen Verbrauch in der Gewerbeeinheit einerseits und den
Wohneinheiten andererseits Rechnung. Eine Verpflichtung der Klägerin, im In-
teresse einer möglichst genauen Abrechnung den Gesamtverbrauch der
Wohneinheiten mit einem weiteren Zwischenzähler gesondert zu erfassen, lässt
sich daraus nicht herleiten. Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, ergibt
sich aus der fehlenden Vorerfassung der Wohneinheiten auch keine "krasse
Unbilligkeit", die gegebenenfalls einen Abänderungsanspruch des Mieters be-
gründen könnte (vgl. Senatsurteil vom 12. März 2008, aaO, Tz. 14).
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Ohne Erfolg macht die Revision schließlich geltend, das Berufungsge-
richt habe den Vortrag des Beklagten zur Messung des Wasserverbrauchs der
Wohnungen durch die Klägerin verfahrensfehlerhaft übergangen. Die Revision
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stellt selbst nicht in Abrede, dass Einzelzähler für die jeweiligen Wohnungen
nicht vorhanden sind. Soweit die Revision darüber hinaus geltend macht, es sei
möglich, dass in einem dem Beklagten nicht zugänglichen Kellerraum ein weite-
rer Zähler (Zwischenzähler) vorhanden sei, mit dem der Gesamtverbrauch aller
Wohnungen erfasst werde, zeigt sie einen entsprechenden Vortrag des Beklag-
ten in den Tatsacheninstanzen hierzu nicht auf.
c) Entgegen der Auffassung der Revision durfte die Klägerin den nach
der Differenzmethode ermittelten Gesamtverbrauch der Wohnungen nach dem
Maßstab der Wohnfläche auf die einzelnen Wohnungen umlegen.
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aa) Gemäß § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB sind Betriebskosten vorbehaltlich
anderweitiger Vorschriften nach dem Anteil der Wohnfläche umzulegen, sofern
die Parteien nicht anderes vereinbart haben. Eine solche Vereinbarung besteht
nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Einen revi-
sionsrechtlich beachtlichen Fehler zeigt die Revision nicht auf. Entgegen der
Auffassung der Revision ergibt sich aus der (behaupteten) Abrechnungspraxis
des Voreigentümers bei den Abrechnungen 2000/2001 und 2001/2002 kein An-
haltspunkt für eine stillschweigende vertragliche Abänderung des Umlage-
schlüssels (zur Frage einer stillschweigenden Vertragsänderung bei unbean-
standeten Betriebskostenabrechnungen vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 2007
- VIII ZR 279/06, NZM 2008, 81, Tz. 17 ff.).
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bb) Auch aus § 556a Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt sich keine Verpflichtung
der Klägerin zu der vom Beklagten verlangten Abrechnung nach Verbrauch.
Diese Bestimmung schreibt eine Umlage von Betriebskosten nach einem Maß-
stab, der dem unterschiedlichen Verbrauch Rechnung trägt, nur dann vor, wenn
die Betriebskosten von einem erfassten Verbrauch abhängen. An einer solchen
Verbrauchserfassung fehlt es aber nach den - von der Revision insoweit auch
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nicht beanstandeten - Feststellungen des Berufungsgerichts, da ein gesonder-
ter Zähler für den Wasserverbrauch in der Wohnung des Beklagten nicht vor-
handen ist.
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
AG Mannheim, Entscheidung vom 27.05.2008 - 2 C 492/07 -
LG Mannheim, Entscheidung vom 11.02.2009 - 4 S 62/08 -