Urteil des BGH vom 07.01.2008

ComROAD VII Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 68/06 Verkündet
am:
7. Januar 2008
Vondrasek
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
"ComROAD VII“
BGB § 826 H; BörsG § 47 Abs. 2
Zur haftungsbegründenden Kausalität fehlerhafter Ad-hoc-Publizität auf dem Sekun-
därmarkt und falscher Prospektangaben im Bereich des Primärmarktes für den Wil-
lensentschluss des Anlegers (vgl. Sen.Urt. v. 7. Januar 2008 - II ZR 229/05, z.V.b.)
BGH, Urteil vom 7. Januar 2008 - II ZR 68/06 - OLG Frankfurt a. Main
LG Frankfurt a. Main
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 7. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Caliebe und Dr. Drescher
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 2006
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger macht im Zusammenhang mit dem Erwerb von ComROAD-
Aktien Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt kapitalmarktrechtlicher Informa-
tionsdeliktshaftung gegen die beklagte ComROAD AG geltend.
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Die Aktien der Beklagten wurden im November 1999 zum geregelten
Markt mit Handel im Neuen Markt zugelassen und am 26. November 1999 mit
dem Emissionskurs von 20,50 € notiert. Der Kurs der Aktie stieg binnen weniger
Wochen bis Ende Februar 2000 auf den Höchststand von nahezu 260,00 €, der
- nach zwischenzeitlich um mehr als die Hälfte reduzierten Kursen - im Sep-
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tember 2000 - bereinigt um einen zwischenzeitlich durchgeführten Aktiensplit -
erneut erreicht wurde. Der Kläger erwarb zwischen dem 16. Februar 2000 und
dem 3. März 2000 insgesamt 5.771 Aktien der Beklagten zu einem Kurswert
von mehr als 1,2 Mio. €. Seinen gesamten Bestand verkaufte er wieder in der
Zeit vom 24. Februar 2000 bis zum 6. März 2000, wobei er knapp 25.000,00 €
weniger erlöste, als er für die verschiedenen Käufe aufgewendet hatte.
Nachdem am 20. Februar 2002 die von der Beklagten beauftragte Wirt-
schaftsprüfungsgesellschaft ihr Mandat niedergelegt hatte, stellte sich heraus,
dass der vormalige Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsgesellschafter der Be-
klagten, B. S. , - der aufgrund dieser Vorgänge zwischenzeitlich zu
einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist - wesentliche Teile der an-
geblichen Umsätze der Beklagten sowohl im Verkaufsprospekt als auch an-
schließend in den bis Ende 2001 verlautbarten mehr als 40 Ad-hoc-Mitteilungen
fingiert hatte. Im Rahmen einer Sonderprüfung wurde u.a. nachgewiesen, dass
der im Verkaufsprospekt für 1998 ausgewiesene Umsatz zu 63 % auf erfunde-
nen Geschäften beruhte, während von den zuletzt durch Ad-hoc-Mitteilungen
bekannt gegebenen Umsätzen der Beklagten von 93,6 Mio. € für das Kalender-
jahr 2001 in Wirklichkeit nur 1,4 % getätigt worden waren.
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Mit der Klage verlangt der Kläger - gestützt auf § 826 BGB und § 823
Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 AktG - von der Beklagten Schadensersatz in Höhe der
von ihm erlittenen Differenz zwischen den aufgewendeten Kauf- und erlösten
Verkaufspreisen für die Aktien der Beklagten. Bei Angabe wahrheitsgemäßer
Umsatz- und Ergebniszahlen wäre es weder zu einem Börsengang der Beklag-
ten gekommen noch zu seinem Engagement in deren Aktien; für das sittenwid-
rige Fehlverhalten ihres vormaligen Vorstandsvorsitzenden habe die Beklagte
einzustehen. Demgegenüber bestreitet die Beklagte die Ursächlichkeit des feh-
lerhaften Verkaufsprospektes sowie der anschließenden unrichtigen Ad-hoc-
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Mitteilungen für die Kaufentschlüsse des Klägers; sie stellt weiterhin eine Ver-
antwortlichkeit für das Handeln ihres vormaligen Vorstandsvorsitzenden im Hin-
blick auf die §§ 57, 71 ff. AktG in Abrede.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr
stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte
ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungs-
gericht.
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I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
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Das Schadensersatzbegehren des Klägers sei aus dem Gesichtspunkt
der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) gerechtfertigt. Die
vom damaligen Vorstandsvorsitzenden als Organ der Beklagten zur Täuschung
des Börsenpublikums in den Verkaufsprospekt aufgenommenen, überwiegend
frei erfundenen Unternehmenszahlen seien für die Aktienkäufe des Klägers ur-
sächlich geworden. Ohne dass es auf eine Kenntnis des Klägers von diesem
Verkaufsprospekt ankomme, wäre es bei Angabe zutreffender Umsatzzahlen im
Prospekt zu keinem Börsengang der Beklagten gekommen, da sich dann keine
Bank bereit gefunden hätte, die - in diesem Falle nicht erfolgversprechende -
Emission zu begleiten. Auf eine angebliche Kaufstimmung komme es danach
ebenso wenig an wie auf eine Kenntnis des Klägers von den nachfolgenden Ad-
hoc-Mitteilungen. Die Beklagte müsse für das Fehlverhalten ihres Vorstands-
vorsitzenden nach § 31 BGB einstehen und könne dem Kläger weder das Ver-
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bot der Einlagenrückgewähr (§ 57 Abs. 1 Satz 1 AktG) noch das Verbot des
Erwerbs eigener Aktien (§§ 71 ff. AktG) entgegenhalten.
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II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung in dem ent-
scheidenden Punkt der Beurteilung der haftungsbegründenden Kausalität des
fehlerhaften Verkaufsprospekts als Grundlage für die späteren Kaufentschei-
dungen des Klägers nicht stand.
1. Im Ansatz geht das Berufungsgericht allerdings noch zutreffend davon
aus, dass die direkt vorsätzliche unlautere Beeinflussung des Kapitalmarktpub-
likums durch Mitteilung grob unrichtiger Unternehmenskennzahlen - wie sie hier
unzweifelhaft in Form des Verkaufsprospekts wie auch der späteren Ad-hoc-
Mitteilungen vorliegt - gegen die Mindestanforderungen des lauteren Rechts-
verkehrs auf dem Kapitalmarkt verstößt und im Falle der Ursächlichkeit für den
Kaufentschluss des potentiellen Aktienerwerbers diesem gegenüber eine
grundsätzlich auf Naturalrestitution gerichtete Schadensersatzhaftung nach
§ 826 BGB begründet (st. Sen. Rspr. BGHZ 160, 134 - Informatec I; 160, 149
- Informatec II).
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Ebenfalls noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass
für die von dem vormaligen Vorstandsvorsitzenden als verfassungsmäßig beru-
fenem Vertreter der Beklagten durch die falschen Angaben in dem Verkaufs-
prospekt sowie den Ad-hoc-Mitteilungen begangenen sittenwidrigen vorsätzli-
chen Schädigungen auch die beklagte Gesellschaft analog §
31 BGB
- gesamtschuldnerisch mit diesem - einzustehen hat. Dabei ist - wie der Senat
bereits durch Urteil vom 9. Mai 2005 (II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270, 1272 f.
- EM.TV) entschieden hat - die Naturalrestitution als Form des Schadensaus-
gleichs nicht durch die besonderen aktienrechtlichen Gläubigerschutzvorschrif-
ten über das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 AktG) und das Verbot des
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Erwerbs eigener Aktien (§ 71 AktG) begrenzt oder gar ausgeschlossen; die
hiergegen gerichtete Kritik der Revision der Beklagten gibt dem Senat zu einer
Änderung seiner Rechtsprechung keine Veranlassung (vgl. dazu schon:
Sen.Beschl. v. 28.
November 2005 - II ZR 80/04, ZIP 2007, 681 Tz. 3
- ComROAD I; v. 26. Juni 2006 - II ZR 153/05, ZIP 2007, 326, 327 Tz. 9
- ComROAD III; v. 4. Juni 2007 - II ZR 147/05, ZIP 2007, 1560, 1561 Tz. 11
- ComROAD IV). Dies gilt gleichermaßen für einen von der Revision gerügten
Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53 a AktG),
da auch insoweit die Ersatzforderungen der in sittenwidriger Weise geschädig-
ten Anleger gegen die Gesellschaft in erster Linie nicht auf ihrer - durch die un-
erlaubten Handlungen des Vorstands erst begründeten - mitgliedschaftlichen
Sonderrechtsbeziehung als Aktionäre, sondern auf ihrer Stellung als Drittgläu-
biger beruhen. Das Integritätsinteresse der durch vorsätzlich sittenwidriges oder
strafbares - der Gesellschaft zurechenbares - Handeln des Vorstandes geschä-
digten Anleger auf Herbeiführung eines Zustandes, der dem schadensfreien
möglichst nahe kommt, hat daher Vorrang vor dem Gebot der Gleichbehand-
lung der Aktionäre (vgl. Sen.Urt. v. 9. Mai 2005, aaO S. 1273).
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet demgegenüber die
Begründung des Berufungsgerichts für die von ihm bejahte Kausalität zwischen
den falschen Angaben in dem Verkaufsprospekt und dem Erwerb der Aktien
durch den Kläger.
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a) Täuschungshandlungen der Beklagten im Rahmen des Börsenzulas-
sungsverfahrens ("im Vorfeld des Börsenganges") führen unter dem Blickwinkel
des § 826 BGB jedenfalls nicht ohne den - auch insoweit - von dem Kläger als
Anspruchsteller im Rahmen des Delikts zu führenden Nachweis (BGHZ 100,
134, 145 m.w.Nachw.; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast § 826 Rz. 1) der
konkreten haftungsbegründenden Kausalität für seine Willensentschließung zur
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Schadensersatzpflicht der Beklagten im Wege der Naturalrestitution durch
Rückerstattung des Erwerbspreises gegen Rückgabe der Aktien (§ 249 BGB).
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b) Die vom Berufungsgericht in den Vordergrund seiner Überlegungen
gestellte Annahme, die unrichtige Umsatzangabe im Verkaufs- bzw. Emissions-
prospekt könne nicht weggedacht werden, ohne dass der Erfolg in Gestalt des
späteren Aktienerwerbs des jeweiligen Käufers entfiele, greift zu kurz.
Bei der Frage, welche Anforderungen an die haftungsbegründende Kau-
salität im Rahmen der Fallgruppe der sog. Informationsdeliktshaftung nach
§ 826 BGB auf dem Primärmarkt wie auch auf dem Sekundärmarkt zu stellen
sind, ist die - im Strafrecht geltende - reine Bedingungstheorie (condicio-sine-
qua-non-Formel) ein untaugliches Instrument, weil im Zivilrecht - namentlich im
Bereich des Rechts der unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff. BGB) - auf die
adäquate Kausalität und ergänzend auf den Schutzzweck der Norm abzustellen
ist (vgl. nur: Palandt/Heinrichs, BGB 67. Aufl. Vorb. v. § 249 Rdn. 58 ff., 62
m.w.Nachw.; st.Rspr.: vgl. BGHZ 57, 137, 142; Sen.Urt. v. 11. November 1985
- II ZR 109/84, ZIP 1986, 14, 16 - jew. m.w.Nachw.). Geschützt wird sowohl im
Bereich des Primärmarktes der sog. Verkaufsprospekthaftung als auch bei der
den Sekundärmarkt betreffenden Informationsdeliktshaftung für fehlerhafte Ad-
hoc-Mitteilungen die Integrität der Willensentschließung des potentiellen Anle-
gers vor einer unlauteren irreführenden Beeinträchtigung durch falsche Pros-
pekt- oder Ad-hoc-Publizität (Sen.Urt. v. 4. Juni 2007 - II ZR 147/05, ZIP 2007,
1560, 1563 Tz. 30 - ComROAD IV).
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aa) Dem entspricht es, dass der Senat bei der fehlerhaften Ad-hoc-
Publizität des Sekundärmarktes im Rahmen des Tatbestandes des § 826 BGB
auf den Nachweis der konkreten Kausalität für den Willensentschluss des Anle-
gers selbst bei extrem unseriöser Kapitalmarktinformation nicht verzichtet und
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dementsprechend das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität
der Marktpreisbildung nicht ausreichend sein lässt (vgl. BGHZ 160, 134
- Infomatec I; Sen.Urt. v. 9. Mai 2005 - II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270, 1274
- EM.TV; Sen.Beschl. v. 28. November 2005 - II ZR 80/04 aaO S. 682 Tz. 11
- ComROAD I; v. 28. November 2005 - II ZR 246/04, ZIP 2007, 680 Tz. 8
- ComROAD II; v. 26. Juni 2006 - II ZR 153/05 aaO S. 326 Tz. 5
- ComROAD III; Sen.Urt. v. 4. Juni 2007 - II ZR 147/05, ZIP 2007, 1560, 1562
Tz. 16 - ComROAD IV; v. 4. Juni 2007 - II ZR 173/05, ZIP 2007, 1564, 1565
Tz. 16 - ComROAD V).
bb) Diese zur Vermeidung einer uferlosen Ausweitung des ohnehin offe-
nen Haftungstatbestandes der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung unab-
dingbare, aus dem Schutzzweck der Norm abzuleitende Tatbestandseingren-
zung gilt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auch insoweit, als es
im Bereich des Primärmarktes um die Haftung für Prospektmängel nach den
§§ 45, 46 BörsG a.F. (nunmehr §§ 44, 45 BörsG n.F.) und die gemäß § 48
Abs. 2 BörsG a.F. (nunmehr § 47 Abs. 2 BörsG n.F.) nicht ausgeschlossene
weitergehende Deliktshaftung wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung
nach § 826 BGB geht.
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Das Börsengesetz verzichtet für die spezialgesetzliche - nach § 13
VerkProspG auch für das hier einschlägige Segment des Neuen Marktes ent-
sprechend geltende - Prospekthaftung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 BörsG a.F.
nicht auf das Erfordernis der haftungsbegründenden Kausalität, weil danach die
Prospekthaftung nur eingreift, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen
dem fehlerhaften Prospekt und dem Erwerb der Wertpapiere besteht. Für die
weitergehenden Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die kraft ausdrücklicher
Normierung in § 48 Abs. 2 BörsG a.F. nicht ausgeschlossen sind, gilt in Bezug
auf den haftungsrelevanten, weil das Anlegerpublikum des Primärmarktes irre-
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führenden Prospektfehler unter dem Blickwinkel des Schutzzwecks der Norm
nichts anderes.
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cc) Soweit das Berufungsgericht - in prozessual zweifelhafter Weise, da
es an einem entsprechenden Vortrag des Klägers mangelt - den Kausalitätsan-
satz noch weiter in das Vorfeld des Börsenganges verlegen will, indem es
meint, bei zutreffender Angabe der geringeren Umsatzzahlen im Verkaufspros-
pekt hätte sich keine Bank bereit gefunden, die Emission, die in diesem Fall
nicht Erfolg versprechend gewesen wäre, zu begleiten, gilt dies erst recht. Denn
geschützt wird auch insoweit im Rahmen des § 826 BGB nicht das allgemeine
Vertrauen in die Zuverlässigkeit des der Neuemission an der Börse vorgelager-
ten Börsenzulassungsverfahrens einschließlich der Begleitung des Börsen-
gangs durch eine Bank, sondern die konkrete Anlageentscheidung kaufwilliger
Anleger vor unzutreffenden Angaben des Prospekts selbst, der als direkte In-
formationsquelle für die Börsenpreisbildung maßgeblich ist und daher die Anla-
geentscheidung unmittelbar beeinflusst (vgl. auch Sen.Urt. v. 26. September
2005 - II ZR 380/03, ZIP 2005, 2012, 2015 - zu § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 399
AktG: Erfordernis eines bewussten Verhaltens im - konkreten - Vertrauen in die
Richtigkeit relevanter Angaben; Sen.Urt. v. 4.
Juni 2007 -
II
ZR
147/05,
ZIP 2007, 1560, 1562 Tz. 34 - ComROAD IV).
Auch im Übrigen erscheint unter Schutznormaspekten die vom Beru-
fungsgericht konstruierte "generelle" - also unabhängig von der Kenntnis des
potentiellen späteren Anlegers postulierte - Kausalität eines Prospektmangels
unvertretbar, weil sie im Sinne einer "Dauerkausalität" auf unabsehbare Zeit
auch jedem beliebigen späteren Aktienerwerber auf dem Sekundärmarkt stets
zugute kommen würde ohne Rücksicht darauf, ob das Schutzgut der Norm
- hier die Integrität seiner Willensentschließung - überhaupt berührt wird
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(Sen.Urt. v. 4.
Juni 2007 -
II
ZR
147/05, ZIP
2007, 1560, 1564 Tz.
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3. Das angefochtene Urteil lässt sich auch nicht gemäß § 561 ZPO unter
Rückgriff auf die fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen der Beklagten aufrechterhal-
ten. Feststellungen, die eine konkrete Kausalität zwischen einem Fehlverhalten
der Beklagten und den Aktienkäufen des Klägers begründen könnten, hat das
Berufungsgericht nämlich nicht getroffen.
III. Aufgrund des unter II. 2 aufgezeigten Rechtsfehlers unterliegt das an-
gefochtene Urteil der Aufhebung (§ 562 ZPO). Mangels Endentscheidungsreife
ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
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1. Zwar kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen
- nur für seinen unzutreffenden Rechtsstandpunkt ausreichenden - Feststellun-
gen nicht angenommen werden, dass die falschen Angaben im Verkaufspros-
pekt und/oder den Ad-hoc-Mitteilungen der Beklagten kausal für die Aktienkäufe
des Klägers waren. Ebenso mangelt es bislang an einem konkreten Vortrag des
Klägers, in welcher Weise falsche Mitteilungen der Beklagten sich auf seine
Willensentschließung ausgewirkt haben. Dennoch verbietet sich eine abschlie-
ßende, klageabweisende Entscheidung durch den Senat. Der Kläger hat näm-
lich bereits erstinstanzlich immerhin vorgetragen, die Ad-hoc-Mitteilungen der
Beklagten "im Hinblick auf seine Investitionen" eingesehen zu haben, wobei die
Beklagte im Zeitraum zwischen ihrer erstmaligen Notierung am 26. November
1999 und dem Kauf der letzten Aktien durch den Kläger am 3. März 2000 sechs
derartige Mitteilungen veröffentlicht hat. Eine haftungsbegründende Kausalität
der falschen Ad-hoc-Mitteilungen für die Kaufentschlüsse des Klägers kann in-
soweit nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
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2. In dem neu eröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht
den - ggf. ergänzten - Sachvortrag des Klägers erneut auf seine Schlüssigkeit
auch unter dem Blickwinkel der erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit im
Hinblick auf die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Verneh-
mung des Klägers als Partei nach § 448 ZPO gemäß den von der höchstrichter-
lichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen (vgl. dazu Senat BGHZ 160,
134, 147 m.w.Nachw.; Sen.Urt. v. 9. Mai 2005 - II ZR 287/02 aaO S. 1274) zu
prüfen haben. Von einer - nur ausnahmsweise in Betracht kommenden - Anla-
gestimmung mit der Folge einer Anwendbarkeit der Grundsätze des An-
scheinsbeweises wird das Berufungsgericht dabei allenfalls nach vorheriger
Einholung eines Sachverständigengutachtens ausgehen können (Sen.Urt. v.
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4. Juni 2007 - II ZR 147/05, ZIP 2007, 1560, 1562 Tz. 14 f. - ComROAD IV; v.
4. Juni 2007 - II ZR 173/05, ZIP 1564, 1565 Tz. 14 f. - ComROAD V).
Goette Kurzwelly Kraemer
Caliebe Drescher
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 16.03.2004 - 3/16 O 30/03 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 21.02.2006 - 5 U 78/04 -