Urteil des BGH vom 26.05.2003

BGH (verwertung, nennwert, vollstreckung, antrag, höhe, land, zwangsvollstreckung, betrag, zeitpunkt, auslegung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IXa ZB 199/03
vom
19. März 2004
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
- 2 -
Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft, die Richter Raebel, Athing, Dr. Boetticher und Zoll
am 19. März 2004
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Gläubigerin werden die Beschlüsse des
Landgerichts Wuppertal vom 26. Mai 2003 und des Amtsgerichts
Wuppertal vom 13. Februar 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zu erneuter Entscheidung, auch über die Kosten
der Beschwerdeverfahren, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Der Rechtspfleger darf den Erlaß des Pfändungsbeschlusses
nicht aus den Gründen der aufgehobenen Beschlüsse ablehnen.
Gründe:
I.
Die Schuldnerinnen halten GmbH- und Kommanditanteile an den Dritt-
schuldnerinnen. Sie haben ihre Geschäftsanteile mit privatschriftlichen und
notariellen Verträgen zur Sicherung von Forderungen der Gläubigerin verpfän-
det.
- 3 -
Die Gläubigerin hat gegen die Schuldnerinnen Klage erhoben, die Ver-
wertung ihrer Geschäftsanteile an den Drittschuldnerinnen nach § 1277 BGB
zu dulden. Das Landgericht Wuppertal und das Oberlandesgericht Düsseldorf
haben die Schuldnerinnen (dort Beklagte zu 1 und 2) durch Urteile vom
20. März 2001 (Landgericht) und 26. April 2002 (Oberlandesgericht) verurteilt,
"die Verwertung folgender Geschäftsanteile nach den Vorschriften der Zivilpro-
zeßordnung zur Befriedigung der fälligen Forderungen der Klägerin gegenüber
a)
der
T.
GmbH
& Co.,
b)
der
R.
GmbH
& Co.,
c)
der
S.
GmbH
& Co.
KG
zu
dul-
den:
a) Geschäftsanteil der Beklagten zu 1 an der im Handelregister des
Amtsgerichts P. unter HRB 10183 eingetragenen TT.
mbH im Nennwert von 49.000 DM;
b) Geschäftsanteil der Beklagten zu 1 an der im Handelregister des
Amtsgerichts P. unter HRB 12256 eingetragenen Logistikzen-
trum M. GmbH im Nennwert von 49.500 DM;
c) Kommanditanteil der Beklagten zu 1 an der im Handelregister des
Amtsgerichts P. unter HRA 1776 eingetragenen TT.
GmbH & Co. KG im Nennwert von 11.000 DM;
d) Kommanditanteil der Beklagten zu 1 an der im Handelregister des
Amtsgerichts P. unter HRA 2281 eingetragenen Tr.
GmbH
& Co.
KG
im
Nennwert
von
11.000 DM;
e) Kommanditanteil der Beklagten zu 2 an der im Handelregister des
Amtsgerichts P. unter HRA 1776 eingetragenen TT.
GmbH & Co. KG im Nennwert von 38.500 DM;
f) Kommanditanteil der Beklagten zu 2 an der im Handelregister des
Amtsgerichts P. unter HRA 2281 eingetragenen Tr.
- 4 -
GmbH
& Co.
KG
im
Nennwert
von
38.500 DM."
Die Gläubigerin hat am 25. Juli 2002 beim Vollstreckungsgericht einen
Antrag auf Erlaß eines Pfändungsbeschlusses gestellt, weil ihr nach den voll-
streckbaren Urteilen des Landgerichts Wuppertal und des Oberlandesgerichts
Düsseldorf "ein Anspruch auf Verwertung der Gesellschaftsanteile nach den
Vorschriften der Zivilprozeßordnung (zustehe), die mit diesem Pfändungsbe-
schluß gepfändet werden sollen". Das Amtsgericht hat den Antrag durch Be-
schluß abgewiesen. Das Landgericht hat die dagegen eingelegte sofortige Be-
schwerde zurückgewiesen. Die Gläubigerin verfolgt mit der zugelassenen
Rechtsbeschwerde den Erlaß des Pfändungsbeschlusses weiter.
II.
Das gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch
im übrigen zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Beschlüsse des
Land- sowie des Amtsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das
Amtsgericht.
1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts sind die der Zwangsvoll-
streckung zugrunde liegenden Titel des Landgerichts Wuppertal und des Ober-
landesgerichts Düsseldorf zu unbestimmt, um eine Vollstreckung aus ihnen
durchführen zu können. Die zu vollstreckenden Forderungen der Gläubigerin
seien in dem Antrag und den vorgelegten Vollstreckungstiteln nicht ausrei-
chend bezeichnet. Den beiden Urteilsformeln sei lediglich zu entnehmen, daß
die Schuldnerinnen der Verwertung der Gesellschaftsanteile nach den Vor-
- 5 -
schriften der Zivilprozeßordnung zu dulden hätten, und zwar zur Befriedigung
der fälligen Forderungen der Gläubigerin gegenüber den in den Urteilsformeln
aufgeführten Firmen. Dabei würden weder die Forderungen der Gläubigerin
nach Art und Betrag genannt, noch seien die weiteren Schuldner der Gläubige-
rin ausreichend bezeichnet, weil deren Adressen fehlten. Die Lücke in den Ur-
teilsaussprüchen der beiden zugrundeliegenden Titel könne auch nicht durch
Auslegung anhand der Entscheidungsgründe geschlossen werden. Zwar ent-
hielten beide Urteile im Rahmen der Ausführungen zur Pfandreife auch Anga-
ben zur Höhe der Forderungen bei Fälligstellung durch die Gläubigerin. Da
diese Fälligstellung teilweise jedoch schon mehrere Jahre zum Zeitpunkt des
Urteilserlasses zurückgelegen habe, gäben diese Beträge wenig Aufschluß
über die aktuelle Höhe der Forderungen der Gläubigerin.
Demgegenüber macht die Rechtsbeschwerde geltend, der zu vollstrek-
kende Anspruch sei vorliegend derjenige auf Duldung der Verwertung der in
den beiden Titeln genau bezeichneten Gesellschaftsanteile. Da diese Anteile
ausweislich der Titel jeweils vollen Umfangs zu verwerten seien, stünden Inhalt
und Umfang der zu duldenden Pfändung und des Pfandrechts ohne weiteres
fest.
2. Die Rechtsbeschwerde hat Recht.
a) Das Beschwerdegericht hat zu hohe Anforderungen an die Bestimmt-
heit des Vollstreckungstitels und an den Antrag auf Erlaß eines Pfändungsbe-
schlusses gestellt. Ein Vollstreckungstitel muß den zu vollstreckenden An-
spruch inhaltlich derart konkret bezeichnen, daß das Vollstreckungsorgan in
die Lage versetzt wird, allein mit dem Titel die Vollstreckung durchzuführen
- 6 -
(Stöber, Forderungspfändung 13. Aufl. Rn. 485 f, 496, 498 f; 509 m.w.N.). Das
Beschwerdegericht verkennt jedoch, daß es im vorliegenden Fall nicht um die
Vollstreckung der durch die die Verpfändung der Geschäftsanteile gesicherten
Forderung geht, sondern um die Vollstreckung des gegen die Schuldnerinnen
erwirkten Duldungstitels. Bei dieser Sachlage reicht es aus, daß sich aus den
Urteilsformeln der Urteile des Land- und Oberlandesgerichts die Geschäftsan-
teile ergeben, deren Verwertung die Schuldnerinnen zu dulden haben.
Soweit das Beschwerdegericht die Titel von Land- und Oberlandesge-
richt für zu unbestimmt hält, weil darin weder die ursprünglichen Forderungen
der Gläubigerin nach Art und Betrag genannt noch die Adressen der weiteren
Schuldner der Gläubigerin angegeben seien, sind dies Umstände, die außer-
halb des Vollstreckungstitels liegen und - wie das Beschwerdegericht selbst
ausführt - ohnehin vom Vollstreckungsgericht nicht überprüft werden können.
b) Im übrigen hätte das Beschwerdegericht seine Zweifel an dem Beste-
hen der Forderungen der Gläubigerin dadurch überwinden können, daß es die
Urteilsgründe zur Auslegung des Vollstreckungstitels und des Antrags heran-
gezogen hätte. Sie ergeben sowohl die ursprüngliche Höhe der von der Gläu-
bigerin am 4. September 1996 bzw. am 1. Februar 2000 fällig gestellten Kredit-
forderungen als auch die als unstreitig behandelte Feststellung, daß sich die
Forderungen zum Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung aufgrund des Zeitablaufs
seit Fälligstellung sogar erhöht haben und die Verwertung der vorhandenen
Sicherheiten keine ausreichende Befriedigung der Forderungen erbracht hat
(LGU S. 13, 14). Aus dem Urteil des Oberlandesgerichts ergibt sich, daß die
Schuldnerinnen nicht in Abrede gestellt haben, "daß die bereits erzielten Erlö-
se aus der Verwertung weiterer Sicherheiten sich bis zum 6. Dezember 2001
- 7 -
auf lediglich 40.284.000 DM belaufen und nicht zum Erlöschen ihrer an diesem
Stichtag
- 8 -
offenen Forderungen in Höhe von 80.991.000 DM und damit auch ihrer Pfand-
rechte geführt haben" (OLGU S. 17). Da das Oberlandesgericht auch eine
Übersicherung ausgeschlossen hat, ist der Pfändungsantrag nicht aus den
Gründen der angefochtenen Beschlüsse abzulehnen.
Kreft Raebel Athing
Boetticher Zoll