Urteil des BGH vom 22.10.2004

BGH (zweckverband, errichtung, entwässerung, betrag, zahlung, verhandlung, verband, stand, verkäufer, herstellung)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 7/04
Verkündet am:
22. Oktober 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Berichtigt durch Beschluß
des Senats vom 9.11.2004
Geschäftsstelle,
Kanik, Justizamtsinspektorin
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Oktober 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 19. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 19. Januar 2004 aufgeho-
ben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
I.
Die Beklagte war Eigentümerin von zwei unbebauten Grundstücken in
U. . Aufgrund eines Bebauungsplans wurden die Grundstücke
gewerblich nutzbar und erschlossen. Die Anlagen zur Entwässerung der
Grundstücke des Baugebiets wurden von einem Zweckverband errichtet.
- 3 -
Durch Bescheide vom 23. September 1992 setzte der Zweckverband den auf
die Grundstücke der Beklagten entfallenden Beitrag für die Herstellung der
Entwässerungsanlagen auf insgesamt 100.440 DM fest. 41.850 DM hiervon
waren sofort fällig. Mit diesem Betrag war eine Bebauung der Grundstücke mit
einer Geschoßfläche von 1.550 qm abgegolten. Der Restbetrag von
58.590 DM = 29.956,59 € wurde nach den Bescheiden "dann und insoweit fäl-
lig, als eine später über die abgegoltene Geschoßfläche hinausgehende Ge-
schoßfläche auf den beitragspflichtigen Grundstücken tatsächlich verwirklicht
wird".
Die Beklagte bezahlte den Betrag von 41.850 DM. Sie bebaute die
Grundstücke nicht, sondern verkaufte sie mit Notarvertrag vom 24. Juni 1998
für 2.720.000 DM an den Kläger. Zu den Erschließungskosten heißt es in
Ziff. IV Nr. 2 des Kaufvertrages:
(1)
"Kosten für bis heute bereits durchgeführte Erschließungs-
maßnahmen im weitesten Sinne (nach dem Baugesetzbuch
und nach anderen Vorschriften) trägt der Verkäufer. Kosten für
künftige gehen zu Lasten des Käufers. Dieser zahlt auch die-
jenigen, die wegen einer Änderung der Ausnutzung anfallen.
(2)
Beiträge nach Art. 5 KAG, die nicht Erschließungsmaßnahmen
im weitesten Sinne betreffen, sind vom Verkäufer zu entrich-
ten, wenn jene ihm schon in Rechnung gestellt wurden, sonst
vom Käufer. Dieser zahlt auch diejenigen, die wegen einer Än-
derung der Ausnutzung anfallen."
Der Kläger wurde als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Auf
den von der Beklagten gekauften Grundstücken und zwei weiteren Grundstük-
ken errichtete er ein Bürogebäude. Nach dessen Fertigstellung setzte der
Zweckverband weitere 101.322,90 DM Kosten für die Herstellung der Entwäs-
- 4 -
serungsanlagen gegen den Kläger fest. Der Kläger leistete keine Zahlung, son-
dern forderte unter Hinweis auf Ziff. IV Nr. 2 Abs. 1 des Kaufvertrags die Be-
klagte auf, aus dem gegen ihn festgesetzten Betrag den auf die von ihr gekauf-
ten Grundstücke entfallenden Teilbetrag von 58.590 DM an den Zweckverband
zu überweisen. Dem kam die Beklagte nicht nach. Der Kläger wurde am
27. November 2002 von dem Verband gemahnt. Mit Schreiben vom
4. Dezember 2002 leitete er die Mahnung der Beklagten zu und mahnte sie
seinerseits. Die Beklagte leistete weiterhin keine Zahlung. Das führte dazu,
daß gegen den Kläger schließlich insgesamt 6.204 € Mahngebühren und Ver-
spätungszuschläge festgesetzt wurden. Hieraus entfallen nach seiner Behaup-
tung 4.798,27 € auf die von der Beklagten erworbenen Grundstücke.
Der Kläger verlangt die Erstattung der gegen ihn im Hinblick auf die von
der Beklagten erworbenen Grundstücke von dem Zweckverband festgesetzten
weiteren Kosten und der gegen ihn insoweit festgesetzten Verspätungs- und
Mahnzuschläge, insgesamt 34.769,85 €, zuzüglich Zinsen.
Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der
von dem Senat zugelassen Revision erstrebt er die Verurteilung der Beklagten
zur Zahlung.
II.
Das Berufungsgericht verneint einen Zahlungsanspruch des Klägers. Es
meint, bei der Errichtung der Anlagen zur Entwässerung der Grundstücke han-
dele es sich nicht um die Errichtung von Erschließungsanlagen im Sinne von
§ 127 Abs. 2 BauGB, sondern um die Errichtung von Anlagen, deren Kosten
nach Art. 5 BayKAG von den Grundstückseigentümern zu tragen seien. Die
- 5 -
Frage, welche der Parteien die hiermit verbundenen Kosten zu tragen habe,
sei daher gemäß der Ziff. IV Nr. 2 Abs. 2 des Kaufvertrages vereinbarten Rege-
lung dahin zu beantworten, daß dies der Kläger sei.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
III.
Bei den von dem Zweckverband zur Entwässerung der Grundstücke des
Baugebiets errichteten Anlagen handelt es sich um Erschließungsanlagen.
Welche der Parteien nach der Bebauung der Grundstücke die von dem Ver-
band gegen den Kläger als deren Eigentümer festgesetzten Kosten zu tragen
hat, ist nach Ziff. IV Nr. 2 Abs. 1 und nicht nach Ziff. IV Nr. 2 Abs. 2 des Kauf-
vertrags vom 24. Juni 1998 zu entscheiden.
1. Das Berufungsgericht mißversteht § 127 BauGB und meint daher zu
Unrecht, bei den Anlagen handele es sich nicht um Erschließungsanlagen. Zu
solchen Anlagen im Sinne von § 123 BauGB gehören nicht nur die Anlagen zur
verkehrsmäßigen Erschließung und zum Schutz des Baugebiets vor Immissio-
nen, sondern auch die Anlagen zur Versorgung der Grundstücke mit Elektrizi-
tät, Wärme und Gas, die Anlagen zur Be- und Entwässerung und die Anlagen
zur Abfallentsorgung (Löhr in Battis/Kautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl., Vor-
bem. zu §§ 123 bis 135 Rdn. 1; Ernst/Grziwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg,
BauGB,
Loseblattkommentar,
Stand
Juli
2004,
§
123
Rdn.
4b;
Schrödter/Quaas, BauGB, 6. Aufl., § 123 Rdn. 7). Dem entsprechen die ständi-
ge Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. BayVerwG, BayVBl. 1995,
762; BauR 2000, 855; OVG Münster, NVwZ-RR 2003, 778) und die Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 89, 7 ff.). Auch in der Recht-
- 6 -
sprechung der Zivilgerichte wird als selbstverständlich vorausgesetzt, daß die
Kosten für die Errichtung von Entwässerungsanlagen Erschließungskosten
sind (BGHZ 115, 311, 321; OLG Dresden, BauR 2001, 1283; OLG Naumburg,
OLGR Naumburg 2003, 204). § 127 Abs. 2 BauGB ist nichts anderes zu ent-
nehmen. Soweit eine Maßnahme zur Erschließung eines Baugebiets nicht zu
den in § 127 Abs. 2 BauGB aufgezählten Maßnahmen gehört, bedeutet dies
nicht, daß es sich bei der Maßnahme nicht um eine Erschließungsmaßnahme
handelt, sondern daß die Kosten hierfür nicht bundesrechtlich nach §§ 128 ff
BauGB sondern nach den Kommunalabgabengesetzen und damit landesrecht-
lich umzulegen sind (Löhr, aaO, § 128 BauGB Rn. 52; Grziwotz in
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, aaO, § 127 Rdn. 25; Schrödter/Quaas, aaO, § 128
BauGB Rdn. 41).
2. Nach der zwischen den Parteien in Ziff. IV Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 des
Kaufvertrags vereinbarten Regelung hat im Verhältnis der Parteien zueinander
die Beklagte die Kosten derjenigen Erschließungsanlagen zu tragen, die auf
den bei Abschluß des Kaufvertrags bereits durchgeführten Maßnahmen beru-
hen. So verhält es sich bei den von dem Zweckverband errichteten Entwässe-
rungsanlagen. Im Hinblick auf die in Ziff. IV Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages
weiter vereinbarte Regelung ist indessen fraglich, ob dies auch hinsichtlich der
nach der Bebauung der Grundstücke gegen den Kläger festgesetzten Kosten
gilt.
Hierzu hat die Beklagte geltend gemacht, die Bebauung der Grundstük-
ke bedeute eine Änderung ihrer Ausnutzung im Sinne der vereinbarten Rege-
lung. Ob dies zutrifft, ist eine Frage der Auslegung, die der Senat nicht selbst
vornehmen kann, weil weitere Feststellungen hierzu noch in Betracht kommen
und der Kläger vorgetragen hat, die vereinbarte Regelung sei in der Urkunds-
- 7 -
verhandlung von dem Notar dahin erläutert worden, daß nur eine Bebauung,
die nicht den Vorgaben des bei Abschluß des Kaufvertrages geltenden Bebau-
ungsplans entspreche und aus diesem Grunde zur Festsetzung von weiteren
Erschließungskosten führe, eine "Änderung der Ausnutzung" der Grundstücke
im Sinne der getroffenen Regelung bedeute.
Wenzel Krüger Klein
Gaier Stresemann