Urteil des BGH vom 05.04.2006

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 144/05
vom
5. April 2006
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR:
ja
InsO §§ 6, 75 Abs. 3
Der Beschluss, mit dem das Insolvenzgericht einen Antrag auf Vertagung der Gläu-
bigerversammlung abgelehnt hat, ist nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.
BGH, Beschluss vom 5. April 2006 - IX ZB 144/05 - LG Chemnitz
AG
Chemnitz
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Gero Fischer, die Richter Vill, Cierniak, die Richterin Lohmann und den
Richter Dr. Detlev Fischer
am 5. April 2006
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer
des Landgerichts Chemnitz vom 18. Mai 2005 wird auf Kosten der
weiteren Beteiligten zu 1 als unzulässig verworfen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 4.000 € festge-
setzt.
Gründe:
I.
Auf den Antrag der (weiteren) Beteiligten zu 1 bestimmte das Insolvenz-
gericht Termin zur Durchführung einer weiteren Gläubigerversammlung auf den
13. August 2003. Diese Gläubigerversammlung wurde mehrfach, zuletzt auf
den 26. Januar 2005 vertagt. Den dort auch von der Beteiligten zu 1 gestellten
Antrag auf erneute Vertagung hat das Insolvenzgericht - Rechtspfleger - mit
Beschluss vom 27. Januar 2005 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete so-
fortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Beschwerdegericht als unzu-
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lässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beteiligten
zu 1.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
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1. Die Befugnis zur Rechtsbeschwerde setzt voraus, dass die sofortige
Beschwerde statthaft war (BGHZ 144, 78, 79 ff; BGH, Beschl. v. 18. September
2003 - IX ZB 75/03, WM 2003, 2344; v. 16. Oktober 2003 - IX ZB 599/02, WM
2003, 2390, 2391; v. 7. Oktober 2004 - IX ZB 128/03, WM 2004, 2494, 2495; v.
7. April 2005 - IX ZB 63/03, WM 2005, 1246). Das war hier nicht der Fall. Die
Insolvenzordnung sieht ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Insol-
venzgerichts über eine Vertagung nicht vor (§ 6 Abs. 1 InsO). Deshalb ent-
spricht es - soweit ersichtlich - allgemeiner Meinung, dass gegen die Ablehnung
der Vertagung einer Gläubigerversammlung die sofortige Beschwerde nicht ge-
geben ist (LG Göttingen ZIP 2000, 1945, 1946; MünchKomm-InsO/Ganter, § 6
Rn. 14; FK-InsO/Kind, 4. Aufl. § 74 Rn. 16; HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 6 Rn. 7;
Kübler/Prütting, InsO § 6 Rn. 16 b; Braun/Kießner, InsO 2. Aufl. § 6 Rn. 8; Uh-
lenbruck, InsO 12. Aufl. § 6 Rn. 11; Alter EWiR 2001, 235, 236).
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Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1 kommt eine entsprechende
Anwendung des § 75 Abs. 3 InsO nicht in Betracht (im Ergebnis ebenso OLG
Köln ZInsO 2001, 1112). Nach dieser Vorschrift steht dem Antragsteller die so-
fortige Beschwerde zu, wenn sein Antrag, eine Gläubigerversammlung einzube-
rufen, abgelehnt wird. Ihrer analogen Anwendung auf den Fall der Ablehnung
einer Vertagung steht schon das in § 6 Abs. 1 InsO enthaltene Enumerati-
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onsprinzip entgegen. Auch sind die Fälle nicht vergleichbar. Während im Falle
der Ablehnung eines Einberufungsantrags eine Gläubigerversammlung gar
nicht erst stattfindet, hat der Gläubiger im Falle der Ablehnung einer Vertagung
Gelegenheit, in der zunächst einberufenen - und hier mehrfach vertagten -
Gläubigerversammlung seine Interessen wahrzunehmen. Anhaltspunkte für das
Vorliegen einer Ausnahme, wie sie der Senat im Beschluss vom 4. März 2004
(BGHZ 158, 212, 214 ff) anerkannt hat, liegen hier nicht vor. Der von der
Rechtsbeschwerde durch die allgemeine Bezugnahme auf das Vorbringen der
Beteiligten zu 1 im Erstbeschwerdeverfahren nur pauschal behauptete Verstoß
gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vermag einen im Gesetz nicht
vorgesehenen Instanzenzug nicht zu eröffnen.
2. Dahinstehen kann, ob die Entscheidung über eine Vertagung der
Gläubigerversammlung nicht insolvenzspezifisch, sondern zivilverfahrensrecht-
licher Art ist. In diesem Fall scheitert die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde
bereits daran, dass das Landgericht sie in dem angefochtenen Beschluss nicht
zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO; vgl. MünchKomm-InsO/Ganter,
Bd. 3 § 7 n.F. Rn. 23; Uhlenbruck, aaO § 7 Rn. 4). Im Gegenteil schließt die
über § 4 InsO anwendbare Vorschrift des § 227 Abs. 4 Satz 3 ZPO die isolierte
Anfechtbarkeit einer solchen Entscheidung aus (vgl. Musielak/Stadler, ZPO
4. Aufl. § 227 Rn. 12); zu einem faktischen Stillstand des Verfahrens führt die
Entscheidung des Insolvenzgerichts nicht.
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3. Da die eingelegte Rechtsbeschwerde unstatthaft ist, hat der Senat
nicht zu entscheiden, ob der von der Beteiligten zu 1 eingelegte Rechtsbehelf
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als befristete Erinnerung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG zu behandeln war (vgl.
Alter aaO).
Dr. Gero Fischer
Vill
Cierniak
Lohmann
Dr. Detlev Fischer
Vorinstanzen:
AG Chemnitz, Entscheidung vom 27.01.2005 - 1309 IN 1222/00 -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 18.05.2005 - 3 T 143/05 -