Urteil des BGH vom 01.12.2004

BGH (nicht aussichtslos, protokoll, verteidiger, staatsanwalt, stpo, verletzung, therapie, unterbringung, reihenfolge, sitzung)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 78/04
vom
1. Dezember 2004
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Dezember
2004, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode
als Vorsitzender
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hanau vom 25. November 2003 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperver-
letzung in zwei weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jah-
ren und drei Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entzie-
hungsanstalt angeordnet.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Ver-
letzung formellen und materiellen Rechtes rügt. Sein Rechtsmittel hat keinen
Erfolg.
I.
Die Sachrüge ist unbegründet wie der Generalbundesanwalt in seiner
Zuschrift vom 8. März 2004 zutreffend ausgeführt hat.
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Soweit das Landgericht bei der Anordnung der Unterbringung nach § 64
StGB davon ausgegangen ist, daß eine Therapie nicht aussichtslos erscheint
(UA S. 16), hat es einen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts (BVerfGE 91, 1) unzutreffenden Maßstab zugrundegelegt. Den Urteils-
gründen in ihrer Gesamtheit, insbesondere auch der Hervorhebung, daß der
Angeklagte, bei dem bislang keine Suchtbekämpfungsmaßnahmen versucht
wurden, sich zu einer Therapie auch motiviert gezeigt hat, ist jedoch zu ent-
nehmen, daß das Landgericht eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen
Behandlungserfolg bejaht hat.
II.
Die Verfahrensrüge einer Verletzung des § 258 Abs. 2 und 3 StPO bleibt
ohne Erfolg.
Im Hauptverhandlungsprotokoll ist, nachdem die Beweisaufnahme ge-
schlossen worden war, festgehalten: "Der Staatsanwalt und sodann der Vertei-
diger sowie der Angeklagte erhielten zu ihren Ausführungen das Wort. Der
Staatsanwalt beantragte …, der Verteidiger beantragte ….". Sodann wurde das
Urteil verkündet.
Das Protokoll belegt, daß der Angeklagte selbst als letzter Ausführungen
machte. Die Reihenfolge der Aufzählung der Verfahrensbeteiligten, die das
Wort zu ihren Ausführungen erhielten, zeigt, daß der Angeklagte als letzter das
Wort hatte (vgl. u.a. BGH, Beschluß vom 4. Dezember 1991 - 3 StR 464/91).
Dem steht weder die Entscheidung BGH StV 1999, 5 entgegen, da dort dem
Angeklagten neben anderen Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Ausführung
gegeben wurde, noch die Entscheidung BGH, Beschluß vom 7. Mai 2002 - 3
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StR 499/01, da in diesem Fall der Angeklagte im Protokoll nicht als letzter auf-
geführt ist.
Daß im Protokoll nach dem Vorspann "erhielten zu ihren Ausführungen
das Wort" die Anträge des Staatsanwalts und des Verteidigers aufgeführt wer-
den, bedeutet nicht, daß diesen hierzu noch einmal das Wort erteilt wurde,
sondern legt nahe, daß dies lediglich die Konkretisierung ihrer Ausführungen
darstellt. Danach hat der Angeklagte als letzter vor der Urteilsverkündung ge-
sprochen.
Ob der Protokollformulierung "erhielt zu den Ausführungen das Wort"
eindeutig zu entnehmen ist, daß dem Angeklagten sowohl das Recht nach
§ 258 Abs. 3 als auch das nach Abs. 2 StPO eingeräumt wurde (vgl. hierzu u.a.
BGHSt 13, 53, 59; 18, 84, 86; derartige Protokollvermerke sind auslegungsfä-
hig: vgl. u.a. BGH, Beschluß vom 20. Juli 1999 - 1 StR 351/99), kann hier of-
fenbleiben.
Selbst wenn man das Protokoll insoweit für unklar hält, hat die Revision
keinen Erfolg. Denn dann entfällt die Beweiskraft des Protokolls, und das Revi-
sionsgericht hat im Wege des Freibeweises zu klären, ob dem Angeklagten
seine Rechte nach § 258 Abs. 2 und 3 StPO gewährt wurden.
Den eingeholten dienstlichen Erklärungen des Sitzungsstaatsanwaltes,
der Berufsrichter und der Protokollführerin, insbesondere auch dem im Compu-
ter gespeicherten vollständigen Protokoll ist zu entnehmen, daß dem Ange-
klagten die entsprechenden Rechte zugestanden wurden.
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Der behauptete Verfahrensverstoß liegt danach nicht vor.
Bode Otten Rothfuß
Fischer Roggenbuck