Urteil des BGH vom 07.11.2001

BGH (gesamtstrafe, strafzumessung, verurteilung, stgb, bemessung, freiheitsstrafe, wasser, menge, herabsetzung, lasten)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 277/01
vom
7. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November
2001, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Erfurt vom 22. Januar 2001 wird verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-
zung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Nötigung, unter Einbeziehung von
elf Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfrei-
heitsstrafe von sieben Jahren sowie zu einer weiteren Freiheitsstrafe von fünf
Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine auf Verfahrensrügen sowie die Sach-
rüge gestützte Revision, die der Generalbundesanwalt hinsichtlich der Zumes-
sung der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten für begründet hält,
hat insgesamt keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte im
März 1999 als Untersuchungsgefangener zusammen mit den Mitangeklagten
Ku. und Sch., deren Revisionen der Senat durch Beschluß vom 17. August
2001 verworfen hat, sowie dem späteren Tatopfer Kä. in einem Haftraum der
Justizvollzugsanstalt E. , Zweigstelle W. , inhaftiert. Aus Langeweile,
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weil sie "Spaß haben" und ihre Machtgefühle ausleben wollten, mißhandelten
und quälten der Angeklagte sowie die beiden Mittäter am Abend des 12. März
1999 den Mithäftling Kä. über einen Zeitraum von etwa drei Stunden. Durch
Drohungen und Schläge wurde der Geschädigte unter anderem gezwungen,
nackt auf einem Tisch zu tanzen und vor den Tätern zu onanieren, vom Ange-
klagten heimlich gehortete Beruhigungstabletten einzunehmen sowie eine
ekelerregende Mischung aus Abfällen, später auch sein Erbrochenes zu essen
und seinen eigenen sowie den Urin der Täter zu trinken. Das Opfer mußte sich
darüber hinaus mit einer Rasierklinge Schnitte am Arm beibringen, um mit sei-
nem Blut einen "Entschuldigungsbrief" zu schreiben.
Am 15. März 1999, also drei Tage nach diesem Geschehen, wurde der
Angeklagte wegen Diebstahls in sechs Fällen, Einfuhr von Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge und gewerbsmäßigem Handeltreiben mit Betäubungs-
mitteln in zwei und mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei wei-
teren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt (Einzel-
strafen: fünfmal je fünf Monate; sechs Monate; zweimal je ein Jahr; zwei Jahre
sechs Monate; zweimal je drei Jahre); das Urteil wurde noch am 15. März 1999
rechtskräftig.
Am Abend desselben Tages mißhandelten der Angeklagte und die Mit-
täter erneut mindestens eine Stunde lang den Mitgefangenen Kä., wobei die
Mißhandlung noch über diejenigen vom 13. März hinausging. Unter anderem
wurde der Kopf des Opfers so lange in einen Eimer mit Wasser gedrückt, bis
der Geschädigte panische Todesangst empfand; er wurde mit kaltem Wasser
übergossen und gezwungen, große Mengen Wasser zu trinken, mußte seinen
Stuhl zu sich nehmen und erlitt durch in Körperöffnungen gestecktes und dann
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entzündetes Papier erhebliche Brandverletzungen. Er wurde zudem von allen
Mittätern vielfach geschlagen und getreten.
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen der eine einheitliche
Tat bildenden Mißhandlungen vom 12. März 1999 eine Freiheitsstrafe von drei
Jahren und neun Monaten verhängt und unter Auflösung der am 15. März 1999
erkannten Gesamtstrafe und Einbeziehung der Einzelstrafen auf eine nach-
trägliche Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren erkannt. Wegen der Tat vom
15. März 1999 hat es wegen der durch die rechtskräftige Verurteilung vom sel-
ben Tag bewirkten Zäsurwirkung eine selbständige Freiheitsstrafe von fünf
Jahren und drei Monaten verhängt.
2. Die Verfahrensrügen sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO. Auch die Sachrüge ist unbegründet. Der Erörterung bedürfen hier nur
die Einwendungen gegen die Strafzumessung.
a) Diese sind offensichtlich unbegründet, soweit sie sich gegen einzelne
Strafzumessungserwägungen wenden. Die Berücksichtigung generalpräventi-
ver Gesichtspunkte, namentlich im Hinblick auf eine Zunahme schwerwiegen-
der Mißhandlungen unter Gefangenen in Justizvollzugsanstalten, ist rechts-
fehlerfrei. Daß das Landgericht strafschärfend gewertet hat, daß die Taten aus
Spaß und Langeweile begangen wurden und daß hieraus sowie aus Art, Inten-
sität und Dauer der Mißhandlungen eine rohe, gefühllose und menschenver-
achtende Gesinnung sprach, verstößt entgegen der Auffassung der Revision
nicht gegen § 46 Abs. 3 StGB. Die Bemessung der Gesamtstrafe ist rechtsfeh-
lerfrei.
b) Auch das Gesamtstrafübel weist im Hinblick auf die Zäsurwirkung des
am Tattag rechtskräftig ergangenen Urteils keinen Rechtsfehler zu Lasten des
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Angeklagten auf. Zwar kann der Eintritt der Zäsurwirkung einer Vorverurteilung
mit der Folge, daß Einzelstrafen für nach diesem Zeitpunkt begangene Taten
für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht mehr zur Verfügung stehen
und gesondert bestehen bleiben, im Einzelfall von Zufällen abhängen, welche
den Angeklagten belasten können und daher bei der Bemessung des zu ver-
hängenden Gesamtstrafübels zu bedenken sind. Hier lag jedoch eine Herab-
setzung der Einzelstrafe für die zweite Tat im Hinblick auf die Zäsurwirkung
ersichtlich so fern, daß eine ausdrückliche Erörterung in den Urteilsgründen
nicht geboten war. Bei der Bemessung der Einzelstrafe für die nur wenige
Stunden nach der Verurteilung begangene zweite Tat hat das Landgericht zu-
treffend neben dem Umstand, daß der Angeklagte bei den Mißhandlungen eine
führende Rolle spielte, zu seinen Lasten auch berücksichtigt, daß ihn die un-
mittelbar zurückliegende Verurteilung nicht beeindruckt und von der Fortset-
zung und Intensivierung der Mißhandlungen abgehalten hat. Daß ihm anderer-
seits "eine gewisse Frustration" über die Verurteilung zugute gehalten wurde
(UA S. 46), zeigt in Verbindung mit den sonstigen Strafzumessungsgründen,
daß das Landgericht die Strafen entgegen der Auffassung der Revision nicht
schematisch zugemessen hat.
c) Die Revision meint, bei der Bemessung der Einzelstrafe für die zweite
Tat habe das Landgericht unter dem Gesichtspunkt des Gesamtstrafübels
rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, daß beide gegen den Mitangeklagten Ku.
in gleicher Höhe verhängten Einzelstrafen bei diesem in die nachträglich gebil-
dete Gesamtstrafe von elf Jahren und sechs Monaten einbezogen wurden und
daher gegenüber der aufgelösten früheren Gesamtstrafe nur zu einer Gesam-
terhöhung von drei Jahren und sechs Monaten geführt haben. Aufgrund der
Zäsurwirkung der Verurteilung vom 15. März 1999 habe sich das gegen den
Angeklagten verhängte Gesamtstrafübel dagegen um insgesamt sieben Jahre
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und drei Monate erhöht; dieser Umstand habe aufgrund einer vergleichenden
Betrachtung zu einer Herabsetzung der zweiten Einzelstrafe führen müssen.
Der Senat sieht auch hier, entgegen der Ansicht des Generalbundesan-
walts, keinen Rechtsfehler. Zwar darf der Gesichtspunkt, daß gegen Mittäter
verhängte Strafen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten, bei
der Strafzumessung nicht völlig außer Betracht bleiben (vgl. BGHR StGB § 46
Abs. 2 Zumessungsfehler 1; BGH StV 1991, 557). Bestimmender Maßstab für
die Strafzumessung ist jedoch in jedem Fall die persönliche Schuld des Täters;
dieser Grundsatz darf nicht gegenüber schematischen, allein rechnerischen
oder vergleichenden Erwägungen zurücktreten. Daher wäre es auch rechts-
fehlerhaft, eine als schuldangemessen angesehene Strafe allein im Hinblick
auf gegen Mittäter verhängte niedrigere Strafen herabzusetzen (vgl. BGHSt 28,
318, 323 f.; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertung 4 und Wertungsfehler 23). Diese
Grundsätze gelten uneingeschränkt auch für die Strafzumessung im Rahmen
der Bildung nachträglicher Gesamtstrafen. Eine vergleichende Zumessung
kommt auch insoweit regelmäßig nicht in Betracht, denn Regelungen und Er-
wägungen, welche für die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gegen
einen Mittäter von Bedeutung sein können, sind aus dem Blickwinkel des An-
geklagten weithin zufällig und können keinen bestimmenden Einfluß auf die
Strafzumessung gegen ihn haben.
Hieran ändert das Eingreifen der Zäsurwirkung einer Vorverurteilung bei
einem der Mittäter grundsätzlich nichts. Selbst wenn es im Einzelfall, etwa
wenn das gegen einen der Mittäter verhängte Gesamtstrafübel die Höchst-
grenze des § 38 Abs. 2 StGB übersteigt, auf einen Vergleich mit der gegen an-
dere Tatbeteiligte im selben Verfahren verhängten Strafe ankäme, so lag ein
solcher Fall, der eine ausdrückliche Erörterung in den Urteilsgründen geboten
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hätte (vgl. BGH NStZ 1999, 182, 184), hier nicht vor. Die Revision war daher
zu verwerfen.
Jähnke Detter Bode
Rothfuß Fischer