Urteil des BGH vom 15.12.2005

BGH (stpo, umstand, strafkammer, untersuchung, schwere, beurteilung, verfügung, strafzumessung, hauptverhandlung, bemessung)

5 StR 439/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 15. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2005
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Chemnitz vom 5. Juli 2005 nach § 349
Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch mit den Fest-
stellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der
Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäu-
bungsmitteln in 73 Fällen und des unerlaubten Besitzes
von Betäubungsmitteln schuldig ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen
wegen „gewerbsmäßigen“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 73 Fällen
und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamt-
freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
Die Erfüllung des Regelbeispiels eines besonders schweren Falles
nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG ist nicht zu tenorieren (vgl. Meyer-
Goßner, StPO 48. Aufl. § 260 Rdn. 25). Insoweit korrigiert der Senat den
Schuldspruch. Dieser ist im Übrigen rechtsfehlerfrei. Dass die Strafkammer
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bei dem die Einlassung verweigernden Angeklagten mangels sonstiger An-
haltspunkte eine Zusammenfassung der Einzelfälle zur Bewertungseinheit
nicht näher erwogen hat, unterliegt keinen durchgreifenden Bedenken (vgl.
BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 13).
Hingegen halten die Einzelstrafaussprüche und der Gesamtstrafaus-
spruch der rechtlichen Prüfung nicht stand, weil der Schuldumfang der ein-
zelnen Straftaten nicht hinreichend bestimmt ist. Das Landgericht hat zwar im
Fall III. 4 der Urteilsgründe dargelegt, dass die dort sichergestellten 14,6 g
Crystal einen Wirkstoffanteil von 6,187 g Metamphetaminbase enthielten. Für
die übrigen Fälle hat es aber lediglich bemerkt: „Das Crystal war von unter-
schiedlicher Qualität“ (UA S. 7). Damit hat der Tatrichter im Wesentlichen
keine Feststellungen zur Qualität und zur Wirkstoffmenge des gehandelten
Rauschgifts getroffen und damit einen für die Bestimmung des Schuldum-
fangs wesentlichen Umstand außer Betracht gelassen. Ohne diese Angaben
vermag das Revisionsgericht nicht zu prüfen, inwieweit die Einzelstrafen
rechtsfehlerfrei bemessen sind, da die Wirkstoffmenge einen wesentlichen
Umstand für die Beurteilung der Schwere der Tat und die Bestimmung des
Schuldumfangs darstellt (vgl. BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 18 und 19
m.w.N.). Auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt, die – unter Beach-
tung des Zweifelsgrundsatzes – mit hinreichender Genauigkeit auch dann
möglich sind, wenn Betäubungsmittel nicht sichergestellt werden konnten
und daher für eine Untersuchung durch Sachverständige nicht zur Verfügung
stehen (vgl. BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Menge 3; BGH NJW 1994,
1885, 1886; BGH NStZ 1985, 221, 273; Weber, BtMG 2. Aufl. § 29a
Rdn. 92 f.), konnte hier deshalb nicht verzichtet werden.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass an-
gesichts einer Gesamtmenge von 1,8 kg gehandelten Rauschgifts (Crystal)
sich eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren vom üblichen Maß in derar-
tigen Fällen verhängter Strafen ganz erheblich nach oben abheben würde.
Zumal bei dem gegebenen engen sachlichen Zusammenhang der Taten und
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einem auch verhältnismäßig engen zeitlichen Zusammenhang bedürfte eine
so hohe Gesamtstrafe trotz der Vielzahl der Taten auf der Basis einer
Einsatzstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe und nicht überaus gravierenden
Vorbelastungen des Angeklagten einer sehr eingehenden Begründung, um
ihre ungewöhnlich hohe Bemessung nachvollziehbar zu machen.
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