Urteil des BGH vom 30.05.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 380/03
Verkündet am:
26. September 2005
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
AktG §§ 37 Abs. 1, 399 Abs. 1 Nr. 1, 4; BGB §§ 823 Abs. 2 Bf, 830 Abs. 2;
StGB § 27
a) Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 399 Abs. 1 Nr. 1, 4
AktG setzt voraus, dass der Geschädigte durch ein Verhalten im Vertrauen
auf die Richtigkeit von bereits zum Handelsregister gemachten Angaben
einen Schaden erleidet (vgl. BGHZ 96, 231, 243; 105, 121, 126). Ein Ver-
trauen auf die Ordnungsmäßigkeit künftiger Maßnahmen genügt dafür eben-
so wenig wie die allgemeine Vorstellung, es sei "alles in Ordnung".
b) Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 399 Abs. 1 Nr. 4
AktG kann nicht darauf gestützt werden, dass im Fall eines Unterbleibens ei-
ner Registereintragung gemäß § 189 AktG ein Anspruch auf Rückabwicklung
eines Zeichnungsvorvertrages entstanden wäre.
c) Die Angabe darüber, dass der auf eine Kapitalerhöhung einer Aktiengesell-
schaft eingezahlte Betrag sich endgültig in der freien Verfügung des Vor-
standes befinde (§§ 188 Abs. 2, 37 Abs. 1 AktG), bezieht sich nur auf die
Voraussetzungen für die Erfüllung der Einlageschuld und besagt nicht, dass
die Einlage noch unverändert im Gesellschaftsvermögen vorhanden sei (vgl.
BGHZ 150, 197; BGH, Beschl. v. 30. November 1995 - 1 StR 358/95, NStZ
1996, 238).
BGH, Urteil vom 26. September 2005 - II ZR 380/03 - OLG München
LG München I
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 30. Mai 2005 durch die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Kraemer, Münke und Dr. Strohn
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das Urteil des
5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. Novem-
ber 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nach-
teil der Beklagten zu 2 erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin unterzeichnete am 23. September 1996 einen formular-
mäßigen "Vorvertrag" zum Erwerb von Aktien der T. AG gegen Zahlung einer
"Einlage" von 23.000,00 DM, zahlbar auf das Konto der T. AG bei
deren Hausbank, der Beklagten zu 2. In dem Vertragsformular heißt es:
"Der Unterzeichner beteiligt sich als Aktionär, indem er verbindlich
Aktien aus der nächsten Kapitalerhöhung der T. ... AG i.G. ... erwirbt."
Nach Einzahlung der 23.000,00 DM erhielt die Klägerin von der T. AG
ein
"Zertifikat
über
den
Kauf
von
230 Stück
Inhaberstammaktien
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zum Preis von 23.000,00 DM". Ob die Klägerin in der Folge Aktionärin der
T. AG wurde, ist unter den Parteien streitig.
Die T. AG, deren Vorstand der vormalige Beklagte zu 3 angehörte, war
eine von mehreren Tochtergesellschaften der W. und wurde von dieser am
3. November 1995 gegründet. Am selben Tag wurde die T. AG unter Beifügung
eines Kontoauszugs der Beklagten zu 2 (Bank) über das am Tag zuvor einbe-
zahlte Grundkapital zum Handelsregister angemeldet. Mit Schreiben an den
vormaligen Beklagten zu 3 vom 7. November 1995 bestätigte die Beklagte zu 2
durch ihr damaliges Vorstandsmitglied K., dass auf dem Konto der T. AG i.G.
(Nr. 8) "am 3. November 1995 DM 100.000,00 zur freien Verfügung des Vor-
standes standen". Aufgrund von zwei Überweisungsaufträgen, die am
9. November 1995 bei der Beklagten zu 2 eingingen, wurden von diesem Konto
99.150,00 DM an die W. zurücküberwiesen. Am 6. März 1996 wurde die T. AG
im Handelsregister eingetragen. Am 28. Mai 1996 beschloss ihre Hauptver-
sammlung eine Kapitalerhöhung um 12,45 Mio. DM, die am gleichen Tag zur
Eintragung in das Handelsregister angemeldet wurde. Der Kapitalerhöhungsbe-
schluss wurde durch die Hauptversammlung am 28. Februar und am 15. Mai
1997 bestätigt. Am 15. Oktober 1997 zeichnete die W. sämtliche 249.000
neuen Aktien. Am 15. Dezember 1997 meldete der Vorstand der T. AG die
Durchführung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister an. Beigefügt war ein
Schreiben der Beklagten zu 2 vom gleichen Tag, in dem es heißt:
"Sehr geehrter Herr … (vormaliger Beklagter zu 3),
wunschgemäß bestätigen wir Ihnen, daß auf dem vorgenannten
Konto (Nr. 8) der Firma T. AG seit Kontoeröffnung bis
15. Dezember 1997 Geldeingänge über DM 15.562.500 zu ver-
zeichnen waren und diese Mittel dem Vorstand endgültig zur frei-
en Verfügung standen."
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In der Handelsregisteranmeldung des Vorstands der T. AG heißt es,
dass der o.g. Betrag "endgültig zur freien Verfügung des Vorstandes steht".
Tatsächlich befanden sich auf dem Bankkonto der T. AG nur noch ca.
50.000,00 DM. Im Mai 2000 wurde die T. AG insolvent. Die Gelder der Klägerin
und zahlreicher Anleger, von denen die T. AG mittels betrügerischer Angaben
in ihren Emissionsprospekten mehr als 40 Mio. DM eingeworben hatte, sind
verloren. Das ehemalige Vorstandsmitglied K. der Beklagten zu 2 wurde durch
- nicht rechtskräftiges - Urteil des Amtsgerichts München vom 3. Juni 2003 we-
gen Beihilfe zu falschen Angaben gemäß § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG zu einer
Geldstrafe verurteilt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin u.a. die Beklagte zu 2 auf Zahlung von
Schadensersatz in Höhe ihrer Einlage von 23.000,00 DM in Anspruch genom-
men. Sie meint, das ehemalige Vorstandsmitglied K. der Beklagten zu 2 habe
durch die ihrer Ansicht nach unrichtigen Bankbestätigungen vom 7. November
1995 und vom 15. Dezember 1997 Beihilfe zum Gründungs- und Kapitalerhö-
hungsschwindel des Vorstands der T. AG (§§ 399 Abs. 1 Nr. 1, 4 AktG, 27
StGB) geleistet, weshalb die Beklagte für den daraus entstandenen Schaden
aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB hafte.
Das Landgericht hat die Klage gegenüber sämtlichen Beklagten abge-
wiesen. In zweiter Instanz hat die Klägerin zunächst ihre Ansprüche gegenüber
den Beklagten zu 2 und 3 weiterverfolgt, mit dem Beklagten zu 3 aber dann
einen Prozessvergleich über die Zahlung von
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der Klagesumme geschlos-
sen. Der noch verbliebenen Klage gegenüber der Beklagten zu 2 hat das Beru-
fungsgericht entsprochen und die Revision zugelassen. Dagegen richtet sich
das Rechtsmittel der Beklagten zu 2.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten zu 2 (im Folgenden: die Beklagte) führt zur
Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an
einen anderen Senat des Berufungsgerichts.
I. Das Berufungsgericht meint, die Beklagte schulde der Klägerin Scha-
densersatz aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. §§ 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG, 27
StGB, weil ihr ehemaliges Vorstandsmitglied K. mit dem von ihm unter-
zeichneten Bestätigungsschreiben vom 15. Dezember 1997 einen Kapitalerhö-
hungsschwindel der T. AG zumindest bedingt vorsätzlich gefördert habe.
Die - im übrigen auf Wunsch der T. AG zuvor mehrfach geänderte -
Bestätigung sei jedenfalls in ihrem zweiten Teil falsch gewesen, weil zum Zeit-
punkt ihrer Abgabe nicht der angegebene Betrag von 15.562.500,00 DM, son-
dern nur noch ein Rest von 50.222,43 DM endgültig zur freien Verfügung des
Vorstandes gestanden habe. Hätte K. die Bestätigung nicht ausgestellt, die
- wie er gewusst habe - als Nachweis i.S. von § 37 Abs. 1 Satz 3 AktG habe
Verwendung finden sollen, wäre die Kapitalerhöhung nicht in das Handelsregis-
ter eingetragen worden und somit nichtig gewesen, was zu einer Rückabwick-
lung der mit den Anlegern abgeschlossenen Verträge hätte führen müssen.
Somit hätte die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt den geleisteten Betrag von
23.000,00 DM gemäß § 812 BGB von der T. AG zurückverlangen können.
Soweit die Beklagte einwende, die T. AG sei auch schon damals zur
Rückzahlung außerstande gewesen, sei die Beklagte für diese "Reserveursa-
che" beweispflichtig, habe aber keinen Beweis angetreten. Der Einbeziehung
der Klägerin in den Schutzbereich des § 399 Abs. 1 AktG stehe nicht entgegen,
dass sie ihre Einlage aufgrund des "Vorvertrages" vom 23. September 1996
schon längere Zeit vor Abgabe der falschen Bestätigung und der anschließen-
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den Eintragung im Handelsregister geleistet habe. Denn das Vertrauen des An-
legers in eine ordnungsgemäße zukünftige Kapitalerhöhung sei unter dem Ge-
sichtspunkt des Art. 3 GG ebenso zu schützen wie das Vertrauen in die Ord-
nungsmäßigkeit einer bereits durchgeführten und im Handelsregister eingetra-
genen Kapitalerhöhung, zumal die Einwerbung von Anlegern der Durchführung
und Eintragung einer Kapitalerhöhung regelmäßig vorangehe.
II. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht geht allerdings noch zutreffend davon aus, dass
§ 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG ein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB ist, das die
Aufbringung des Grundkapitals gewährleisten und - weitergehend - den Rechts-
und Wirtschaftsverkehr davor bewahren soll, dass Aktien in Umlauf gesetzt wer-
den, die nur Scheinwerte darstellen. Ziel der Vorschrift ist es auch, die Täu-
schung von Personen zu verhüten, die zu der Gesellschaft rechtliche und wirt-
schaftliche Beziehungen unterhalten oder infolge der Durchführung der
Kapitalerhöhung in solche eintreten (Senat, BGHZ 105, 121, 124). Geschützt
werden insbesondere Personen, die im Vertrauen auf die Richtigkeit der zum
Handelsregister gemachten Angaben aus einer Kapitalerhöhung hervorgegan-
gene neue Aktien erwerben (Senat aaO S. 125 f.).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts waren aber weder die
Angaben in der Registeranmeldung noch - erst recht - die auch in ihrem zweiten
Teil in Vergangenheitsform gefasste Bankbestätigung der Beklagten schon des-
halb objektiv falsch oder unvollständig i.S. von § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG, weil die
dort genannten Kapitaleinzahlungen auf dem dafür vorgesehenen Bankkonto
bei der Beklagten großenteils nicht mehr vorhanden waren.
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a) Schon nach der früheren Rechtsprechung des Senats (BGHZ 113,
335, 348; 119, 177) brauchten die für eine beschlossene Kapitalerhöhung ein-
gezahlten Beträge, um der Gesellschaft bereits deren Verwendung für Investi-
tionen u.ä. zu ermöglichen, nicht bis zur Handelsregisteranmeldung (§§ 188
Abs. 2, 36 Abs. 2 AktG) thesauriert zu werden; sie mussten in diesem Zeitpunkt
nur noch wertmäßig zur freien Verfügung des Vorstandes stehen (BGHZ 119,
177, 187 f.). Nach der jetzigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 150, 197 ff.)
genügt es für eine ordnungsgemäße Kapitalaufbringung in diesem Zusammen-
hang sogar, dass der Einlagebetrag für die Zwecke der Gesellschaft zur endgül-
tigen freien Verfügung der Geschäftsleitung eingezahlt wird, solange er in der
Folge nicht an den Einleger zurückfließt. Diese Beurteilung ist im Rahmen des
blankettartigen Straftatbestandes des § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG auch für die Fra-
ge heranzuziehen, ob die zum Handelsregister gemachten Angaben über die
"Einbringung des neuen Kapitals" falsch oder unvollständig sind. Danach betrifft
die Angabe darüber, dass der Leistungsgegenstand sich endgültig in der freien
Verfügung der Geschäftsleitung befinde, allein die Erfüllungswirkung der fragli-
chen Leistung in Bezug auf die Einlageschuld, sagt jedoch nichts darüber aus,
dass die Einlage bei der Registeranmeldung noch unverändert, d.h. gegen-
ständlich oder wertmäßig im Gesellschaftsvermögen oder gar unangetastet auf
dem Einlagenkonto vorhanden sei (so schon BGH, Beschl. v. 30. November
1995 - 1 StR 358/95, NStZ 1996, 238 mit Hinweis auf BGHZ 113, 335, 348;
Otto in GroßkommAktG 4. Aufl. § 399 Rdn. 72). Die ältere Kommentarliteratur
zu diesem Thema (z.B. Geilen in Kölner Komm.z.AktG 1. Aufl. § 399 Rdn. 64)
ist nicht erst seit der Rechtsprechungsänderung in BGHZ 150, 197 - erst recht
aber mit dieser - überholt.
b) Einen Kapitalrückfluss an Einlageschuldner hat das Berufungsgericht
ebensowenig festgestellt wie das sonstige Fehlen einer Erfüllungswirkung der
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Einlagenzahlungen. Dass die neuen Aktien - entgegen dem ursprünglichen Vor-
haben der Verantwortlichen der T. AG nicht von den einzelnen Anlegern,
sondern - nach dem Vortrag der Klägerin aus Vereinfachungsgründen - von der
W. mit der Maßgabe ihrer Zuteilung an die Anleger gezeichnet wurden
und die Einzahlungen nicht von ihr stammten, steht einer Erfüllungswirkung
nicht entgegen. Die Einlageschuld des Zeichners kann auch durch eine Dritt-
leistung erfüllt werden (vgl. Bayer, GmbHR 2004, 445, 454 m.w.Nachw.). Die
gegenüber den Anlegern verwendeten Vorvertragsformulare lassen offen, ob
die eingezahlten Beträge zum Erwerb eines unmittelbaren oder eines nur mit-
telbaren Bezugsrechts auf Aktien durch Einschaltung einer "Abwicklungsstelle"
als Zeichnerin (vgl. BGHZ 105, 121, 132 sowie zu § 186 Abs. 5 AktG
BGHZ 118, 83, 95 ff.; 122, 180, 185 f.) und somit zur Erfüllung der Einlagen-
schuld dieser Zeichnerin, welche die neuen Aktien treuhänderisch zu überneh-
men und an die Anleger weiterzuleiten hatte, eingesetzt werden sollten. Soweit
die Einzahlungen - wie hier - zeitlich nach dem Kapitalerhöhungsbeschluss
(§ 182 AktG) mit der Zweckbestimmung als "Einlagen" geleistet worden sind,
liegt darin (anders als im Fall BGHZ 51, 157) auch keine unwirksame Voraus-
leistung auf eine künftige Einlageschuld (vgl. BGHZ 150, 197, 201; Sen.Urt. v.
15. März 2004 - II ZR 210/01, ZIP 2004, 849). Der potentielle - auch dem
Aktienzeichner zustehende - Rückforderungsanspruch aus § 812 BGB im Fall
eines Scheiterns der Kapitalerhöhung (vgl. Lutter in Kölner Komm.z.AktG
2. Aufl. § 189 Rdn. 15) steht einer Leistung zur freien Verfügung des Vorstan-
des ebenfalls nicht entgegen und führt nicht zu einer Thesaurierungspflicht der
Gesellschaft bis zur Durchführung der Kapitalerhöhung. Schließlich hindern
auch etwaige Willensmängel auf Seiten der Einzahler wegen irreführender
Prospektangaben die Erfüllungswirkung im Sinne des Kapitalaufbringungs-
rechts nicht.
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3. Selbst wenn die Bankbestätigung der Beklagten unrichtig wäre und ihr
- wofür es allerdings an tragfähigen Feststellungen fehlt - eine Beihilfe zu einer
Haupttat gemäß § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG im Zusammenhang mit der Register-
anmeldung vom 15. Dezember 1997 zur Last fiele, könnte die Klägerin den gel-
tend gemachten Schadensersatzanspruch hierauf nicht stützen.
a) Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB wegen Schutz-
gesetzverletzung setzt zumindest deren Kausalität für den geltend gemachten
Schaden voraus. Die angeblich gegen § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG verstoßenden
Angaben in der Registeranmeldung vom 15. Dezember 1997 können aber
- entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - denkgesetzlich nicht dafür ur-
sächlich geworden sein, dass die Klägerin geraume Zeit vorher, nämlich am
23. September 1996, den "Vorvertrag" unterzeichnet und ihr - inzwischen verlo-
renes - Kapital zum Erwerb von Aktien "aus der nächsten Kapitalerhöhung der
T. AG i.G." eingezahlt hat. Soweit sie dabei auf eine ordnungsgemäße
künftige Durchführung der Kapitalerhöhung vertraut haben mag, ist dies nur ein
allgemeines Vertrauen in das rechtmäßige Verhalten Dritter. Dies ändert nichts
daran, dass nur eine konkret schadensursächliche Schutzgesetzverletzung
einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB auslösen kann. Auch
§ 399 Abs. 1 AktG schützt nicht das Vertrauen auf die Ordnungsmäßigkeit künf-
tiger Maßnahmen; geschützt ist vielmehr nur ein Vertrauen, das sich auf bereits
zum Handelsregister gemachte Angaben gründet (vgl. Otto in GroßkommAktG
4. Aufl. § 399 Rdn. 5; Brandes, WM 1992, 477). Dementsprechend setzt ein
Schadensersatzanspruch wegen falscher Angaben i.S. von § 399 AktG voraus,
dass der Geschädigte im Vertrauen auf deren Richtigkeit z.B. Aktien erworben
oder sonstige Vermögensdispositionen getroffen und dadurch einen Schaden
erlitten hat (vgl. Senat, BGHZ 96, 231, 243; 105, 121, 126). In dieser Hinsicht
unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen in BGHZ 105, 121 ff.,
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wo der Vertrag über den (derivativen) Erwerb von Aktien erst nach Eintragung
der Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister und im Vertrauen auf
die Richtigkeit der dazu von der Gesellschaft gemachten Angaben abgeschlos-
sen worden war. Die unterschiedliche Beurteilung der beiden Fallkonstellatio-
nen beruht auf allgemeinen Kausalitätsgrundsätzen und berührt - entgegen der
Ansicht des Berufungsgerichts - Art. 3 GG nicht.
b) Ebenso wenig kann die Klägerin den geltend gemachten Schadenser-
satzanspruch darauf stützen, dass die Durchführung der Kapitalerhöhung ohne
die angeblich falsche Bankbestätigung der Beklagten gescheitert wäre und die
Klägerin dann ihre Einlage von der T. AG gemäß § 812 Abs. 1 BGB hätte zu-
rückerhalten müssen.
aa) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen schon nicht dessen
Annahme einer entsprechenden Schadenskausalität. Voraussetzung dafür wäre
der Nachweis, dass die Klägerin ihre Einlage ohne die angeblich falsche
Handelsregisteranmeldung (§ 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG) tatsächlich von der
T. AG zurückerhalten hätte (vgl. auch BGH, Urt. v. 18. März 2004
- IX ZR 255/00, NJW 2004, 1521 f. zu III 2). Das Berufungsgericht verkennt,
dass der Einwand der Beklagten, die T. AG sei schon zur Zeit der Registeran-
meldung im Dezember 1997 zu einer Rückzahlung der Einlagen außerstande
gewesen, nicht eine - von der Beklagten nachzuweisende - "Reserveursache"
betrifft, sondern ein Bestreiten der Kausalität darstellt. Nur wenn diese erwiesen
ist, obliegt dem Schädiger ggf. der Nachweis, dass der Schaden über kurz oder
lang durch eine andere Ursache eingetreten wäre (vgl. BGH, Urt. v. 17. Oktober
2002 - IX ZR 3/01, NJW 2003, 295 f.).
Die Registereintragung der (durchgeführten) Kapitalerhöhung hatte auf
die Vermögenslage der T. AG und damit auf die Werthaltigkeit von ihr
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gegenüber bestehenden Ansprüchen der Klägerin keinen Einfluss. Die Anle-
gergelder waren schon vorher von dem Bankkonto abgezogen. Ob und wie lan-
ge die T. AG vor ihrer Insolvenz noch über ausreichendes Vermögen zur Erfül-
lung von Rückabwicklungsansprüchen zahlreicher Anleger, welche im Falle
eines Scheiterns der Kapitalerhöhung auf sie zugekommen wären, verfügte,
und ob es der Klägerin gelungen wäre, ihren Rückabwicklungsanspruch frühzei-
tig und mit Erfolg gegenüber der T. AG geltend zu machen, ist völlig offen.
bb) Davon abgesehen wird die genannte Schadenskonstruktion vom
Schutzzweck des § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG ohnehin nicht erfasst. Sie basiert
nicht auf einem irgendwie gearteten Vertrauen der Klägerin auf die Richtigkeit
von zum Handelsregister gemachten Angaben (vgl. Senat, BGHZ 105, 121,
125 f.), sondern auf rein hypothetischen Kausalitätserwägungen für den Fall,
dass die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister unterblieben wäre,
ohne dass umgekehrt die Klägerin im Vertrauen auf eine tatsächliche Register-
eintragung die Geltendmachung eines Rückabwicklungsanspruchs unterlassen
hat. Zwar bedarf es für einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der zum Han-
delsregister gemachten Angaben nicht der Einsichtnahme in das Register, son-
dern genügt eine mittelbare Kenntnis desjenigen, dem bekannt ist, dass der
betreffende Vorgang, z.B. die Durchführung einer Kapitalerhöhung, in das Han-
delsregister eingetragen worden ist (BGHZ 105, 121, 126 f.). Einen Schadens-
ersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB hat aber auch er nur, wenn er durch
ein (bewusstes) Verhalten im Vertrauen auf die Richtigkeit der relevanten An-
gaben einen Schaden erlitten hat (vgl. Otto aaO § 399 Rdn. 5 m.w.Nachw.). Die
allgemeine Vorstellung, es sei "alles in Ordnung", genügt dafür nicht, weil es in
diesem Fall an einem Zusammenhang mit den Tatbestandsvoraussetzungen
des § 399 AktG fehlt.
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III. Die Sache ist gleichwohl nicht zugunsten der Beklagten entschei-
dungsreif, weil die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch auch darauf stützt,
dass das Vorstandsmitglied K. der Beklagten durch eine bewusst falsche Bestä-
tigung über die Einzahlung des Gründungskapitals (100.000,00 DM) vom
7. November 1995 Beihilfe zu einem Gründungsschwindel (§ 399 Abs. 1 Nr. 1
AktG) der T. AG geleistet habe. Das Berufungsgericht hat dazu - von seinem
Standpunkt aus konsequent - keine Feststellungen getroffen. Die Sache ist da-
her an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der
Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgen-
des hin:
1. Ein Zurechnungszusammenhang zwischen einer etwaigen Beihilfe der
Beklagten zum Gründungsschwindel (§§ 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG, 27 StGB) und
dem geltend gemachten Schaden scheidet hier (anders als oben II 3 a) nicht
von vornherein aus, weil die Gründung der T. AG bereits im Handelsregis-
ter eingetragen war, als die Klägerin den "Vorvertrag" unterzeichnete und ihre
"Einlage" an die T. AG leistete. Offen ist aber, ob der Klägerin dabei die
Tatsache der Registereintragung bekannt war und sie daher im Vertrauen auf
die Richtigkeit der dazu gemachten Angaben gehandelt hat (vgl. BGHZ 105,
121, 126 f.). Daran bestehen jedenfalls Zweifel, weil sowohl in dem Vertrags-
formular als auch in dem vorgelegten Emissionsprospekt vom November 1995
(S. 6, 38) die "T. AG i.G.", mithin eine noch nicht im Handelsregister ein-
getragene Vorgesellschaft (vgl. dazu BGHZ 117, 323, 326) genannt ist. Nach
den Prospektangaben soll zwar die in der Eröffnungsbilanz als "ausstehend"
bezeichnete Einlage von 100.000,00 DM am 2. November 1995 einbezahlt und
die Eintragung der Gesellschaft zum Handelsregister am 3. November 1995
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beantragt worden sein. Beides begründet aber noch keinen hinreichend siche-
ren, der Valenz einer Registereintragung gleichkommenden Vertrauenstatbe-
stand dafür, dass tatsächlich die für eine Registereintragung erforderlichen An-
gaben i.S. von §§ 37 Abs. 1, 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG in der vorgeschriebenen
Weise gemacht worden sind. Dies schließt allerdings nicht aus, dass der Kläge-
rin die bereits erfolgte Registereintragung der T. AG anderweitig bekannt war.
Dies sowie die Frage, ob die ordnungsgemäße Aufbringung des Gründungska-
pitals für den Entschluss der Klägerin zur Beteiligung an dem erhöhten Kapital
überhaupt eine Rolle spielte, wird ggf. tatrichterlich zu klären sein.
2. Der objektive Tatbestand einer Haupttat i.S. von § 399 Abs. 1 Nr. 1
AktG dürfte vorliegen, weil in der Registeranmeldung der T. AG verschwiegen
wurde, dass das von der W. einbezahlte Gründungskapital wenige Tage später
an sie zurückfließen sollte, es sich also um bloßes "Vorzeigegeld" und nicht um
eine endgültige Erfüllung der Einlageschuld handelte. Insofern dürfte die Erklä-
rung des Vorstandes der T. AG gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1, 2 AktG selbst nach
den - unmittelbar nur für die Kapitalerhöhung geltenden - Grundsätzen in
BGHZ 150, 197 ff. (dazu oben II 2 a) unrichtig i.S. von § 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG
gewesen sein.
Für den subjektiven Tatbestand des § 399 AktG ist Vorsatz (des Haupt-
täters) erforderlich, der auch die (laienhafte) Kenntnis von der Unrichtigkeit oder
Unvollständigkeit (Verschweigen) der gemachten Angaben umfassen muss
(vgl. Scholz/Tiedemann, GmbHG 9. Aufl. § 82 Rdn. 174) und z.B. bei einem
Rechtsirrtum über die Voraussetzungen endgültiger freier Verfügbarkeit des
eingezahlten Kapitals (§ 37 Abs. 1 Satz 2 AktG) fehlen kann (§ 16 Abs. 1 StGB;
vgl. BGH, Urt. v. 1. Februar 1977 - 5 StR 626/76, GA 1977, 340; Otto aaO
§ 399 Rdn. 98). Feststellungen dazu fehlen bisher.
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3. Eine der Beklagten entsprechend § 31 BGB zuzurechnende Beihilfe
zu einer - unterstellten - Haupttat gemäß § 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG käme in Be-
tracht, wenn ihr Vorstandsmitglied K. bei Erteilung seiner Einzahlungsbe-
stätigung deren Zweck zur Vorlage bei dem Registergericht (§ 37 Abs. 1 Satz 3
AktG) kannte und wenn er wusste, dass das Gründungskapital absprachege-
mäß wieder an die W. zurücküberwiesen wurde oder werden sollte (vgl. auch
BGHZ 113, 335 zu § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG). In diesem Fall läge objektiv auch
ein Verschweigen eines "erheblichen Umstandes" i.S. von § 399 Abs. 1 AktG
vor, wobei sich allerdings der Vorsatz auch des Gehilfen auf die "Erheblichkeit"
dieses
Umstandes
als
wesentlichen
Merkmals
der
Haupttat
(vgl.
Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 27 Rdn. 8) erstrecken muss (vgl. Otto aaO
§ 399 Rdn. 96 m.w.Nachw.).
Gegen eine bei Erteilung der Bankbestätigung vorhandene Kenntnis K.s
von den Rücküberweisungen bzw. von entsprechenden Absichten der Gesell-
schaftsgründer spricht, dass die Rücküberweisungsaufträge erst zwei
Tage später (am 9. November 1995) bei der Beklagten eingingen. Abgesehen
davon, dass eine Kenntnisnahme K.s hiervon nicht festgestellt ist, ist eine Bank
zu nachträglicher Berichtigung einer Erklärung gemäß § 37 Abs. 1 Satz 3 AktG
gegenüber
dem
Registergericht
nicht
verpflichtet
(vgl.
Pentz
in
MünchKomm/AktG 2. Aufl. § 37 Rdn. 37; Röhricht in Großkomm. AktG 4. Aufl.
§ 37 Rdn. 29), auch nicht aus vorangegangenem Tun (Ingerenz), weil dies eine
Pflichtwidrigkeit voraussetzt (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 13 Rdn. 11 a
m.w.Nachw.) und eine nach dem Kenntnisstand der Bank bei ihrer Erteilung
richtige Bestätigung keine Pflichtwidrigkeit darstellt.
Allerdings behauptet die Klägerin, die Bankbestätigung vom 7. November
1995 sei erst später rückdatiert erstellt worden. Auch wenn sich dies erweisen
- 15 -
sollte, wäre aber noch zusätzlich aufzuklären, ob das Vorstandsmitglied der
Beklagten das Bewusstsein hatte, mit der auf den 3. November 1995 bezoge-
nen und insofern richtigen Bestätigung zu einer unrichtigen Registeranmeldung
beizutragen.
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die noch
erforderlichen Feststellungen zu treffen.
Goette
Kurzwelly
Kraemer
Münke
Strohn