Urteil des BGH vom 25.11.2013

BGH: mangel des verfahrens, unterrichtung, vergewaltigung, bekanntgabe, anschluss, einfluss, dokumentation, transparenz, vorsitz, öffentlichkeit

5 StR 502/13
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 25. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. November 2013
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Hamburg vom 3. Juni 2013 gemäß § 349 Abs. 4
StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Re-
vision beanstandet der Angeklagte die Verletzung materiellen und formellen
Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
Die Revision rügt zu Recht die Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 1
StPO. Dem liegt folgendes in zulässiger Weise vorgetragenes (§ 344 Abs. 2
Satz 2 StPO) Verfahrensgeschehen zugrunde: Zwischen dem Verteidiger
des Beschwerdeführers und dem später den Vorsitz führenden Berichterstat-
ter fand vor der Eröffnung des Hauptverfahrens eine verständigungsbezoge-
ne Erörterung nach § 202a StPO statt. In dem Aktenvermerk über ein hierzu
mit dem Verteidiger geführtes Telefonat teilte der Berichterstatter unter ande-
rem mit: „Unter Hinweis auf die Terminslage der Kammer wurde die Möglich-
keit einer einvernehmlichen Verhandlung erörtert. Nach vorläufiger Einschät-
zung der Kammer kann im Falle eines Geständnisses bei einem nicht vorbe-
straften Angeklagten eine Strafe im bewährungsfähigen Bereich zur Anwen-
dung kommen“. Zu einer Verständigung zwischen der Strafkammer und den
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Verfahrensbeteiligten nach § 257c StPO kam es nicht, nachdem der Vertei-
diger noch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens angekündigt hatte, dass
der Angeschuldigte seine Verteidigung mit dem Ziel eines Freispruchs be-
treiben werde. In der Hauptverhandlung unterließ es der Vorsitzende, das
dokumentierte Verständigungsgespräch bekannt zu geben.
Es liegt ein Verfahrensfehler vor, auf dem das Urteil beruht. Hierzu hat
der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 23. Oktober 2013
ausgeführt:
„Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO muss der wesentliche Inhalt verstän-
digungsbezogener Gespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten
nach § 202a StPO im Anschluss an die Verlesung des Anklagesatzes
vom Vorsitzenden mitgeteilt werden. Das ist hier nicht geschehen.
Weder das Verständigungsgespräch noch dessen Ergebnis sind durch
die Mitteilung des wesentlichen Inhalts in der Hauptverhandlung für
die Öffentlichkeit und alle Verfahrensbeteiligten transparent gemacht
und im Protokoll entsprechend dokumentiert worden.
Ein Mangel des Verfahrens an Transparenz und Dokumentation der
Gespräche, die mit dem Ziel der Verständigung außerhalb der Haupt-
verhandlung geführt wurden, führt jedoch regelmäßig dazu, dass ein
Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht auszuschließen ist
(vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013
– 2 BvR 2628/10 u.a.,
NJW 2013, 1058, 1067 Rn. 97; BGH, Urteil vom 10. Juli 2013
– 2 StR 195/12 – [NJW 2013, 3046]). Hier gilt nichts anderes. Zum ei-
nen ist für das Vorliegen eines Ausnahmefalls im Sinne der einschlä-
gigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nichts ersicht-
lich. Zum anderen dient die Bekanntgabe verständigungsbezogener
Erörterungen gerade der Unterrichtung des Angeklagten, der hieran
nicht teilgenommen hat und also auf diesem Weg Kenntnis von der
Sichtweise des Gerichts zum Zwecke der Einrichtung seiner Verteidi-
gung erlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013
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– 2 StR 195/12, [NJW 2013, 3046, 3047 f.]). Vor diesem Hintergrund
kann anders als in Fällen, in denen der Angeklagte an den Erörterun-
gen beteiligt war, ein Einfluss der unterbliebenen Unterrichtung auf
sein Verteidigungsverhalten nicht ausgeschlossen werden.
Dem folgt der Senat.
Basdorf Sander Schneider
Berger Bellay
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