Urteil des BGH vom 09.11.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 229/01
vom
9. November 2005
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1587 b Abs. 2; BeamtVG § 14 Abs. 1 Satz 1
a) Nachdem die Absenkung des Ruhegehalts nach § 14 BeamtVG durch das Ver-
sorgungsänderungsgesetz 2001 zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist, ist für
die Berechnung des Versorgungsausgleichs neben dem verminderten Höchstru-
hegehaltssatz von 71,75 % auch der Bemessungsfaktor von 1,79375 % der ruhe-
gehaltfähigen Dienstbezüge für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit maßgeb-
lich (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 26. November 2003 - XII ZB 30/03 -
FamRZ 2004, 259).
b) Für die Berechnung der jährlichen Sonderzuwendung ist der zur Zeit der Ent-
scheidung geltende Bemessungsfaktor heranzuziehen (im Anschluss an den Se-
natsbeschluss vom 4. September 2002 - XII ZB 130/98 - FamRZ 2003, 437).
c) Zur Berechnung des Ehezeitanteils eines Anrechts der Zusatzversorgung des öf-
fentlichen Dienstes (VBL) in dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesamt-
versorgungssystem (im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 6. Juli 2005
- XII ZB 226/01 - FamRZ 2005, 1458).
BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 229/01 - OLG Celle
AG Hannover
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2005 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Sprick, die Richterinnen
Weber-Monecke und Dr. Vézina und den Richter Dose
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der
Beschluss des 10. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des
Oberlandesgerichts Celle vom 31. Oktober 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Ober-
landesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 511 €
Gründe:
I.
Die Parteien haben am 1. August 1980 geheiratet. Der Scheidungsantrag
der Ehefrau (Antragstellerin; geboren am 9. August 1952) ist dem Ehemann
(Antragsgegner; geboren am 26. Juni 1953) am 8. Juli 1999 zugestellt worden.
Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Ehe der Parteien geschieden (inso-
weit rechtskräftig) und die Folgesache Versorgungsausgleich abgetrennt. Mit
Beschluss vom 21. März 2001 hat es den Versorgungsausgleich dahin geregelt,
dass es im Wege des Splittings vom Versicherungskonto des Antragsgegners
bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, jetzt: Deutsche Ren-
tenversicherung Bund; weitere Beteiligte zu 2) Rentenanwartschaften in Höhe
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von monatlich 723,81 DM, bezogen auf den 30. Juni 1999, auf das Versiche-
rungskonto der Antragstellerin bei der BfA übertragen hat.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der BfA hat das Oberlandesge-
richt die Entscheidung dahingehend abgeändert, dass es im Wege des Quasi-
Splittings nach § 1587 b Abs. 2 BGB zu Lasten der Versorgungsanwartschaften
des Antragsgegners bei dem Niedersächsischen Landesamt für Bezüge und
Versorgung (NLBV; weiterer Beteiligter zu 1) auf dem Versicherungskonto der
Antragstellerin bei der BfA Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenver-
sicherung in Höhe von monatlich 632,92 DM, bezogen auf den 30. Juni 1999
als Ende der Ehezeit, begründet hat.
Dabei ist das Oberlandesgericht von ehezeitlichen (1. August 1980 bis
30. Juni 1999; § 1587 Abs. 2 BGB) Anwartschaften des Antragsgegners bei der
BfA in Höhe von monatlich 176,11 DM ausgegangen (Auskunft der BfA vom
24. September 1999). Die von dem weiteren Beteiligten zu 1 in seiner Auskunft
vom 18. Oktober 1999 errechneten ehezeitlichen Anwartschaften des Antrags-
gegners auf Beamtenversorgung hat das Oberlandesgericht auf der Grundlage
des für das Jahr 2001 maßgebenden Bemessungsfaktors der jährlichen Son-
derzuwendung von 89,79 % in eine Anwartschaft in Höhe von 1.975,10 DM
umgerechnet. Auf Seiten der Antragstellerin ist das Oberlandesgericht von ei-
nem ehezeitlichen Anteil ihrer Invaliditätsrente bei der BfA von monatlich
751,43 DM ausgegangen (Auskunft der BfA vom 2. Juli 2001). Weiter hat das
Oberlandesgericht den Ehezeitanteil der volldynamischen Rente der Antragstel-
lerin im Rahmen ihrer Gesamtversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bun-
des und der Länder (VBL; weitere Beteiligte zu 3) berücksichtigt, den es nach
der sogenannten VBL-Methode mit 133,95 DM bemessen hat. Diesen Wert der
schon laufenden Rente hat es als volldynamisch seiner Entscheidung zugrunde
gelegt.
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Die zugelassene weitere Beschwerde des NLBV wendet sich gegen die
Berücksichtigung des im Jahr 2001 aktuellen Bemessungsfaktors der jährlichen
Sonderzuwendung. Stattdessen sei der in ihrer Auskunft berücksichtigte Wert
zum Zeitpunkt des Ehezeitendes zugrunde zu legen. Die Parteien, die BfA und
die VBL haben sich im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht geäußert.
II.
Die nach §§ 629 a Abs. 2 Satz 1, 621 Abs. 1 Nr. 6, 621 e Abs. 2 Satz 1 in
Verbindung mit § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 ZPO a.F. zulässige weite-
re Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Ent-
scheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Die Entscheidung kann schon deswegen keinen Bestand haben, weil
das Beschwerdegericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht die inzwi-
schen eingetretenen Änderungen bei der Bemessung der Beamtenversorgung
durch die Neufassung des § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG berücksichtigen konn-
te.
Der Senat hat zwischenzeitlich entschieden, dass für die Berechnung
des Versorgungsausgleichs bei beamtenrechtlichen Versorgungsanrechten im
Hinblick auf den Halbteilungsgrundsatz seit dem 1. Januar 2003 uneinge-
schränkt der Höchstruhegehaltsatz von 71,75 % gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1
BeamtVG in der Fassung des Art. 1 Nr. 11 des Versorgungsänderungsgesetzes
2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I, 3926) maßgeblich ist, da diese Fas-
sung nach Art. 20 Abs. 2 Nr. 1 des Versorgungsänderungsgesetzes zum
1. Januar 2003 in Kraft getreten ist. Dabei kommt es weder darauf an, ob das
Ehezeitende vor oder in der Übergangsphase nach § 69 e BeamtVG liegt, noch
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ob der Versorgungsfall in oder erst nach der Übergangsphase eintreten wird
(vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. November 2003 - XII ZB 75/02 - und - XII ZB
30/02 - FamRZ 2004, 256 ff. bzw. 259 ff.). Wie der Senat weiter ausgeführt hat,
fällt - wenn der Versorgungsfall während der Übergangsphase nach § 69 e
BeamtVG eintritt - der degressive Versorgungsbestandteil nach § 69 e
BeamtVG (so genannter Abflachungsbetrag) nicht unter den öffentlich-rechtli-
chen Versorgungsausgleich. Ob der Abflachungsbetrag gegebenenfalls später
im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich auszugleichen sein wird, bleibt ei-
ner weiteren Prüfung vorbehalten, sofern die Voraussetzungen für einen
schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gegeben sein sollten (vgl. Senatsbe-
schluss vom 26. November 2003 - XII ZB 30/03 - aaO, 261).
Zwar geht die dem Versorgungsausgleich zugrunde gelegte Versor-
gungsanwartschaft des Antragsgegners von einem individuellen Ruhegehalts-
satz in Höhe von 63,55 % aus, der somit auch unter dem Höchstruhegehalts-
satz liegt, der der gegenwärtigen Fassung des § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG
(71,75 %) entspricht. Allerdings hat sich mit der Neuregelung des § 14 Abs. 1
Satz 1 BeamtVG auch der Bemessungsfaktor für den individuellen Ruhege-
haltssatz verändert, was ebenfalls zu berücksichtigen ist. Während die Auskunft
der NLBV und die Entscheidung des Beschwerdegerichts noch von einem Ru-
hegehalt ausging, das für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit 1,875 % der
ruhegehaltfähigen Dienstbezüge betrug, bemisst sich der Ruhegehaltssatz
nach der aktuellen Fassung des § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG mit 1,79375 %
der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzei-
ten. Der maßgebliche individuelle Ruhegehaltssatz des Antragsgegners beträgt
deswegen nicht - wie vom Beschwerdegericht zugrunde gelegt - 63,55 %, son-
dern nur 60,79 % (33,89 Jahre ruhegehaltfähige Dienstzeit x 1,79375). Das wird
das Beschwerdegericht bei seiner Feststellung der ruhegehaltfähigen Dienstbe-
züge und des sich daraus ergebenden Ehezeitanteils zu berücksichtigen haben.
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2. Allerdings ist es entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht bei der Berechnung der
jährlichen Sonderzuwendung den zur Zeit seiner Entscheidung geltenden Be-
messungsfaktor herangezogen hat. Der Senat hat bereits mehrfach entschie-
den, dass insoweit jeweils der zur Zeit der Entscheidung geltende Bemessungs-
faktor anzuwenden ist (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 4. September 2002
- XII ZB 130/98 - FamRZ 2003, 437 ff. m.w.N.). Allerdings wird das Berufungs-
gericht in seiner neuen Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass die jährli-
che Sonderzuwendung in Niedersachsen inzwischen vollständig entfallen ist.
3. Die angefochtene Entscheidung kann daher nicht bestehen bleiben.
Der Senat kann auf der Grundlage der vorliegenden Auskünfte nicht selbst ent-
scheiden, denn die Auskünfte der VBL beruhen noch auf dem alten Gesamtver-
sorgungssystem, welches als Folge der Satzungsänderung zum 1. Januar 2002
durch ein so genanntes Punktemodell ersetzt wurde. In den Fällen, in denen
der Versicherte - wie hier die Antragstellerin - als Rentner am 31. Dezember
2001 bereits eine Gesamtversorgung bezog, wirkt sich die Satzungsänderung
in der Weise aus, dass die im Rahmen der Gesamtversorgung gezahlte Ver-
sorgungsrente zum 31. Dezember 2001 festgestellt und als - von der gesetzli-
chen Rentenversicherung abgekoppelte - Besitzstandsrente weiter gezahlt wird
(§ 75 Abs. 2 VBLS). Der Ehezeitanteil dieser Versorgung errechnet sich im Zeit-
Zeit-Verhältnis der in der Ehezeit zurückgelegten zur gesamten gesamtversor-
gungsfähigen Zeit im Sinne des § 42 VBLS a.F. (Senatsbeschluss vom 20. Juli
2005 - XII ZB 211/00 - FamRZ 2005, 1664, 1666 m.w.N.).
4. Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht zugleich Gelegen-
heit zur Einholung neuer Rentenauskünfte bei der BfA, da die bisherigen Aus-
künfte naturgemäß die zwischenzeitlichen Änderungen der Rechtslage durch
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das Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG vom 21. März 2001,
BGBl. 2001 I 403) nicht berücksichtigen.
Hahne Sprick Weber-Monecke
Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 21.03.2001 - 621 F 2380/99 VA -
OLG Celle, Entscheidung vom 31.10.2001 - 10 UF 72/01 -