Urteil des BGH vom 29.01.2014

BGH: unternehmer, strohmann, vorsteuerabzug, steuerhinterziehung, firma, stillschweigend, strafzumessung, anteil, verkaufskommission, fahrzeug

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 469/13
vom
29. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge-
richts Hamburg vom 29. November 2012 wird als unbegründet
verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (Umsatz-)Steuerhinterziehung
in neun Fällen und in einem weiteren Fall des Versuchs zu einer Gesamtfrei-
heitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiervon wurden zwei
Monate als vollstreckt erklärt.
Sämtliche Taten stehen im Zusammenhang mit internationalem Handel mit
hochwertigen Neufahrzeugen. Allen Fällen liegt im Kern zu Grunde, dass der
Angeklagte für die von ihm geführte A. in Umsatzsteuervoranmeldun-
gen Vorsteuern aus Fahrzeugrechnungen mit Umsatzsteuerausweis geltend
gemacht hatte, denen keine Fahrzeuglieferungen der rechnungsausstellenden
Unternehmen zu Grunde lagen. Zudem hatte der Angeklagte, von einem Fall
abgesehen, bei Fahrzeuglieferungen an italienische Fahrzeughändler im Be-
nehmen mit diesen die Fahrzeugrechnungen nicht auf diese, sondern auf
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Scheinabnehmer ausgestellt und sich zu Unrecht auf die Steuerfreiheit inner-
gemeinschaftlicher Lieferungen berufen.
Insgesamt machte der Angeklagte unberechtigt Vorsteuern aus mehr als
200 Scheinrechnungen geltend. Soweit die Taten vollendet wurden, belief sich
der durch den Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen entstandene Steuer-
schaden zusammen auf rund 1,4 Mio. Euro und der Gesamtsteuerschaden auf
rund 2,6 Mio. Euro.
Die auf die näher ausgeführte Sachrüge und Verfahrensrügen gestützte
Revision des Angeklagten bleibt im Ergebnis erfolglos.
II.
Näher auszuführen ist lediglich Folgendes:
1. Einige der von der Strafkammer als Scheinrechnungen bewerteten Fahr-
zeugrechnungen waren von Firmen ausgestellt, deren Geschäftsführer der
Zeuge G. w
ar und die die Strafkammer deshalb als „G. -
firmen“ bezeichnet hat (im Folgenden daher: „G. firmen“).
Dem liegt Folgendes zugrunde:
a) Der Angeklagte betätigte sich als „Wiederverkäufer“ von Neufahrzeugen.
Den Vertragshändlern war es von den Fahrzeugherstellern untersagt, Neufahr-
zeuge an „Wiederverkäufer“ zu veräußern. „Wiederverkäufer“ wie die vom An-
geklagten geführte A.
wurden in „schwarze Listen“ aufgenommen, die
die Fahrzeughersteller den Vertragshändlern überließen. Dementsprechend
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war es dem Angeklagten nicht möglich, für die A. Neufahrzeuge von
Vertragshändlern zu erwerben.
Um dies zu umgehen, hatte G. Fahrzeuge nach vom Angeklag-
ten vorgegebenen Ausstattungsmerkmalen ausgesucht und im Namen einer
der „G. firmen“ von verschiedenen Verkäufern erworben; das hierfür
erforderliche Geld hatte ihm der Angeklagte zu diesem Zweck zur Verfügung
gestellt. Bei Lieferung des Fahrzeugs überließ G. das Fahrzeug dem
Angeklagten für die A. und erteilte unter dem Namen der entspre-
chen
den „G. firma“ der A. eine Rechnung mit Umsatzsteu-
erausweis (Rechnungen lfd. Nummern 3 bis 4, 6 bis 8, 10 bis 12 und 14 bis 15
der tabellarischen Darstellung, UA S. 24).
Ob und ggf. inwieweit die jeweiligen Fahrzeugverkäufer Kenntnis vom An-
geklagten und seinen Absprachen mit G. gehabt hatten, ist nicht
festgestellt.
b) Die Strafkammer hat diese Rechnungen als Scheinrechnungen angese-
hen, weil die „G. firmen“ bei der Belieferung der Firma des Angeklag-
ten jeweils „nicht in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung“ und da-
mit nicht „unternehmerisch“ tätig gewesen seien. Den Umstand, dass diese
Firmen gegenüber den Fahrzeugverkäufern im eigenen Namen aufgetreten
sind, hat die Strafkammer demgegenüber nicht als maßgeblich erachtet. Der
Sache nach hat die Strafkammer, ohne diesen Ausdruck zu verwenden, die von
dem Zeugen G. vertretenen Firmen er
kennbar als „Strohmannfir-
men“ angesehen.
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2. Allerdings kann auch ein „Strohmann", der nach außen im eigenen Na-
men auftritt, im Verhältnis zum „Hintermann“ jedoch auf dessen Rechnung
handelt, Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein. Ein „Stroh-
mann“, der von einem Dritten im eigenen Namen Leistungen bezieht, ist daher
nicht etwa deshalb nicht selbständig i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG tätig, weil er
die Leistungen auf Rechnung des „Hintermanns“ empfängt und er dessen Wei-
sungen verpflichtet ist (vgl. BFH, Urteil vom 18. Februar 2009 - V R 82/07,
DStRE 2009, 739, 740 f.; zu Leistungen durch einen „Strohmann“ vgl. BGH,
Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, NJW 2013, 2449 mwN; BFH, Urteil vom
26. Juni 2003 - V R 22/02, DStRE 2004, 153 mwN). Dementsprechend kann es
bei „Strohmanngeschäften“ zu einer Verdoppelung der Leistungsbeziehungen
kommen, so dass z.B. der Verkäufer an den „Strohmann“ und dieser an den
„Hintermann“ liefert oder leistet (vgl. für Fälle der Verkaufskommission BFH,
Urteil vom 12. Mai 2011 - V R 25/10, DStRE 2011, 1326 Rn. 21; vgl. auch Korn
in Bunjes, UStG, 12. Aufl., § 2 Rn. 40 ff.).
„Vorgeschobene" Strohmanngeschäfte hingegen sind dann umsatzsteuer-
rechtlich (wie auch zivilrechtlich) unbeachtlich, wenn sie nur zum Schein abge-
schlossen sind, also die Vertragsparteien einverständlich oder stillschweigend
davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwi-
schen ihnen eintreten sollen (vgl. § 41 Abs. 2 AO; vgl. BGH, Urteile vom 9. April
2012 - 1 StR 586/12, NJW 2013, 2449; vom 22. Mai 2003 - 5 StR 520/02,
BGHR UStG § 2 Unternehmer 4, jeweils mwN).
a) Gemessen hieran ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die unter
Ein
schaltung der „G. firmen“ eingegangenen vertraglichen Beziehun-
gen insgesamt ernst gemeint waren. Hierfür könnte sprechen, dass die Einbin-
dung der „G. firmen“ auf den dargelegten wirtschaftlichen Interessen
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beruhte, so dass deren Verhalten dem „Bild des Handels“ nicht erkennbar zu-
widerlief (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10,
BGHR UStG § 15 Abs. 1 Unternehmer 1 mwN, vgl. auch BGH, Urteil vom
22. Mai 2003 - 5 StR 520/02, BGHR UStG § 2 Unternehmer 4).
Anders könnte es sich dann verhalten, wenn die ursprünglichen Verkäufer
von den Absprachen zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen G.
Kenntnis hatten. Diese Möglichkeit hat die Strafkammer nicht erkennbar
erwogen, ebenso wenig, wie sie etwaiges Wissen der Verkäufer behandelt hat.
3. Letztlich kann dies aber auf sich beruhen. Selbst wenn sich nämlich der
Schuldumfang im Hinblick auf den Vorsteuerabzug aus den genannten Rech-
nungen, damit also um insgesamt rund 78.000 Euro verminderte, beträfe dies
allenfalls jeweils nur einen geringfügigen Anteil der im jeweiligen Abrechnungs-
zeitraum hinterzogenen Steuern; die für die Strafzumessung wesentliche Grö-
ßenordnung des Steuerschadens bliebe jeweils unberührt.
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Auf der Grundlage der Strafzumessungserwägungen der Strafkammer
kann der Senat daher ausschließen, dass diese gegebenenfalls geringere Ein-
zelstrafen verhängt hätte.
Raum Wahl Rothfuß
Jäger Radtke
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