Urteil des BGH vom 07.02.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZB 60/11
vom
7. Februar 2013
in dem selbständigen Beweisverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 494a Abs. 2
Die Kosten eines privaten Sachverständigengutachtens, das während eines
selbständigen Beweisverfahrens vom Antragsgegner in Auftrag gegeben wird,
können gemäß § 494a Abs. 2 ZPO erstattungsfähig sein.
BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 - VII ZB 60/11 - OLG Frankfurt/Main
LG Frankfurt/Main
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Februar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Dr. Eick, Halfmeier,
Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Be-
schluss des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am
Main vom 15. August 2011 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Kosten-
festsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom
7. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfah-
rens trägt die Antragstellerin.
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin führte im Auftrag der Antragstellerin 2003 eine
technische Due-Diligence-Prüfung (technische Angebotsprüfung) für ein Büro-
gebäude in D. durch. Zum Auftragsumfang gehörte die "Grobüberprüfung der
vereinbarten Qualitäten und der Planungsqualität" sowie die "Überprüfung der
Ausführungsqualität". Der unter dem 6. August 2003 vorgelegte Bericht war
Grundlage für die Kaufentscheidung der Antragstellerin.
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Im Jahre 2005 stellte die Antragstellerin an dem Objekt baulich-statische
Mängel fest. Die Antragstellerin warf der Antragsgegnerin vor, diese Mängel
trotz deren Erkennbarkeit übersehen zu haben. Mit beim Landgericht Ende
2008 eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin die Einleitung eines
selbständigen Beweisverfahrens beantragt. Gegenstand der Antragsschrift wa-
ren die gutachterlichen Stellungnahmen aus statischer Sicht des Ingenieurbüros
H./Dr. M. und der FaAA D. (Prof. Dr. - Ing. N.). Das Gutachten des Ingenieurbü-
ros H./Dr. M. verwies auf eine von der Antragstellerin in 2005 durchgeführte
Beweissicherung durch das Sachverständigenbüro P./H.-B.
Mit Beschluss vom 24. Februar 2009 ordnete das Landgericht die Einho-
lung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über die von der Antrag-
stellerin eingeführten Beweisfragen an. Diese betrafen im ersten Teil die Fest-
stellung, ob der Ist-Zustand (statisch) den anerkannten Regeln der Technik ent-
sprach, und im zweiten Teil die Feststellung, ob die Antragsgegnerin die be-
haupteten statischen Mängel hätte erkennen können. Das Landgericht gab der
Antragstellerin auf, die Stellungnahme von P./H.-B. zur Akte zu reichen.
Aufgrund von Vergleichsverhandlungen ruhte das Verfahren, bis das
Landgericht den Sachverständigen mit Verfügung vom 20. Oktober 2009 um die
Fortsetzung der Begutachtung bat. Der Sachverständige beraumte einen Ter-
min zur Ortsbesichtigung für den 26. November 2009 an und informierte dar-
über die Parteien mit Schreiben vom 27. Oktober 2009. Die Antragsgegnerin
beauftragte daraufhin das Ingenieurbüro St. und Partner zur sachverständigen
Begleitung im Beweissicherungsverfahren. St. und Partner erbrachten im Zeit-
raum vom 17. November 2009 bis 29. Januar 2010 Leistungen, die sie im Um-
fang von 39 Stunden zu einem Stundensatz von 107
€ abrechneten. Unter an-
derem nahm ein Mitarbeiter des Büros am Ortstermin teil.
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Der Sachverständige erstellte sein Gutachten unter dem 14. De-
zember 2009. Er kam zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich der Statik des Gebäu-
des die Regeln der Technik verletzt seien und erst eine kritische Durchsicht der
Tragwerksplanung die Deckenproblematik offenkundig gemacht hätte. Wegen
der sich daraus ergebenden Schäden verwies er auf das Gutachten P./H.-B.,
das die Antragstellerin noch nicht zur Akte gereicht hatte.
Nach Aufforderung vom 29. Dezember 2009 übersandten die Verfah-
rensbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 28. Januar 2010 an
die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin das Gutachten P./H.-B.,
Teile 1 bis 7. Am Ende des Schreibens wird um "gelegentliche Rücksendung"
gebeten, "da dem Unterzeichner kein weiteres eigenes Exemplar" vorliege. Das
Gutachten bestand aus 450 Seiten überwiegend mit Farbfotos und 14 Plänen
im Format A 1. Um das Gutachten der Antragsgegnerin und dem Ingenieurbüro
St. und Partner zukommen lassen zu können, ließen die Verfahrensbevollmäch-
tigten der Antragsgegnerin das Gutachten elektronisch reproduzieren, wofür die
Sch. GmbH 316,29
€ abrechnete.
Aufgrund von Fragen beider Parteien ordnete das Landgericht eine er-
gänzende Begutachtung an, die der Sachverständige im April 2010 vorlegte.
Auf Antrag der Antragsgegnerin hat das Landgericht nach Abschluss der
Begutachtung der Antragstellerin eine Frist zur Erhebung der Klage gesetzt. Die
Antragstellerin hat keine Klage erhoben. Daraufhin hat das Landgericht an-
tragsgemäß ausgesprochen, dass die Antragstellerin die der Antragsgegnerin
entstandenen Kosten zu tragen habe. Weiter hat es einen Kostenfestsetzungs-
beschluss erlassen, in dem es der Antragstellerin unter anderem die Kosten für
die Anfertigung der elektronischen Reproduktionen in Höhe von 316,39
€ und
der Kosten für das Ingenieurbüro St. und Partner in Höhe von 4.173
€ auferlegt
hat.
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Die gegen die Festsetzung dieser Kostenpositionen eingelegte sofortige
Beschwerde der Antragstellerin ist erfolgreich gewesen.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Antragsgegnerin
die Wiederherstellung der landgerichtlichen Kostenfestsetzung.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat den Ansatz der Kosten der Reproduktion
abgelehnt, weil diese nicht notwendig gewesen seien. Es sei nicht nachvoll-
ziehbar, warum einfache Ablichtungen zur Information nicht ausreichend gewe-
sen wären. Die wegen der elektronischen Reproduktion entstandenen Kosten
seien auch nicht in Höhe fiktiver Kopierkosten erstattungsfähig.
Die Kosten des Privatgutachtens von 4.173
€ seien ebenso wenig zur
zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen. Grundsätzlich
seien die Kosten eines prozessbegleitend eingeholten Privatgutachtens im
Rahmen des gerichtlichen Kostenausgleichs nicht erstattungsfähig. Anders
könne es ausnahmsweise sein, wenn das Privatgutachten zur Wiederherstel-
lung der "Waffengleichheit" erforderlich oder sachgerechter Vortrag ohne ein
solches Gutachten unmöglich sei oder wenn eine Partei es benötige, um Fest-
stellungen eines gerichtlichen Sachverständigen zu überprüfen. Diese Grund-
sätze gälten jedoch nicht, wenn die Kostengrundentscheidung nach § 494a
Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffen werde. Der Antragsgegner benötige in diesem Fall
objektiv kein Privatgutachten, weil dem selbständigen Beweisverfahren dann
kein Rechtsstreit folge. Nur wenn ein Beweisverlust drohe oder das Fragerecht
gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen nicht ausgeübt werden könne,
sei es für den Antragsgegner im selbständigen Beweisverfahren wirtschaftlich
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vernünftig, ein Privatgutachten zu beauftragen. In allen anderen Fällen - so
auch hier - könne der Antragsgegner abwarten, ob der Antragsteller Klage er-
hebe.
2. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde im Tenor seines Be-
schlusses uneingeschränkt zugelassen. Aus den Gründen des angefochtenen
Beschlusses - die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die Frage der Erstattungs-
fähigkeit von Kosten, die durch die Einholung eines Privatgutachtens während
des selbständigen Beweisverfahrens entstehen, zuzulassen - ergibt sich keine
Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde.
a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
dass sich auch bei uneingeschränkter Zulassung des Rechtsmittels im Tenor
bei gebotener Auslegung eine wirksame Beschränkung aus den Entschei-
dungsgründen ergeben kann (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011
- VII ZR 71/10, NJW 2011, 1228 Rn. 11; Beschluss vom 10. September 2009
- VII ZR 153/08, NJW-RR 2010, 572 Rn. 4; Beschluss vom 14. Mai 2008
- XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Rn. 15, jeweils m.w.N.). Das bedeutet aller-
dings nicht, dass allein aus der Begründung der Rechtsmittelzulassung eine
Beschränkung auf den Bereich der mitgeteilten Gründe entnommen werden
kann. Eine Zulassungsbeschränkung kann vielmehr nur angenommen werden,
wenn aus den Gründen hinreichend klar hervorgeht, dass das Beschwerdege-
richt die Möglichkeit einer Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nur
wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte (BGH,
Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, aaO Rn. 16; Beschluss vom
27. Oktober 2011 - VII ZR 229/10, juris Rn. 5).
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die elektronische Reproduk-
tion sollte (auch) dazu dienen, den privat beauftragten Sachverständigen voll-
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ständig über den Inhalt des vom gerichtlichen Sachverständigen erstellten Gut-
achtens zu informieren. Die Reproduktionskosten können deshalb ebenfalls
Kosten sein, die durch die Einholung des Privatgutachtens während des selb-
ständigen Beweisverfahrens entstanden sind. Aus den Gründen des angefoch-
tenen Beschlusses geht deshalb keine Beschränkung der Rechtsbeschwerde
auf die vom privaten Gutachter abgerechneten Kosten hervor.
c) Zudem hat das Beschwerdegericht die gegen den angegriffenen Be-
schluss erhobene Anhörungsrüge, die auch die Reproduktionskosten betraf, als
unzulässig verworfen, weil sie wegen der zugelassenen Rechtsbeschwerde
unstatthaft sei. Damit hat das Beschwerdegericht seine - entsprechend dem
Tenor - vollumfängliche Zulassungsentscheidung bestätigt.
3. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Senat kann in der Sache
selbst entscheiden, da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (§ 577
Abs. 5 Satz 1 ZPO).
a) Die Antragsgegnerin kann die Erstattung der vom Ingenieurbüro St.
und Partner in Rechnung gestellten Kosten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ver-
langen.
aa) Zutreffend meint das Beschwerdegericht, dem Antragsgegner seien
nur die prozessbezogenen Kosten zu erstatten, die gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO zu seiner zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen
seien. Der Senat teilt jedoch die Auffassung des Beschwerdegerichts nicht,
dass die für die Beurteilung der Notwendigkeit der Kosten von während eines
Rechtsstreits eingeholten Privatgutachten entwickelten Grundsätze keine An-
wendung finden, wenn die Kostengrundentscheidung nach § 494a Abs. 2
Satz 1 ZPO ergeht.
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bb) Die Antragstellerin hat nach fruchtlosem Ablauf der gemäß § 494a
Abs. 1 ZPO gesetzten Klagefrist die dem Gegner entstandenen Kosten zu tra-
gen, § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO. Allerdings enthält der Wortlaut dieser Vorschrift
keine dem § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO vergleichbare Beschränkung des Umfangs
der zu erstattenden Kosten auf solche Kosten, die zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Anders als die
Rechtsbeschwerde meint, folgt daraus jedoch nicht, dass die in § 91 Abs. 1
Satz 1 ZPO getroffene Wertung dort keine Beachtung fände.
Sinn und Zweck des § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO gebieten, die Grundsätze
des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO heranzuziehen. Der Antragsgegner ist so zu stel-
len, als habe er in einem Hauptsacheprozess obsiegt. Verzichtet der Antragstel-
ler wegen des ihm ungünstigen Beweisergebnisses auf die Erhebung einer Kla-
ge, will § 494a Abs. 2 ZPO verhindern, dass er damit zugleich der Kostenpflicht
entgeht, die sich aus der Abweisung einer solchen Klage ergäbe (BGH, Be-
schluss vom 22. Mai 2003 - VII ZB 30/02, BauR 2003, 1255, 1256 = NZBau
2003, 500 = ZfBR 2003, 566). Der Antragsgegner ist kostenrechtlich so zu be-
handeln, als habe er im Prozess obsiegt (BT-Drucks. 11/8283, 48; BGH, Be-
schluss vom 22. Mai 2003 - VII ZB 30/02, aaO). In diesem Fall könnte er jedoch
nicht sämtliche ihm entstandenen Kosten erstattet verlangen, sondern nur die,
die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren, § 91
Abs. 1 Satz 1 ZPO. Das ist auch für den umgekehrten Fall des Obsiegens des
Antragstellers im Prozess anerkannt. Ihm sind die Kosten eines vorgeschalteten
selbständigen Beweisverfahrens nur insoweit zu erstatten, als sie zur zweck-
entsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (OLG Jena, OLG-Report
2001, 252, 253; OLG Köln, NJW-RR 1997, 960; OLG Nürnberg, JurBüro 1996,
35; OLG Koblenz, JurBüro 1996, 34, 35; Pauly, MDR 2008, 777; Ulrich, AnwBl.
2003, 144, 148; Koeble in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl.,
2. Teil Rn. 9).
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cc) Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind Kosten, die für
Maßnahmen anfallen, die eine verständige und wirtschaftlich vernünftig den-
kende Partei als sachdienlich ansehen darf. Für die Beurteilung der Notwendig-
keit ist auf den Zeitpunkt der Veranlassung der die Kosten auslösenden Maß-
nahme abzustellen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 17/11,
BGHZ 192, 140 Rn. 10-12 m.w.N.). Zu den erstattungsfähigen Kosten können
ausnahmsweise die Kosten für die Einholung eines Privatsachverständigengut-
achtens gehören, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind (BGH, Beschluss
vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 17/11, aaO Rn. 10; Beschluss vom
18. November 2008 - VI ZB 24/08, VersR 2009, 563 Rn. 6; Beschluss vom
4. März 2008 - VI ZB 72/06, NJW 2008, 1597 Rn. 6).
dd) Diese für vor dem Rechtsstreit oder während des Rechtsstreits be-
auftragte Privatgutachten aufgestellten Maßstäbe gelten entsprechend für Pri-
vatgutachten, die im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens eingeholt
werden. Dabei ist der Eigenart des selbständigen Beweisverfahrens Rechnung
zu tragen. Dieses dient dazu, Tatsachenfeststellungen zu treffen. Die Feststel-
lungen obliegen regelmäßig, in den Fällen des § 485 Abs. 2 ZPO stets, einem
gerichtlich beauftragten Sachverständigen. Beauftragt das Gericht einen Sach-
verständigen, so ist anerkannt, dass daneben die Einholung eines Privatgutach-
tens durch eine nicht sachkundige Partei notwendig sein kann, wenn sie ohne
sachverständige Hilfe zu einem sachgerechten Vortrag nicht in der Lage ist.
Dazu gehören die Fälle, in denen die Partei ohne sachverständige Hilfe die
Feststellungen des Sachverständigen nicht überprüfen oder erschüttern oder
das Fragerecht ihm gegenüber nicht ausüben kann (BGH, Beschluss vom
20. Dezember 2011 - VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140 Rn. 13 m.w.N.).
Die Partei, die selbst über keine hinreichenden Kenntnisse verfügt, hat
ein anerkennenswertes Interesse daran, einen eigenen Sachverständigen mög-
lichst frühzeitig in die Beweisaufnahme einzubinden, um wesentliche Beweis-
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fragen zu formulieren, Hinweise zu erteilen, den gerichtlichen Sachverständigen
zu kontrollieren, insbesondere bei den im Rahmen einer Ortsbesichtigung fest-
zustellenden Tatsachen, und dessen Ergebnisse zu prüfen. Die Einbindung ei-
nes privaten Sachverständigen bereits im Vorfeld der Gutachtenerstellung ist
deshalb unabhängig davon anerkennenswert, ob der zu begutachtende Gegen-
stand Veränderungen unterworfen ist und daher die vom gerichtlich bestellten
Sachverständigen vorgefundenen Gegebenheiten für eine Überprüfung nicht
mehr zur Verfügung stehen. Das gilt insbesondere auch im Hinblick darauf,
dass schon nach § 485 Abs. 3 ZPO eine neue Begutachtung nur stattfindet,
wenn die Voraussetzungen des § 412 ZPO erfüllt sind.
ee) Für die Beurteilung der Notwendigkeit der Kosten ist nicht auf die Er-
hebung der Klage nach Beendigung der Beweiserhebung abzustellen. Darin
läge eine unzulässige ex-post-Betrachtung, die an einen Umstand anknüpfte,
dessen Eintritt oder Nichteintritt bei der Beauftragung des Sachverständigen
durch die Antragsgegnerin nicht absehbar war (vgl. BGH, Beschluss vom
20. Dezember 2011 - VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140). Es ist deshalb ebenfalls
unerheblich, dass das Beschwerdegericht nicht feststellen konnte, ob die An-
tragsgegnerin die Fragen zum schriftlichen Gutachten an den Sachverständigen
nur deshalb formulieren konnte, weil ihr das Privatgutachten vorgelegen hat.
ff) Die Beauftragung des Ingenieurbüros St. und Partner erfolgte durch
die Antragsgegnerin in unmittelbarem Bezug zum selbständigen Beweisverfah-
ren, nachdem die Vergleichsbemühungen der Parteien gescheitert waren und
der gerichtlich bestellte Sachverständige den Ortstermin anberaumt hatte. Aus
der Stundenauflistung folgt, dass der private Sachverständige erstmals in Vor-
bereitung des unmittelbar bevorstehenden Ortstermins tätig wurde und die ver-
schiedenen "Gutachten zum Gebäude" sichtete.
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gg) Die Antragsgegnerin ist im Hinblick auf die von der Antragstellerin
gestellten Fragen nicht als umfassend sachkundig anzusehen. Zwar handelt es
sich bei der Antragsgegnerin um ein weltweit operierendes Unternehmen, das
über eine Vielzahl von Fachingenieuren verfügt und technische Angebotsprü-
fungen durchführt. Die Beweisfragen der Antragstellerin waren im ersten Teil
aber spezifisch auf die Statik des von der Antragsgegnerin geprüften Gebäudes
bezogen. Die Beurteilung der Statik gehörte nicht zum Aufgabenbereich der
Antragsgegnerin. Deshalb konnte eine Haftung nur in Betracht kommen, wenn
ein Mangel in der Statik bei der Begehung des Gebäudes hätte bemerkt werden
können, worauf sich der zweite Teil der Beweisfragen der Antragstellerin bezog.
Da es aber auf die Frage einer Erkennbarkeit nur ankommt, wenn ein statischer
Mangel besteht, hatte die Antragsgegnerin ein berechtigtes Interesse daran,
aktiv das Beweisverfahren auch zu dem ersten Teil des Fragenkatalogs zu be-
gleiten. Dazu war es erforderlich, die mit der Antragsschrift eingereichten Gut-
achten, die dem gerichtlich zu bestellenden Sachverständigen aus der Sicht der
Antragstellerin den Weg weisen sollten, einer privatsachverständigen Würdi-
gung zu unterziehen, den privaten Sachverständigen in den Ortstermin einzu-
binden und ihn das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen prü-
fen zu lassen.
Auf dieser Grundlage ist weder der Umfang der abgerechneten Stunden
noch der Stundensatz zu beanstanden. Ein privat tätiger Sachverständiger ist
nicht an den Stundensätzen für einen gerichtlich bestellten Sachverständigen
zu messen.
b) Die Reproduktionskosten für das Gutachten P./B.-H. waren ebenfalls
notwendig gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
aa) Der Antragstellerin war bereits im Beschluss des Landgerichts vom
24. Februar 2009 aufgegeben worden, das Gutachten zur Akte zu reichen. Die-
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se Auflage hat die Antragstellerin nicht erfüllt. Nachdem der gerichtlich bestellte
Sachverständige in seiner ersten Stellungnahme auf das - ihm offensichtlich zur
Verfügung gestellte Gutachten - Bezug genommen hatte, bestand erst Recht
ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin an einer Übersendung. Da die
Antragstellerin ihr einziges Exemplar im Original zur Verfügung stellte, bestand
die Notwendigkeit, das Gutachten zu reproduzieren, und zwar in aussagekräfti-
ger Form. Angesichts der vielen Farbfotos und Großformatpläne kam ein blo-
ßes Kopieren nicht in Betracht. Die Antragsgegnerin durfte eine elektronische
Reproduktion für angemessen halten. Die dadurch angefallenen Kosten sind
nicht unverhältnismäßig.
bb) Soweit die Antragstellerin sich im Beschwerdeverfahren darauf beru-
fen hat, der Antragsgegnerin habe es offen gestanden, das Original bis zum
Ende des selbständigen Beweisverfahrens zu nutzen, ergibt sich das nicht aus
dem Übersendungsschreiben vom 28. Januar 2010. In diesem Schreiben wird
vielmehr darauf hingewiesen, dass es sich um das einzige Exemplar handele,
das bei Gelegenheit zurückzugeben sei. Ein Angebot, das Original bis zum Ab-
schluss des selbständigen Beweisverfahrens behalten zu können, folgt daraus
nicht. Im Übrigen hätte ohne Reproduktion das Gutachten weder der Antrags-
gegnerin selbst noch einem privaten Sachverständigen überlassen werden
können, ohne eine Beeinträchtigung des einzigen Exemplars befürchten zu
müssen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Beschwerdeverfah-
rens auf § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens
auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Kniffka
Eick
Halfmeier
Kosziol
Jurgeleit
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 07.12.2010 - 2-24 OH 8/08 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 15.08.2011 - 18 W 175/11 -
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