Urteil des BGH vom 14.01.2013

BGH: wartepflicht, behandlung, vertretung, verhinderung, gerichtsbarkeit, rechtsanwaltschaft, erlass, befangenheit, bezirk

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
ARAnw 1/12
vom
14. Januar 2013
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Kammerbeitrag, hier: Zuständigkeitsbestimmung
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterinnen Roggenbuck und Lohmann sowie die
Rechtsanwälte Dr. Wüllrich und Prof. Dr. Stüer
am 14. Januar 2013
beschlossen:
Der Antrag des Antragstellers, das zuständige Gericht zu dem
beim Anwaltsgerichtshof Bremen unter dem Aktenzeichen 2 AGH
1/2011 geführten Verfahrens zu bestimmen, wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist im Bezirk der Antragsgegnerin zur Rechtsanwalt-
schaft zugelassen. Er hat Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage ge-
gen verschiedene Bescheide der Antragsgegnerin beantragt, die Kammerbei-
träge zum Gegenstand hatten. Der Anwaltsgerichtshof hat einen solchen Antrag
auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter dem Aktenzeichen 2 AGH 1/2011
mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage abgelehnt. Die dagegen ge-
richtete sofortige Beschwerde ist derzeit beim Senat unter dem Aktenzeichen
AnwZ (B) 4/12 anhängig.
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Der Antragsteller teilt mit, er habe vor dem Anwaltsgerichtshof im ge-
nannten Verfahren Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und weite-
ren Eilrechtsschutz gestellt, ferner Anträge auf Tatbestandsberichtigung (hilfs-
weise Beschlussberichtigung) und Beschlussergänzung, Anhörungsrüge und
Gegenvorstellung eingereicht. Zudem habe er fünf namentlich benannte Richter
des Anwaltsgerichtshofs sowie alle weiteren Richterinnen und Richter des An-
waltsgerichtshofs, welche Rechtsanwälte sind, wegen Besorgnis der Befangen-
heit abgelehnt. Diese hätten als Angehörige renommierter Kanzleien kein Inte-
resse an einer einkommensorientierten Beitragserhebung.
Der Antragsteller ersucht den Bundesgerichtshof, zu den vorgenannten
Anträgen sowie dem Zwischenverfahren der Richterablehnungen das zuständi-
ge Gericht zu bestimmen. Er stützt sich dazu auf § 112c BRAO i.V.m. § 53
Abs.1 Nr. 1, Abs. 3 VwGO und § 45 Abs. 3 ZPO. Der Anwaltsgerichtshof sei
beschlussunfähig.
II.
Der Antrag des Klägers auf Bestimmung des zuständigen Gerichts hat
keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Zuständigkeitsbestim-
mung liegen nicht vor.
Nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 53 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VwGO wird
das zuständige Gericht durch das nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn das an
sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichts-
barkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist. Ein solcher Fall ist jedenfalls
derzeit nicht gegeben.
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Eine auf die Ablehnung von Richtern gestützte Gerichtsbestimmung nach
§ 53 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VwGO kommt erst in Betracht, wenn das an sich zu-
ständige Gericht durch die erfolgreiche Ablehnung von Richtern nicht mehr
spruchfähig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 1972 - II ER 400.72,
Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 5; zur Parallelvorschrift in § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
siehe Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 36 Rn. 14). Dass seinen Ablehnungs-
gesuchen stattgegeben worden ist, macht der Antragsteller nicht geltend. Eine
eventuelle vorübergehende Verhinderung des zuständigen Gerichts bis zur
Entscheidung über das Ablehnungsgesuch durch Wartepflichten nach § 112c
Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 54 Abs. 1 VwGO, § 47 ZPO erfüllt die Voraussetzungen
für eine Gerichtsbestimmung nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht. Ob und bei
welchen Richtern eine solche Wartepflicht durch das Ablehnungsgesuch des
Antragstellers eingetreten ist, bedarf daher keiner Entscheidung.
Für die zunächst vom Anwaltsgerichtshof zu treffende Entscheidung über
das Ablehnungsgesuch enthält gegebenenfalls § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45
Abs. 3 ZPO eine vorrangige Regelung. Sollte der Anwaltsgerichtshof durch das
Ausscheiden abgelehnter Mitglieder beschlussunfähig sein, das heißt wegen
bestehender Wartepflichten unfähig, über die Richterablehnung zu entscheiden,
müsste danach der Bundesgerichtshof als nächsthöheres Gericht über die Ab-
lehnungsgesuche entscheiden. Ob ein solcher Fall vorliegt, hängt indessen von
der Behandlung des Ablehnungsgesuchs durch den zur Entscheidung grund-
sätzlich zuständigen Anwaltsgerichtshof ab. Zunächst wird der zuständige Se-
nat des Anwaltsgerichtshofs das Ablehnungsgesuch zu prüfen haben, wobei
- soweit Wartepflichten bestehen - das Ablehnungsgesuch den nach dem Ge-
schäftsverteilungsplan des Anwaltsgerichtshofs zur Vertretung berufenen Rich-
tern des Anwaltsgerichtshofs zur Entscheidung vorzulegen, beziehungsweise
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- soweit rechtsmissbräuchliche Ablehnungen vorliegen sollten - die abgelehnten
Richter gegebenenfalls selbst über diese zu entscheiden haben (vgl. dazu
BGH, Beschluss vom 7. Februar 2011 - AnwZ (B) 13/10, juris Rn. 20 m.w.N.).
Erst im Rahmen dieser Prüfung kann der Anwaltsgerichtshof gegebenenfalls
seine Beschlussunfähigkeit feststellen und die Akten dem Bundesgerichtshof
zur Entscheidung über die Ablehnungsgesuche vorlegen (vgl. Zöller/
Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 45 Rn. 3).
Kayser
Roggenbuck
Lohmann
Wüllrich
Stüer
Vorinstanz:
AGH Bremen, Entscheidung vom 12.07.2012 - 2 AGH 1/11 -