Urteil des BGH vom 17.11.2009

BGH (stgb, anordnung, unterbringung, menge, stpo, aufhebung, begründung, vorschrift, vollstreckung, sache)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 375/09
vom
17. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag, im Übrigen nach An-
hörung des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 17. November 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Bielefeld vom 21. Januar 2009, soweit es den Angeklag-
ten L. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben, soweit
eine Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handel-
treibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und we-
gen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tat-
einheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten ver-
urteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die
Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit das
Landgericht eine Anordnung nach § 64 StGB nicht getroffen hat; im Übrigen ist
es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat
zum Schuld- und zum Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler zum Nach-
teil des Angeklagten ergeben. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zutref-
fenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom
9. Oktober 2009.
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2. Dagegen hält das angefochtene Urteil der rechtlichen Prüfung nicht
stand, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen.
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Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit 1997 Heroin
bis zu 3 g täglich. Im Dezember 2001 absolvierte er in einem russischen Kran-
kenhaus eine dreiwöchige Entziehungsbehandlung. Danach wurde er wieder
rückfällig. Im Rahmen der Vollstreckung einer längeren Freiheitsstrafe aus einer
einschlägigen Verurteilung wurde die Vollstreckung des Strafrestes gemäß § 35
BtMG zurückgestellt. Der Angeklagte absolvierte von November 2003 bis Mai
2004 eine stationäre Entwöhnungsbehandlung. Im Jahr 2007 wurde der Ange-
klagte jedoch erneut rückfällig und konsumiert seither wiederum täglich 2 g He-
roin. Die abgeurteilten Betäubungsmittelstraftaten beging der Angeklagte auch
zur Finanzierung seines Heroinkonsums.
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Das Landgericht hat eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64
StGB als "nicht mehr angebracht" erachtet. Zur Begründung hat es lediglich
darauf verwiesen, die stationäre Entwöhnungsbehandlung 2003/2004 sei ord-
nungsgemäß verlaufen, bis zum Straferlass im Jahr 2007 sei ein Konsum von
illegalen Drogen nicht bekannt geworden, jedoch sei der Angeklagte seitdem
erneut rückfällig geworden. Diese Begründung trägt - wie die Revision zu Recht
beanstandet - die Ablehnung einer Anordnung nach § 64 StGB nicht.
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Dass der Angeklagte einen Hang im Sinne dieser Vorschrift zum über-
mäßigen Drogenkonsum hat, versteht sich nach den Feststellungen des ange-
fochtenen Urteils von selbst. Ebenso steht danach der für eine Anordnung nach
§ 64 StGB vorausgesetzte symptomatische Zusammenhang zwischen dem
Hang und den abgeurteilten Betäubungsmittelstraftaten außer Frage. Schließ-
lich liegt - schon angesichts der einschlägigen Vorverurteilung - hier auch eine
negative Legalprognose nahe. Unter diesen Umständen lagen die Vorausset-
zungen vor, unter denen unbeschadet der Neufassung des § 64 Satz 1 StGB
als "Soll"-Vorschrift (vgl. dazu Fischer StGB 56. Aufl. § 64 Rdn. 22, 23) nur im
Ausnahmefall von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
abgesehen werden durfte, sofern - was der neue Tatrichter unter Hinzuziehung
eines Sachverständigen zu klären haben wird (§ 246 a StPO) - bei dem Ange-
klagten eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB zu
bejahen ist.
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Für den Fall, dass der neue Tatrichter eine Anordnung nach § 64 StGB
trifft, wird er auch die voraussichtliche Dauer der Therapie festzustellen und
dies bei der Entscheidung über den Vorwegvollzug eines Teils der erkannten
Gesamtfreiheitsstrafe nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB n.F. zu berücksichti-
gen haben.
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3. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Aufhe-
bung des Urteils wegen der unterbliebenen Anordnung nach § 64 StGB und die
Zurückverweisung der Sache insoweit an das Landgericht nicht (BGHSt 37, 5).
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Die Aufhebung wegen der unterbliebenen Anordnung nach § 64 StGB
lässt den Strafausspruch unberührt. Denn der Senat schließt hier einen Zu-
sammenhang zwischen der Straffestsetzung und einer Maßregelanordnung
nach § 64 StGB aus.
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Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Franke