Urteil des BGH vom 06.10.2006

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 282/05 Verkündet
am:
6. Oktober 2006
W i l m s,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 4
a) § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist auf den Fall einer öffentlichen Zustellung, deren Vor-
aussetzungen für das Gericht erkennbar nicht vorlagen, nicht entsprechend an-
wendbar (Ergänzung von BGHZ 153, 189).
b) Lagen die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung für das Gericht erkenn-
bar nicht vor, werden Rechtsmittel- und Rechtsbehelfsfristen nicht in Gang gesetzt
(Bestätigung von BGHZ 149, 311).
BGH, Urt. v. 6. Oktober 2006 - V ZR 282/05 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Rich-
ter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den
Richter Dr. Czub
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlan-
desgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2005 wird auf Kosten
des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Nich-
tigkeitsklage des Klägers als rechtzeitiger Einspruch gegen das
Versäumnisurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
vom 5. Februar 2003 (1 O 576/01) zu behandeln ist.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte reichte am 11. Oktober 2001 gegen den Kläger eine auf
Zahlung von 38.717,70 € nebst Zinsen gerichtete Klage ein und beantragte,
diese an dem spanischen Wohnort des Klägers zuzustellen. Je ein Zustellungs-
versuch an dem spanischen und an dem früheren deutschen Wohnort des Klä-
gers blieb erfolglos. Daraufhin ordnete das Landgericht auf Antrag des Beklag-
ten am 20. November 2002 die öffentliche Zustellung der Klage an. Da sich der
Kläger nicht meldete, erließ es am 5. Februar 2003 ein Versäumnisurteil, durch
welches es ihn antragsgemäß zur Zahlung verurteilte. Es ordnete am gleichen
Tag die öffentliche Zustellung auch dieses Urteils an.
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Mit der vorliegenden Nichtigkeitsklage möchte der Kläger die Aufhebung
seiner Verurteilung erreichen. Er behauptet, er habe erstmals am 21. Juni 2004
von dem Urteil erfahren, und meint, das Landgericht habe seinerzeit zu Unrecht
die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung angenommen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klä-
gers hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und
den Rechtsstreit zu erneuten Verhandlung und Entscheidung in der Hauptsache
des Ausgangsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der von dem
Oberlandesgericht zugelassenen Revision strebt der Beklagte die Wiederher-
stellung des erstinstanzlichen Urteils an. Der Kläger beantragt, die Revision zu-
rückzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält die Nichtigkeitsklage in entsprechender An-
wendung von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO für zulässig. Zwar habe der Bundesge-
richtshof eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Fälle, in denen
eine öffentliche Zustellung formell ordnungsgemäß angeordnet worden sei, ab-
gelehnt. Offen gelassen habe er aber, ob das auch gelte, wenn die öffentliche
Zustellung verfahrensfehlerhaft angeordnet worden sei. Ein solcher Fall liege
hier vor. Das Landgericht habe im Ausgangsverfahren die Voraussetzungen
einer öffentlichen Zustellung zu Unrecht angenommen und die öffentliche Zu-
stellung auch des Versäumnisurteils ohne entsprechenden Antrag des Beklag-
ten verfügt. In einem solchen Fall müsse in entsprechender Anwendung von
§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Nichtigkeitsklage eröffnet sein, um dem Zustel-
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lungsbetroffenen rechtliches Gehör zu gewähren. Die Sache sei in entspre-
chender Anwendung des § 538 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen, da
dieses, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, über die Hauptsache des Aus-
gangsverfahrens nicht neu verhandelt habe.
II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
Die Entscheidung erweist sich aber im Ergebnis aus einem anderen Grund als
richtig.
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1. Die erhobene Klage ist als Nichtigkeitsklage unzulässig, weil es an ei-
nem Nichtigkeitsgrund fehlt.
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a) Einer der gesetzlichen Nichtigkeitsgründe des § 579 Abs. 1 ZPO liegt
nicht vor. Das Berufungsgericht geht auch zutreffend davon aus, dass § 579
Abs. 1 Nr. 4 ZPO hier nicht schon deshalb entsprechend angewendet werden
kann, weil die Klage und das Versäumnisurteil überhaupt öffentlich zugestellt
worden sind (BGHZ 153, 189, 194-196). Es meint aber, die Vorschrift sei dann
entsprechend anzuwenden, wenn die Vorschriften über die öffentliche Zustel-
lung fehlerhaft angewandt worden seien. Das ist umstritten (dafür: KG NJW-RR
1987, 1215, 1216; MünchKomm-ZPO/Braun, 2. Aufl., § 579 Rdn. 19; Wieczo-
rek/Schütze/Borck, ZPO, 3. Aufl., § 579 Rdn. 52, 57; Zöller/Greger, ZPO,
25. Aufl., § 579 Rdn. 6; Brüggemann, JR 1969, 361, 370; Fischer, ZZP 107
[1994] 163, 179; ähnlich Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, 2. Aufl.,
Rdn. 574; dagegen: Hk-ZPO/Kemper, § 579 Rdn. 5; Musielak, ZPO, 4. Aufl.,
§ 579 Rdn. 7; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 579 Rdn. 6, 8; Gaul, JZ
2003, 1088, 1095 f.). Höchstrichterlich entschieden ist die Frage bislang nicht.
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Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei Beschlüssen die Möglichkeit ange-
deutet, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf Fälle der Verletzung des rechtlichen Gehörs
entsprechend anzuwenden (NJW 1992, 496; 1998, 745), hat aber keine Aussa-
ge zu der hier vorliegenden Fallgestaltung gemacht. Der Bundesgerichtshof hat
die Frage bisher offen gelassen (BGH, Urt. v. 6. April 1992, II ZR 242/91, NJW
1992, 2280, 2281; BGHZ 153, 189, 195). Das Gleiche gilt für das Bundesar-
beitsgericht (BAGE 73, 378, 383).
b) Hier ist die Frage zu entscheiden. Der Senat verneint sie.
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aa) Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung des § 579 Abs. 1
Nr. 4 ZPO ist eine planwidrige Lücke in den gesetzlichen Vorschriften. Diese
wird von den Befürwortern einer entsprechenden Anwendung darin gesehen,
dass der von einer verfahrensfehlerhaft angeordneten öffentlichen Zustellung
Betroffene einen solchen Fehler nicht erfolgreich rügen und sich gegen die Fol-
gen einer verfahrensfehlerhaften öffentlichen Zustellung nicht effektiv zur Wehr
setzen könne (dazu Brüggemann, JR 1969, 361, 370). Das trifft jedenfalls heute
nicht mehr zu.
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bb) Der Bundesgerichtshof hat in solchen Fällen zunächst die Möglich-
keit der Wiedereinsetzung eröffnet. Sie ist bei einer unter Verstoß gegen § 185
ZPO angeordneten öffentlichen Zustellung ohne weiteres zu gewähren (BGH,
Urt. v. 6. April 1992, II ZR 242/91, NJW 1992, 2280, 2281; ähnlich schon
BVerfG, NJW 1988, 2361). Damit scheidet die Annahme einer Rechtsschutzlü-
cke jedenfalls in Fällen aus, in denen der Fehler bei der Anordnung der öffentli-
chen Zustellung vor Ablauf der in § 234 Abs. 3 ZPO bestimmten Jahresfrist be-
merkt wird.
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cc) Später hat der Bundesgerichtshof den Schutz des Betroffenen erwei-
tert und hierbei auch die Fälle einbezogen, in welchen der Verstoß gegen § 185
ZPO nach Ablauf der in § 234 Abs. 3 ZPO bestimmten Frist bemerkt wird und
damit eine Wiedereinsetzung ausscheidet.
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(1) Eine unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordnete öffentliche Zustel-
lung löst nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die sich an die
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 104, 301, 306) und
des Bundesfinanzhofs (BFHE 192, 200, 202; BFH/NV 2005, 998, 1000) anlehnt,
die Zustellungsfiktion des § 188 ZPO nicht aus und setzt damit keine Frist in
Lauf (BGHZ 149, 311, 321; ähnlich BayObLG NJW-RR 2000, 1452, 1453; OLG
Hamm NJW-RR 1998, 497). Das gilt jedenfalls dann, wenn die öffentliche Zu-
stellung bei sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht hätte angeordnet werden
dürfen, deren Fehlerhaftigkeit für das Gericht also erkennbar war (BGHZ 149,
311, 323). In einem solchen Fall, von dem das Berufungsgericht hier ausgeht,
kommt das Verfahren nicht zu einem wirklichen Abschluss. Es ist bei Entde-
ckung des Fehlers fortzusetzen, ohne dass es dazu einer Wiedereinsetzung
bedürfte (BGHZ 149, 311, 322). Damit fehlt einer Nichtigkeitsklage die Grundla-
ge.
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(2) Diese Rechtsprechung hat Zustimmung (Thomas/Putzo, ZPO,
27. Aufl., § 185 Rdn. 5), aber auch Kritik erfahren (MünchKomm-ZPO/Wenzel,
2. Aufl., Erg.-Band ZPO-Reform, § 185 Rdn. 9; Stein/Jonas/Roth, ZPO,
22. Aufl., § 185 Rdn. 14; Gaul, JZ 2003, 1088, 1091 f.; differenzierend Zöl-
ler/Stöber, aaO, § 186 Rdn. 9). Eingewandt wird vor allem, dass Fehler bei der
Anwendung des § 185 ZPO weder den Anordnungsbeschluss als gerichtliche
Entscheidung (MünchKomm-ZPO/Wenzel und Gaul jeweils aaO) noch das etwa
durch eine öffentlich zugestellte Klage eingeleitete Gerichtsverfahren oder die
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an den Zustellungsakt anknüpfenden materiellrechtlichen Wirkungen in Frage
stellen dürften (Zöller/Stöber aaO). Das allerdings geschieht in der Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs auch nicht (zutreffend Zöller/Stöber aaO). In den
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzhofs, an
denen sich der Bundesgerichtshof orientiert hat, ist zwar von einer Unwirksam-
keit der Verwaltungszustellung die Rede. Der Bundesgerichtshof hat der er-
kennbar verfahrensfehlerhaften öffentlichen Zustellung im Zivilprozess aber
nicht schlechthin ihre Wirksamkeit abgesprochen, sondern einschränkend aus-
geführt, dass sie in Ansehung der (im seinerzeitigen und auch im vorliegenden
Verfahren maßgeblichen) Einspruchsfrist unwirksam sei, und diese Besonder-
heit mit dem Zusatz „wirkungslos“ beschrieben (BGHZ 149, 311, 321). Das be-
deutet im Ergebnis nur, dass eine unter erkennbar fehlerhafter Anwendung von
§ 185 ZPO ergangene Anordnung der öffentlichen Zustellung lediglich Fristen
nicht in Gang setzt, im Übrigen aber in ihrer Wirksamkeit nicht berührt wird. Ei-
ne solche einschränkende Auslegung des § 188 ZPO ist sachlich geboten, da
dem Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes gegen Fehler des Gerichts bei
der Anwendung des § 185 ZPO und dem Anspruch auf rechtliches Gehör
zweckmäßiger und systemgerechter nicht Rechnung getragen werden kann.
c) Damit scheidet eine entsprechende Anwendung des § 579 Abs. 1
Nr. 4 ZPO auf Fälle wie den vorliegenden von vorneherein aus.
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2. Die Entscheidung erweist sich aber aus einem anderen Grund als rich-
tig.
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a) Die von dem Kläger erhobene Nichtigkeitsklage ist nämlich als Ein-
spruch gegen das Versäumnisurteil im Ausgangsverfahren anzusehen. Der
Kläger hat in seiner Klageschrift keinen der gesetzlich bestimmten Nichtigkeits-
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gründe geltend gemacht. Er hat vielmehr vorgetragen, dass er das Versäum-
nisurteil deshalb angreifen wolle, weil er mangels ordnungsgemäßer Zustellung
bislang keine Gelegenheit zur Rechtsverteidigung gehabt habe. Aus dem Hin-
weis auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Anwendung des § 579 Abs. 1
Nr. 4 ZPO zur Sicherung des rechtlichen Gehörs ergibt sich auch, dass der
Kläger den zur Verfolgung dieses Sachanliegens gegebenen Rechtsbehelf ein-
legen wollte. Das ist der Einspruch. Die von ihm eingereichte Nichtigkeitsklage
genügt den Anforderungen an eine Einspruchsschrift. Sie war an das Landge-
richt zu richten, das er angerufen hat. Sie ist deshalb als Einspruch gegen das
Versäumnisurteil zu behandeln.
b) Der in der Nichtigkeitsklage liegende Einspruch war auch rechtzeitig.
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aa) Die Einspruchsfrist ist durch die öffentliche Zustellung des Versäum-
nisurteils nicht in Gang gesetzt worden, weil diese fehlerhaft war.
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(1) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt das allerdings nicht
schon daraus, dass der Beklagte die öffentliche Zustellung des Versäumnisur-
teils nicht beantragt, sondern das Landgericht sie im Ausgangsverfahren von
Amts wegen bewilligt hat. Das widersprach zwar der früheren Rechtslage nach
§ 204 Abs. 1 ZPO a.F. Diese war aber für die öffentliche Zustellung des Ver-
säumnisurteils vom 5. Februar 2003 nicht mehr maßgeblich. Am 1. Juli 2002 ist
nämlich das Zustellungsreformgesetz vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1206) in
Kraft getreten. Dieses sieht keine Überleitungsvorschriften vor. Die geänderten
Zustellungsvorschriften galten daher auch in laufenden Verfahren für die nach
seinem Inkrafttreten vorzunehmenden Zustellungen. Nach §§ 166 Abs. 2, 186
ZPO bedarf es für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung keines Antrags
(mehr), wenn die Zustellung von Amts wegen zu erfolgen hat (MünchKomm-
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ZPO/Wenzel, aaO, § 186 Rdn. 3; Stein/Jonas/Roth, aaO, § 186 Rdn. 2). So
liegt es bei einem Versäumnisurteil (§ 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es bedarf des-
halb auch keiner Entscheidung darüber, ob der allein fehlende Antrag schon
dazu führt, dass eine ansonsten ordnungsgemäße öffentliche Zustellung Fristen
nicht in Gang setzt (offen gelassen in BGHZ 149, 311).
(2) Die angeordnete öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils war
aber fehlerhaft, weil die Voraussetzungen des § 185 ZPO erkennbar nicht vor-
lagen. Auf § 185 Nr. 2 ZPO ließ sich die öffentliche Zustellung nicht stützen.
Dafür kam es nicht auf den Erfolg der von dem Landgericht veranlassten Zu-
stellung der Klageschrift in Spanien an. Maßgeblich ist vielmehr, ob mit dem
Zustellungsland Rechtshilfeverkehr besteht und dieser grundsätzlich Erfolg ver-
spricht (MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 185 Rdn. 7; Zöller/Stöber, aaO,
§ 185 Rdn. 3). Das ist nach der VO (EG) Nr. 1348/2000 (ABl. EG Nr. L 160
S. 37) der Fall. Der Aufenthaltsort des Klägers war auch nicht unbekannt (§ 185
Nr. 1 ZPO). Der Kläger wohnte damals an dem Ort in Spanien, den der Beklag-
te im Ausgangsverfahren in seiner Klageschrift angegeben hatte und den das
Versäumnisurteil als letzten bekannten Aufenthalt des Klägers bezeichnet. Das
hätte das Landgericht auch erkennen können, wenn es mit der gebotenen Sorg-
falt vorgegangen wäre. Es durfte zwar davon ausgehen, dass sich seit der nur
zwei Monate zurückliegenden öffentlichen Zustellung der Klageschrift keine
neuen Erkenntnisse über den Aufenthaltsort des Klägers ergeben hatten, und
die öffentliche Zustellung ohne ergänzende Prüfung bewilligen. Das setzte aber
voraus, dass die öffentliche Zustellung der Klageschrift ihrerseits verfahrensfeh-
lerfrei bewilligt worden war. Daran aber fehlt es.
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(3) Aus welchen Gründen das Landgericht die öffentliche Zustellung der
Klageschrift bewilligt hat, ist seinem Bewilligungsbeschluss nicht zu entnehmen.
Der Beklagte hat in seinem Antrag geltend gemacht, der Kläger sei unbekann-
ten Aufenthalts, weil ihm die Klageschrift weder an seinem spanischen Wohnort
noch an seinem früheren deutschen Wohnort habe zugestellt werden können.
Diese Angaben waren zwar zutreffend. Hiermit durfte sich das Landgericht im
Ausgangsverfahren aber nicht begnügen. Der Beklagte hatte in seinem Antrag
nämlich auch mitgeteilt, dass der Kläger seine in der Klageschrift angegebene
Anschrift bei dem Einwohnermeldeamt als Zweitwohnsitz angegeben habe. Das
gab Veranlassung, die Ordnungsmäßigkeit der Auslandszustellung in Spanien
noch einmal zu prüfen.
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(4) Hierbei wäre aufgefallen, dass die spanischen Zustellungsbehörden
die Klageschrift der spanischen Post mit unvollständigen Angaben übergeben
hatten und ihre Mitteilung über das Ergebnis des Zustellungsversuchs im ent-
scheidenden Punkt unergiebig war. In dem Zustellschreiben war nur die An-
schrift der Wohnanlage, nicht aber die Nummer des Bungalows angegeben, in
welchem der Kläger wohnt. In der Mitteilung der spanischen Stellen über das
Ergebnis ihrer Bemühungen heißt es zwar, dass sich der mit der Zustellung
betraute Bedienstete in Person an dem Ort eingefunden habe, den die Sekretä-
rin der Anlage angeben habe. Als dabei gewonnene Erkenntnis wird in der Mit-
teilung aber nur festgehalten, dass der Kläger unter seiner deutschen Anschrift
ausfindig gemacht werden könne. Zu der entscheidenden Frage, nämlich ob
der Kläger in dem Bungalow in der Anlage wohnt, ob er dort zufällig gerade
nicht anwesend war und ob versucht wurde, die Klageschrift durch Übergabe
an die Sekretärin zur späteren Aushändigung, durch eine Niederlegung oder in
anderer Weise zuzustellen, enthält die Mitteilung keine Angaben. Daran ändert
auch der von dem Landgericht hervorgehobene Umstand nichts, dass eine Zu-
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stellung durch ausländische Justizbehörden gewöhnlich ein hohes Maß an Si-
cherheit bietet. Diese Erwartung hat sich hier nicht erfüllt. Die Mitteilung, die das
Landgericht von den spanischen Justizbehörden erhalten hatte, bot keine
Grundlage für die Annahme, der Kläger halte sich nicht an dem angegebenen
Wohnort in Spanien auf. Dass sich, wie die Revision darlegt, dieser Mangel be-
heben und im Nachhinein aufklären ließe, wer die Sekretärin der Wohnanlage
ist, mit welcher die spanische Zustellperson Kontakt aufgenommen haben will,
und was diese Zustellperson im Einzelnen unternommen hat, ist unerheblich.
Dies hätte vor der Bewilligung der öffentlichen Zustellung geschehen müssen,
ist aber verfahrensfehlerhaft unterblieben.
(5) Auch das Fehlschlagen der anschließenden Zustellung an der frühe-
ren deutschen Anschrift des Klägers berechtigte das Landgericht nicht zu der
Annahme, dass der Aufenthalt des Klägers unbekannt war. Ein solches Fehl-
schlagen war nämlich zu befürchten, da der Beklagte den Kläger unter seiner
spanischen Anschrift verklagt und in seinem Antrag auf öffentliche Zustellung
mitgeteilt hatte, der Kläger habe seinen spanischen Wohnsitz bei dem deut-
schen Melderegister angegeben. Jedenfalls half dieser Umstand nicht über die
Unsicherheit hinweg, ob eine Zustellung in Spanien wirklich nicht möglich war.
Das Landgericht musste deshalb, wie das Berufungsgericht mit Recht ausge-
führt hat, vor Bewilligung der öffentlichen Zustellung die Möglichkeiten einer
Zustellung in Spanien weiter aufklären. Es drängte sich geradezu auf, einen
erneuten Zustellungsversuch mit der vollständigen Anschrift zu unternehmen.
Das wäre mit einer unmittelbaren Zustellung durch die Post nach Art. 14 Abs. 1
VO (EG) Nr. 1348/2000 (heute gemäß § 1068 Abs. 1 ZPO durch Einschreiben
mit Rückschein) auch in einem Zeitrahmen möglich gewesen, der dem Beklag-
ten als Gläubiger unter Berücksichtigung des erheblichen Zeitraums zumutbar
war, den die erste förmliche Zustellung in Anspruch genommen hatte.
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bb) Die Einspruchsfrist ist gewahrt. Der Kläger hat nach seinen Angaben
am 21. Juni 2004 erstmals von der Existenz des Versäumnisurteils am Telefon
erfahren und kann danach das Urteil nicht früher als zwei Wochen vor Einrei-
chung seiner Nichtigkeitsklageschrift erhalten haben. Diese Angaben hat der
Beklagte zwar mit Nichtwissen bestritten. Das war aber unzureichend. Die öf-
fentliche Zustellung hatte die Einspruchsfrist nicht ausgelöst. Dies konnte erst
nach § 189 ZPO durch anderweitigen Zugang geschehen. Ein solcher war mit
dem Erlass der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, die der Beklagten
aufgrund des Versäumnisurteils am 4. Juni 2004 erwirkt hatte, nicht verbunden,
weil das Urteil dazu nach § 750 Abs. 1 ZPO nicht erneut zugestellt werden
musste. Wie ein früherer anderweitiger Zugang des Urteils bei dem Kläger
sonst bewirkt worden sein soll, hat der Beklagte nicht dargelegt.
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3. Das Landsgericht wird daher die Nichtigkeitsklage in der neuen Ver-
handlung als rechtzeitigen Einspruch gegen das Versäumnisurteil im Aus-
gangsverfahren zu behandeln und nach §§ 342, 343 ZPO zu verfahren haben.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.02.2005 - 1 O 382/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 07.12.2005 - I-15 U 57/05 -