Urteil des BGH vom 17.07.2009, V ZR 254/08
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 254/08
Verkündet am: 17. Juli 2009 Lesniak, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
TKG § 76 Abs. 2 Satz 4
Der Netzbetreiber kann die Haftung für die Nachentschädigungsansprüche der
Grundstückseigentümer aus § 76 Abs. 2 TKG im Verhältnis zu dem Betreiber der
Telekommunikationslinie nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen auf diesen
abwälzen.
BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 - V ZR 254/08 - OLG Köln LG Aachen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter
Dr. Klein und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Roth
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Köln vom 14. März 2008 wird zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil im Kostenpunkt und
insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden
worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1Die Klägerin betreibt die Hochspannungsfreileitungen des R. -
Konzerns. Das Leitungsnetz wurde beginnend in den 90-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit Lichtwellenleiter-Kabeln ausgestattet, die eine Vielzahl
von Fasern enthalten. Dies erlaubt es, Signale nicht nur zur Steuerung der
Stromversorgung und zur Kommunikation innerhalb des R.-Konzerns zu
übertragen, sondern auch zu Zwecken der allgemeinen Telekommunikation.
2Mit Vertrag vom 19. Dezember 2000 überließ die Rechtsvorgängerin der
Klägerin, die R. AG, im Folgenden ebenfalls Klägerin, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, im Folgenden ebenfalls Beklagte, gegen ein Entgelt
von 520 € pro km und Jahr zwei von 30 bzw. 60 Fasern des 67,57 km langen
Lichtwellenleiter-Kabels ihrer Hochspannungsleitung zwischen A. und D.
zur Nutzung.
3In § 3 Abs. 3 des Vertrags heißt es:
"a. (scil. die Beklagte) stellt R. von allen Ansprüchen frei, die von Dritten gegen R. aufgrund der Nutzung der LWL-Fasern durch a. geltend gemacht werden."
4Die Klägerin behauptet, das von der Beklagten genutzte Lichtwellenleiter-Kabel führe auf einer Teilstrecke von 48,362 km über Grundstücke, über die
bis zur Aufnahme der Nutzung durch die Beklagte keine Signale zu Zwecken
der allgemeinen Kommunikation übertragen worden seien. Die Eigentümer dieser Grundstücke hätten sie deshalb auf Ausgleich gemäß § 57 Abs. 2 Satz 2
TKG a.F., § 76 Abs. 2 Satz 2 TKG in Anspruch genommen oder könnten dies
tun. Mit der Feststellung der Eigentümer, der Prüfung, Abwehr oder Erfüllung
dieser Ansprüche sei erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden.
5Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, sie von den Ansprüchen der Grundstückseigentümer freizustellen, soweit diese auf der Nutzung des Lichtwellenleiter-Kabels durch die Beklagte beruhten, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte hierzu verpflichtet sei, und weiter festzustellen,
dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr die Aufwendungen zu ersetzen, die ihr
durch die Prüfung, Abwehr oder Erfüllung der Ansprüche der Eigentümer entstünden.
6Das Landgericht hat dem Freistellungsverlangen der Klägerin stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat
das Oberlandesgericht den Anspruch auf Freistellung abgewiesen und über den
insoweit gestellten Hilfsantrag zugunsten der Klägerin erkannt. Die Berufung
der Klägerin, mit welcher diese den weiteren Feststellungsantrag weiterverfolgt
hat, hat es zurückgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen
Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage, die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision den in den Tatsacheninstanzen zurückgewiesenen
Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
7Das Berufungsgericht meint, die Klage sei zulässig und begründet, soweit die Klägerin die Feststellung beantrage, dass die Beklagte sie von den Ansprüchen der Grundstückseigentümer auf Nachentschädigung nach § 57 Abs. 2
Satz 2 TKG a.F, § 76 Abs. 2 Satz 2 TKG freizustellen habe. Hierzu habe sich
die Beklagte durch § 3 Abs. 3 des Vertrages vom 19. Dezember 2000 verpflichtet. Soweit die Klägerin die Feststellung erstrebe, dass die Beklagte ihr die mit
der Prüfung der Ansprüche der Eigentümer verbundenen Kosten zu erstatten
habe, sei die Klage zwar zulässig, jedoch nicht begründet, weil eine solche
Verpflichtung der Beklagten zwischen den Parteien nicht vereinbart sei und
auch nicht aus einer Vertragsverletzung der Beklagten folge.
II.
8A. Revision der Beklagten
9Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
101. Entgegen ihrer Auffassung ist die Klage allerdings mit den Feststellungsanträgen zulässig.
11a) Soweit es um die Feststellung der Freistellungsverpflichtung geht, ergibt sich das Feststellungsinteresse daraus, dass die Beklagte eine dahin gehende Verpflichtung leugnet. Der Zulässigkeit steht es auch nicht entgegen,
dass einzelne Grundstückseigentümer die Klägerin gerichtlich oder außergerichtlich in Anspruch genommen haben, so dass sie insoweit eine - grundsätzlich vorrangige - Leistungsklage erheben könnte. Sie ist nämlich nicht genötigt,
den von ihr geltend gemachten Anspruch aufzuspalten, sondern bleibt befugt,
ihn einheitlich im Wege der Feststellungsklage zu verfolgen (vgl. BGH, Urt. v.
4. Dezember 1986, III ZR 205/85, NVwZ 1987, 733; Urt. v. 21. Februar 1991,
III ZR 204/89, VersR 1991, 788, 789).
12Dem Antrag fehlt es entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht
an der notwendigen Bestimmtheit. Anders als bei einer Leistungsklage müssen
bei der beantragten Feststellung einer Freistellungsverpflichtung die Gläubiger
der Ansprüche, von denen die Klägerin Freistellung verlangt, nicht namentlich
benannt werden. Ausreichend ist, dass die Ansprüche bestimmbar sind und
somit der Umfang der Freistellungsverpflichtung nicht im Unklaren bleibt. Das
ist hier der Fall, da der Antrag den Grund des Anspruchs bezeichnet und die
Grundstücke, deren Eigentümer Nachabfindungsansprüche geltend machen
könnten, einzeln aufführt. Angesichts dieser Konkretisierung bedarf es auch
nicht der Angabe der Höhe der Ansprüche, von denen freigestellt werden soll.
Ziel des Antrags ist es, Freistellung in jedweder Höhe zu erreichen, in der
Grundstückseigentümer Nachabfindungsansprüche erheben.
13b) Soweit die Klage die Feststellung einer Aufwendungsersatzverpflichtung betrifft, ermangelt sie entgegen der Auffassung der Beklagten ebenfalls
nicht der notwendigen Bestimmtheit. Der Antrag muss nicht die einzelnen in
Betracht kommenden Aufwendungen aufzählen. Es genügt, wenn deutlich wird,
in welchem Zusammenhang die Aufwendungen, um deren Ersatzverpflichtung
es geht, stehen müssen. Danach ist der Klageantrag zulässig. Er konkretisiert
die Aufwendungen nach Zweck und Anlass, nämlich dahin, dass sie der Überprüfung, Abwehr und/oder Erfüllung der Ansprüche dienen.
2. Die Revision macht aber zu Recht geltend, dass die Feststellungen 14
des Berufungsgerichts die Verurteilung der Beklagten zur Freistellung nicht tragen.
15a) Nicht zu beanstanden ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass die Bestimmung in § 3 Abs. 3 des Vertrages grundsätzlich
die Ansprüche erfasst, die Gegenstand der Klage sind. Es geht um Ansprüche
Dritter gegen den Netzbetreiber wegen der Nutzung der LWL-Fasern. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats ist der in § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a.F.
bestimmte Ausgleichsanspruch nämlich auch dann gegeben, wenn eine bisher
nur zur betriebsinternen Kommunikation dienende Leitung für die allgemeine
Kommunikation geöffnet wird (BGHZ 145, 16, 32 ff.; Urt. v. 17. Juni 2005, V ZR
202/04, NJW-RR 2005, 1683; Urt. v. 16. September 2005, V ZR 242/04, NJW-
RR 2006, 384). Daran ist festzuhalten, zumal dieses Verständnis der Norm der
heutigen Regelung in § 76 Abs. 2 Satz 2 TKG zugrunde liegt und die Beklagte
keine Gesichtspunkte aufzeigt, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten.
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nicht zugrunde gelegt und damit solche Ansprüche übereinstimmend ausgeklammert haben. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses waren nämlich die wesentlichen Gründe des Urteils jedenfalls durch eine Presseerklärung der Öffentlichkeit bekannt. Zudem ist in der Fachöffentlichkeit die Frage der Nachentschädigungspflicht auch zuvor schon diskutiert worden (vgl. die Nachweise in
dem Urteil des Senats vom 7. Juli 2000, aaO S. 30 ff.), so dass nicht davon
ausgegangen werden kann, dass den Parteien bei Vertragsschluss das Problem nicht vor Augen gestanden hat. Die gewählte weite Fassung - Freistellung
"von allen Ansprüchen" - lässt danach kein Verständnis dahin zu, dass Nachentschädigungsansprüche ausgenommen sein sollten.
17b) Zu Recht wendet sich die Revision aber gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Vertragsklausel sei unabhängig davon wirksam, ob es sich
dabei um einen Bestandteil Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) der
Klägerin handelt oder nicht.
aa) Zutreffend ist diese Auffassung nur, wenn es sich bei der Klausel um 18
eine Individualvereinbarung handelt. Hinsichtlich geltend gemachter Nachentschädigungsansprüche haften Netzbetreiber und Nutzer der Telekommunikationslinien gesamtschuldnerisch. Den Ausgleich im Innenverhältnis können sie in
den Grenzen der §§ 138, 242 BGB frei gestalten. In diesem Rahmen begegnet
eine Regelung, wonach die Lasten nicht aufgeteilt, sondern von einem der Gesamtschuldner zu tragen sind, keinen Bedenken.
19 Entgegen der Auffassung der Revision kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Vertragsparteien dieses Verständnis ihrer Regelung
bb) Das Berufungsgericht geht, ohne allerdings dahin gehende Feststellungen getroffen zu haben, davon aus, dass der Vertrag zwischen den Parteien
auf der Grundlage von der Klägerin vorgegebener Allgemeiner Geschäftsbedin-
gungen zustande gekommen ist. Legt man dies zugrunde, hält die Klausel einer
Wirksamkeitskontrolle nicht stand.
20Insoweit kann dahin gestellt bleiben, ob Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB dazu
geführt hat, dass die Frage nach der Wirksamkeit der Einbeziehung einer Klausel und ihrer Wirksamkeit für vor dem 1. Januar 2002 zustande gekommene
Dauerschuldverhältnisse seit dem 1. Januar 2003 nach § 305c Abs. 1, 307 BGB
zu bestimmen sind, oder ob diese Fragen für das Rechtsverhältnis zwischen
den Parteien weiterhin nach §§ 3, 9 AGBG zu beantworten ist. Hierauf kommt
es nicht an, weil §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1, 2 BGB und §§ 3, 9 AGBG, soweit
hier von Interesse, inhaltlich übereinstimmen.
Nicht entschieden zu werden braucht ferner, ob § 3 Abs. 3 des Vertrags 21
als überraschende Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden ist. Sie ist jedenfalls unwirksam, weil sie die Beklagte entgegen den Geboten von Treu und
Glauben unangemessen benachteiligt, § 9 Abs. 1 AGBG, § 307 Abs. 1 Satz 1
BGB.
22(1) Auszugehen ist von dem gesetzlichen Leitbild des Ausgleichsverhältnisses von Gesamtschuldnern. Denn die Klägerin als Eigentümerin des Leitungsnetzes und die Beklagte als Netzbetreiberin haften den Grundstückseigentümern als Gesamtschuldner, § 76 Abs. 2 Satz 4 TKG, § 421 BGB. Das Leitbild
ergibt sich aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, durch einen Ausgleich zu gleichen Teilen gekennzeichnet. Eine anderweitige Bestimmung kann sich aus dem zwischen den Schuldnern bestehenden Rechtsverhältnis ergeben und ebenso aus der Natur der Sache (BGH,
Urt. v. 11. Juni 1992, IX ZR 161/91, NJW 1992, 2286, 2287 m.w.N.).
(2) Sieht man von der Klausel ab, um deren Wirksamkeit es geht, so 23
lässt sich dem Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, einem Vertrag mit Miet-
rechtscharakter (Spindler/Imping, Vertragsrecht der Kommunikationsanbieter,
S. 429; Schäfer/Giebel ZfIR 2004, 661, 662; Lisch MMR 2007, 89), keine Regelung des Ausgleichsverhältnisses entnehmen. Zu berücksichtigen sind daher
aus der Natur der Sache folgende Umstände.
24(aa) Ein hälftiger Ausgleich erscheint - mangels anderweitiger Bestimmung - sachgerecht, wenn einem Netzeigentümer nur ein Netzbetreiber gegenüber steht, der berechtigt ist, sämtliche Leitungen zu benutzen. Denn dann teilen sich Eigentümer und Betreiber die Nutzungsmöglichkeiten, der eine durch
Vermietung, der andere durch Betreiben des Netzes. Es entspricht dann auch
der Billigkeit, dass sie sich die Lasten, also die Befriedigung von Nachentschädigungsansprüchen, hälftig teilen, so wie es der Gesetzgeber als Modell im
Gemeinschaftsrecht vorgesehen hat (§§ 742, 743, 748 BGB).
Anders ist es indes, wenn mehrere Netzbetreiber in Betracht kommen. 25
Dann stehen der Nutzung, die der Eigentümer durch Vermietung des gesamten
Netzes ziehen kann, nur einzelne Nutzungsmöglichkeiten der Netzbetreiber in
dem ihnen vertraglich gezogenen Rahmen gegenüber. Hier entspricht es nicht
der Billigkeit, dass ein Netzbetreiber, etwa der erste, sich die Lasten mit dem
Eigentümer hälftig teilt. Entsprechend dem Gedanken, dass die Lasten in demselben Umfang zu tragen sind wie Nutzungen gezogen werden dürfen (vgl.
§§ 743, 748 BGB), ist Maßstab für die Beteiligung im Innenverhältnis an der
Nachentschädigungsverpflichtung die dem Netzbetreiber zugewiesene Nutzungsbefugnis. Nur in diesem Umfang ist eine hälftige Aufteilung zwischen
Netzeigentümer und Netzbetreiber gerechtfertigt.
26So ist es hier. Die Beklagte nutzt nur 2 der 30 bzw. 60 Fasern des Lichtwellenleiter-Kabels der Klägerin für Telekommunikationszwecke. Dem gesetzlichen Leitbild entspricht dann im Innenverhältnis zu der Klägerin eine Beteili-
gung der Beklagten von 1/30 bzw. 1/60 der den Grundstückseigentümern geschuldeten Nachentschädigungen, vorausgesetzt alle Fasern können für Zwecke der Telekommunikation genutzt werden.
27(bb) Von diesem Leitbild weicht die Vertragsklausel in einer Weise ab,
die mit dem Gebot von Treu und Glauben nicht im Einklang steht. Statt eines
geringen Anteils soll die Beklagte alle Kosten der Nachentschädigung tragen.
Das ist nicht nur wegen dieses Umfangs unbillig, sondern auch deswegen, weil
sich die Klägerin auf diese Weise zugleich die Möglichkeit verschafft, allen weiteren Netzbetreibern Fasern ohne die Gefahr der Inanspruchnahme wegen einer Nachentschädigung zur Verfügung zu stellen. Denn der Anspruch auf
Nachentschädigung entsteht nur einmal, nämlich bei der ersten erweiterten
Nutzung der Telekommunikationslinien. Sie verbessert damit ihre Marktchancen
auf Kosten der Beklagten.
28Eine solche Vertragsgestaltung läuft darüber hinaus dem Zweck des Telekommunikationsgesetzes zuwider, den Telekommunikationsmarkt rasch zu
öffnen (Schuster in Beck'scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., § 1 Rdn. 7 ff.). Jeder
Mieter einzelner Lichtwellenleiter eines Kabels hätte Anlass, die Aufnahme des
von ihm mit der Anmietung beabsichtigten Betriebs zu verzögern, bis ein anderer Mieter ihm vorangegangen und damit die Entschädigungspflicht zu tragen
hätte. Das blockiert den Markt und öffnet ihn nicht. Auch dies widerspricht dem
Gebot von Treu und Glauben. Denn die verfolgte Öffnung des Marktes fördert
zugleich den Wettbewerb, während die Vertragsgestaltung der Klägerin den
ersten Netzbetreiber, der von ihr Fasern mietet, hier also die Beklagte, in diesem Wettbewerb benachteiligt.
cc) Die danach nichtige Klausel fällt nach § 306 Abs. 1 BGB, § 6 AGBG 29
ersatzlos weg. Es gilt die gesetzliche Regelung, da eine ergänzende Ver-
tragsauslegung vorliegend nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urt. v. 16. Juni
2009, XI ZR 145/08, Rdn. 37 f. m.w.N., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
303. Soweit die Revision der Beklagten reicht, unterliegt das angefochtene
Urteil der Aufhebung. In diesem Umfang ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif, § 563 Abs. 1 und 3 ZPO. Für das weitere Verfahren weist der
Senat auf folgendes hin:
31a) Die Klägerin rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht ohne Berücksichtigung ihres dem entgegenstehenden Vortrags davon ausgegangen ist,
dass das AGB-Gesetz bzw. die Vorschriften der §§ 305c, 307 BGB auf den Vertrag zwischen den Parteien anzuwenden sind. Dem wird das Berufungsgericht
nachzugehen haben. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt der Beklagten, die
eine ihr günstige Rechtsfolge daraus ableitet, dass die Regelungen des Vertrages zwischen den Parteien von der Klägerin im Sinne Allgemeiner Geschäftsbedingungen vorgegeben worden seien.
b) Auch wenn die Prüfung ergeben sollte, dass die umstrittene Klausel 32
nicht Bestandteil Allgemeiner Geschäftsbedingungen der Klägerin ist, steht die
Freistellungsverpflichtung der Beklagten nicht fest. Die Beklagte rügt zu Recht,
dass das Berufungsgericht ihren unter Beweis gestellten Vortrag (Zeugnis
Dr. W. ) unberücksichtigt gelassen hat, wonach bereits vor ihr ein anderer
Kommunikationsdienstleister, die Fa. Ar. , die Telekommunikationslinie zu
Zwecken der allgemeinen Kommunikation genutzt hat. Dieser Vortrag ist entscheidungserheblich. Denn der Nachentschädigungsanspruch wird durch die
erste erweiterte Nutzung ausgelöst (s.o.). Die Beklagte haftete also im Außenverhältnis nicht nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a.F. bzw. jetzt nach § 76 Abs. 2
Satz 2 TKG, wenn ihr Vortrag zutrifft. Das bedeutet ferner, dass auch die Frei-
stellungsklausel nicht greift. Sie ist nämlich dahin auszulegen (§§ 133, 157, 242
BGB), dass die Beklagte die Klägerin nur dann von Nachentschädigungsansprüchen freizustellen hat, wenn sie selbst ebenfalls auf Nachentschädigung in
Anspruch genommen werden kann. Anderenfalls fehlt es an jedem Bezugspunkt für eine Verpflichtung der Beklagten. Auch dieser streitige Sachverhalt
bedarf der Aufklärung, wobei die Darlegungs- und Beweislast bei der Klägerin
liegt, weil es um eine Voraussetzung für das Entstehen des Freistellungsanspruchs geht. Eine Beweisaufnahme ist entgegen der Meinung der Klägerin
nicht deshalb entbehrlich, weil sie ein von dem Zeugen unterzeichnetes Schreiben der Ar. vom 21. Oktober 2005 und dessen Anlage vorgelegt hat; in welcher die von Ar. gemieteten, jedoch "nie beschalteten" Abschnitte der streitgegenständlichen Telekommunikationslinie im Einzelnen aufgeführt sind. Die
Richtigkeit dieser Aufstellung hat die Beklagte substantiiert bestritten.
B. Revision der Klägerin 33
Die Revision der Klägerin, mit der sie sich gegen die Abweisung ihres 34
Antrags wendet, eine Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz von Aufwendungen im Zusammenhang von Prüfung, Abwehr und Erfüllung von Nachentschädigungsansprüchen festzustellen, hat keinen Erfolg. Die auch insoweit zulässige (s. o.) Klage hat das Berufungsgericht zu Recht als unbegründet erachtet.
1. Ist die Vertragsklausel unwirksam oder greift sie mangels Haftung der 35
Beklagten im Außenverhältnis nicht ein, ist die Beklagte nicht zur Freistellung
verpflichtet. Es besteht dann auch kein Anspruch auf Aufwendungsersatz.
362. Ein Aufwendungsersatz besteht aber auch dann nicht, wenn die Beklagte, jedenfalls zu einem Anteil, der Klägerin die Freistellung von Nachentschädigungsansprüchen schuldet.
37a) Aus der Vertragsklausel ergibt sich ein solcher Anspruch entgegen der
Auffassung der Klägerin nicht. Der Freistellungsschuldner kann seine Verpflichtung nur erfüllen, wenn der Freistellungsgläubiger ihn über die Grundlagen, die
Höhe und die Einwendungen und Einreden gegen die Forderungen, die Gegenstand der Freistellung sein sollen, unterrichtet. Den Gläubiger trifft daher die
Nebenpflicht, den Schuldner mit den für die Freistellung notwendigen Kenntnissen auszustatten (vgl. BGH, Urt. v. 19. Januar 1993, IVa ZR 116/81, NJW 1983,
1729, 1730). Die damit verbundenen Kosten trägt er folglich selbst. Die Parteien
einer Freistellungsvereinbarung können das zwar anders regeln. Es muss sich
dann aber, weil es vom Normalfall abweicht, mit ausreichender Deutlichkeit aus
der Abrede ergeben. Daran fehlt es im vorliegenden Fall, und zwar unabhängig
davon, ob die Freistellungsklausel Bestandteil Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist oder individuell ausgehandelt wurde. Sie enthält, worauf das Berufungsgericht zu Recht abstellt, keinen Hinweis darauf, dass die Beklagte selbst die
Gläubiger von Nachentschädigungsansprüchen ausfindig machen und Grundlagen und Höhe der Ansprüche ermitteln sollte.
38Der Einwand der Revision der Klägerin, das Berufungsgericht habe ihren
Antrag missverstanden bzw. nicht interessegerecht ausgelegt, führt zu keiner
anderen Beurteilung. Ihrer Auffassung nach ist der Antrag nur auf die Feststellung gerichtet, dass die Beklagte zum Ersatz der Kosten verpflichtet sei, die ihr
zur Ermittlung der Anspruchsberechtigten und deren Ansprüchen tatsächlich
entstanden seien bzw. entstünden. Das kann als zutreffend unterstellt werden,
hat auf das Ergebnis aber keinen Einfluss. Kosten, die der Klägerin entstanden
sind oder entstehen werden, um die Beklagte in die Lage zu versetzen, die Be-
rechtigung der von den Grundstückseigentümern gegen die Klägerin erhobenen
Forderungen zu prüfen und eine Inanspruchnahme der Klägerin abzuwehren,
fallen im Verhältnis der Parteien zueinander nicht der Beklagten zur Last.
39b) Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz ergibt sich auch nicht unter dem
Gesichtspunkt einer Schadensersatzverpflichtung. Zwar kann die pflichtwidrige
und schuldhafte Nichterfüllung einer Freistellungsverpflichtung, etwa auch ein
Leugnen einer solchen Verpflichtung, Schadensersatzansprüche auslösen,
§ 280 BGB (vgl. Senat, Urt. v. 19. April 2002, V ZR 3/01, NJW 2002, 2382). Die
Kosten, um deren Ersatz es der Klägerin geht, gehören aber nicht zu dem ersatzfähigen Schaden. Ersatzfähig sind nur die durch die pflichtwidrige Weigerung, die Klägerin von Nachentschädigungsansprüchen freizustellen, entstehenden Kosten. Einen solchen Schaden macht die Klägerin nicht geltend. Sie
verlangt Ersatz von Kosten, die - wie ausgeführt - von der Klägerin im Vorfeld
der Freistellung zu tragen sind und dazu dienen, die Beklagte in den Stand zu
setzen, ihrer Freistellungsverpflichtung nachzukommen. Diese Kosten sind
nicht Folge einer vertragswidrigen Erfüllungsverweigerung.
Krüger Klein Schmidt-Räntsch
Stresemann Roth
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 25.07.2007 - 42 O 207/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.03.2008 - 15 U 154/07 -
Letze Urteile des Bundesgerichtshofs
Urteil vom 17.10.2001
2 ARs 278/01 vom 17.10.2001
Urteil vom 17.10.2001
2 ARs 245/01 vom 17.10.2001
Leitsatzentscheidung
NotZ 39/02 vom 31.03.2003
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