Urteil des BGH vom 12.11.2009

Tierarzneimittelversand Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 210/07 Verkündet
am:
12. November 2009
Bürk
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Tierarzneimittelversand
AMG § 43 Abs. 5; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 20a
Das in § 43 Abs. 5 AMG geregelte Verbot des Versandhandels mit apotheken-
pflichtigen Tierarzneimitteln erfasst nicht solche Fälle, in denen eine durch die
spezifischen Risiken des Versandhandels verursachte Fehlmedikation weder
eine Gesundheitsgefahr für den Menschen noch eine im Blick auf Art. 20a GG
relevante Gefahr für die Gesundheit des behandelten Tieres begründet. Eine
solche Gefahr ist grundsätzlich bei Tierarzneimitteln ausgeschlossen, die be-
stimmungsgemäß nur bei nicht zu Ernährungszwecken gehaltenen Haustieren
anzuwenden sind.
BGH, Urteil vom 12. November 2009 - I ZR 210/07 - OLG Hamburg
LG
Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 12. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen
Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 15. November
2007 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hamburg, Zivilkammer 27, vom 31. August 2006 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte betreibt eine Versandapotheke. Sie bot seit 2004 über ihre
Website neben anderen Tierarzneimitteln auch das zur Bekämpfung von Flöhen
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und Zecken bei Hunden zugelassene apothekenpflichtige Tierarzneimittel "ex-
spot" zum Erwerb im Wege des Versendungskaufs an.
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Die Klägerin verkauft das Mittel "exspot" an den Großhandel sowie an
Tierärzte und Apotheken zur Weiterveräußerung an Tierhalter und bewirbt das
Mittel auch diesen gegenüber. Sie sieht in dem Vertrieb des Mittels durch die
Beklagte einen Verstoß gegen das in § 43 Abs. 5 AMG geregelte grundsätzli-
che Verbot des Versandhandels mit apothekenpflichtigen Tierarzneimitteln und
zugleich ein unzulässiges Verhalten im Wettbewerb.
Die Klägerin hat beantragt,
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es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,
1. Arzneimittel, die der Bekämpfung von Flöhen und/oder Zecken beim Hund
dienen, die nicht für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben
sind, insbesondere das Tierarzneimittel "Exspot®", an den Tierhalter oder
an andere in § 47 Abs. 1 AMG nicht genannte Personen zu verkaufen und/
oder verkaufen zu lassen, ohne dass das Arzneimittel in der Apotheke der
Beklagten oder durch einen Tierarzt ausgehändigt wird,
und/oder
2. Arzneimittel, die der Bekämpfung von Flöhen und/oder Zecken beim Hund
dienen, die nicht für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben
sind, insbesondere das Tierarzneimittel "Exspot®", gegenüber dem Tier-
halter oder gegenüber anderen in § 47 Abs. 1 AMG nicht genannten Per-
sonen zum Versendungskauf anzubieten und/oder anbieten zu lassen,
insbesondere wie dies auf der Website www.<…>.de geschieht.
Das Landgericht hat der Klage mit dem Zusatz
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Ausgenommen von dem Verbot sind der Verkauf und der Versand von Fütte-
rungsarzneimitteln sowie solche Handlungen, die der Lieferung von Tierarz-
neimitteln nach § 24 Apothekenbetriebsordnung dienen (Sammelstellen).
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stattgegeben (LG Hamburg, Urt. v. 31.8.2006 - 327 O 391/06, juris). Die Beru-
fung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Hamburg MD 2008, 641).
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückverweisung die Klä-
gerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat das Bestehen eines konkreten Wettbewerbs-
verhältnisses zwischen den Parteien bejaht und das in § 43 Abs. 5 AMG gere-
gelte grundsätzliche Verbot des Inverkehrbringens von apothekenpflichtigen
Tierarzneimitteln durch eine Versandapotheke als eine auch nach der grund-
sätzlichen Freigabe des Versandhandels mit Humanarzneimitteln aufgrund des
am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Gesetzes zur Modernisierung der ge-
setzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190
- GMG) mit der Berufsausübungsfreiheit der Apotheken (Art. 12 Abs. 1 GG) und
dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbare Marktverhaltensrege-
lung angesehen. Gegen diese habe die Beklagte verstoßen. Die Klageanträge
reichten nicht zu weit. Das Vorgehen der Klägerin sei auch nicht rechtsmiss-
bräuchlich. Der Einwand der Verwirkung greife ebenso wenig durch wie die Ein-
rede der Verjährung.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten führt
zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage. Das Beru-
fungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass das in § 43 Abs. 5 AMG gere-
gelte grundsätzliche Verbot des Versandhandels mit apothekenpflichtigen Tier-
arzneimitteln die von der Klägerin beanstandete Verhaltensweise der Beklagten
auch bei verfassungskonformer Auslegung dieser Bestimmung erfasst.
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1. Das Berufungsgericht hat das in § 43 Abs. 5 AMG geregelte Verbot als
eine Berufsausübungsregelung i.S. des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG angesehen,
die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und auch er-
forderlich sei. Das Verbot solle einer unkontrollierten Anwendung apotheken-
pflichtiger Arzneimittel durch die Tierhalter vorbeugen. Im Interesse des Ver-
braucherschutzes und zur Verhütung des Arzneimittelmissbrauchs dürften die-
se Mittel nur kontrolliert unter tierärztlicher Überwachung angewendet werden.
Vorgebeugt werde einer Fernbehandlung, die in Wirklichkeit keine Behandlung
im Sinne des Arzneimittelgesetzes sei, weil sie nicht auf einer Untersuchung
des Tieres aufbaue. Das Verbot sei verhältnismäßig, da es sowohl dem Tier-
schutz als auch dem Gesundheitsschutz des Menschen diene. Bei ohne ärztli-
che Beratung abgegebenen Arzneimitteln habe auch das Bundesverfassungs-
gericht die Bedeutung einer persönlichen Beratung durch den Apotheker für
den Gesundheitsschutz hervorgehoben. Dass der Versandhandel mit Tierarz-
neimitteln anders als der mit Humanarzneimitteln nicht in den Grenzen des § 43
Abs. 1 AMG zulässig sei, sei sachlich gerechtfertigt, weil der Versandhandel mit
Tierarzneimitteln nach den in der Vergangenheit mit Antibiotika, Hormonen und
anderen bedenklichen Arzneimittelrückständen im Fleisch gemachten Erfah-
rungen für den Verbraucher größere Risiken berge als der Versandhandel mit
Humanarzneimitteln. Anders als ein Tierhalter, der keine entsprechenden eige-
nen Risiken unmittelbar zu besorgen habe, werde ein vernünftiger, auf das ei-
gene Wohlergehen bedachter Mensch bei der Einnahme nicht verordneter Arz-
neimittel schon deswegen vorsichtig sein, weil ihn etwaige Nebenwirkungen
oder Gesundheitsschäden durch einen unsachgemäßen Arzneimittelkonsum
persönlich beträfen. Aber auch Menschen, deren besondere Sorge Tieren gelte,
könnten diesen durch in falsch verstandener Zuwendung unkontrolliert im Ver-
sand bezogene Tierarzneimittel schaden.
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2. Das Berufungsgericht ist bei diesen Ausführungen im rechtlichen An-
satz zutreffend davon ausgegangen, dass eine gesetzliche Beschränkung der
freien Berufstätigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
einer Nachprüfung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nur standhält, wenn sie
durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE
103, 1, 10 - Hennenhaltungsverordnung; 107, 186, 196 - Impfstoffversand). Zu
Unrecht hat es aber gemeint, die Regelung des § 43 Abs. 5 AMG entspreche
diesem Erfordernis auch insoweit, als sie den Versandhandel mit apotheken-
pflichtigen Tierarzneimitteln von den in Satz 2 geregelten - im Streitfall nicht ein-
schlägigen - Sonderfällen abgesehen ausnahmslos und damit auch bei denje-
nigen Mitteln verbietet, die bestimmungsgemäß ausschließlich bei nicht zu Er-
nährungszwecken gehaltenen Haustieren anzuwenden sind.
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a) Zu den durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten berufsbezogenen Hand-
lungen gehört bei den Apothekern die Abgabe der Arzneimittel. Die Reglemen-
tierung der Vertriebsformen und die hiermit verbundenen Pflichten, die sich im
Arzneimittelgesetz, im Apothekengesetz, in der Apothekenbetriebsordnung so-
wie im Heilmittelwerbegesetz finden, stellen deshalb einen Eingriff in die selbst
verantwortete Berufsausübung dar und müssen sich dementsprechend an
Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen (BVerfGE 107, 186, 196 - Impfstoffversand).
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Die zahlreichen Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit, die sich
auf die Abgabe von Arzneimitteln beziehen, dienen im weitesten Sinne der Ge-
sundheit der Bevölkerung und damit einem Gemeinschaftsgut von hohem
Rang, das selbst empfindliche Eingriffe in die Berufsfreiheit rechtfertigen kann.
Mit vielen Vorschriften begegnet der Gesetzgeber allerdings nicht unmittelbar
bestimmten Gesundheitsgefahren, sondern sucht über die Gestaltung von
Rahmenbedingungen die Arzneimittelsicherheit zu verbessern, wobei dies au-
ßer durch Vorgaben für den Umgang mit Arzneimitteln auch durch Beratungs-
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und Informationspflichten geschehen kann (BVerfGE 107, 186, 196 f. - Impf-
stoffversand).
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Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG muss zwischen dem Nutzen für das
Gemeinwohl und den die Berufstätigen belastenden Vorkehrungen noch sinn-
voll abgewogen werden können. Aus diesem Grund muss der Bezug gesetzlich
angeordneter Maßnahmen zum Gemeinschaftsgut hinreichend spezifisch sein
und zur Begründung von Eignung und Erforderlichkeit ein nachvollziehbarer
Wirkungszusammenhang bestehen. Je enger der Bezug von Vorschriften zu
einem Schutzgut ist, desto eher lassen sich Eingriffe in die Berufsausübungs-
freiheit verfassungsrechtlich rechtfertigen. Dagegen kann das Gemeinschafts-
gut der Gesundheit der Bevölkerung bei einem nur entfernten Zusammenhang
mit der Beschränkung der freien Berufstätigkeit nicht generell Vorrang vor die-
ser beanspruchen (BVerfGE 107, 186, 197 - Impfstoffversand).
b) Die Regelung des § 43 Abs. 5 AMG genügt diesen verfassungsrechtli-
chen Anforderungen nicht, soweit sie den Versandhandel mit apothekenpflichti-
gen Tierarzneimitteln verbietet, die bestimmungsgemäß allein bei nicht zu Er-
nährungszwecken gehaltenen Haustieren anzuwenden sind. Die Vorschrift er-
fasst daher bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung unter Berück-
sichtigung der der Beklagten durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Be-
rufsausübungsfreiheit das von der Klägerin beanstandete Verhalten nicht.
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aa) Es lässt sich nicht erkennen, inwiefern die Regelung des § 43 Abs. 5
AMG, soweit sie sich auch auf Arzneimittel für nicht zu Ernährungszwecken
gehaltene Haustiere bezieht, dem Gemeinwohlbelang des Schutzes der
menschlichen Gesundheit dient. Eine durch die Abgabe von Arzneimitteln im
Wege des Versandhandels etwa verursachte Fehlmedikation von solchen Tie-
ren führt regelmäßig weder unmittelbar noch auch - da die Tiere und ihre Er-
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zeugnisse bestimmungsgemäß nicht in die Nahrungskette gelangen - mittelbar
zu Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung. Abweichendes mag in Ausnah-
mefällen wie dem vom Oberverwaltungsgericht Koblenz (PharmR 2006, 186,
189) gebildeten Fallbeispiel gelten, dass ein ungeeignetes Wurmmittel, das ei-
nem Hund verabreicht wird, zur Infizierung eines Kindes führen kann, das mit
dem Hund spielt. Eine entsprechende Gefahr ist im Streitfall jedoch nicht gege-
ben.
bb) Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Regelung des § 43 Abs. 5
AMG, soweit sie die freie Berufstätigkeit der Apotheker auch bei der Abgabe
von apothekenpflichtigen Tierarzneimitteln beschränkt, die zur Anwendung bei
nicht zu Ernährungszwecken gehaltenen Haustieren bestimmt sind, im Hinblick
auf die gemäß der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG zu berücksichtigen-
den Belange des Tierschutzes hinreichend gerechtfertigt ist.
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(1) In diesem Zusammenhang muss insbesondere berücksichtigt wer-
den, dass Hunde - wie auch die weiteren nicht zu Ernährungszwecken gehalte-
nen Haustiere - weit überwiegend nicht aus Erwerbsgründen, sondern - als wei-
tere "Hausgenossen" - aus ideellen Gründen in den Haushalt aufgenommen
werden. Dementsprechend besteht bei ihnen auch nicht die Gefahr einer aus
Erwerbsgründen gesteigerten übermäßigen Medikation, der gegebenenfalls
durch das in § 43 Abs. 5 Satz 1 AMG geregelte Erfordernis der persönlichen
Aushändigung des Tierarzneimittels entgegengewirkt werden kann. Allerdings
verbleibt die Möglichkeit einer durch übermäßige Sorge um das Wohlergehen
des Haustieres verursachten Übermedikation. Dieselbe Gefahr besteht aber
auch bei Humanarzneimitteln. So liegt es nach der Lebenserfahrung nicht fern,
dass Eltern ihren Kindern aus übersteigerter Sorge um deren Gesundheit
und/oder Leistungsfähigkeit apothekenpflichtige Arzneimittel im Übermaß ver-
abreichen. Soweit der Gesetzgeber dieses bei der Abgabe von Humanarznei-
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mitteln im Wege des Versandhandels erhöhte Risiko in den seit dem 1. Januar
2004 geltenden Regelungen über den Versandhandel mit - apothekenpflichti-
gen wie auch verschreibungspflichtigen - Humanarzneimitteln beim Menschen
für hinnehmbar hält, kann für die - zudem nur apothekenpflichtigen - Tierarznei-
mittel schwerlich allein im Blick auf den dort zu gewährleistenden Tierschutz ein
strengerer Maßstab gelten.
(2) Soweit Hunde wie auch andere nicht zu Ernährungszwecken gehal-
tene Haustiere teilweise etwa zu Zucht- oder Ausstellungszwecken oder auch
im Rahmen einer berufssportmäßigen Betätigung genutzt werden, kann aller-
dings ebenfalls die Gefahr einer aus Erwerbsgründen vorgenommenen über-
mäßigen Medikation bestehen. Dieser Gefahr kann jedoch auch dadurch ent-
gegengewirkt werden, dass die betreffenden Mittel beim Vorliegen der Voraus-
setzungen des § 48 Abs. 2 Nr. 2 AMG der Verschreibungspflicht unterstellt wer-
den. Eine solche Maßnahme ist einerseits wirksamer als das in § 43 Abs. 5
AMG bestimmte Erfordernis der Aushändigung des Mittels und greift anderer-
seits weniger stark in das den Apothekern zustehende Grundrecht der Freiheit
der Berufsausübung ein. Damit stellt sich die Regelung des § 43 Abs. 5 AMG
auch in dieser Hinsicht nicht als erforderlich dar.
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cc) Das Gemeinschaftsrecht, das grundsätzlich Vorrang auch vor kolli-
dierendem nationalem Verfassungsrecht hat (vgl. EuGH, Urt. v. 9.3.1978
- 106/77, Slg. 1978, 629 = NJW 1978, 1741 Tz. 17 f. - Simmenthal; BVerfGE
73, 339, 387 - Solange II; 102, 147, 162 ff. - Bananenmarktordnung; 118, 79, 95
- Emissionshandel), erfordert keine abweichende Beurteilung. Die Revisionser-
widerung macht zwar geltend, dass auch das Gemeinschaftsrecht bei den Min-
destanforderungen an den Handel mit Tierarzneimitteln grundsätzlich nicht zwi-
schen Haus- oder Heimtieren und Nutztieren unterscheidet, sondern lediglich
bei den Nutztieren im Interesse des Verbraucherschutzes zusätzliche Verschär-
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fungen vorsieht. Im vorliegend zu beurteilenden Zusammenhang ist jedoch al-
lein entscheidend, dass die Zulässigkeit des Versandhandels mit apotheken-
pflichtigen Tierarzneimitteln, die nicht zur Anwendung bei Nutztieren bestimmt
sind, dem Gemeinschaftsrecht nicht widerspricht.
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dd) Die verfassungskonforme Auslegung hat allerdings dort ihre Grenze,
wo sowohl der Wortlaut des Gesetzes als auch der Wille des Gesetzgebers
eindeutig in die gegenteilige Richtung weisen; denn die verfassungskonforme
Auslegung darf nicht dazu verwendet werden, den eindeutig erkennbaren Wil-
len des Gesetzgebers in sein Gegenteil zu verkehren (vgl. BVerfGE 8, 28, 30;
80, 130, 144 - Josefine Mutzenbacher; 120, 378, 423 f. - Automatisierte Kenn-
zeichenerfassung; Sachs in Sachs, GG, 5. Aufl., Einf. Rdn. 54 m.w.N.). Die Re-
visionserwiderung weist hierzu darauf hin, dass der Gesetzgeber in der Be-
gründung des Regierungsentwurfs zu Art. 23 Nr. 1 GMG, mit dem das bis dahin
geltende allgemeine Versandverbot für Humanarzneimittel aufgehoben und der
Versand dieser Mittel unter behördlichen Erlaubnisvorbehalt gestellt wurde, für
Arzneimittel zur Anwendung am oder im tierischen Körper ausdrücklich be-
stimmt hat, dass es insoweit beim bisherigen Verteilungsweg nach § 43 Abs. 5
AMG - und damit beim Ausschluss des Versandhandels bei anderen Tierarz-
neimitteln als Fütterungsarzneimitteln - bleibe (BT-Drucks. 15/1525, S. 165 zu
Art. 23 Nr. 1 GMG a.E.). Er hatte dabei aber ersichtlich nicht Fälle wie den vor-
liegend gegebenen im Auge, in denen eine durch die spezifischen Risiken des
Versandhandels mit Tierarzneimitteln etwa verursachte Fehlmedikation - wie
oben unter II 2 b aa und bb dargelegt - weder eine Gesundheitsgefahr für den
Menschen noch eine im Blick auf Art. 20a GG relevante Gefahr für die Gesund-
heit des behandelten Tieres begründet.
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III. Nach allem ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die
Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff
Koch
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 31.08.2006 - 327 O 391/06 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 15.11.2007 - 3 U 231/06 -