Urteil des BGH vom 20.12.2007

BGH (rechtliches gehör, kenntnis, zpo, auslegung, erwägung, wirkung, geschäftsführer, vorschrift, gesetz, prozessvertretung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZR 48/06
vom
20. Dezember 2007
in dem Rechtsstreit
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Gero Fischer, die Richter Vill, Cierniak, die Richterin Lohmann und den
Richter Dr. Detlev Fischer
am 20. Dezember 2007
beschlossen:
Die Beschwerden der Klägerin und der Beklagten zu 2 und zu 3
gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivil-
senats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 17. Februar 2006
werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wer-
den gegeneinander aufgehoben.
Der Gegenstandswert wird auf 97.145,46 € (190.000 DM) festge-
setzt.
Gründe:
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die
Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
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I. Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin
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Ansprüche wegen Verletzung eines Pfändungspfandrechts könnten al-
lenfalls der Pfandgläubigerin zustehen. Deren Ansprüche sind nicht Gegen-
stand des Rechtsstreits (§ 308 Abs. 1 ZPO). Eine Abtretung an die Klägerin ist
nicht vorgetragen. Die Abweisung des Anspruchs aus abgetretenem Recht des
K. D. wegen Verstoßes gegen eine Treuhandauflage beruht nicht auf
einem von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines Oberlan-
desgerichts abweichendem Obersatz.
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II. Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 2 und zu 3
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Entscheidungserhebliche
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung
wirft der Fall nicht auf. Die für sich genommen grundsätzliche Frage nach der
Befugnis eines Nur-Geschäftsführer, gegen den ihn abberufenden Beschluss
Nichtigkeitsklage erheben zu können, hätte allenfalls im bereits abgeschlossen
Vorprozess OLG München 23 U 3887/96 geprüft werden können. Das Beru-
fungsgericht hat sie auch nur im Zusammenhang mit der Auslegung des in je-
nem Prozess ergangenen Berufungsurteils behandelt. Dieser Auslegung kann
keine über den vorliegenden Fall hinausgehende Bedeutung beigemessen wer-
den. Die Auslegung staatlicher Hoheitsakte ist überdies vom Revisionsgericht
uneingeschränkt nachzuprüfen (vgl. etwa BGH, Urt. v. 16. September 1993
- IX ZR 255/92, WM 1993, 2180, 2181). Im Falle einer Zulassung hätte der Se-
nat also nicht die Grundsatzfrage zu beantworten, sondern das im Vorprozess
ergangene Urteil auszulegen, das offensichtlich ein Feststellungsurteil im Sinne
der in Bezug genommenen Entscheidung BGHZ 112, 103, 112 war. Die weitere
Frage nach der Reichweite der Wirkung eines Nichtigkeitsurteils würde sich
deshalb ebenfalls nicht stellen.
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Dass
der
Geschäftsführer-Prätendent
im Streit um seine Abberufung kei-
nen Anwaltsvertrag mit Wirkung für und gegen die vermeintlich von ihm vertre-
tene Gesellschaft schließen kann, folgt unmittelbar aus dem Gesetz (§ 35
Abs. 1 GmbHG, § 177 BGB). Der Anwalt wird durch die Vorschrift des § 179
Abs. 1 BGB ausreichend geschützt. Ausnahmen hat der Bundesgerichtshof in
den von der Nichtzulassungsbeschwerde zitierten Entscheidungen ausschließ-
lich im Hinblick auf die erforderliche Prozessvertretung zugelassen.
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Das rechtliche Gehör der Beklagten (Art. 103 Abs. 1 GG) wurde nicht
verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Pro-
zessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der An-
spruch auf rechtliches Gehör ist aber erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall
klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätz-
lich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Parteien zur
Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Es ist dabei nicht verpflich-
tet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu
befassen. Damit sich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen lässt,
müssen demnach besondere Umstände deutlich gemacht werden, die zweifels-
frei darauf schließen lassen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten
entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung
nicht erwogen worden ist (BGHZ 154, 288, 300 f. m.w.N.). Das Berufungsge-
richt hat den Vortrag der Beklagten dazu, der Vertrag sei durch die Alleingesell-
schafterin genehmigt worden, hilfsweise sei ein Vertrauenstatbestand geschaf-
fen worden, zur Kenntnis genommen, wie sich aus dem Tatbestand des ange-
fochtenen Urteils ergibt. Dass es ihm keine rechtliche Bedeutung beigemessen
hat, stellt keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar. Eine konkludente Ge-
nehmigung durch die Alleingesellschafterin hätte die Kenntnis der fehlenden
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Vertretungsmacht der früheren Beklagten zu 1 vorausgesetzt, von der diese
- die zugleich Geschäftsführerin der W. GmbH war - aber immer ausgegan-
gen war; einem Vertrauenstatbestand stand entgegen, dass die Beklagten den
Beschluss vom 30. März 1995 und den damit verbundenen Streit um die Ge-
sellschafterstellung der W. GmbH kannten.
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III.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet
wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision
zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO).
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Dr. Gero Fischer Vill Cierniak
Lohmann Dr. Detlev Fischer
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 01.04.2004 - 9 O 1261/98 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 17.02.2006 - 2 U 1355/04 -