Urteil des BGH vom 30.10.2007

BGH (stand der technik, bundesrepublik deutschland, patentanspruch, profil, einheit, teil, funktion, gegenstand, verhandlung, fachmann)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 134/03 Verkündet
am:
30. Oktober 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 30. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Gröning
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nich-
tigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 3. Juni 2003 abgeän-
dert.
Das europäische Patent 0 503 424 wird mit Wirkung für das Hoheits-
gebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es
über folgende Fassung der Patentansprüche hinausgeht:
Patentanspruch 1
Mit einer Riemenscheibe verbundener Drehschwingungs-
dämpfer, mit einem eine Arbeitskammer umschließenden
Dämpfergehäuse (1), welches mit einem zu bedämpfenden
Maschinenteil verbindbar ist, wobei der Drehschwingungs-
dämpfer als ein Viskositäts-Drehschwingungsdämpfer besteht,
der in den Umfangsbereich der Riemenscheibe integriert ist,
deren Außenmantel als Profilring für ein einen Riemen in Ein-
griff gelangendes Nutzprofil ausgebildet ist, wobei das Gehäu-
se des Viskositäts-Drehschwingungsdämpfers als ein einstü-
ckig und materialeinheitlich mit der Riemenscheibe ausgebil-
detes, im Querschnitt U-förmiges Teilprofil gebildet ist, das mit
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seiner Öffnung in eine der beiden axialen Richtungen der
Riemenscheibe zeigt, wobei der radial innere der beiden
Schenkel des U-förmigen Teilprofils in einen scheibenförmi-
gen, zentralen und als Befestigungsflansch (17) dienenden
Bereich der Riemenscheibe übergeht, und wobei die offene
Seite des U-förmigen Teilprofils durch einen scheibenförmigen
Deckel (29; 41) verschlossen ist, der im Wesentlichen den
gleichen Außendurchmesser wie die Einheit aus Drehschwin-
gungsdämpfer und Riemenscheibe aufweist, d a d u r c h
g e k e n n z e i c h n e t , dass der radial äußere Schenkel der
Arbeitskammer den Profilring (23) ausbildet, so dass die Ar-
beitskammer radial innerhalb des Profilrings (23) angeordnet
ist, und der Deckel (29; 41) im Bereich seines Innenumfangs
einen Befestigungsflansch (37, 47) bildet, welcher mit dem
zugewandten Befestigungsflansch (17) des Teilprofils verbun-
den ist, wobei das am Profilring (23) ausgebildete Nutzprofil
ein im Kaltrollverfahren gefertigtes Poly-V-Profil (25) ist.
Patentanspruch 2
Mit einer Riemenscheibe verbundener Drehschwingungs-
dämpfer nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der
Deckel (29; 41) mittels einer Schweißverbindung mit dem
U-förmigen Teilprofil verbunden ist.
Patentanspruch 3
Mit einer Riemenscheibe verbundener Drehschwingungs-
dämpfer nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch
gekennzeichnet, dass sich im Inneren der Arbeitskammer (9)
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eine durch Abstandshalter (11) geführte seismische Masse
(13) befindet, und dass ein viskoses Dämpfungsmedium die
seismische Masse umgibt.
Patentanspruch 4
Mit einer Riemenscheibe verbundener Drehschwingungs-
dämpfer nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch
gekennzeichnet, dass das Gehäuse (1) und der Deckel (29;
41) durch Kaltverformung gefertigt sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme von
20/100 der erstinstanzlichen Kosten, die die Beklagte trägt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung
für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen
Patents 0 503 424 (Streitpatents), für das die Priorität einer deutschen Patent-
anmeldung vom 12. März 1991 in Anspruch genommen worden ist. Das Streit-
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patent ist mit fünf Patentansprüchen erteilt. Die erteilten Patentansprüche 1 und
2 lauten:
"1. Mit einer Riemenscheibe verbundene Drehschwingungsdämp-
fer, mit einem eine Arbeitskammer umschließenden Dämpfer-
gehäuse (1), welches mit einem zu bedämpfenden Maschi-
nenteil verbindbar ist, wobei der Drehschwingungsdämpfer als
ein Viskositäts-Drehschwingungsdämpfer besteht, der in den
Umfangsbereich der Riemenscheibe integriert ist, deren Au-
ßenmantel als Profilring für ein einen Riemen in Eingriff gelan-
gendes Nutzprofil ausgebildet ist, wobei das Gehäuse des
Viskositäts-Drehschwingungsdämpfers als ein einstückig und
materialeinheitlich mit der Riemenscheibe ausgebildetes, im
Querschnitt U-förmiges Teilprofil gebildet ist, das mit seiner
Öffnung in eine der beiden axialen Richtungen der Riemen-
scheibe zeigt, wobei der radial innere der beiden Schenkel
des U-förmigen Teilprofils in einen scheibenförmigen, zentra-
len und als Befestigungsflansch (17) dienenden Bereich der
Riemenscheibe übergeht, und wobei die offene Seite des
U-förmigen Teilprofils durch einen scheibenförmigen Deckel
(29; 41) verschlossen ist, der im Wesentlichen den gleichen
Außendurchmesser wie die Einheit aus Drehschwingungs-
dämpfer und Riemenscheibe aufweist, d a d u r c h g e -
k e n n z e i c h n e t , dass der radial äußere Schenkel der Ar-
beitskammer den Profilring (23) ausbildet, so dass die Arbeits-
kammer radial innerhalb des Profilrings (23) angeordnet ist,
und der Deckel (29; 41) im Bereich seines Innenumfangs ei-
nen Befestigungsflansch (37, 47) bildet, welcher mit dem zu-
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gewandten Befestigungsflansch (17) des Teilprofils verbunden
ist.
2. Mit einer Riemenscheibe verbundener Drehschwingungs-
dämpfer nach Anspruch 1, d a d u r c h g e k e n n z e i c h -
n e t , dass das am Profilring (23) ausgebildete Nutzprofil ein
im Kaltrollverfahren gefertigtes Poly-V-Profil (25) ist."
Wegen der Unteransprüche 3 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift ver-
wiesen.
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Die Klägerin hält das Streitpatent für nicht patentfähig, weil sein Gegen-
stand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Das Bundespatentgericht hat auf
die deshalb erhobene Nichtigkeitsklage das Streitpatent mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
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Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie verteidigt das
Streitpatent nur noch mit geänderten Anspruchssätzen (Haupt- und Hilfsantrag),
und zwar hauptsächlich in der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Weise, dass
Patentanspruch 1 auch die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 2 umfasst
und die erteilten Unteransprüche 3 bis 5 sich als Unteransprüche 2 bis 4 auf
diesen Patentanspruch 1 beziehen. Wegen des Hilfsantrags und des damit ver-
teidigten Anspruchssatzes wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
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Die Klägerin tritt diesem Begehren entgegen.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gut-
achtens des Prof. Dr.-Ing. habil. H. J. vom Lehrstuhl
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der Universität , das der Gutach-
ter in der mündlichen Verhandlung ergänzt und erläutert hat. Die Beklagte hat
ein schriftliches Gutachten des vereidigten Sachverständigen für Verbren-
nungskraftmaschinen Prof. Dr.-Ing. H. H. aus W. vorgelegt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache überwiegend Er-
folg, weil gegen eine Verteidigung des Streitpatents mit den Patentansprüchen
des Hauptantrags keine Bedenken bestehen und die mündliche Verhandlung
nicht ergeben hat, dass Patentanspruch 1 in der hauptsächlich verteidigten
Fassung sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der
Technik ergab.
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1. Patentanspruch 1 in der hauptsächlich verteidigten Fassung entspricht
dem erteilten Patentanspruch 2 und war auf diese Weise als zu der Erfindung
gehörend offenbart.
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2. Nach den einleitenden Angaben der Streitpatentschrift werden Dreh-
schwingungsdämpfer üblicherweise endseitig auf eine Kurbelwelle aufge-
schraubt oder gesteckt, um dort auftretende Biege- und Drehschwingungen auf
ein unschädliches Maß zu begrenzen. Bekannte Viskositäts-Drehschwingungs-
dämpfer weisen hierzu einen seismischen Ring in einer ringkanalförmigen
Kammer auf, die durch ein ringkanalförmiges Gehäuse und einen verschließen-
den Deckel gebildet wird und mit einem viskosen Dämpfungsmedium gefüllt ist.
Die Streitpatentschrift bezieht sich insoweit auf die europäische Patentanmel-
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dung 0 302 283, die eine Vorrichtung beschreibt und zeigt, die aus zwei dünn-
wandigen Scheiben hergestellt ist, deren eine mittels eines bestimmten Kaltum-
formverfahrens ("by hydroforming techniques") so profiliert worden ist, dass sich
die ringkanalförmige Kammer ergibt. Wie die Streitpatentschrift weiter angibt,
war es auch bekannt, den Viskositäts-Drehschwingungsdämpfer an dem wegen
der notwendigen Kühlung einseitig offenen Körper einer scheibenförmigen Rie-
menscheibe anzuordnen und den Außenumfang der Vorrichtung für das Profil
zu nutzen, über das der Riemen angetrieben wird. Bemängelt wird der bauliche
Aufwand insbesondere der Kombination nach der US-Patentschrift 2 636 399,
weil diese als massives Rad ausgebildet ist und der Viskositäts-
Drehschwingungsdämpfer seitlich angesetzter Teil der Riemenscheibe ist.
Die Erfindung will demgegenüber - wenn man die in Sp. 1 Z. 47 ff. ange-
gebene Aufgabe von Lösungsmitteln befreit - einen konstruktiv einfachen Auf-
bau in Form einer geringen Bauraum benötigenden kompakten Vorrichtung, die
auch baulich einfach an das zu bedämpfende Maschinenteil angebunden wer-
den kann.
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3. Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung schlägt hierzu eine Ein-
heit aus Riemenscheibe und Drehschwingungsdämpfer mit folgenden Merkma-
len vor:
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1. Die Riemenscheibe
1.1 hat einen Außenmantel
1.1.1 in Form eines Profilrings,
1.1.2 der als Nutzprofil für den Eingriff des Riemens ausge-
bildet ist,
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(1) und zwar als ein im Kaltrollverfahren gefertigtes
Poly-V-Profil.
2. Der Drehschwingungsdämpfer
2.1 ist ein Viskositäts-Drehschwingungsdämpfer,
2.2 ist mit der Riemenscheibe verbunden,
2.3 ist in deren Umfangsbereich integriert und
2.4 hat ein Dämpfergehäuse, das
2.4.1 als ein (Teil-)Profil ausgebildet ist,
2.4.2 einen Deckel hat,
2.4.3 eine Arbeitskammer umschließt und
2.4.4 mit einem zu bedämpfenden Maschinenteil verbindbar
ist.
3. Das (Teil-)Profil
3.1 ist einstückig und materialeinheitlich mit der Riemenscheibe
ausgebildet und
3.2 hat im Querschnitt eine U-Form mit
3.2.1 einer offenen Seite (Öffnung), die in eine der beiden
axialen Richtungen der Riemenscheibe zeigt,
3.2.2 einem radial äußeren Schenkel,
(1) der den Profilring ausbildet, und
3.2.3 einem radial inneren Schenkel,
(1) der in einen scheibenförmigen, zentralen Bereich
der Riemenscheibe übergeht,
a) der als Befestigungsflansch dient.
4. Der Deckel
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4.1 verschließt die offene Seite des U-förmigen (Teil-)Profils,
4.2 ist scheibenförmig,
4.3 hat im Wesentlichen den gleichen Durchmesser wie die Ein-
heit und
4.4 bildet im Bereich seines Innenumfangs einen Befestigungs-
flansch aus.
5. Die Arbeitskammer
5.1 ist radial innerhalb des Profilrings angeordnet.
6. Die Befestigungsflansche des (Teil-)Profils und des Deckels sind
6.1 einander zugewandt und
6.2 untereinander verbunden.
Die Lösung greift danach zwar die Bauweise der bekannten Drehschwin-
gungsdämpfer auf, die bisher ausschließlich die Funktion dieser Geräte ge-
währleistete. Sie besteht aber in einer Vorrichtung, die als einheitliches Bauteil
sowohl die Funktion eines Drehschwingungsdämpfers, als auch die Funktion
einer Riemenscheibe erfüllt. Hierzu befindet sich ein Viskositäts-Dreh-
schwingungsdämpfer innerhalb eines am Außenumfang profilierten Rings, der
dem Antrieb eines Aggregats mittels eines Riemens dient. Der Ring wird von
der äußeren Wand einer von einem Deckel verschlossenen Kammer gebildet,
welche die Mittel zur Dämpfung aufnimmt. Die Wand ist Teil eines profilierten
scheibenförmigen Gebildes. Es reicht wie der ebenfalls scheibenförmige Deckel
so weit bis zu dem zu bedämpfenden Maschinenteil, dass beide zusammen
dort als Befestigungsflansch verwendet werden können. Die Einheit besteht
mithin nur aus zwei Teilen, die insgesamt eine profilierte Scheibe mit einer
Kammer am Außenumfang und ein Arbeitsprofil auf dem Außenumfang erge-
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ben. Die Materialbeschaffenheit dieser Teile findet im Patentanspruch zwar kei-
ne ausdrückliche Erwähnung. Aus der Vorgabe, dass das eine Teil ein Profil
sein soll, ergibt sich aber, dass die Einheit patentgemäß aus vergleichsweise
dünnem Material bestehen soll, das es erlaubt, aus einem ebenen scheiben-
förmigen Ausgangsprodukt mittels geeigneter Umformung gezielt eine Kontur
(Profil) zu schaffen, wie sie für das Merkmal 1.1.2 (1) und die Merkmale der
Merkmalsgruppe 3.2 notwendig ist. Bestätigt wird das sowohl durch die Angabe
im verteidigten Patentanspruch 1, wie das Poly-V-Arbeitsprofil patentgemäß
herzustellen ist (Merkmal 1.1.2 (1)), als auch durch die Beschreibung, in der als
vorzugswürdige Herstellungsweisen für das Profil von Riemenscheibe und
Viskositäts-Drehschwingungsdämpfer Kaltverformungsverfahren genannt sind
(Sp. 2 Z. 12 ff.).
4. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung ist
neu. Keine Entgegenhaltung offenbart sämtliche patentgemäßen Merkmale.
Auch die Klägerin macht nicht geltend, dass der dadurch gekennzeichnete Ge-
genstand vorbekannt gewesen sei.
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5. Es verbleiben durchgreifende Zweifel, dass der Gegenstand von Pa-
tentanspruch 1 in der verteidigten Fassung sich für den Fachmann in nahelie-
gender Weise aus dem Stand der Technik ergab. Auf Grund der Ausführungen
des gerichtlichen Sachverständigen geht der Senat dabei davon aus, dass hier-
bei auf die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen eines Fachhochschul- o-
der Hochschulingenieurs des Maschinenbaus abzustellen ist, der über mehrjäh-
rige Erfahrung in der Konstruktion von Schwingungsdämpfern verfügt und der
entweder selbst auch mit der Konstruktion von Riemenscheiben vertraut ist o-
der sich jedenfalls durch Hinzuziehen Dritter fundierte Kenntnisse auf diesem
Gebiet der Technik ebenfalls zu Nutze machen kann.
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a) Eine Vereinigung von Viskositäts-Drehschwingungsdämpfer und Rie-
menscheibe zu einem einheitlichen, als Einheit an dem zu bedämpfenden Ma-
schinenteil anzubringenden Gerät war zum Prioritätszeitpunkt eine Maßnahme,
die bereits als möglich bekannt war. Beengte Raumverhältnisse im Motorraum
eines Kraftfahrzeugs bedingten geradezu, Riemenscheibe und Drehschwin-
gungsdämpfer möglichst nahe beieinander anzuordnen, weil sich ihre vorgege-
bene Wirkstelle jeweils am Ende der Kurbelwelle befindet, wie der gerichtliche
Sachverständige in der mündlichen Verhandlung näher ausgeführt hat. Dem-
entsprechend zeigt auch die auf einer Anmeldung aus dem Jahre 1950 beru-
hende US-Patentschrift 2 636 399 bereits eine Riemenscheibe mit seitlich an-
gebrachtem Drehschwingungsdämpfer (dort Figur 1), und die 1989 veröffent-
lichte japanische Patentschrift Sho 64-83948 geht noch einen Schritt weiter,
weil sie vorschlägt, die Kammer für die dämpfenden Mittel innerhalb der Rie-
menscheibe auszubilden.
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b) Diese Lösungsvorschläge ließen die herkömmliche Gestaltung von
Riemenscheiben im Prinzip unberührt. Denn sie setzten auf ein massives Rad,
das wie jedenfalls im Falle der japanischen Entgegenhaltung beispielsweise im
Wege des Metallgusses hergestellt ist, hierbei allerdings im Felgenbereich eine
ringförmige Kammer erhalten hat. Durch diese massive Bauweise war ohne
Weiteres den Kräften zuverlässig Rechnung zu tragen, die an einer Riemen-
scheibe auftreten können, und es war belegt, dass bei Integration der Kammer
in eine Riemenscheibe massiver Bauart die Einheit gleichermaßen geeignet ist,
auch für die gewünschte Schwingungsdämpfung zu sorgen.
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c) Eine vergleichbare Situation lässt sich hingegen bei Verwendung von
bloß scheibenförmigen Formteilen nicht feststellen, wie sie das Streitpatent vor-
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gibt und sie ausweislich der Offenlegungsschrift 1 775 390 schon seit 1971 für
Drehschwingungsdämpfer bekannt waren. Hier handelt es sich um eine Bau-
weise, die vergleichsweise leicht sein kann, weil keine Kräfte zu weiteren Ag-
gregaten übertragen zu werden brauchen. Es musste deshalb erst gefunden
werden, dass auch eine solche Bauform sich eignen könnte, in sich beide Funk-
tionen, nämlich die bisher genutzte des Drehschwingungsdämpfers und zusätz-
lich die der Riemenscheibe mit ihrer Kraftübertragung zu vereinigen.
d) Die Frage, ob sich dies dem Fachmann in naheliegender Weise er-
schloss, ist letztlich offen geblieben. Der gerichtliche Sachverständige hat un-
beanstandet durch die Parteien angegeben, dass jede Funktion eine eigene
Geräteauslegung notwendig macht, die abgesehen von der Anbringung an ei-
ner Welle und der radähnlichen Grundform keine Gemeinsamkeiten hat. Damit
ergab sich ein Anforderungskatalog, den zu erkennen einem Fachmann zwar
durchaus zugetraut werden konnte, der es aber zweifelhaft sein lässt, dass sei-
ne Abarbeitung auf der Grundlage bekannter Drehschwingungsdämpfer (wie
der Vorrichtung nach der europäischen Patentanmeldung 0 302 283 oder der
Offenlegungsschrift 1 775 390) als erfolgversprechend erscheinen konnte.
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e) Den Ausführungen des Bundespatentgerichts lässt sich nichts ent-
nehmen, was gegen diese Zweifel spräche. Einem aus einer umgeformten
Scheibe (Teilprofil) und einem Deckel zusammengesetzten Drehschwingungs-
dämpfer auch die Funktion einer Riemenscheibe zuzuweisen, indem für eine
entsprechende Auslegung der den Drehschwingungsdämpfer bildenden Teile
gesorgt wird, hat auch das Bundespatentgericht nicht als naheliegend erachtet.
Es hat vielmehr die aus der japanischen Schrift bekannte Riemenscheibe mit
integriertem Drehschwingungsdämpfer als wegweisend angesehen. Das be-
rücksichtigt jedoch nicht, dass das Streitpatent eine Einheit lehrt, die im We-
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sentlichen aus einem Profil besteht, das aus einem ebenen scheibenförmigen
Ausgangsprodukt mittels geeigneter Umformung gezielt hergestellt werden
kann.
Auch der Hinweis der Klägerin darauf, dass in der 1989 veröffentlichten
europäischen Patentanmeldung 0 302 283 der Wechsel von einer massiven
Gussform hin zu einer durch Kaltumformung geschaffenen Gestaltung vorbe-
schrieben sei (dort Sp. 1 Z. 7 f. u. Z. 23), vermag die Zweifel des Senats nicht
auszuräumen. Denn diese Textstellen betreffen lediglich Drehschwingungs-
dämpfer. Sie belegen deshalb eher dasjenige, wovon auch der Senat ausgeht,
nämlich dass einer vergleichsweise leichten Bauform eine zusätzliche Funktion
gegeben werden musste, derentwegen eine vergleichsweise massive Gestal-
tung gebräuchlich war.
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6. Gegen die durch die erteilten Unteransprüche 3 bis 5 ebenfalls offen-
barten Unteransprüche 2 bis 4 der verteidigten Fassung besteht der geltend
gemachte Nichtigkeitsgrund ebenso wenig wie gegen den Hauptanspruch.
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7. Das Urteil des Bundespatentgerichts muss jedoch Bestand haben,
soweit die Beklagte die erteilte Fassung nicht mehr verteidigt.
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8. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 121 Abs. 2 PatG, 91, 92 ZPO.
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Melullis
Scharen
Mühlens
Meier-Beck
Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 03.06.2003 - 3 Ni 55/01 (EU) -