Urteil des BGH vom 23.10.2007

BGH (akten, stpo, justiz, sache, erklärung, bestand, grund, abstand, begründung, kontrolle)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 355/07
vom
23. Oktober 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. Oktober 2007 ge-
mäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Bochum vom 31. Mai 2006 im gesamten
Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmä-
ßigen Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheits-
strafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner gegen dieses
Urteil eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und
materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat nur zum Strafausspruch Erfolg; im
Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Die verhängten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe haben keinen Be-
stand. Zu Recht beanstandet die Revision mit der Verfahrensrüge nach Art. 6
Abs. 1 Satz 1 MRK, dass nach der Urteilsverkündung eine der Justiz anzulas-
tende, erhebliche Verfahrensverzögerung eingetreten ist. Das am 31. Mai 2006
verkündete Urteil wurde am 10. August 2006 zu den Akten gebracht; die Zustel-
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lung erfolgte jedoch erst am 4. Juni 2007, also fast zehn Monate später. Dies
hatte, wie sich aus der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden vom 4. Juli
2007 ergibt, seinen Grund darin, dass die Akten zeitweise "außer Kontrolle" ge-
raten waren.
Über das Ausmaß der erforderlichen Kompensation wird der neue Tat-
richter unter Beachtung der von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze
(vgl. BGHSt 45, 308, 309 m.w.N.) zu befinden haben.
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Er wird weiterhin zu prüfen haben, ob, wie die Revision unter Bezug-
nahme auf die Begründung der Haftentscheidung des OLG Hamm vom
5. Januar 2006 in dieser Sache meint, in der Zeit bis zum Urteil weitere der Jus-
tiz anzulastende Verfahrensverzögerungen eingetreten sind, die eine Kompen-
sation erfordern. Zwar ist eine solche Verzögerung hier angesichts der Komple-
xität des Verfahrensgegenstands, der Vielzahl der Beschuldigten und der zu
ermittelnden Straftaten nicht allein in dem zeitlichen Abstand zwischen den vom
Angeklagten im September/Oktober 2003 bzw. Februar 2004 begangenen Ta-
ten und dem Urteil zu sehen. In Betracht kommt insoweit aber eine Verzöge-
rung durch sehr lang gestreckte Terminierung (vgl. dazu BGH, Urteil vom
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11. September 2003 - 3 StR 316/02 = BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfah-
rensverzögerung 17).
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović RiBGH Dr. Ernemann
ist infolge Urlaubs gehindert
zu unterschreiben
Tepperwien