Urteil des BGH vom 21.04.2004

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 148/09 Verkündet
am:
15. September 2010
Breskic,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 242 Cc, 1611; SGB XII § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
a) Gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB setzt die Verwirkung wegen einer
schweren Verfehlung ein Verschulden des Unterhaltsberechtigten voraus. Es
genügt nicht, wenn er in einem natürlichen Sinne vorsätzlich gehandelt hat.
b) Eine Störung familiärer Beziehungen im Sinne des § 1611 BGB genügt
grundsätzlich nicht, um eine unbillige Härte im Sinne des § 94 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 SGB XII zu begründen und damit einen Anspruchsübergang auf den
Träger der Sozialhilfe auszuschließen.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der nach § 1611 BGB zu beurteilende Le-
benssachverhalt aus Sicht des Sozialhilferechts auch soziale Belange erfasst,
die einen Übergang des Anspruches nach öffentlich-rechtlichen Kriterien aus-
schließen (Klarstellung zum Senatsurteil vom 21. April 2004 - XII ZR 251/01
- FamRZ 2004, 1097).
BGH, Urteil vom 15. September 2010 - XII ZR 148/09 - OLG Hamm
AG Bottrop
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. September 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Dose, Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Senats für Familiensachen
des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. August 2009 wird auf Kos-
ten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Elternunterhalt für
seine 1935 geborene Mutter aus übergegangenem Recht in Anspruch.
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Die Klägerin ist Trägerin der öffentlichen Hilfe, die der Mutter des Beklag-
ten, Frau M., seit November 2005 gewährt wird. Frau M. befindet sich seit April
2005 in einem Pflegeheim. Sie litt schon während der Kindheit des Beklagten
an einer Psychose mit schizophrener Symptomatik und damit einhergehend an
Antriebsschwäche und Wahnideen. Frau M. hat den 1961 geborenen Beklagten
bis zur Trennung und Scheidung von ihrem damaligen Ehemann im Jahr 1973
- mit Unterbrechungen wegen zum Teil längerer stationärer Krankenhausauf-
enthalte - erzogen und versorgt. Seit spätestens 1977 besteht - bis auf gele-
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gentliche Zusammentreffen auf Familienfeiern - kein Kontakt mehr zwischen
dem Beklagten und seiner Mutter.
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Die Klägerin forderte den Beklagten mit Rechtswahrungsanzeige vom
9. November 2005 zur Auskunftserteilung auf. Dieser erteilte Auskunft und be-
rief sich auf Verwirkung gemäß § 1611 BGB. Nach Bezifferung des Anspruchs
im Dezember 2006 und Zahlungsaufforderung im März 2007 hat die Klägerin
schließlich im April 2008 Klage erhoben.
Das Familiengericht hat den Anspruch auf Zahlung von Elternunterhalt
für den Zeitraum von November 2005 bis einschließlich März 2007 gemäß
§ 242 BGB als verwirkt angesehen. Im Übrigen hat es den Beklagten zur Zah-
lung rückständigen sowie laufenden Elternunterhalts für die Zeit von Mai 2008
an in Höhe von monatlich 649 € verurteilt.
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Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Auf die
Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den Beklagten verurteilt, rück-
ständigen Elternunterhalt an die Klägerin bereits ab November 2005 und lau-
fenden Unterhalt zu zahlen, u.a. von Januar bis Juni 2009 in Höhe von 674 €
sowie von Juli 2009 an in Höhe von monatlich 701 €.
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Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
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I.
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Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2010, 303 veröf-
fentlicht ist, hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
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Der Klägerin stehe gegen den Beklagten für die Zeit von November 2005
an Elternunterhalt zu. Die Mutter des Beklagten sei spätestens seit November
2005 unterhaltsbedürftig. Nach Abzug ihrer eigenen Einkünfte von den für sie
aufgewandten Heimkosten, dem Barbedarf und den notwendigen einmaligen
Beihilfen verbleibe für sie ein ungedeckter Restbedarf von mehr als 701 € mo-
natlich. Unter Berücksichtigung des durchschnittlichen monatlichen Nettoein-
kommens des Beklagten, das sich in den Jahren von 2005 bis 2008 zwischen
3.077,47 € und 3.319,44 € bewegt habe, der jeweils hinzuzurechnenden Steu-
ererstattung und unter Beachtung der unterhaltsrechtlich relevanten Abzüge sei
der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend leistungsfähig.
Der rückständige Unterhaltsanspruch der Klägerin sei nicht nach § 242
BGB verwirkt. Es bestünden bereits Bedenken dagegen, dass das erforderliche
Zeitmoment erfüllt sei. Jedenfalls lägen keine Umstände vor, die es rechtfertig-
ten, dass sich der Beklagte habe darauf einrichten dürfen, von der Klägerin
nicht mehr auf Elternunterhalt in Anspruch genommen zu werden. Der Beklagte
habe aus dem Inhalt der außergerichtlichen Schreiben der Klägerin vom
18. April 2006 und vom 27. August 2007 zweifelsfrei erkennen können, dass
diese die auf sie übergegangenen Unterhaltsansprüche seiner Mutter weiter
verfolge.
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Der Unterhaltsanspruch der Mutter des Beklagten sei auch nicht gemäß
§ 1611 BGB verwirkt. Das einmalige Zerschneiden der Kleidung der Kinder, die
Verursachung des Waschzwangs und das mehrfache - seinem Umfang nach
nicht näher dargelegte - Aussperren aus der Wohnung stellten vor dem Hinter-
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grund der psychischen Erkrankung der Mutter des Beklagten ohne Hinzutreten
besonderer Umstände keine schwere Verfehlung dar. Soweit der Beklagte sei-
ner Mutter vorwerfe, sie habe den Kontakt zu ihm nach der Trennung abgebro-
chen und dabei jedes Maß an emotionaler Zuneigung missen lassen, sei sein
Vortrag widersprüchlich. Nach dem Inhalt der Beiakten habe seine Mutter im
Jahr 1975 einen Antrag auf Regelung der Umgangskontakte gestellt, der an
dem Willen des Beklagten gescheitert sei. Ebenso wenig könne eine gröbliche
Verletzung der Unterhaltspflicht im Sinne von § 1611 BGB angenommen wer-
den.
Im Übrigen fehle es an einem für eine Verwirkung erforderlichen Ver-
schulden der unterhaltsbedürftigen Mutter des Beklagten. Die vom Beklagten
beschriebenen Betreuungsausfälle und ihre Unfähigkeit, spätestens ab 1971 für
den Naturalunterhalt und ab dem Zeitpunkt der Trennung vom Vater des Be-
klagten für seinen Barunterhalt aufzukommen, beruhten unstreitig auf der Er-
krankung seiner Mutter an schizophrener Psychose.
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Schließlich stünde dem Übergang des Unterhaltsanspruchs der Mutter
auf die Klägerin auch § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht entgegen. Eine
unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift liege dann vor, wenn mit der Heran-
ziehung des Unterhaltspflichtigen zum Elternunterhalt soziale Belange vernach-
lässigt würden. Seien lediglich familiäre Belange betroffen, komme eine An-
wendung des § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht in Betracht. Diese Ein-
schränkung folge daraus, dass den familiären Belangen bereits durch die Vor-
schrift des § 1611 BGB hinreichend Rechnung getragen sei. Es müssten daher
Umstände vorliegen, die es gerade aus dem Blickwinkel des Sozialrechts un-
zumutbar erscheinen ließen, wenn jemand zum Unterhalt für seine Eltern he-
rangezogen werde. Daran fehle es. Ziel der Gewährung der öffentlichen Hilfe
für die Mutter des Beklagten sei nicht die Entlastung des Beklagten von seiner
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Unterhaltsverpflichtung. Einer solchen Zielsetzung stünde bereits entgegen,
dass der Beklagte aufgrund seiner relativ hohen Einkünfte und mangels weite-
rer Unterhaltsverpflichtungen wirtschaftlich ohne unzumutbare Einschränkung
seiner Lebensführung in der Lage sei, den begehrten Unterhalt für seine Mutter
zu leisten. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Heran-
ziehung des Beklagten zu den der Klägerin entstandenen Kosten zu einer nach-
haltigen Störung des Familienfriedens führte.
Schließlich sei ein kausaler Zusammenhang der schicksalhaften Erkran-
kung der Mutter mit einem Handeln des Staates oder seiner Organe, der sozia-
le Belange begründen könnte, anders als in dem vom Bundesgerichtshof ent-
schiedenen Fall eines psychisch erkrankten Kriegsheimkehrers (Senatsurteil
vom 21. April 2004 - XII ZR 251/01 - FamRZ 2004, 1097) nicht feststellbar.
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II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
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1. Allerdings weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass seine Revision
uneingeschränkt zulässig sei.
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Zwar hat das Berufungsgericht die Revision "im Hinblick auf den unbe-
stimmten Rechtsbegriff der 'unbilligen Härte' im Sinne des § 94 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 SGB XII und die erforderliche Abgrenzung des Anwendungsbereichs die-
ser Vorschrift im Verhältnis zu den Tatbeständen der Verwirkung nach § 1611
BGB" zugelassen. Die Revision weist jedoch zu Recht darauf hin, dass - sollte
hierin eine Beschränkung der Revisionszulassung auf eine bestimmte Rechts-
frage liegen - diese unbeachtlich sei.
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Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichthofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil
des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils
sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschrän-
ken könnte. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren An-
spruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (BGHZ
101, 276, 278; BGH Urteil vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02 - BGHR ZPO
(1. Januar 2002) § 543 - Revisionszulassung, beschränkte 1).
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Die Frage der Verwirkung bzw. des Anspruchsübergangs betrifft den ge-
samten Streitgegenstand, also auch die Geltendmachung rückständigen Unter-
halts. Da das Berufungsgericht eine Verwirkung gemäß § 242 BGB abgelehnt
hat, mithin den Anspruch von November 2005 an zuerkannt hat, obliegt auch
dieser Teil des Streitgegenstands der weiteren Überprüfung, ob er möglicher-
weise der Verwirkung nach § 1611 BGB unterliegt bzw. ob insoweit ein Über-
gang des Anspruchs auf die Klägerin wegen unbilliger Härte gemäß § 94 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 SGB XII ausgeschlossen ist. Es fehlt mithin an einem tatsächlich
und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes, der eine auf diesen
Teil beschränkte Überprüfung durch das Revisionsgericht erlaubte.
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2. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von El-
ternunterhalt aus übergegangenem Recht gemäß §§ 1601 BGB, 94 SGB XII
verurteilt.
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a) Die Revision beanstandet, dass das Berufungsgericht eine Verwirkung
nach § 242 BGB bzw. § 1611 BGB abgelehnt und einen Anspruchsübergang
auf die Klägerin gemäß § 94 SGB XII bejaht habe. Die übrigen Feststellungen
bzw. Ausführungen des Berufungsgerichts zu Grund und Höhe des geltend
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gemachten Unterhaltsanspruchs greift die Revision nicht an. Insoweit sind
Rechtsfehler auch nicht ersichtlich.
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b) Ebenso wenig sind die Ausführungen des Berufungsgerichts zu bean-
standen, wonach der rückständige Unterhaltsanspruch der Klägerin nicht nach
den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwirkt ist.
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aa) Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht,
wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er da-
zu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte
Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass
dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Senatsurteile
vom 23.
Oktober 2002 -
XII
ZR
266/99 -
FamRZ 2002, 1698; vom
22. November 2006 - XII ZR 152/04 - FamRZ 2007, 453, 455 und vom
10. Dezember 2003 - XII ZR 155/01 - FamRZ 2004, 531, 532). Für Unterhalts-
ansprüche sind an das Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderun-
gen zu stellen. Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unter-
haltsleistungen angewiesen ist, muss eher als von einem Gläubiger anderer
Forderungen erwartet werden, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des
Anspruchs bemüht. Anderenfalls können Unterhaltsrückstände zu einer erdrü-
ckenden Schuldenlast anwachsen. Abgesehen davon sind im Unterhaltsrechts-
streit die für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen Einkommensverhält-
nisse der Parteien nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. Diese Gründe,
die eine möglichst zeitnahe Geltendmachung von Unterhalt nahe legen, sind so
gewichtig, dass das Zeitmoment der Verwirkung auch dann erfüllt sein kann,
wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die etwas mehr als ein Jahr zu-
rückliegen (Senatsurteil vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - FamRZ 2002,
1698, 1699). Dieselben Anforderungen gelten, wenn die aus übergegangenem
Recht klagende Behörde tätig wird. Zwar ist diese - anders als der ursprüngli-
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che Unterhaltsgläubiger - nicht lebensnotwendig auf die Realisierung der Forde-
rungen angewiesen. Jedoch ist die Behörde aufgrund der Natur, des Inhalts
und des Umfangs des Unterhaltsanspruchs, der sich durch den Übergang nicht
verändert, gehalten, sich um dessen zeitnahe Durchsetzung zu bemühen (Se-
natsurteil vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - FamRZ 2002, 1698, 1699).
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Neben dem Zeitmoment kommt es für die Verwirkung auf das Um-
standsmoment an, d.h. es müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund
derer der Unterhaltsverpflichtete sich nach Treu und Glauben darauf einrichten
durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht
mehr geltend machen werde. Dabei kommt es jedoch nicht auf konkrete Ver-
trauensinvestitionen des Unterhaltsschuldners bzw. auf das Entstehen beson-
derer Nachteile durch die späte Inanspruchnahme an (Senatsurteil vom
23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - FamRZ 2002, 1698, 1699).
bb) Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist das Berufungsgericht zu
Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass hier eine Verwirkung nach § 242 BGB
ausscheidet.
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Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin den Be-
klagten mit Rechtswahrungsanzeige vom 9. November 2005 zur Auskunftsertei-
lung über sein Einkommen aufgefordert. Nachdem dieser die geforderte Aus-
kunft erteilt und zugleich den Einwand der Verwirkung gemäß § 1611 BGB er-
hoben hatte, hat die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 18. April 2006
und vom 16. November 2006 vergeblich aufgefordert, seinen Vortrag zu den
eine mögliche Verwirkung begründenden Umständen zu ergänzen und entspre-
chende Belege einzureichen. Sodann hat die Klägerin ihre Ansprüche mit
Schreiben vom 20. Dezember 2006 beziffert. Den Beklagten hat sie mit Schrei-
ben vom 1. März 2007 vergeblich zur Zahlung des Elternunterhalts aufgefor-
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dert. Nach einer schriftlichen Zahlungserinnerung vom 27. August 2007 hat sie
im April 2008 Klage erhoben.
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Damit ist weder dem Zeitmoment noch dem Umstandsmoment Rech-
nung getragen.
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(1) Für das Zeitmoment sind nicht nur die Aufforderung der Klägerin zur
Auskunftserteilung, die Bezifferung des Unterhaltsanspruchs und die Zahlungs-
aufforderung von Bedeutung. Vielmehr fallen hierunter auch Vorgänge, die zwar
nicht unmittelbar der Durchsetzung des Anspruchs, aber ihrer Vorbereitung die-
nen, wie etwa das Einräumen von Stellungnahmefristen, die eine weitere Sach-
verhaltsaufklärung ermöglichen sollen.
Aus einer Gesamtschau des Schriftverkehrs ergibt sich, dass das Verhal-
ten der Klägerin von dem Bemühen getragen war, den Anspruch zeitnah durch-
zusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass sie dem Beklagten zugleich die Mög-
lichkeit eingeräumt hat, im Hinblick auf die lang zurückliegenden Geschehnisse
den von ihm geltend gemachten Verwirkungseinwand zu erhärten. Dabei liegt
der längste Abstand von rund acht Monaten zwischen der Zahlungsaufforde-
rung vom 27. August 2007 und der Klagerhebung im April 2008.
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(2) Selbst wenn man die Schreiben der Klägerin, die dem Beklagten die
Möglichkeit einräumen sollten, den Streit außergerichtlich beizulegen, bei der
Prüfung des Zeitmoments unberücksichtigt ließe, stünde jedenfalls - wie das
Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - das Umstandsmoment einer Ver-
wirkung nach § 242 BGB entgegen. Denn dem Beklagten musste aufgrund die-
ser Schreiben klar sein, dass die Klägerin nach wie vor mit der Prüfung des An-
spruchs beschäftigt war, um diesen bei Fehlen erheblicher Einwendungen ggf.
einer gerichtlichen Durchsetzung zuzuführen. Dass sich das ganze Verfahren
zeitlich gestreckt hat, kann der Klägerin auch deshalb nicht zum Vorwurf ge-
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macht werden, weil der Beklagte ausweislich der in Bezug genommenen
Schreiben nichts weiter vorgetragen hatte.
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c) Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine
Verwirkung des auf die Klägerin übergegangenen Unterhaltsanspruchs gemäß
§ 1611 BGB abgelehnt hat.
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aa) Nach § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB braucht der Verpflichtete nur einen
Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht, wenn
der Unterhaltsberechtigte u.a. seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem
Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schwe-
ren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat. Die Un-
terhaltspflicht entfällt vollständig, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten
im Hinblick darauf grob unbillig wäre, § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dabei kann
sich eine gröbliche Vernachlässigung der eigenen Unterhaltspflicht i.S.v. § 1611
Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB auch auf die Gewährung von Naturalunterhalt bezie-
hen (Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004, 1559,
1560). Eine schwere Verfehlung gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB kann
regelmäßig nur bei einer tief greifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirt-
schaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen angenommen
werden. Dabei kann sich auch eine - durch Unterlassen herbeigeführte - Verlet-
zung elterlicher Pflichten wie etwa der Aufsichtspflicht oder der Pflicht zu Bei-
stand und Rücksicht i.S.v. § 1618 a BGB als Verfehlung gegen das Kind dar-
stellen (Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004, 1559,
1560).
bb) Dass das Berufungsgericht diese Voraussetzungen aufgrund der von
ihm getroffenen Feststellungen nicht als gegeben angesehen hat, ist revisions-
rechtlich nicht zu beanstanden.
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(1) Das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer gröblichen Vernachläs-
sigung der Unterhaltspflicht seitens Frau M. verneint. Nach seinen Feststellun-
gen ist davon auszugehen, dass Frau M. ab dem neunten bzw. zehnten Le-
bensjahr des Beklagten krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage war, die Kin-
desbetreuung sicherzustellen. Eine Verpflichtung der Mutter des Beklagten zur
Betreuung und Pflege ihrer Kinder habe nur bis zu der Trennung der Eltern im
Jahre 1972 bzw. 1973 und dem anschließenden Aufenthalt des Beklagten beim
Vater bestanden.
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Dass das Berufungsgericht auf Grundlage dieser - von der Revision nicht
angegriffenen - Feststellungen eine gröbliche Vernachlässigung der Unterhalts-
pflicht verneint hat, ist vor dem Hintergrund der Erkrankung von Frau M., wegen
derer sie sich ab 1971 mehrfach in längerfristige stationäre Behandlung bege-
ben musste, nicht zu beanstanden. Denn da die Mutter krankheitsbedingt nicht
in der Lage war, den Beklagten angemessen zu betreuen, war sie wegen dieser
Einschränkungen - wie ein Barunterhalt schuldender Elternteil bei wirtschaftli-
cher Leistungsunfähigkeit - nicht zum Unterhalt verpflichtet; entsprechendes gilt
für die nach der Trennung der Eltern eingetretene Barunterhaltspflicht. Damit
kann nicht von einer gröblichen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht ausge-
gangen werden.
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(2) Zu Recht hat das Berufungsgericht zudem entschieden, dass sich
Frau M. nicht vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Beklagten
schuldig gemacht habe.
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(a) Das Berufungsgericht hat bereits den objektiven Tatbestand als nicht
erfüllt angesehen. Zutreffend hat es darauf hingewiesen, dass § 1611 BGB eine
eng auszulegende Ausnahmevorschrift ist. Wenn das Berufungsgericht unter
dieser Prämisse das einmalige Zerschneiden der Kleidung der Kinder, die Ver-
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ursachung des Waschzwangs beim Beklagten und das mehrfache Aussperren
der Kinder aus der Wohnung ohne Hinzutreten besonderer Umstände vor dem
Hintergrund der psychischen Erkrankung der Mutter nicht als schwere Verfeh-
lung qualifiziert, ist diese tatrichterliche Würdigung als vertretbar zu erachten.
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Soweit der Beklagte seiner Mutter vorwirft, sie habe den Kontakt zu ihm
nach der Trennung abgebrochen und dabei jedes Maß an emotionaler Zunei-
gung missen lassen, weist das Berufungsgericht zu Recht auf die Widersprüch-
lichkeit dieses Vortrages hin. Denn nach den Feststellungen des Berufungsge-
richts hat seine Mutter im Jahr 1975 einen Antrag auf Regelung der Umgangs-
kontakte gestellt. Zutreffend verweist es zudem darauf, dass der Antrag letzt-
endlich am Willen des Beklagten gescheitert sei. Auch wenn der Grund für die
Ablehnung der Umgangskontakte durch den Beklagten letztlich das damalige
Verhalten seiner Mutter gewesen sein dürfte, ändert dies nichts an der
Tatsache, dass sich seine Mutter im Rahmen ihrer Möglichkeiten um eine
Fortführung des Mutter-Kind-Verhältnisses bemüht hat. Von einer schweren
vorsätzlichen Verfehlung kann daher nicht gesprochen werden.
(b) Im Übrigen träfe die Mutter des Beklagten an einer schweren Verfeh-
lung - was auch die Revision einräumt - kein Verschulden.
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Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB
setzt die Verwirkung voraus, dass der Unterhaltsberechtigte sich vorsätzlich
einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht
hat. Deshalb setzt die Anwendung von § 1611 BGB insoweit - worauf die Revi-
sion zutreffend hinweist - ein Verschulden voraus (MünchKommBGB/Born
5. Aufl. § 1611 Rn. 27; Staudinger/Engler BGB Neubearb. 2000 § 1611 Rn. 25).
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Soweit die Revision in Anlehnung an das Pflichtteilsrecht und unter Be-
zugnahme auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem
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Jahre 2005 zu § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB (FamRZ 2005, 872, 877) meint, ein
Verschulden im rechtstechnischen Sinne sei nicht erforderlich, vielmehr genüge
es, wenn der Unterhaltsberechtigte in einem natürlichen Sinne vorsätzlich hand-
le, verkennt sie, dass in § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB - anders als in § 1611 Abs. 1
BGB - ein schuldhaftes Verhalten als Tatbestandsmerkmal nicht aufgenommen
worden ist; hierauf hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich abgestellt
(BVerfG FamRZ 2005, 872, 877). Zwar hatte § 1611 Abs. 2 BGB in seiner bis
zum 1. Juli 1970 geltenden Fassung für die Verwirkung u.a. auch auf die Pflicht-
teilsentziehungstatbestände verwiesen (vgl. Palandt/Lauterbach BGB 26. Aufl.
§ 1611 BGB). Jedoch war damals schon Voraussetzung für eine Verwirkung,
dass sich der Unterhaltsberechtigte einer Verfehlung "schuldig" gemacht hatte,
die den Unterhaltspflichtigen berechtigte, ihm den Pflichtteil zu entziehen. Im
Übrigen hat der Gesetzgeber bei der Änderung des § 1611 BGB zum 1. Juli
1970, mit der er das Tatbestandsmerkmal des sittlichen Verschuldens um die
weiteren - hier zu prüfenden - Verwirkungsgründe ergänzt hat, erläutert, dass
auf die Pflichtteilsentziehungsgründe nicht mehr abgestellt werden solle, weil
die Voraussetzungen für die Entziehung des Pflichtteils einerseits und für eine
Beschränkung des Unterhalts andererseits nicht übereinzustimmen bräuchten
(BT-Drucks. V/2370, S. 41).
d) Schließlich hat das Berufungsgericht zu Recht und mit zutreffender
Begründung entschieden, dass § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII einem An-
spruchsübergang auf die Klägerin nicht entgegensteht.
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aa) Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII geht der zivilrechtliche Unterhalts-
anspruch eines Sozialhilfeberechtigten bis zur Höhe der geleisteten Aufwen-
dungen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der
Sozialhilfe über. Gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII geht der Anspruch
nicht über, soweit dies eine unbillige Härte bedeuten würde. Es handelt sich
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hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung der vollen
Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (Senatsurteile vom 23. Juni
2010 - XII ZR 170/08 - FamRZ 2010, 1418 Rn. 32 und vom 21. April 2004
- XII ZR 251/01 - FamRZ 2004, 1097, 1098 zu der entsprechenden Vorgänger-
vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG).
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Während die Frage, ob der Unterhaltsanspruch nach § 1611 BGB ver-
wirkt ist, rein zivilrechtlicher Natur ist, richtet sich die Frage des Anspruchsüber-
gangs nach § 94 SGB XII nach öffentlichem Recht. Deshalb genügt eine zivil-
rechtlich einzuordnende Störung familiärer Beziehungen im Sinne des § 1611
BGB grundsätzlich nicht, um eine unbillige Härte im Sinne des § 94 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 SGB XII zu begründen und damit einen Anspruchsübergang auf
den Träger der Sozialhilfe auszuschließen (vgl. BVerwGE 58, 209, 214 zu § 91
Abs. 3 BSHG aF; Oestreicher/Decker SGB XII/SGB II Stand Dezember 2005
§ 94 SGB XII Rn. 170; s. auch Klinkhammer FamRZ 2004, 1283). Vielmehr um-
fasst § 1611 BGB für die Prüfung einer etwaigen Verwirkung nur die für das
zivilrechtlich zu beurteilende Familienverhältnis in Frage kommenden Tatbe-
standsmerkmale. Sind die Voraussetzungen für eine Verwirkung erfüllt, kommt
§ 94 SGB XII ohnehin nicht zum Tragen, weil es an einem Unterhaltsanspruch
fehlt, der auf den Träger der Sozialhilfe übergehen könnte (Senatsurteile vom
23. Juni 2010 - XII ZR 170/08 - FamRZ 2010, 1418 Rn. 32 und vom 21. April
2004 - XII ZR 251/01 - FamRZ 2004, 1097, 1098). Aber auch eine an sich unter
§ 1611 Abs. 1 BGB fallende Sachverhaltskonstellation, die jedoch nicht alle
Tatbestandsmerkmale dieser Norm - wie etwa das Verschulden - erfüllt und
deshalb nicht zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führt, ist grundsätz-
lich nicht unter § 94 SGB XII zu subsumieren.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der nach § 1611 BGB zu beurteilende
Lebenssachverhalt aus Sicht des Sozialhilferechts auch soziale Belange er-
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fasst, die einen Übergang des Anspruches nach öffentlich-rechtlichen Kriterien
ausschließen (vgl. BVerwGE 58, 209, 215 f.). Das Berufungsgericht hat dies
zutreffend damit umschrieben, dass ein erkennbarer Bezug zum Sozialhilfe-
recht, insbesondere ein kausaler Zusammenhang zu einem Handeln des Staa-
tes oder seiner Organe, vorliegen müsse. Dies zeichnet etwa den vom Senat im
Jahr 2004 entschiedenen Fall aus (Senatsurteil vom 21.
April 2004
- XII ZR 251/01 - FamRZ 2004, 1097). Zwar reichte dort das krankheitsbedingte
Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten, das die Lockerung der Familienban-
de zur Folge hatte - ebenso wie hier - nicht dafür aus, den Anspruch gemäß
§ 1611 BGB als verwirkt anzusehen. Die der Vernachlässigung zugrunde lie-
gende psychische Erkrankung war jedoch durch den - dem Staat zuzurechnen-
den - Kriegsdienst des Vaters verursacht worden.
Entscheidend ist nach alledem, ob aus der Sicht des Sozialhilferechts
durch den Anspruchsübergang soziale Belange berührt werden. Die Härte kann
in materieller oder immaterieller Hinsicht bestehen und entweder in der Person
des Unterhaltspflichtigen oder in derjenigen des Hilfeempfängers vorliegen. Bei
der Auslegung der Härteklausel ist in erster Linie die Zielsetzung der Hilfe zu
berücksichtigen, daneben sind die allgemeinen Grundsätze der Sozialhilfe zu
beachten (Senatsurteile vom 21. April 2004 - XII ZR 251/01 - FamRZ 2004,
1097, 1098 und vom 23. Juni 2010 - XII ZR 170/08 - FamRZ 2010, 1418
Rn. 33). Eine unbillige Härte liegt danach insbesondere vor, wenn und soweit
der - öffentlich-rechtliche - Grundsatz der familiengerechten Hilfe, nach dem
u.a. auf die Belange und Beziehungen in der Familie Rücksicht zu nehmen ist
(vgl. § 16 SGB XII), einer Heranziehung entgegensteht. Weitere Gründe sind,
dass die laufende Heranziehung in Anbetracht der sozialen und wirtschaftlichen
Lage des Unterhaltspflichtigen mit Rücksicht auf die Höhe und Dauer des Be-
darfs zu einer nachhaltigen und unzumutbaren Beeinträchtigung des Unter-
haltspflichtigen und der übrigen Familienmitglieder führen würde, wenn die Ziel-
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setzung der Hilfe infolge des Übergangs gefährdet erscheint oder wenn der Un-
terhaltspflichtige den Sozialhilfeempfänger bereits vor Eintritt der Sozialhilfe
über das Maß einer zumutbaren Unterhaltsverpflichtung hinaus betreut oder
gepflegt hat (Senatsurteile vom 21. April 2004 - XII ZR 251/01 - FamRZ 2004,
1097, 1098 und vom 23. Juni 2010 - XII ZR 170/08 - FamRZ 2010, 1418 Rn. 34
mwN).
Soweit die Revision darauf hinweist, dass der Gesetzgeber in § 94
Abs. 2 SGB XII eine Sonderbehandlung von Eltern behinderter volljähriger Kin-
der dergestalt vorsieht, dass der Rückgriff auf bestimmte Höchstbeträge be-
grenzt ist (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 2010 - XII ZR 170/08 - FamRZ 2010,
1418 Rn. 22 ff.), beruht dies auf anderen gesetzgeberischen Erwägungen, die
auf den Elternunterhalt nicht übertragbar sind.
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bb) Das Berufungsgericht hat unter Beachtung dieser Anforderungen zu
Recht einen Ausschluss des Anspruchübergangs verneint. Es hat darauf abge-
stellt, dass der Beklagte aufgrund seiner relativ hohen Einkünfte und dem
Nichtbestehen weiterer Unterhaltsverpflichtungen wirtschaftlich ohne unzumut-
bare Einschränkung seiner Lebensführung in der Lage sei, den begehrten Un-
terhalt zu leisten. Ebenso wenig sei eine nachhaltige Störung des Familienfrie-
dens ersichtlich. Zudem habe der Beklagte seine Mutter vor Inanspruchnahme
weder betreut noch gepflegt. Dass das Berufungsgericht dabei keine Umstände
für gegeben erachtet hat, die es gerade aus dem Blickwinkel des Sozialrechts
unzumutbar erscheinen lassen, den Beklagten zum Unterhalt für seine Mutter
heranzuziehen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Vor allem ist nicht
zu beanstanden und im Übrigen von der Revision auch nicht gerügt, dass das
Berufungsgericht den Vortrag des Beklagten, wonach die Kriegserlebnisse sei-
ner Mutter mitursächlich für ihre psychische Erkrankung an Schizophrenie ge-
wesen seien, als Behauptung ins Blaue hinein qualifiziert hat.
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Nach alledem ist nicht ersichtlich, weshalb der Beklagte aus der familiä-
ren Verantwortung gegenüber seiner Mutter entlassen werden sollte. Wäre der
Staat für die Mutter nicht in Vorleistung getreten, hätte sie gegen den Beklagten
ohnehin ihren Unterhaltsanspruch durchsetzen können. Wegen der vom Gesetz
geforderten familiären Solidarität rechtfertigen die als schicksalsbedingt zu qua-
lifizierende Krankheit der Mutter und deren Auswirkungen auf den Beklagten es
nicht, die Unterhaltslast dem Staat aufzubürden.
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Hahne
Dose
Klinkhammer
Schilling Günter
Vorinstanzen:
AG Bottrop, Entscheidung vom 14.11.2008 - 14 F 187/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 06.08.2009 - II-2 UF 241/08 -