Urteil des BGH vom 06.12.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 143/06
Verkündet
am:
6. Dezember 2007
Preuß
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 6; ZPO §§ 72, 73
a) Die Verjährung wird nur durch eine zulässige Streitverkündung gehemmt.
b) Im Prozess gegen den subsidiär haftenden Notar ist die Streitverkündung
gegen einen vorrangig haftenden Schädiger unzulässig.
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 - IX ZR 143/06 - OLG Hamm
LG Essen
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter
Raebel, Dr. Kayser, Vill und die Richterin Lohmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Mai 2006 aufgehoben,
soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 10. März 2005 verkünde-
te Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurück-
gewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Klägerin aufer-
legt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die beklagte Steuerberater- und Wirtschaftsprüfergesellschaft beriet die
Klägerin im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Ergebnisübernahmever-
trages zwischen ihr und der von ihr gehaltenen C. GmbH (fortan:
GmbH). Der Vertrag wurde notariell beurkundet, aber nicht in das Handelsregis-
ter eingetragen; auch die notarielle Beurkundung der Zustimmungserklärung
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der Gesellschafter der GmbH unterblieb (vgl. dazu BGHZ 105, 324 ff). Das Fi-
nanzamt erkannte den Vertrag deshalb für das Jahr 1998 nicht an.
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Auf Anregung der Beklagten nahm die Klägerin den Notar, der den Ver-
trag beurkundet hatte, auf Schadensersatz in Anspruch. In diesem Prozess ver-
kündete die Klägerin der jetzigen Beklagten den Streit, die dem Rechtsstreit auf
Seiten der Klägerin beitrat. Die Klage wurde als derzeit unbegründet abgewie-
sen, weil gegenüber der jetzigen Beklagten ein vorrangiger Ersatzanspruch
(§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO) bestehe.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin aus eigenem Recht
und aus abgetretenem Recht ihrer Gesellschafter von der Beklagten Scha-
densersatz wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung. Wegen des in der Revisi-
onsinstanz allein noch interessierenden Einkommensteuerschadens hat das
Landgericht die Klage wegen Verjährung abgewiesen; das Berufungsgericht hat
die Beklagte insoweit antragsgemäß zur Zahlung von 64.746,52 € nebst Zinsen
verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage.
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I.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klage sei aus abgetretenem
Recht der Gesellschafter der Klägerin begründet. Die Gesellschafter seien in
den Schutzbereich des zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertra-
ges einbezogen gewesen. Die Beklagte habe ihre vertraglichen Pflichten
schuldhaft verletzt, indem sie es unterlassen habe, auf das aus den Vertragsun-
terlagen ersichtliche Fehlen der Anerkennungsvoraussetzungen hinzuweisen
und rechtzeitig darauf hinzuwirken, dass die Eintragung des Vertrages in das
Handelsregister und die Beurkundung der Gesellschafterversammlungen nach-
geholt werde.
Der Anspruch sei nicht verjährt. Es gelte zwar die dreijährige Verjäh-
rungsfrist des § 68 StBerG a.F. Diese habe mit Zustellung der Steuerbescheide
an die Gesellschafter zwischen dem 23. Juli und dem 4. August 2001 begon-
nen. Eine Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch Klageerhebung hin-
sichtlich dieses Anspruchs sei erst am 10. März 2005 eingetreten, als die Be-
klagte die Abtretungserklärung in den Rechtsstreit eingeführt habe. Der Ablauf
der Verjährungsfrist sei jedoch gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB durch die Zustel-
lung der Streitverkündungsschrift im Vorprozess am 10. Juni 2003 gehemmt
worden. Auf die Frage der Zulässigkeit der Streitverkündung komme es nicht
an, weil die Beklagte unbeanstandet dem Rechtsstreit beigetreten sei. Die Klä-
gerin sei seinerzeit bereits Inhaberin des Anspruchs gegen die Beklagte gewe-
sen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Abtretung
am 13. Mai 2003 vorgenommen worden sei. Dass sie im Vorprozess, damit
auch im Zusammenhang mit der Streitverkündung, nicht offengelegt worden
sei, schade nicht, weil es sich um eine Vollabtretung gehandelt habe.
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II.
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Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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1. Die Verjährung des Anspruchs auf Erstattung des Einkommensteuer-
schadens richtet sich nach § 68 StBerG a.F. Die Verjährungsfrist von drei Jah-
ren begann mit der Bekanntgabe der Steuerbescheide Ende Juli/Anfang August
2001.
2. Die Verjährungsfrist ist nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB durch die
im Vorprozess erklärte Streitverkündung unterbrochen worden. Die Streitver-
kündung war unzulässig (b); sie ließ zudem nicht erkennen, dass der Grund der
Streitverkündung ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus abgetretenem
Recht ihrer Gesellschafter war (c).
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a) Auf die mit Schriftsatz vom 30. Mai 2003 erklärte Streitverkündung ist
gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB die Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB
anwendbar; denn am 1. Januar 2002 bestand der Schadensersatzanspruch
bereits und war noch nicht verjährt.
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b) Eine Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB ist jedoch schon deshalb
nicht eingetreten, weil die Streitverkündung unzulässig war.
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aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann eine Prüfung der
Zulässigkeit der Streitverkündung nicht deshalb unterbleiben, weil die jetzige
Beklagte dem Vorprozess auf Seiten der jetzigen Klägerin beigetreten war.
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(1) Tritt der Dritte, dem der Streit verkündet worden ist, dem Streitver-
künder bei, so bestimmt sich sein Verhältnis zu den Prozessparteien nach den
Grundsätzen über die Nebenintervention (§ 74 Abs. 1 ZPO). Damit gilt auch
§ 71 Abs. 3 ZPO. Solange nicht die Unzulässigkeit der Intervention rechtskräftig
ausgesprochen ist, wird der Intervenient im Hauptverfahren zugezogen. Nach
Maßgabe des § 74 Abs. 3 ZPO treten die prozessualen Wirkungen des § 68
ZPO ein. Insoweit wird die Zulässigkeit der Streitverkündung im Folgeprozess
nicht mehr geprüft (Hk-ZPO/Kayser, 2. Aufl. § 74 Rn. 3). Wird der Beitritt nicht
rechtskräftig zurückgewiesen, löst folglich auch eine unzulässige Streitverkün-
dung die Interventionswirkung des § 68 ZPO aus (BGH, Urt. v. 22. September
1975 - II ZR 85/74, WM 1976, 56; OLG Hamm NJW-RR 1988, 155; Stein/
Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. § 68 Rn. 4).
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(2) Für die verjährungshemmende Wirkung der Streitverkündung gilt dies
jedoch nicht. Die hier anzuwendende Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB
verlangt die Zustellung der Streitverkündung (§§ 72, 73 ZPO). Der Beitritt als
Nebenintervenient ist hingegen weder notwendige noch hinreichende Bedin-
gung. Davon ist die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als
selbstverständlich ausgegangen (vgl. etwa die Entscheidung BGHZ 65, 127 ff,
in welcher die Zulässigkeit der Streitverkündung trotz einer Nebenintervention
im Vorprozess geprüft wird; ebenso z.B. Wieczorek/Mansel, ZPO 3. Aufl. § 73
Rn. 17). Der Beitritt des Streitverkündungsempfängers enthebt das Gericht des
Folgeprozesses, das über eine Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1
Nr. 6 BGB zu entscheiden hat, also nicht von der Prüfung der Zulässigkeit der
Streitverkündung.
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bb) Die Streitverkündung entsprach nicht den Anforderungen des § 72
Abs. 1 ZPO.
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(1) Nach dieser Vorschrift ist eine Streitverkündung u.a. dann zulässig,
wenn die Partei für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits
einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten
erheben zu können glaubt. Die Streitverkündung soll den Streitverkünder davor
bewahren, die wegen der materiell-rechtlichen Verknüpfung der gegen ver-
schiedene Schuldner gerichteten Ansprüche notwendigen Prozesse alle zu ver-
lieren, obgleich er zumindest einen dieser Prozesse gewinnen müsste (BGH,
Urt. v. 28. Oktober 1988 - V ZR 14/87, NJW 1989, 521, 522). Unzulässig ist die
Streitverkündung deshalb wegen solcher Ansprüche, die nach Lage der Dinge
von vornherein sowohl gegenüber dem Beklagten des Vorprozesses als auch
gegenüber dem Dritten geltend gemacht werden können, für die also aus der
Sicht des Streitverkünders schon im Zeitpunkt der Streitverkündung eine ge-
samtschuldnerische Haftung des Beklagten und des Dritten in Betracht kommt.
In einem derartigen Falle kommt es auch im Zeitpunkt der Streitverkündung
nicht mehr auf einen für den Streitverkünder ungünstigen Ausgang des Rechts-
streits an (BGHZ 65, 129, 131). Die verjährungsunterbrechende Wirkung der
Streitverkündung tritt nicht ein, wenn und soweit - auch vom Standpunkt der
streitverkündenden Partei aus - der der Streitverkündung zugrunde liegende
vermeintliche Anspruch durch den Ausgang des Rechtsstreits nicht berührt
werden kann (BGH, Urt. v. 21. Februar 2002, aaO).
(2) Der Anspruch der Gesellschafter der Klägerin gegen die Beklagte
bestand unabhängig davon, ob auch der Notar aus § 19 BNotO (subsidiär) zum
Schadensersatz verpflichtet war. Fälle, in denen der Dritte vorrangig vor dem
zunächst Verklagten haftet, werden von § 72 ZPO nicht erfasst (OLG Hamm
MDR 1985, 588; Stein/Jonas/Münzberg/Bork, ZPO 22. Aufl. § 72 Rn. 14; Haug,
Die Amtshaftung des Notars, Rn. 823; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler,
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BNotO 5. Aufl. § 19 Rn. 181i; weitergehend Zugehör in Zugehör/Ganter/Hertel,
Handbuch der Notarhaftung Rn. 2298 f).
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(3) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung folgt Abweichendes
nicht aus dem bereits zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober
1988 (aaO). In jenem Fall hatte der Notar einen Grundstückskaufvertrag beur-
kundet, in dem der Grundstückskäufer ermächtigt wurde, das Grundstück noch
vor Umschreibung des Eigentums mit Grundpfandrechten zu belasten. Der
Käufer belastete das Grundstück, zahlte den Kaufpreis aber nicht. Der auf
Schadensersatz verklagte Notar wandte das Fehlen eines Schadens ein, weil
die Belastung des Grundstücks wegen der Unwirksamkeit der Belastungsvoll-
macht unwirksam gewesen sei. Ob ein Anspruch gegen den Notar einerseits,
den Käufer andererseits bestand, hing von der einen Frage ab, ob das Grund-
stück belastet worden war oder nicht. Die Ansprüche standen damit jedenfalls
auch im Verhältnis der Alternativität. Der vorliegende Fall liegt anders. Die
Schadensersatzpflicht der Beklagten hing nicht davon ab, ob und in welchem
Umfang auch der zunächst verklagte Notar haftete.
(4) Dass im Prozess gegen den Dritten eine Streitverkündung gegen den
Notar ohne weiteres zulässig ist (vgl. BGH, Urt. v. 9. Januar 2003 - III ZR 46/02,
WM 2003, 1131, 1134; v. 22. Januar 2004 - III ZR 99/03, WM 2004, 2026,
2027; v. 3. März 2005 - III ZR 353/04, WM 2005, 1328, 1330; v. 6. Juli 2006
- III ZR 13/05, WM 2006, 1956, 1958; zu § 839 BGB ebenso BGHZ 8, 72, 80),
steht der hier für den umgekehrten Fall der vorrangigen Inanspruchnahme des
Notars vertretenen Lösung ebenfalls nicht entgegen. Die Haftung des Notars für
fahrlässige Pflichtverletzungen hängt davon ab, dass der Geschädigte nicht
anderweitig Ersatz verlangen kann (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO); der Ausgang
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des Prozesses gegen den Dritten ist damit für einen späteren Prozess gegen
den Notar präjudiziell.
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cc) Auch die durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts
vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) neu gefasste Vorschrift des § 204
Abs. 1 Nr. 6 BGB setzt eine zulässige, d.h. den Anforderungen der §§ 72 f ZPO
entsprechende Streitverkündung voraus (Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. § 72
Rn. 8; Musielak/Weth, ZPO 5. Aufl. § 74 Rn. 5; Hk-ZPO/Kayser, ZPO 2. Aufl.
§ 74 Rn. 8; Staudinger/Peters, BGB [Bearb. 2004] § 204 Rn. 76; Palandt/
Heinrichs, BGB 67. Aufl. § 204 Rn. 21; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB 11. Aufl.
§ 204 Rn. 19).
(1) Die Vorgängervorschrift des § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a.F. ordnete die
Unterbrechung der Verjährung eines Anspruchs "durch die Streitverkündung in
dem Prozesse, von dessen Ausgange der Anspruch abhängt", an. Die Motive
zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich
(1888) hielten diese Regelung deshalb erforderlich, weil
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"bei kurzen Verjährungsfristen der Prozeß, durch welchen die Vor-
aussetzungen der Regreßpflicht ganz oder zum Theil erst festge-
stellt werden, oft länger als diese Fristen währt und so die Gel-
tendmachung des Regreßanspruches ohne jedes Verschulden
des Berechtigten erschwert, wenn nicht gefährdet werden kann"
(Mot. I, S. 329).
Nur bei echter Abhängigkeit des Anspruchs vom Ausgang des Erstpro-
zesses sollte die Streitverkündung zu einer Unterbrechung der Verjährung füh-
ren; dass der Streitverkünder für den Fall des ungünstigen Ausganges des
Rechtsstreits den Anspruch eines Dritten besorgt (§ 72 Abs. 1 ZPO), sollte ge-
rade nicht ausreichen (Mot. aaO). In der Rechtsprechung des Reichsgerichts
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wurde § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a.F. gleichwohl dahingehend ausgelegt, dass
jede den Vorschriften des Zivilprozessrechts entsprechende Streitverkündung
die Verjährung unterbrach; dass die Entscheidung des Erstprozesses diejenige
des Folgeprozesses präjudiziere oder dessen tatsächlichen Feststellungen für
den Folgeprozess maßgebend seien, wurde nicht für erforderlich gehalten
(RGZ 58, 76, 79 f). Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung fortge-
führt und die Zulässigkeit der Streitverkündung für erforderlich, aber auch aus-
reichend gehalten (BGHZ 36, 212, 214; 65, 129, 130 f; 70, 187, 189; 100, 257,
259; 160, 259, 263; BGH, Urt. v. 16. Juni 2000 - LwZR 13/99, WM 2000,
1764 ff; v. 21. Februar 2002 - IX ZR 127/00, WM 2002, 1078, 1081).
(2) Die neugefasste Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB bestimmt nur
noch eine Hemmung der Verjährung durch "die Zustellung der Streitverkün-
dung". Daraus wird teilweise geschlossen, die Rechtslage habe sich geändert.
Es reiche die Zustellung einer Streitverkündungsschrift, welche den Anspruchs-
gegner von der Absicht, ihn in Anspruch zu nehmen, in Kenntnis setze; auf die
Zulässigkeit der Streitverkündung im Sinne der §§ 72, 73 ZPO komme es nicht
an (Bamberger/Roth/Henrich, BGB 2. Aufl. § 204 Rn. 29; Rosenberg/Schwab/
Gottwald, Zivilprozessrecht 16. Aufl. § 51 Rn. 24; MünchKomm-ZPO/Schilken,
2. Aufl. § 74 Rn. 12). Diese Ansicht trifft nicht zu. Die Streichung des Zusatzes
über die Abhängigkeit des Erst- vom Zweitprozess diente nur der Klarstellung.
Eine Änderung des bis dahin geltenden Rechts war - von der Umstellung von
einem Unterbrechungs- auf einen Hemmungstatbestand abgesehen - nicht be-
absichtigt. Insbesondere sollte das Erfordernis der Zulässigkeit der Streitver-
kündung nicht abgeschafft werden. Das ergibt sich hinreichend deutlich aus der
amtlichen Begründung (BT-Drucks. 14/6040, S. 114):
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"Wie in den übrigen Fällen wird auch hier auf den Hemmungstat-
bestand umgestellt. Außerdem wird zur Klarstellung ausdrücklich
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auf die nach § 72 Satz 2 ZPO erforderliche Zustellung der Streit-
verkündung abgestellt. Weggelassen wird gegenüber dem bishe-
rigen § 209 Abs. 2 Nr. 4 die irreführende Einschränkung auf die
Streitverkündung "in dem Prozesse, von dessen Ausgange der
Anspruch abhängt". Entgegen dem Wortlaut ist nämlich die Ver-
jährungswirkung der Streitverkündung gerade nicht davon abhän-
gig, dass die tatsächlichen Feststellungen des Vorprozesses für
den späteren Prozess maßgebend sein müssen (BGHZ 36, 212,
214). Die schon bislang praktizierte Gleichstellung der Streitver-
kündung im selbständigen Beweisverfahren mit der Streitverkün-
dung im Prozess (BGHZ 134, 190) ist durch die bloße Anknüpfung
an die Streitverkündung künftig zwanglos möglich."
(3) Gegenteiliges folgt auch nicht aus einem Vergleich mit anderen
Hemmungstatbeständen des § 204 Abs. 1 BGB. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB
wird die Verjährung durch die Erhebung der Klage gehemmt. Hier kommt es
nicht darauf an, ob die Klage zulässig ist (BGHZ 78, 1, 5; BT-Drucks. 14/6040,
S. 118; allg. Meinung). Das Gesetz verlangt für eine Hemmung der Verjährung
durch Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht, dass der Kläger eine für ihn günsti-
ge Sachentscheidung erstreitet. Nach der amtlichen Begründung sollte der mit
der Hemmung verbundene bloße Aufschub des Verjährungslaufs unabhängig
vom Ausgang des jeweiligen Verfahrens sein (BT-Drucks. 14/6040, S. 118 zur
Abschaffung des § 212 BGB a.F. sowie BT-Drucks. 14/6857 S. 44 zur Prüfbitte
des Bundesrates, die Hemmung wie die Unterbrechung in den Fällen des § 212
Abs. 1 BGB a.F. nachträglich entfallen zu lassen). Die Hemmung ist nicht ein-
mal an irgendeine Entscheidung der angerufenen Stelle gebunden, sondern tritt
grundsätzlich auch dann ein, wenn der Gläubiger den Antrag im Laufe des Ver-
fahrens zurücknimmt (BGHZ 160, 259, 263). Gleiches gilt für das vereinfachte
Verfahren (§ 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB), für das Mahnbescheidsverfahren (§ 204
Abs. 1 Nr. 3 BGB), für das Güteverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB), für das
Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB), für die Auf-
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rechnung im Prozess (§ 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB) und für den Antrag auf Ge-
richtsstandsbestimmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB; vgl. BGHZ 160, 259, 263).
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Die Streitverkündung unterscheidet sich wesentlich von den genannten
Verfahrensanträgen. Der Unterschied liegt nicht allein darin, dass über die Wir-
kungen der Streitverkündung erst im Folgeprozess entschieden wird (vgl. BGHZ
160, 259, 263). Die Streitverkündung gegenüber einem Dritten ist lediglich die
förmliche Benachrichtigung des Dritten, dass zwischen anderen Prozesspartei-
en ein Rechtsstreit anhängig ist. Anders als der Kläger (oder der Antragsteller
im Mahnverfahren, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes oder im Ver-
fahren auf Gerichtsstandsbestimmung) erhebt der Streitverkünder keinen sach-
lich-rechtlichen oder prozessualen Anspruch gegen den Streitverkündeten (vgl.
BGH, Urt. v. 6. Oktober 2005 - I ZR 14/03, NJW-RR 2006, 614, 620 f). Die
Rechtsverfolgung als solche hat noch nicht begonnen. Der Gläubiger hat noch
nicht zum Ausdruck gebracht, dass er gewillt ist, seinen Anspruch gerichtlich
durchzusetzen (vgl. dazu BGHZ 160, 259, 264). Angemessene und unmissver-
ständliche Schritte zur Durchsetzung des Anspruchs (vgl. BT-Drucks. 14/6040,
S. 111) hat er gerade noch nicht unternommen. Dass eine unzulässige Klage
oder ein dieser gleichgestellter unzulässiger Verfahrensantrag die Verjährung
hemmt, sagt deshalb nichts über die verjährungsrechtlichen Wirkungen einer
unzulässigen Streitverkündung aus. Diese sind vielmehr unabhängig zu prüfen.
(4) Sinn und Zweck der Streitverkündung sprechen gegen eine Ausdeh-
nung des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB auf Fälle einer unzulässigen Streitverkün-
dung. Ebenso wie die Vorgängervorschrift des § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB soll
§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB den Gläubiger der Notwendigkeit entheben, zur Hem-
mung der Verjährung mehrere Prozesse gegen verschiedene in Betracht kom-
mende Anspruchsgegner gleichzeitig anstrengen zu müssen, von denen er al-
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lenfalls einen gewinnen kann. Steht von vornherein fest, dass der Anspruch
gegen den einen Schuldner unabhängig von demjenigen gegen den anderen
Schuldner besteht, ist eine verjährungsrechtliche Privilegierung des Gläubigers
nicht gerechtfertigt. In einem solchen Fall ist der Gläubiger gerade nicht "aus
anerkennenswerten Gründen gehindert, den Anspruch geltend zu machen" (vgl.
BT-Drucks. 14/6040, S. 111).
c) Die Zustellung der Streitverkündungsschrift vom 30. Mai 2003 ver-
mochte die Verjährung aber auch deshalb nicht zu unterbrechen, weil sie den
Grund der Streitverkündung nicht enthielt.
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aa) Gemäß § 73 Satz 1 ZPO hat die Partei zum Zwecke der Streitver-
kündung einen Schriftsatz einzureichen, in dem der Grund der Streitverkündung
und die Lage des Rechtsstreits anzugeben ist. Damit ist das Rechtsverhältnis
gemeint, aus dem sich der Rückgriffsanspruch gegen den Dritten oder dessen
Anspruch gegen den Streitverkündungsempfänger ergeben soll. Dieses
Rechtsverhältnis ist unter Angabe der tatsächlichen Grundlagen so genau zu
bezeichnen, dass der Streitverkündungsempfänger - gegebenenfalls nach Ein-
sicht in die Prozessakten (§ 299 ZPO) - prüfen kann, ob es für ihn angebracht
ist, dem Rechtsstreit beizutreten (BGH, Urt. v. 14. Oktober 1975 - VI ZR 226/74,
NJW 1976, 292, 293; v. 21. Februar 2002 - IX ZR 127/00, aaO; vgl. auch BGHZ
155, 69, 72: der geltend gemachte Ausgleichsanspruch muss hinreichend indi-
vidualisiert sein). Bezogen auf die verjährungsunterbrechende Wirkung liegt der
Zweck der Vorschrift darin sicherzustellen, dass der Streitverkündungsempfän-
ger mit Zustellung der Streitverkündungsschrift Kenntnis davon erlangt, welchen
Anspruchs sich der Streitverkündende gegen ihn berühmt. Fehlen die erforder-
lichen Mindestangaben, wird die Verjährung nicht gehemmt (BGH, Urt. v.
16. Juni 2000 - LwZR 13/99, WM 2000, 1764; Staudinger/Peters, aaO Rn. 77).
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Werden in der Streitverkündungsschrift nur Schadensersatzansprüche aus ei-
genem Recht erwähnt, erstreckt sich die Hemmungswirkung nicht auf Ansprü-
che aus abgetretenem Recht (OLG Düsseldorf Baurecht 1996, 869, 870; Bam-
berger/Roth/Henrich, aaO Rn. 28).
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bb) Die Begründung der Streitverkündungsschrift vom 30. Mai 2003 be-
handelt ausschließlich Ansprüche aus eigenem Recht der Klägerin gegen den
seinerzeit beklagten Notar und gegen die jetzige Beklagte. Wörtlich heißt es
hier:
"Der Beklagte hat eingewandt, dass er nicht hafte, weil eine an-
derweitige Ersatzmöglichkeit bestehe. Die steuerliche Beratung
der Klägerin habe der Streitverkündeten oblegen. Diese habe den
Gewinnabführungsvertrag vorbereitet. Für sie habe deshalb die
Pflicht bestanden, die steuerliche Wirksamkeit des Vertrages si-
cherzustellen. Sie habe die Eintragung in das Handelsregister
überprüfen müssen. Für den Fall, dass der Einwand zutrifft und
die Klägerin aus diesem Grunde im Prozess gegen den Beklagten
unterliegt, hat sie gegen den Streitverkündeten einen Anspruch
auf Schadloshaltung."
Ansprüche aus abgetretenem Recht der Gesellschafter der Klägerin wa-
ren nicht Gegenstand des Vorprozesses. Die nach den Feststellungen des Be-
rufungsgerichts vom 13. Mai 2003 datierende Abtretung ist im Vorprozess mit
keinem Wort erwähnt worden. Die Streitverkündungsschrift lässt ebenfalls nicht
erkennen, dass die Klägerin nicht aus eigenem, sondern aus abgetretenem
Recht vorgehen würde.
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cc) Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem Urteil des Bundesgerichts-
hofs vom 4. März 1993 (VII ZR 148/92, NJW 1993, 1916). In jener Entschei-
dung hat der Bundesgerichtshof für die Unterbrechung der Verjährung durch
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einen Antrag auf Sicherung des Beweises ausreichen lassen, dass der An-
tragsteller anspruchsberechtigt ist, unabhängig davon, ob dies sich aus dem
Antrag ergibt. Die unterschiedliche Behandlung des Beweissicherungsantrags
einerseits, der Streitverkündung andererseits liegt jedoch in den Besonderhei-
ten der jeweiligen Verfahren begründet. Ein Beweissicherungsantrag, der die
Verjährung unterbricht, muss lediglich den Gegner, die festzuhaltenden Tatsa-
chen, die Beweismittel sowie den Grund darlegen und glaubhaft machen, der
den Verlust oder die erschwerte Benutzung des Beweismittels besorgen lässt
(BGH, Urt. v. 4. März 1993, aaO). § 73 ZPO verlangt demgegenüber die Anga-
be des Grundes der Streitverkündung, das heißt desjenigen Rechtsverhältnis-
ses, aus dem sich der Rückgriffsanspruch gegen den Streitverkündungsemp-
fänger ergeben soll (vgl. BGH, Urt. v. 21. Februar 2002, aaO). Die strengen An-
forderungen des § 253 Abs. 2 ZPO gelten für die Streitverkündungsschrift zwar
nicht. Ein so wesentlicher Umstand wie das Vorgehen aus abgetretenem Recht
muss jedoch deutlich gemacht werden.
dd) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist die unzureichende
Angabe des Grundes der Streitverkündung hier auch nicht nur ein Verfahrens-
fehler, der durch rügelose Einlassung (§ 295 ZPO) in der nächsten auf den Bei-
tritt folgenden mündlichen Verhandlung geheilt worden wäre. Der Bundesge-
richtshof hat eine Heilung durch rügelose Einlassung im Folgeprozess in einem
Fall für möglich gehalten, in welchem die Streitverkündungsschrift die erforderli-
chen Angaben zur Lage des Rechtsstreits nicht enthielt (BGH, Urt. v. 14. Okto-
ber 1975, aaO). Voraussetzung einer Anwendung der Heilungsvorschriften ist
jedoch, dass der unvollständige Streitverkündungsschriftsatz den Klagean-
spruch und die Regressmöglichkeit gegen den Streitverkündungsempfänger
insoweit erkennen lässt, dass dieser sich - gegebenenfalls durch Akteneinsicht -
die erforderliche Klarheit für seinen Entschluss verschaffen kann, ob er dem
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Rechtsstreit beitreten soll (BGH, Urt. v. 14. Oktober 1975, aaO). Im vorliegen-
den Rechtsstreit ergaben sich die Abtretung und das Vorgehen der Klägerin
aus abgetretenem Recht weder aus der Streitverkündung noch aus den Akten
des Vorprozesses. Schon nach allgemeinen Grundsätzen kommt eine Heilung
von Verfahrensmängeln überdies nur dann in Betracht, wenn die betroffene
Partei den Mangel kannte oder kennen musste (§ 295 Abs. 1 ZPO). Im Vorpro-
zess war der Beklagten die Abtretung jedoch nicht bekannt. Schon deshalb
kann ihr nicht vorgeworfen werden, die fehlenden Angaben zum Grund der
Streitverkündung aus abgetretenem Recht nicht in der ersten auf ihren Beitritt
folgenden mündlichen Verhandlung gerügt zu haben.
III.
Entgegen der Ansicht der Klägerin erweist sich das Urteil nicht aus ande-
ren Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
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1. Das Berufungsgericht hat etwaige Verhandlungen zwischen den Par-
teien über den Schadensersatzanspruch für unerheblich gehalten. Nach Erlass
des angefochtenen Urteils hat der Senat demgegenüber entschieden, dass der
Lauf der Verjährungsfrist nach § 68 StBerG seit dem 1. Januar 2002 durch Ver-
handlungen zwischen Schuldner und Gläubiger über den Anspruch oder die
den Anspruch begründenden Umstände gehemmt wird (BGH, Urt. v. 1. Februar
2007 - IX ZR 180/04, NJW-RR 2007, 1358). Der durch das Gesetz zur Moder-
nisierung des Schuldrechts mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingeführte Hem-
mungstatbestand des § 203 BGB ist auch auf die zunächst bestehen gebliebe-
ne Verjährungsvorschrift des § 68 StBerG anwendbar. Auf diesem Fehler be-
ruht das angefochtene Urteil jedoch nicht. Das Berufungsgericht hat den Vor-
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trag der Klägerin zu Verhandlungen über den Schadensersatzanspruch für un-
zureichend gehalten. Hiergegen wendet sich die Revision nicht.
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2. Einen möglicherweise noch nicht verjährten Sekundäranspruch der
Klägerin aus abgetretenem Recht ihrer Gesellschafter hat das Berufungsgericht
mit der Begründung verneint, die Klägerin sei jedenfalls vom 25. April 2003 an,
nämlich mit der Aufnahme des Mandats durch neue Anwälte im Vorprozess,
anderweitig anwaltlich vertreten gewesen. Die sekundäre Hinweispflicht des
Steuerberaters, deren Verletzung erneut zum Schadensersatz verpflichtet, ent-
fällt nur dann, wenn der rechtzeitig vor Ablauf der ersten Verjährungsfrist man-
datierte Anwalt oder Steuerberater gerade mit der Geltendmachung von Re-
gressansprüchen gegen den Steuerberater beauftragt worden ist (BGH, Urt. v.
12. Dezember 2002 - IX ZR 99/02, NJW 2003, 822, 823). Die anwaltliche Ver-
tretung im Vorprozess gegen den Notar hätte allein also nicht gereicht. Bereits
mit Schreiben vom 20. April 2004 haben die neuen Anwälte jedoch außerdem
Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte angemeldet, wie sich aus der
von der Klägerin eingereichten Ablichtung des Anspruchsschreibens ergibt. Am
20. April 2004 war ausreichend Zeit, die Schadensersatzansprüche vor Ablauf
der ersten Verjährungsfrist Ende Juli/Anfang August 2004 auch gerichtlich gel-
tend zu machen.
IV.
Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist auf-
zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung
bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und
nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine eige-
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ne Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage wird insgesamt
abgewiesen.
Fischer Raebel Kayser
Vill Lohmann
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 10.03.2005 - 18 O 475/04 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 19.05.2006 - 25 U 67/05 -