Urteil des BGH vom 14.02.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 100/13
Verkündet am:
14. Februar 2014
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
WEG § 10 Abs. 6 Satz 3
a) Eine von den Wohnungseigentümern als Miteigentümer des gemeinschaftlichen
Grundstücks gesamtschuldnerisch zu tragende Abgabenschuld stellt eine gemein-
schaftsbezogene Pflicht im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG dar.
b) Im Innenverhältnis ist die Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet, den
durch Leistungsbescheid in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer von
der Abgabenschuld freizustellen. Erfüllt der Wohnungseigentümer die Abgaben-
forderung aus eigenen Mitteln, steht ihm gegen die Gemeinschaft ein Erstattungs-
anspruch zu.
c) Ein Erstattungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Wohnungs-
eigentümer die Forderung aus dem Leistungsbescheid begleicht, ohne dies mit
der Gemeinschaft zuvor abzustimmen. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit
des Bescheides berechtigen die Gemeinschaft grundsätzlich nicht zu einer Zah-
lungsverweigerung, wenn der Wohnungseigentümer die Möglichkeit offen gehal-
ten hat, die Rechtmäßigkeit des Bescheides verwaltungsgerichtlich überprüfen zu
lassen.
BGH, Urteil vom 14. Februar 2014 - V ZR 100/13 - LG Frankfurt (Oder)
AG Königs Wusterhausen
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Dezember 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den
Richter Dr. Czub, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter
Dr. Kazele
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer
des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. Februar 2013 aufge-
hoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemein-
schaft. Mit zwei Bescheiden des M. Abwasser- und Wasserzweckver-
bands (fortan: MAWV) vom 21. März 2011 wurde sie für die erstmalige Herstel-
lung der zentralen öffentlichen Schmutzwasseranlage und der öffentlichen
Wasserversorgungsanlage auf Zahlung von insgesamt 42.050,17 € in Anspruch
genommen. Die Bescheide beziehen sich auf das gesamte Grundstück der
Wohnungseigentümer. Nachdem der MAWV die von der Klägerin eingelegten
Widersprüche unter Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung der Woh-
nungseigentümer zurückgewiesen hatte, zahlte die Klägerin ohne Abstimmung
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mit der Beklagten die erhobenen Beiträge. Zugleich einigte sie sich mit dem
MAWV darauf, dass die Widerspruchsbescheide im Hinblick auf ein bei dem
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängiges, die Altanlieger betref-
fendes Präzedenzverfahren aufgehoben werden und über die Widersprüche
erst nach Abschluss des Präzedenzverfahrens entschieden wird.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung von 40.886,85 € nebst
Zinsen als Ausgleich für die an den MAWV geleisteten Beiträge abzüglich des
auf ihren Miteigentumsanteil entfallenden Anteils. Das Amtsgericht hat der Kla-
ge stattgegeben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelas-
senen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klä-
gerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die beklagte Wohnungseigentü-
mergemeinschaft nicht passivlegitimiert. Der Ausgleichsanspruch sei gegen die
übrigen Wohnungseigentümer als Teilschuldner und nicht gegen die Gemein-
schaft zu richten. Etwas anderes ergebe sich nicht aus § 10 Abs. 6 Satz 3
WEG. Bei der Verpflichtung der Wohnungseigentümer zum Gesamtschuld-
nerausgleich nach § 426 BGB handle es sich nicht um eine gemeinschaftsbe-
zogene Pflicht. Auch wenn auf die Beitragsforderung des MAWV abgestellt
werde, fehle es an der Gemeinschaftsbezogenheit. Da durch den Beitragsbe-
scheid lediglich die Klägerin in Anspruch genommen worden sei, treffe die übri-
gen Wohnungseigentümer keine Abgabenpflicht.
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II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bis-
herigen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich ein Erstattungsan-
spruch der Klägerin nicht verneinen. Ein solcher kann sich auf der Grundlage
von § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG ergeben.
1. Die Abgabenschuld der Klägerin aufgrund des Bescheides des MAWV
begründet im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer eine gemeinschaftsbe-
zogene Pflicht im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG, die von der
Gemeinschaft wahrzunehmen ist.
a) Nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG übt die Gemeinschaft die gemein-
schaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die ge-
meinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr, ebenso sons-
tige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemein-
schaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. Eine gemein-
schaftsbezogene Pflicht liegt vor, wenn eine Verpflichtung, die im Außenver-
hältnis alle Wohnungseigentümer gleichermaßen trifft, nach der Interessenlage
ein gemeinsames Vorgehen erfordert (vgl. Senat, Urteil vom 8. Februar 2013
- V ZR 238/11, NJW 2013, 3092 Rn. 10; Urteil vom 17. Dezember 2010
- V ZR 125/10, NJW 2011, 1351 Rn. 9). Eine gekorene Wahrnehmungsbefugnis
nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG, bei der lediglich ein Zugriffsermessen
besteht, ist hingegen anzunehmen, wenn die Pflichtenerfüllung durch den Ver-
band förderlich ist (Senat, Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 238/11, NJW
2013, 3092 Rn. 13; Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 125/10, NJW 2011,
1351 Rn. 9). Bei der Abgrenzung ist eine wertende Betrachtung geboten (Se-
nat, Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 125/10, NJW 2011, 1351 Rn. 9).
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b) Der Annahme einer gemeinschaftsbezogenen Pflicht steht nicht - wie
das Berufungsgericht meint - entgegen, dass nur die Klägerin durch die Be-
scheide des MAWV auf Zahlung in Anspruch genommen worden ist, nicht aber
die übrigen Wohnungseigentümer. Grundlage der Leistungsbescheide sind die
§§ 1, 2, 6, 8 und 10 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Brandenburg
i.d.F. der Bekanntmachung vom 31. März 2004 (KAG) i.V.m. § 6 der Wasser-
versorgungsbeitragssatzung und Schmutzwasserbeitragssatzung des MAWV
vom 2. Dezember 2010. Danach ist beitragspflichtig der Eigentümer des
Grundstücks; mehrere Beitragspflichtige - wie hier die Wohnungseigentümer als
Miteigentümer des Grundstücks - haften als Gesamtschuldner. Die Beitragsver-
pflichtung entsteht gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 b KAG i.V.m. § 38 AO nicht erst mit
dem Leistungsbescheid, sondern sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den
das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Auf das Entstehen der Steuerschuld ist
es ohne Einfluss, gegen welche Gesamtschuldner die Steuer festgesetzt wird.
Der Steuer- bzw. Abgabenbescheid konkretisiert lediglich den bereits entstan-
denen Steueranspruch und bildet die Grundlage für die Verwirklichung dieses
Anspruchs (vgl. BFHE 181, 392, 394 f., BFHE 160, 108, 110). Das Steuer-
schuldverhältnis besteht damit gegenüber allen Wohnungseigentümern.
Die Gesamtschuld besteht ungeachtet der von § 10 Abs. 8 WEG ange-
ordneten quotalen Außenhaftung der Wohnungseigentümer für Verbindlichkei-
ten der Gemeinschaft. Diese Haftungsbegrenzung greift nämlich nicht ein, wenn
- wie hier - im Landesrecht eine Gesamtschuld der Wohnungseigentümer in
ihrer Eigenschaft als Miteigentümer des Grundstücks gesetzlich vorgesehen ist
(BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - VII ZR 196/08, BGHZ 181, 304 Rn. 18).
c) Die Frage, ob der Verband im Innenverhältnis verpflichtet ist, von den
Wohnungseigentümern in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer des gemein-
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schaftlichen Grundstücks gesamtschuldnerisch zu tragende öffentliche Abga-
ben zu erfüllen, wird nicht einheitlich beantwortet.
aa) Teilweise wird unter Hinweis auf das Vorliegen einer gekorenen
Wahrnehmungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG ange-
nommen, dass solche Verbindlichkeiten im Interesse eines Gläubigers oder der
Wohnungseigentümer gemeinschaftlich erfüllt werden können, aber nicht erfüllt
werden müssen; die Wohnungseigentümer hätten insoweit einen Entschei-
dungsspielraum (Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 10 Rn. 262; Wenzel, IMR
2009, 208). Die herrschende Meinung hingegen geht - mit unterschiedlichen
Begründungen - von einer Wahrnehmungspflicht des Verbandes ohne Ermes-
sensspielraum aus (OLG Hamm, NJW-RR 2009, 1463, 1465; VG Köln, Be-
schluss vom 20. Juli 2011 - 14 L 872/11, juris Rn. 19; BeckOK WEG/Dötsch,
Edition 16, § 10 Rn. 571; Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 10 Rn. 498a;
Becker in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 16 Rn. 26; ders. in ZfIR 2012, 403, 410
und ZWE 2014, 14, 16; Schmid, ZWE 2009, 325 und NZM 2010, 683, 686; Ab-
ramenko, IMR 2007, 18; Elzer, MietRB 2009, 137 f.; vgl. auch Briesemeister,
NZM 2007, 225, 230 und IMR 2010, 199; Schmidt, ZWE 2009, 203, 204 f.).
Teilweise wird dies mit dem Wortlaut von § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG
(„zu erfüllen sind“) begründet. Andere nehmen an, dass allein die Übernahme
der Verpflichtung durch den Verband ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.
Teilweise wird eine geborene Wahrnehmungsbefugnis der Gemeinschaft nach
§ 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG bejaht.
bb) Die herrschende Meinung trifft zu. Der Verband ist im Verhältnis zu
den Wohnungseigentümern verpflichtet, eine von den Wohnungseigentümern
gesamtschuldnerisch zu tragende öffentlich-rechtliche Abgabenpflicht als ge-
meinschaftsbezogene Pflicht wahrzunehmen. Mit der Neufassung von § 10
WEG wollte der Gesetzgeber nach der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der
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Wohnungseigentümergemeinschaft (Senat, Beschluss vom 2. Juni 2005
- V ZB 32/05, BGHZ 163, 154) gerade verhindern, dass das Haftungssystem
der Wohnungseigentümergemeinschaft dem Einzelnen existenzbedrohende
Zahlungspflichten auferlegt. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Woh-
nungseigentümer kann im Einzelfall - vor allem bei größeren Wohnanlagen -
einen sehr hohen Betrag erreichen und zu einer finanziellen Überforderung des
einzelnen Wohnungseigentümers führen. Um das finanzielle Risiko der Woh-
nungseigentümer zu begrenzen, bestimmt § 10 Abs. 8 WEG, dass sie für Ver-
bindlichkeiten der Gemeinschaft nur anteilig haften. Zudem hat der Gesetzge-
ber in § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG die Erfüllung gemeinschaftsbezogener Pflichten
der Gemeinschaft zugeordnet (BT-Drucks. 16/887, S. 61, 65). Die Haftung ist
aber nicht auf die Miteigentumsquote begrenzt, wenn - wie hier - im Landes-
recht eine Gesamtschuld der Wohnungseigentümer in ihrer Eigenschaft als Mit-
eigentümer des Grundstücks gesetzlich vorgesehen ist (BGH, Urteil vom
18. Juni 2009 - VII ZR 196/08, BGHZ 181, 304 Rn. 15). Die Folge ist, dass jeder
Wohnungseigentümer von dem Gläubiger unmittelbar auf Zahlung der gesam-
ten Abgabenforderung in Anspruch genommen werden kann und er auch dann
auf den vollen Betrag haftet, wenn die Forderung eine erhebliche Größenord-
nung erreicht (vgl. Schmidt-Räntsch in Schröder, Drei Jahre nach der WEG-
Reform, S. 58). Nach dem in § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG zum Ausdruck gebrach-
ten Willen des Gesetzgebers erfordern sowohl das Interesse des in Anspruch
genommenen Wohnungseigentümers als auch das der übrigen Wohnungsei-
gentümer in einem solchen Fall ein gemeinschaftliches Vorgehen und damit
eine Wahrnehmung durch die Gemeinschaft.
Die Annahme einer gemeinschaftsbezogenen Pflicht trägt zudem auch
dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung in § 10 Abs. 6 bis 8 WEG
Rechnung, das Wohnungseigentumsrecht praktikabler zu gestalten (vgl. BT-
Drucks. 16/887, S. 60). Würde die Forderung nicht über die Wohnungseigentü-
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mergemeinschaft abgewickelt, wäre der betroffene Wohnungseigentümer ge-
zwungen, selbst zu ermitteln, in welchem Umfang die anderen Wohnungseigen-
tümer nach der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2
WEG oder einem vereinbarten abweichenden Verteilungsmaßstab verpflichtet
sind, an der Befriedigung der Forderung mitzuwirken. Er müsste sodann auf
jeden Wohnungseigentümer einwirken, der anteiligen Mitwirkungspflicht nach-
zukommen. Soweit eine rechtzeitige Mitwirkung aller Wohnungseigentümer
nicht erreicht werden kann, wäre er zur Vermeidung einer Vollstreckung gegen
sich gezwungen, die Abgabenforderung selbst zu bezahlen.
Anschließend
müsste er seine anteiligen Ausgleichsansprüche gegen die Eigentümer durch-
setzen, die nicht oder zu wenig gezahlt haben. Sollte einer der Eigentümer zah-
lungsunfähig sein, würden sich die Ausgleichsansprüche gegen die anderen
entsprechend erhöhen (§ 426 Abs. 1 Satz 2 BGB), so dass Nachforderungen zu
stellen wären. Die mit einem solchen Vorgehen verbundenen Schwierigkeiten
und Risiken sind für den in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer un-
zumutbar. Demgegenüber liegt die Abwicklung über die Wohnungseigentümer-
gemeinschaft im Interesse aller Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentü-
mergemeinschaft, die über ein selbständiges Finanz- und Rechnungswesen
verfügt, hat mit der Eigentümerversammlung und dem Verwalter geeignete Or-
gane, um derartige Zahlungen im Innen- und Außenverhältnis transparent und
unter Einbindung der Wohnungseigentümer abzuwickeln.
2. Die Gemeinschaft ist verpflichtet, eine gemeinschaftsbezogene Forde-
rung so zu behandeln, als wäre sie ausschließlich gegen sie selbst gerichtet.
Sie hat die Forderung zu begleichen, soweit diese berechtigt ist (vgl. OLG
Hamm, NJW-RR 2009, 1463, 1465), oder, wenn sie Zweifel an deren Recht-
mäßigkeit hat, im Zusammenwirken mit dem in Anspruch genommenen Woh-
nungseigentümer Maßnahmen zu ergreifen, um die Forderung abzuwehren und
eine Vollstreckung gegen den Wohnungseigentümer aus dem Bescheid zu ver-
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hindern. Mit dieser aus § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG folgenden Verpflichtung der
Wohnungseigentümergemeinschaft geht ein entsprechender Freistellungsan-
spruch des von dem Gläubiger in Anspruch genommenen Wohnungseigentü-
mers einher.
3. Erfüllt der von dem Gläubiger als Gesamtschuldner in Anspruch ge-
nommene Wohnungseigentümer die Abgabenforderung aus eigenen Mitteln,
steht ihm gegen die Gemeinschaft ein aus § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG folgender
Erstattungsanspruch zu (vgl. Becker, ZfIR 2012, 402, 412; ders. in ZWE 2014,
14, 17; Schmid, ZWE 2009, 325; Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 10
Rn. 311; KG, ZMR 2009, 786, 789 und ZWE 2010, 89 ff.).
a) Ein solcher Anspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der
Wohnungseigentümer - wie hier - die Forderung aus dem Leistungsbescheid
begleicht, ohne dies mit der Gemeinschaft zuvor abzustimmen (vgl. auch BGH,
Urteil vom 14. November 1979 - VIII ZR 333/78, MDR 1980, 309; Senat, Urteil
vom 12. Juli 1991 - V ZR 204 /90, NJW 1991, 2899, 2900 zur Erfüllungsüber-
nahme). Denn er hat ein schutzwürdiges Interesse daran, die Einleitung von
Vollstreckungsmaßnahmen in sein Vermögen durch den Abgabengläubiger zu
verhindern. Rechtsbehelfe gegen den Abgabenbescheid hindern dessen Voll-
streckung grundsätzlich nicht (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ebenso wenig
steht dem Wohnungseigentümer gegenüber dem Gläubiger ein Anspruch auf
Gewährung eines Zahlungsaufschubs bis zu einer Willensbildung durch die
Wohnungseigentümergemeinschaft zu. Er bleibt daher im Außenverhältnis zur
Zahlung innerhalb der vorgegebenen Frist verpflichtet und kommt, will er
Säumnisfolgen oder eine Vollstreckung verhindern, häufig nicht umhin, die For-
derung zunächst aus eigenen Mitteln zu begleichen.
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b) Allerdings ist es der Gemeinschaft nicht verwehrt, gegenüber einem
Wohnungseigentümer, der die Forderung des Abgabengläubigers ohne vorhe-
rige Absprache beglichen hat, Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des
Leistungsbescheides zu erheben. Insoweit kann nichts anderes gelten als bei
einem Ausgleich unter Gesamtschuldnern (vgl. BVerwG, NJW 1993, 1667,
1668 f.). Das berechtigt die Wohnungseigentümergemeinschaft aber nicht zu
einer Zahlungsverweigerung, wenn der Wohnungseigentümer - etwa durch Ein-
legung eines Widerspruchs gegen den Abgabenbescheid - der Gemeinschaft
die Möglichkeit offen gehalten hat, die Rechtmäßigkeit des Bescheides verwal-
tungsgerichtlich überprüfen zu lassen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft
steht dann nicht anders, als wäre sie rechtzeitig mit der Sache befasst worden.
Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides hätten sie
nicht davon entbunden, gegenüber dem Wohnungseigentümer ihre aus § 10
Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG folgende Wahrnehmungspflicht zu erfüllen; an-
gesichts der Vollstreckbarkeit des Bescheides hätte dies grundsätzlich eine
(ggf. vorläufige) Forderungsbegleichung erfordert. Nur ausnahmsweise kann
die Wohnungseigentümergemeinschaft in einem solchen Fall gegenüber dem
Wohnungseigentümer die Erstattung des von ihm verauslagten Betrages ver-
weigern, nämlich dann, wenn sie darlegt und beweist, dass sie bei rechtzeitiger
Information den - zu einer Mitwirkung verpflichteten - Wohnungseigentümer zur
Einleitung verwaltungsgerichtlicher Maßnahmen, etwa in Form eines Antrags
nach § 80 Abs. 5 VwGO, veranlasst hätte, und dass dadurch dessen Zahlungs-
pflicht aus dem Abgabenbescheid vorläufig abgewendet worden wäre.
III.
Die Sache ist danach nicht zur Endentscheidung reif. Der Beklagten, die
die Bescheide für nichtig hält, ist Gelegenheit zu geben, näher darzulegen, dass
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und ggf. wie es ihr bei rechtzeitiger Information durch die Klägerin gelungen
wäre, auch deren vorläufige Zahlungsverpflichtung abzuwehren. Das Urteil ist
daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass derzeit ein
Erstattungsanspruch nicht besteht, weil anzunehmen ist, dass es der Beklagten
gelungen wäre, einen Zahlungsaufschub bis zur Entscheidung des Präzedenz-
falles zu erreichen, wäre die Klage als zur Zeit unbegründet abzuweisen. Kann
die Klägerin hingegen Erstattung des von ihr bezahlten Betrages verlangen, ist
sie in entsprechender Anwendung von § 255 BGB verpflichtet, mögliche Rück-
erstattungsansprüche gegen den Abgabengläubiger an die Gemeinschaft abzu-
treten (vgl. zum Aufwendungsersatzanspruch eines Gesellschafters Schäfer in
Staub, HGB, 5. Aufl., § 110 Rn. 14; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl.,
§ 110 Rn. 6).
Stresemann
Czub
Brückner
Weinland
Kazele
Vorinstanzen:
AG Königs Wusterhausen, Entscheidung vom 04.06.2012 - 40 C 6/12 -
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 19.02.2013 - 16 S 142/12 -
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