Urteil des BGH vom 27.07.2006

BGH: treu und glauben, schriftliche form, unterzeichnung, abrede, geschäftsbeziehung, unternehmen, zusammenarbeit, beurkundung, provision, datum

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Gericht:
OLG Frankfurt 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 258/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 133 BGB, § 157 BGB, § 667
BGB, § 675 Abs 1 BGB
(Geschäftsbesorgungsvertrag: Auslegung einer
Abrechnungsvereinbarung zwischen zwei
Finanzdienstleistungsunternehmen)
Leitsatz
Zur Auslegung einer Abrechnungsvereinbarung zwischen zwei
Finanzdienstleistungsunternehmen
Tenor
[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde
vom Gericht nicht mitgeteilt]
Gründe
I.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das sich mit der Vermittlung von
Finanzdienstleistungsprodukten auch unter Einschaltung von Handelsvertretern
befasst. Die Beklagte hat einen vergleichbaren Unternehmensgegenstand und
fungiert als Abrechnungspartner hinsichtlich der vermittelten Verträge für
Unternehmen wie das der Klägerin dergestalt, dass sie das gesamte, für
Abrechnungen, Werbung, Mitarbeiterschulung usw. notwendige „Back Office“
gegen eine Provisionsteilhabe zur Verfügung stellt.
Am 29.11.2002 fand eine Besprechung der Parteien in O2 statt. Unter diesem
Datum ist eine mit „Vereinbarung zur Regelung der Geschäftsbeziehung“ sowie
eine „Abrechnungsvereinbarung“, wegen deren inhaltlicher Einzelheiten auf Bl. 64
bis 69 d.A. verwiesen wird, von der Klägerin unterzeichnet. Die Urkunde verblieb
bei der Beklagten. Ob die Beklagte diese ebenfalls unterzeichnete, ist zwischen
den Parteien streitig. Vor dem 29.11.2002 hatte die Beklagte mit Schreiben vom
12.6.2002, 4.9.2002, 29.10.2002 und 27.11.2002 u.a. verschiedene
Personalunterlagen bei der Klägerin angefordert (Bezugnahme auf Bl. 70 bis 74
d.A.), mit Schreiben vom 13. Februar 2003 (Bezugnahme auf Bl. 74 d.A.) teilte die
Beklagte mit, den Vertrag unterzeichnet zurück zu senden, soweit die Klägerin
einen Auszug aus dem Gewerbezentralregister und eine Kopie der
Gewerbeanmeldung übersandt haben würde.
Mit Schreiben vom 25.7.2003 (Bezugnahme auf Bl. 26 d.A.) beendete die Beklagte
die Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung und sprach vorsorglich die Kündigung
der Zusammenarbeit zum nächst möglichen Termin aus.
Mit der Klage hat die Klägerin mit dem Antrag zur 1. a) eine Abrechnung über
vereinnahmte oder noch ausstehender Bestandsprovisionen für die Zeit ab
1.9.2001, zu b) bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der Abrechnung
Einsicht in die Geschäftsbücher, zu c) erforderlichenfalls die Versicherung der
Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung an Eides statt und zu d) Zahlung
der sich nach der Abrechnung zu a) ergebenden Bestandsprovisionen nebst
Zinsen, zu 2. die Erklärung der Freigabe vermittelter Depotbestände gegenüber
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Zinsen, zu 2. die Erklärung der Freigabe vermittelter Depotbestände gegenüber
der Fondsgesellschaft zugunsten der Klägerin und zu 3. Erteilung eines
Buchauszuges verlangt.
Die Klägerin hat behauptet, der schriftliche Vertrag sei im Rahmen der
Besprechung vom 29.11.2002 unterschrieben worden. Sie meint, aufgrund der
vertraglichen Vereinbarungen Anspruch auf die Bestandsprovisionen für alle
vermittelten Verträge zu haben, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses sei
die Beklagte verpflichtet, gegenüber den Partnergesellschaften offen zu legen,
dass die bestehenden Verträge künftig von der Klägerin betreut würden uns somit
künftig alle Provisionsabrechnungen unmittelbar zwischen dem
Partnerunternehmen der Klägerin durchgeführt würden, einen den inhaltlichen
Anforderungen genügenden Buchauszug habe die Beklagte nicht erteilt.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat behauptet, die Parteien habe eine rein tatsächliche vertragliche
Geschäftsbeziehung auf Grundlage der §§ 84 ff. HGB, die Ansprüche auf Bestands-
und Dynamikprovisionen nicht vorsähen, verbunden. Auf die Übertragung der
Bestände habe die Beklagte keinerlei Einfluss, der der Klägerin zustehende
Anspruch auf einen Buchauszug sei mit dem unstreitig am 25.10.2003 erstellten
(Bezugnahme auf Bl. 79 bis 126 d.A.) erfüllt.
Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der
gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 148 bis
155 d. A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen - auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird verwiesen - und zur
Begründung u.a. ausgeführt, die zwischen den Parteien verhandelte Vereinbarung
sei mangels einer Unterzeichnung durch die Beklagte nicht zustande gekommen.
Ob jenseits der nur aufgrund nicht zustande gekommenen besonderen
Vereinbarung begründbaren Stufenbegehren zu den Bestandspositionen aus der
einstweilen praktizierten Geschäftsbeziehung gesetzliche Ansprüche auf Freigabe
von Depotbeständen und Erteilung eines Buchauszugsantrag geltend gemacht
werden könnten, könne dahinstehen, da nach dem Verteidigungsvorbringen der
Beklagten eine Freigabe der nicht in ihrer Verfügung stehenden Bestände nicht
möglich sei und der hinlängliche Buchauszug bereits vorliege.
Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie
unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags rügt, das
Landgericht habe erheblichen Vortrag der Klägerin unberücksichtigt - und die
gebotene Beweisaufnahme zur Unterzeichnung der Vereinbarung unterlassen,
jedenfalls verkannt, dass die Ansprüche der Klägerin auch auf Grundlage des
mündlichen Vertragsverhältnisses begründet seien, ferner, dass die Freigabe der
Bestände durch die Beklagte für eine Übertragung der Bestände durch
Produktpartner der Partner auf die Klägerin erforderlich sei, und übersehen, dass
der von der Beklagten vorgelegte Buchauszug erforderliche Angaben nur teilweise
bzw. überhaupt nicht enthalte.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 10.11.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts
Frankfurt - 3/03 O 29/04 - die Beklagte
1. zu verurteilen,
a) der Klägerin eine Abrechnung über die vereinnahmten Bestandsprovisionen
oder Ansprüche noch ausstehender Bestandsprovisionen zu erteilen, die ihr im
Zeitraum ab dem 1. September 2001 zugeflossen sind oder zustehen aus von der
Klägerin und den für die Klägerin tätigen Untervertretern unter der
Vermittlernummer „...“ vermittelten Depotbestände mit den Depotnummern bei
der A, O1,
b) bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit und/oder Vollständigkeit der
Abrechnung entweder der Klägerin oder einem von ihr zu bestimmenden
Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer Einsicht in die Geschäftsbücher oder
die sonstigen Urkunden zu gewähren, soweit dies zur Feststellung und Richtigkeit
der Abrechnung erforderlich ist,
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c) erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung an Eides
statt zu versichern,
d) an die Klägerin, die sich nach der Abrechnung zu a) ergebenden
Bestandsprovisionen nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen, abzüglich bereits geleisteter 638,57 €
2. die Beklagte weiter zu verurteilen,
bezüglich der seitens der Klägerin und den für sie tätigen Untervertretern unter
der Vermittlernummer „...“ vermittelten Depotbestände mit den Depotnummern
bei der A, O1 zugunsten der Klägerin gegenüber dieser Gesellschaft die Freigabe
dieser Depotbestände dergestalt zu erklären, dass die Beklagte mit der
Übertragung der Depotbestände durch die A auf die Klägerin einverstanden ist,
3. die Beklagte weiter zu verurteilen,
der Klägerin für die Zeit vom 1.9.2001 bis zum 30.9.2003 einen Buchauszug zu
erteilen, deren geordnete Darstellung Auskunft über alle von der Klägerin und der
für diese tätigen Untervermittler vermittelten Versicherungs- und sonstige
Verträge, bei welchen in diesem Zeitraum Abschluss-, Bestandspflege-, Dynamik-
und sonstige Provisionen fällig geworden sind, erstreckt und der für die einzelnen
Verträge folgende Angaben enthält:
1. Name des Versicherungsnehmers
2. Versicherungsscheinnummer
3. Art und Inhalt des Versicherungsvertrages (Sparte, Tarifart, prämien- oder
provisionsrelevante Sondervereinbarungen)
4. Jahresprämie
5. Versicherungsbeginn
6. bei Lebensversicherungen: Versicherungssumme, Eintrittsalter des
Versicherungsnehmers und Laufzeit des Vertrages
7. bei Lebensversicherungen mit Dynamisierung zusätzlich: Erhöhung der
Versicherungssumme, Zeitpunkt der Erhöhung und Erhöhung der Jahresprämie,
8. im Falle von Stornierungen: Datum der Stornierung, Gründe der Stornierung
und Art der ergriffenen Standerhaltungsmaßnahmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vortrag unter weiterem Hinweis darauf, die Klägerin habe den
Vortrag der Beklagten zum Zustandekommen einer Vereinbarung erstinstanzlich
nicht bestritten, der Vortrag der Klägerin und ihre Beweisangebote hätten sich
auch nur auf die Unterzeichnung eines dritten Unternehmen betreffenden
Vertrages bezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird
auf die Schriftsätze nebst Anlagen der Klägerin vom 31.1.2005 (Bl. 188 bis 200 d.
A.) und vom 4. Oktober 2005 (B. 254 bis 257 d.A.) sowie den Schriftsatz der
Beklagten vom 31. Mai 2005 (Bl. 227 bis 238 d.A.) Bezug genommen.
Mit Zustimmung der Parteien ist mit Beschluss vom 7. Juni 2006 (Bl. 315 d.A.) das
schriftliche Verfahren angeordnet und insoweit eine Schriftsatzfrist bis zum 5. Juli
2006 gesetzt worden.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und
gerechtfertigt worden.
Sie hat auch in der Sache Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einem
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Sie hat auch in der Sache Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einem
Rechtsfehler beruht und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine
andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO).
Da der Antrag zu 1.a) bis d) als Stufenklage (§ 254 ZPO) erhoben ist, insoweit nur
der Antrag zu 1. a), mit dem die Klägerin Abrechnung über die vereinnahmten
Bestandsprovisionen oder Ansprüche noch ausstehender Bestandsprovisionen
begehrt, und im Übrigen die Anträge zu 2. und 3. zur Endentscheidung reif sind,
hatte die Entscheidung als Teilurteil ergehen (§ 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
In entscheidungsreifem Umfang ist die Klage begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Abrechnung über die vereinnahmten
Bestandsprovisionen oder Ansprüche noch ausstehender Bestandsprovisionen
gemäß dem Klageantrag 1. a).
Die Pflicht der Beklagten Abrechnung der Bestandsprovisionen folgt vorliegend
nicht aus § 87 HGB, weil zwischen den Parteien im Termin zur mündlichen
Verhandlung vor dem Senat unstreitig geworden ist, dass die Klägerin nicht
Handelsvertreter bzw. Unterhandelsvertreter der Beklagten gewesen und niemals
im Namen der Beklagten aufgetreten ist, ferner, dass nach dem Inhalt der
Vereinbarung die Klägerin nicht als Vermittler von den Geschäften für die Beklagte
eingeschaltet war.
Sie ergibt sich aber aus den getroffenen Vereinbarungen als eines
Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 BGB), nach dem die Beklagte
Geschäftsbesorger für die angeschlossenen Partner, vorliegend die Klägerin, sein
sollte. Dieser Vertrag, der inhaltlich mit den Regelungen übereinstimmt, die in der
„Vereinbarung zur Regelung der Geschäftsbeziehung“ (Anlage B 1, Bl. 64 bis 69
d.A.) dokumentiert sind, ist entgegen der Ansicht des Landgerichts mit diesem
Inhalt kraft mündlicher Abrede der Parteien wirksam und verbindlich geworden.
Die Beklagte bezweifelt nicht, dass die genannte Vereinbarung kraft Gesetzes der
Wahrung der Schriftform (§ 126 BGB) nicht bedarf. Die Auslegungsregel des § 154
Abs. 2 BGB, nach der im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen ist, bis die
Beurkundung erfolgt ist, wenn eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags
verabredet worden ist, ist vorliegend nicht anzuwenden, weil weder vorgetragen
noch ersichtlich ist, dass die Parteien vor Vertragsschluss eine Beurkundung
vereinbart hätten, worauf der Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom
6. Oktober 2005 ausdrücklich hingewiesen hat.
Soweit das Landgericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, die Wirkung
des Vertrages sei von dem Vollzug der förmlichen Dokumentation abhängig, weil
ausweislich der vorgelegten Korrespondenz beide Parteien von der Notwendigkeit
einer Unterzeichnung der Vertragsurkunde ausgegangen seien (S. 7 vorletzter
Absatz des Urteils), liegt darin keine abweichende tatbestandliche Feststellung mit
Bindungswirkung (§ 314 Satz 1 ZPO).
Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils enthalten keine Feststellung
hinsichtlich der maßgeblichen diesbezüglichen Motive der Parteien. Dass die
Parteien von der Notwendigkeit der Unterzeichnung ausgegangen sind, kann
zugunsten der Beklagten unterstellt werden, weil der Entscheidung zugrunde zu
legen ist, dass nach dem Parteiwillen der Schriftform nur Beweisfunktion hat
zukommen sollen.
Zwar kann sich ohne ausdrückliche Abrede aus der detaillierten schriftlichen
Niederlegung der Parteiabreden ergeben, dass die Schriftform nicht nur
Beweiszwecken, sondern der eindeutigen Festlegung der Konditionen dient und
infolgedessen die schriftliche Form des Abschlusses vereinbart ist (vgl. OLG
Koblenz, MDR 1994, 1110, Juris Rz. 7, 8). Von einer stillschweigenden
Beurkundungsabrede ist hier aber deshalb nicht auszugehen, weil der Vertrag
unstreitig bereits am 1.9.2001 auf der Grundlage der Provisionsliste der Beklagten
entsprechend Anlage K 1 formlos geschlossen und seither durchgeführt worden
war und keine Partei behauptet hat, die schriftlich niedergelegten Abreden
spiegelten die zuvor getroffenen mündlichen Abreden nicht wider. Auch der
Umstand, dass die Beklagte mit Schreiben vom 12. Juni 2002, 4. September 2002,
29. Oktober 2002 und 27. November 2002 von der Klägerin die Unterschrift auf der
Vertragsurkunde und deren Rücksendung verlangt hat, nötigt nicht zu einer
abweichenden Beurteilung. Eine Bitte um schriftliche Bestätigung des
Vertragsinhaltes erfolgt in aller Regel nur zu Beweiszwecken, wobei durch
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Vertragsinhaltes erfolgt in aller Regel nur zu Beweiszwecken, wobei durch
Auslegung zu ermitteln ist, worauf der Parteiwille gerichtet ist (vgl. OLG München,
WM 1984, 469, Juris Rz. 31). Die genannten Aufforderungen der Beklagten sind
nicht dahin auszulegen (§§ 133, 157 BGB), dass die Beklagte die Wirksamkeit des
Vertrages von der Unterzeichnung der Urkunde habe abhängig machen wollen.
Empfangsbedürftige Erklärungen sind so auszulegen, wie sie der
Erklärungsempfänger - hier die Klägerin - nach Treu und Glauben und unter
Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB,
65. Aufl., § 133, Rdz. 9 m. w. N. zur std. höchstrichterlichen Rspr.). Vorliegend war
der Vertrag im Juni 2002 bereits mehr als ½ Jahr von den Parteien aufgrund einer
mündlichen Abrede „gelebt“ und durchführt worden, ohne dass ein Hinweis auf die
Notwendigkeit der Wahrung der Schriftform erfolgt wäre. Wenn auch bei
langfristigen und wichtigen Verträgen die Vereinbarung einer konstitutiven
Vertragsform zu vermuten ist (vgl. Staudinger/BorK (2003), BGB, § 154, Rz. 17), ist
diese Vermutung vorliegend entkräftet. Denn bei einverständlicher Durchführung
des mündlich geschlossenen Vertrages ist § 154 Abs. 2 BGB selbst dann nicht
anwendbar, wenn die Schriftform zuvor konstitutiv vereinbart worden ist (vgl. BGH,
Urteil vom 27. Januar 1997 - II ZR 213/95, NJW-RR 1997, 669, Juris Rz 18), bei
nachträglicher Vereinbarung der Form greift die Vermutung des § 154 Abs. 2 BGB
schon nicht ein (vgl. BGH, Urteil vom 27 April 1994 - VIII ZR 34/93, NJW 1994, 2025,
Juris Rdz. 23).
Hiernach sind ohne Notwendigkeit einer dahingehenden Beweisaufnahme die
zwischen den Parteien streitigen Behauptungen zu der Frage, wann, an welchem
Ort und von welcher Seite die Unterzeichnung der Vertragsurkunde erfolgt ist,
nicht entscheidungserheblich.
Gibt hiernach der Text der „Vereinbarung zur Regelung der Geschäftsbeziehung“
die zwischen den Parteien zuvor mündlich vereinbarten Regelungen zutreffend
wieder, folgt aus Ziff. 4. der Vereinbarung, nach der der Partner für das von ihm
vermittelte Geschäft Provisionen gemäß der jeweils aktuellen für ihn gültigen
Provisionsliste erhält, in Verbindung mit der klägerseits als Anlage K 1 vorgelegten
„Provisionsliste Bestandsprovision“ der Beklagten, deren Maßgeblichkeit im
Verhältnis der Parteien von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden ist, dass
die Beklagte zur Auskehr von Bestandsprovisionen betreffend die Produkte der in
der Provisionsliste ausdrücklich genannten „B“, also zuvor zu deren Abrechnung
verpflichtet ist.
Soweit die Beklagte in der Berufungserwiderung gegenüber der erstinstanzlichen
Behauptung der Klägerin, die Abrechnung der Beklagten vom 23.1.2003 weise
auch der Klägerin geschuldete Bestandsprovision bezüglich der ... Fonds für den
Monat November 2002 aus, behauptet hat, hierbei handele es sich um eine
Zahlung, auf die die Klägerin keinen Anspruch gehabt habe, ist eine abweichende
Beurteilung nicht gerechtfertigt. Denn die Beklagte bestreitet mit diesem Vortrag
nicht, die Abrechnung auch zu Bestandsprovisionen erteilt zu haben. Dass
Bestandsprovisionen im Verhältnis der Parteien abzurechnen waren, wird im
übrigen durch ein vom Geschäftsführer der Beklagten erstelltes Protokoll eines
Gesprächs der Geschäftsführer der Parteien am 19. Mai 2003 (Anlage K 9, Bl. 31,
32) belegt, in dem es heißt, dass die Bestandsprovisionen auszuzahlen seien und
für die Bestandsprovisionen Investmentfonds 2002 noch eine pauschale Lösung
gefunden werden solle, über die spätestens nach der ersten „ Bepro-Abrechnung “
geredet werden solle. Dabei kann der Beklagten darin gefolgt werden, dass die
Anlage K 9 die vertragliche Vereinbarung der Parteien zur Zahlung von Bestands-
und Dynamikprovisionen nicht begründet. Die diesbezügliche Erörterung der
Parteien ist allerdings - wie ausgeführt – Folge der vorher getroffenen
Vereinbarung zur Zahlung von Bestandsprovisionen.
Dass sich, wenn eine Abrechnung geschuldet ist, wovon hier allerdings
auszugehen ist, diese auf die unter der Vermittlernummer „...“ vermittelten
Depotstände mit den im Klageantrag genannten Depotnummern beziehen hat, ist
zwischen den Parteien nicht streitig.
Bezüglich der Klageanträge zu 1. b), c), d) ist der Rechtsstreit noch nicht zu
Endentscheidung reif, weil eine abschließende Beurteilung ihrer Begründetheit die
Erteilung der Abrechnung voraussetzt. Deshalb konnte ein Grundurteil über das
mit dem Antrag 1. d) geltend gemachte unbezifferte Zahlungsbegehren nicht
ergehen, weil gegenwärtig nicht festgestellt werden kann, dass die Erteilung der
Abrechnung eine Leistungspflicht für die Zahlungsstufe ergeben wird (vgl. BGH,
Urteil vom 1. März 1999 - II ZR 312/97, BGHZ 141, 79 = NJW 1999, 1706, Juris Rz.
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Urteil vom 1. März 1999 - II ZR 312/97, BGHZ 141, 79 = NJW 1999, 1706, Juris Rz.
17).
Des weiteren hat die Klägerin entsprechend dem in der Berufungsinstanz durch
eine Modifikation klarstellenden Inhalts gestellten Antrag zu 2. Anspruch darauf,
dass die Beklagte die Freigabe der genannten Depotbestände dergestalt erklärt,
mit der Übertragung der Depotbestände durch die A auf die Klägerin
einverstanden zu sein.
Der Anspruch der Klägerin hierauf folgt aus § 675, 667 BGB, wonach der
Beauftragte verpflichtet ist, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des
Auftrags erhält und was aus der Geschäftsbesorgung erlangt worden ist,
herauszugeben. Denn die Beklagte ist im Verhältnis der Klägerin aufgrund eines
Geschäftsbesorgungsvertrages tätig geworden und hat unstreitig als
„Abrechnungsstelle“ der Klägerin fungiert, während die Verträge von der Klägerin
vermittelt und die Bestände der jeweiligen Produktspartner lediglich aus
Abrechnungsgründen unter dem Namen und für Rechnung der Beklagten geführt
wurden. Nach Beendigung des Geschäftsbesorgungsverhältnisses ist der
rechtfertigende Grund hierfür entfallen, die von der Beklagten im Verhältnis zu den
Produktpartnergesellschaften eingenommene Position steht ihr im Verhältnis zur
Klägerin nicht mehr zu. Die Beklagte ist daher verpflichtet, gegenüber den
Partnergesellschaften ihre Zustimmung zur Bestandsübertragung auf die Klägerin
zu erklären und so ihre Verpflichtung zur Herausgabe der erlangten Position zu
erfüllen (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2004 - IX ZR 178/03, NJW-RR 2004, 1290,
Juris Rz. 5).
Der Beklagte ist der Behauptung der Klägerin, das Einverständnis der Beklagten
sei Voraussetzungen dafür, dass die Produktpartner die Bestände wieder auf die
Klägerin übertragen, erforderlich, dadurch entgegengetreten, dass sie in der
Berufungserwiderung darauf hingewiesen hat, die Frage, ob eine Bestandsfreigabe
durch die Beklagte überhaupt erforderlich sei, stelle sich erst, wenn ein
Produktpartner bei einer Bestandsübertragung zugunsten der Klägerin bereit wäre.
Auf die Bereitschaft der Produktpartner zur Bestandsübertragung kommt es aber
im Verhältnis der Parteien nicht an. Die Beklagte ist zur Abgabe der
Einverständniserklärung ohne Rücksicht darauf verpflichtet, ob die Produktpartner
die Übertragung der Bestände auf die Klägerin vorzunehmen bereit sind oder
nicht, weil die vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und den
Produktpartnern diejenigen zwischen der Klägerin und der Beklagten unberührt
lassen.
Letztlich ist die Beklagte gemäß dem Klageantrag zu 3. der Klägerin zur Erteilung
des Buchauszuges in dem geltend gemachten Umfange verpflichtet.
Ihre grundsätzliche Verpflichtung hierzu, die sich aus der wirksam formlos
getroffenen Abrechnungsvereinbarung ergibt, nach der die Beklagte einen
Buchauszug im Sinne des HGB zu erstellen hat, hat die Beklagte nicht nur nicht in
Abrede gestellt, sondern bereits in der Klageerwiderung zugestanden. Sie hat sich
auch nicht dagegen gewandt, dass die Klägerin den Anspruch für die Zeit vom
1.9.2001 bis zum 30.9.2003 geltend macht, weil die Beklagte sich gegenüber den
diesbezüglichen Klagebegehren auf den Einwand der Erfüllung beruft und nicht
einwendet, aufgrund ihrer unter dem 25. Juli 2003 abgegebenen Erklärung, die
Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung zu beenden, sei ein Anspruch der Klägerin
auf Erteilung des Buchauszuges in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitpunkt des
Wirksamwerdens der Erklärung beschränkt.
Nachdem die Beklagte aufgrund der Abrechnungsvereinbarung formal eine
Stellung im Verhältnis zur Klägerin einnimmt, die derjenigen vergleichbar ist, die
sie einnehmen würde, wenn die Klägerin als Handelsvertreter für sie agieren
würde, ist es gerechtfertigt, an die inhaltlichen Anforderungen für den zu
erteilenden Buchauszug den entsprechenden Maßstab anzulegen. Dann muss der
Buchauszug die im Zeitpunkt seiner Aufstellung für die Berechnung, die Höhe und
die Fälligkeit der Provision relevanten Geschäftsverhältnisse vollständig
widerspiegeln, soweit sie sich aus den Büchern des Unternehmers entnehmen
lassen (BGH, Urteil vom 21. März 2001 - VIII ZR 149/99, NJW 2001, 2333, Juris Rz.
18) In den Buchauszug sind alle sich aus den schriftlichen Unterlagen des
Unternehmens ergebenden und für die Provision bedeutsamen Angaben
aufzunehmen, d.h., die zur Identifizierung des Geschäfts notwendigen Merkmale
(Versicherungsnehmer, Versicherungsscheinnummer, Art und Sparte des
Vertrages, Tarif) und die Angaben zu dem für die Provision wesentlichen Inhalt des
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Vertrages, Tarif) und die Angaben zu dem für die Provision wesentlichen Inhalt des
Versicherungsvertrages (Jahresprämie, provisionsrelevante
Sondervereinbarungen, der Versicherungsbeginn, die Versicherungssumme, das
Eintrittsalter des Versicherungsnehmers, die Laufzeit des Vertrages, bei
Lebensversicherungsverträgen mit Dynamisierung zusätzlich die Erhöhung der
Versicherungssumme, Zeitpunkt der Erhöhung und Erhöhung der Jahresprämie,
im Fall von Stornierungen, Datum der Stornierung, deren Gründe und Art der
ergriffenen Bestanderhaltungsmaßnahmen, vgl. BGH a.a.O., Rdnr. 23 ff.).
Diesen Anforderungen genügt der von der Beklagten vorgelegte Buchauszug
unstreitig jedenfalls nicht vollumfänglich, weil darin die
Versicherungsscheinnummern und Angaben zu Art und Inhalt des
Versicherungsvertrages nur teilweise enthalten sind, während die Angaben zur
Jahresprämie, die erforderlichen Angaben zu Lebensversicherungsverträgen und
die im Falle von Stornierungen aufzunehmenden Angaben vollumfänglich fehlen.
Der dahingehende Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung zu den
fehlenden Angaben ist ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des
§ 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen, weil die Beklagte ihn nicht bestritten,
sondern lediglich und insoweit nicht nachvollziehbar geltend gemacht hat, der
jetzige Vortrag der Klägerin lasse nicht erkennen, welche einzelnen Angaben zu
dem Buchauszug dargestellten Verträgen fehlten.
Eine Kostenentscheidung im Teilurteil war nicht veranlasst.
Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO,
die Höhe der Sicherheitsleistung orientierte sich an dem geschätzten der
Beklagten entstehenden Aufwand für die Erstellung der Abrechnung bzw. die
Erteilung eines neuen Buchauszuges, während bezüglich der Verurteilung zur
Abgabe einer Willenserklärung gemäß Ziff. 2 des Tenors eine vorläufige
Vollstreckung ausscheidet (§ 894 Abs. 1 ZPO).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO
nicht erfüllt sind.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.