Urteil des BGH vom 02.02.2000

Leitsatzentscheidung

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
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StPO §§ 81g, 162 Abs. 1; DNA-IFG § 2
Die Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung
zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters bilden zusammen eine Un-
tersuchungshandlung. Für deren Anordnung ist der Ermittlungsrichter desjeni-
gen Amtsgerichts zuständig, in dessen Bezirk die Entnahme stattfinden soll;
dies gilt auch dann, wenn beantragt ist, die Untersuchung der Körperzellen im
Bezirk eines anderen Amtsgerichts vorzunehmen.
BGH, Beschl. vom 2. Februar 2000 - 2 ARs 495/99 - AG Koblenz und Oldenburg
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 ARs 495/99
2 AR 249/99
vom
2. Februar 2000
in dem DNA-Idenditätsfeststellungsverfahren
gegen
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Az.: 50 VRs 3491/97 Staatsanwaltschaft Oldenburg
Az.: Cs 262 Js 46439/96 Amtsgericht Wilhelmshaven
Az.: 32 Gs II 93/99 Amtsgericht Koblenz
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts am 2. Februar 2000 gemäß § 14 StPO beschlossen:
Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Koblenz hat über den
Antrag der Staatsanwaltschaft Oldenburg vom 14. April 1999 zu
entscheiden.
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat bei dem Amtsgericht Koblenz be-
antragt, gegen den im dortigen Bezirk wohnhaften Verurteilten, der 1997 vom
Amtsgericht Wilhelmshaven wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern rechts-
kräftig mit Strafe belegt worden war, die Entnahme einer Speichelprobe und
deren molekulargenetische Untersuchung durch das Landeskriminalamt Nie-
dersachsen anzuordnen (§ 2 DNA-IFG in Verbindung mit § 81g Abs. 1 StPO).
Das angerufene Amtsgericht hat diesen Antrag abgelehnt und zur Begründung
ausgeführt, es sei örtlich nicht zuständig, weil die Entnahme der Körperzellen
in seinem Bezirk, ihre Untersuchung dagegen in Niedersachsen stattfinden
solle; da der Antrag somit auf die Vornahme zweier Untersuchungshandlungen
in verschiedenen Amtsgerichtsbezirken ziele, sei nach § 162 Abs. 1 Satz 2
StPO das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die antragstellende Staats-
anwaltschaft ihren Sitz habe. Das von der Staatsanwaltschaft sodann angeru-
fene Amtsgericht Oldenburg hat seine Zuständigkeit gleichfalls verneint.
Daraufhin ist die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Bun-
desgerichtshof vorgelegt worden.
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Der Bundesgerichtshof, der als gemeinschaftliches oberes Gericht den
Zuständigkeitsstreit zu entscheiden hat (§ 14 StPO), erklärt das Amtsgericht
Koblenz für zuständig. Dessen Zuständigkeit ergibt sich daraus, daß die bean-
tragte Untersuchungshandlung mit der Entnahme einer Speichelprobe im dorti-
gen Bezirk anfangen soll, weil der Verurteilte dort wohnt (§ 2 Abs. 2 DNA-IFG
in Verbindung mit § 162 Abs. 1 Satz 1 StPO). Anders wäre es allerdings, wenn
die gleichfalls beantragte Untersuchung der dabei zu gewinnenden Körperzel-
len, die in Niedersachsen, also im Bezirk eines anderen Amtsgerichts stattfin-
den soll, eine weitere, selbständige Untersuchungshandlung darstellen würde;
hält nämlich die Staatsanwaltschaft richterliche Anordnungen für die Vornahme
von Untersuchungshandlungen in mehr als einem Bezirk für erforderlich, so
muß sie die Anordnungen bei dem Amtsgericht beantragen, in dessen Bezirk
sie selbst ihren Sitz hat (§ 162 Abs. 1 Satz 2 StPO). Diese Voraussetzung liegt
jedoch nicht vor. Entnahme und Untersuchung der Körperzellen bilden vielmehr
zusammen eine einheitliche Untersuchungshandlung. Die Entnahme hat ohne
nachfolgende Untersuchung keinen Sinn, die Untersuchung ist ohne vorange-
gangene Entnahme nicht möglich. Beide Maßnahmen sind Gegenstand nur
einer richterlichen Anordnung. Für diese ist dasjenige Amtsgericht zuständig, in
dessen Bezirk die Untersuchungshandlung beginnen soll. Dies hat der Bun-
desgerichtshof bereits unter der Geltung des noch nicht novellierten DNA-IFG
vom 7. September 1998 (BGBl. I S. 2646) entschieden; zur Begründung hat er
sich die Ausführungen des Generalbundesanwalts zu Eigen gemacht, wonach
die Entnahme von Körperzellen nur als Vorstufe einer molekulargenetischen
Untersuchung zulässig ist und mit dieser zusammen eine einzige, auf die Ge-
winnung nur eines Erkenntnisses gerichtete Untersuchungshandlung darstellt
(BGHR StPO § 81g Zuständigkeit 1 = StV 1999, 302). Dies gilt - wovon eine
spätere Entscheidung des Bundesgerichtshofs ohne weiteres ausgeht (BGH,
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Beschluß vom 23. Dezember 1999 - 2 ARs 487/99) - auch nach Inkrafttreten
des Gesetzes zur Änderung des DNA-IFG vom 2. Juni 1999 (BGBl. I S. 1242).
Durch dieses Gesetz ist § 2 DNA-IFG geändert worden; der bisherigen Vor-
schrift, die nunmehr Absatz 1 ist, wurde ein Absatz 2 angefügt, wonach für die
in Absatz 1 beschriebenen Maßnahmen § 81a Abs. 2, §§ 81f und 162 Abs. 1
StPO entsprechend gelten. Diese Verweisungsregelung berührt nicht die Fra-
ge, ob die Untersuchung von Körperzellen im Verhältnis zu deren vorangegan-
gener Entnahme eine weitere, selbständige Untersuchungshandlung ist; sie
ändert nichts daran, daß beide, durch den einheitlichen Erkenntniszweck mit-
einander verknüpften und aufeinander folgenden Maßnahmen eine einheitliche
Untersuchungshandlung im Rechtssinne bilden.
Jähnke Niemöller Detter
Bode Otten