Urteil des BGH vom 11.04.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 176/11
Verkündet am:
11. April 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO §§ 50, 166 Abs. 2, § 170 Abs. 1, §§ 171, 173 Abs. 2; BGB §§ 1281, 1282 Abs. 1
a) Ist die verpfändete Forderung fällig, die durch das Pfandrecht gesicherte Hauptforde-
rung jedoch nicht, steht dem Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des
Pfandschuldners das alleinige Einzugsrecht zu.
b) Zieht der wegen des fehlenden Einzugsrechts des Pfandgläubigers einziehungsbe-
fugte Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Pfandschuldners die
verpfändete Forderung ein, kann er die Kosten der Feststellung und der Verwertung der
Forderung vorab für die Masse entnehmen.
BGH, Urteil vom 11. April 2013 - IX ZR 176/11 - OLG Brandenburg
LG Neuruppin
- 2 -
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Februar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser,
die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter
Dr. Fischer
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers und der Streithelferin des Klägers
wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Ober-
landesgerichts vom 12. Oktober 2011 im Kostenpunkt sowie inso-
weit aufgehoben, als die Berufung gegen die Abweisung des Zah-
lungsantrags zu 2 und der Hilfsanträge zurückgewiesen worden
ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte ist Verwalter in dem am 22. August 2002 eröffneten Insol-
venzverfahren
über
das
Vermögen
der
H.
GmbH (Schuldnerin). Die Schuldnerin hatte dem am 21. Oktober 1946 gebore-
nen Kläger, einem ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer, am 4. August 1993
eine schriftliche Pensionszusage erteilt, in welcher es heißt:
1
- 3 -
"1. Sie erhalten ein lebenslängliches Ruhegeld in Höhe von 2000 DM
[= 1.0
22,58 €] monatlich, wenn Sie
a) nach Vollendung des 60. Lebensjahres … aus den Diensten der Gesellschaft
ausscheiden
2. Ihr im Zeitpunkt Ihres Ablebens mit Ihnen in gültiger Ehe lebender
Ehegatte er
hält eine lebenslängliche Hinterbliebenenrente …
4. Die Versorgungsleistungen werden am Ende eines jeden Monats ge-
zahlt, begin
nend mit dem Monat nach Eintritt des Versorgungsfalles…"
Zur Sicherung des Anspruchs schloss die Schuldnerin eine Rückde-
ckungsversicherung bei der Streithelferin des Klägers (fortan: Streithelferin) ab
und verpfändete die hieraus folgenden Ansprüche an den Kläger sowie für den
Fall des Todes an dessen Ehefrau.
In einem Vorprozess nahm der Beklagte den Kläger gemäß § 64 Abs. 2
GmbHG aF auf Erstattung in Anspruch. Mit Urteil vom 13. Juni 2006 wurde der
Kläger verurteilt, an den Beklagten 29.510,16
€ nebst Zinsen und Kosten zu
zahlen. Am 1. Dezember 2006 endete der Versicherungsvertrag. Am 2. April
2008 überwies die Streithelferin einen Betrag von 73.689,60
€ an den Beklag-
ten.
Der Kläger verlangt die Auskehrung der Versicherungssumme, soweit
diese nicht durch die Begleichung der Urteilssumme nebst Zinsen und Kosten
aus dem Vorprozess verbraucht worden ist. Der Beklagte hat hilfsweise mit wei-
teren Ansprüchen aus § 64 Abs. 2 GmbHG aF sowie aus § 823 Abs. 2 BGB in
Verbindung mit § 283 StGB aufgerechnet. Die Klage ist in den Vorinstanzen
erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der
2
3
4
5
6
7
- 4 -
Kläger den Anspruch auf Zahlung von 47.454,93
€ weiter. Hilfsweise begehrt er
die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, im Zeitraum Oktober 2011
bis Juli 2015 monatlich 1.022,58
€ sowie im August 2015 weitere 416,32 € an
ihn zu zahlen; weiter hilfsweise begehrt er, den Beklagten zur Hinterlegung des
Betrages von 47.454,93
€ zu verurteilen. Der Beklagte beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zu-
rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Entgegen der Ansicht des Beklagten war die Berufung auch insoweit zu-
lässig, als der Kläger mit ihr den auf Zahlung von 47.454,93
€ gerichteten
Hauptantrag verfolgt hat.
1. Wird die Berufung - wie hier - unbeschränkt eingelegt, erstreckt sich
die hierdurch eintretende Hemmung der Rechtskraft grundsätzlich auch dann
auf das gesamte erstinstanzliche Urteil, wenn die Berufungsbegründung einen
beschränkten Antrag enthält. In der Beschränkung allein liegt kein Verzicht (vgl.
§ 515 ZPO) auf den (zunächst) nicht weiter verfolgten Antrag (BGH, Urteil vom
28. September 2000 - IX ZR 6/99, NJW 2001, 146). Der Berufungskläger kann
die Berufung auch nach Ablauf der Begründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) bis
zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erweitern,
8
9
10
- 5 -
soweit die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die Antragserweiterung
decken (BGH, Urteil vom 28. September 2000, aaO; Beschluss vom 9. Novem-
ber 2004 - VIII ZB 36/04, NJW-RR 2005, 714, 715; Urteil vom 14. Mai 2009
- I ZR 98/06, BGHZ 181, 98 Rn. 16).
2. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Landgericht hat die Klage
mit der Begründung abgewiesen, sowohl der Zahlungs- als auch der Feststel-
lungsantrag hätten zur Tabelle angemeldet werden müssen. Zum Zahlungsan-
trag heißt es ergänzend, unabhängig von der fehlenden Anmeldung habe der
Kläger auch keinen Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme; er
könne lediglich nach Maßgabe der getroffenen Vereinbarungen Zahlung eines
monatlichen Ruhegeldes verlangen. Die Erklärung in der Berufungsbegrün-
dung, der Zahlungsanspruch solle nicht weiterverfolgt werden, weil der Kläger
das Renteneintrittsalter noch nicht erreicht habe, bezieht sich nicht auf das an-
gefochtene Urteil, sondern erklärt sich daraus, dass die Parteien in erster In-
stanz zu Unrecht, aber übereinstimmend davon ausgegangen waren, dass der
Kläger erst ab Vollendung des 65. Lebensjahrs einen Anspruch auf Pensions-
zahlungen haben sollte. Sie kann daher nicht dahingehend verstanden werden,
der Kläger wolle sich seines Rechts auf Überprüfung der erstinstanzlichen Ent-
scheidung endgültig begeben (vgl. RGZ 161, 350, 355). Nachdem in zweiter
Instanz unstreitig geworden war, dass die Pensionszahlungen bereits mit dem
vollendeten 60. Lebensjahr des Klägers beginnen sollten, konnte der Kläger
den Zahlungsantrag wieder aufnehmen. Der wesentliche Berufungsangriff, eine
Anmeldung der Forderung zur Tabelle sei nicht erforderlich gewesen, betraf
ebenso den Haupt- wie den Hilfsantrag.
11
- 6 -
II.
Das Berufungsgericht hat gemeint, es fehle an einer Anspruchsgrundla-
ge für die geltend gemachten Ansprüche. § 170 Abs. 1 InsO sei nicht einschlä-
gig, weil der Beklagte den Versicherungsvertrag nicht verwertet habe. § 166
Abs. 2 InsO gelte nicht für eine verpfändete Forderung, bei der Pfandreife ein-
getreten sei. Der Anspruch des Klägers aus der Pensionszusage sei von No-
vember 2006 an ratierlich fällig geworden, weil der Kläger im Oktober 2006 das
60. Lebensjahr vollendet habe und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als
Ausscheiden aus dem Dienst der Schuldnerin anzusehen sei. Gemäß § 1282
Abs. 1 Satz 1 BGB habe die Streithelferin daher nur an den Kläger mit befrei-
ender Wirkung leisten können. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung
kämen nicht in Betracht, weil nicht der Beklagte, sondern die Streithelferin des
Klägers an diesen geleistet habe. Die Bereicherung sei auch nicht auf Kosten
des Klägers erfolgt, weil die Streithelferin durch die Zahlung an den Beklagten,
soweit sie nicht auf die titulierte Forderung bezogen sei, nicht von ihrer Ver-
pflichtung gegenüber dem Kläger freigeworden sei. Schadensersatzansprüche
seien nicht ersichtlich. Ansprüche aus § 60 InsO richteten sich gegen den Klä-
ger persönlich. Die Hilfsanträge seien gleichfalls nicht begründet. Der Anspruch
auf Zahlung einer monatlichen Rente stelle eine Insolvenzforderung dar und
müsse zur Tabelle festgestellt werden. Die Hinterlegung nach §§ 191 f InsO
diene der Sicherung aufschiebend bedingter Insolvenzforderungen; solche ha-
be der Kläger jedoch nicht angemeldet.
12
- 7 -
III.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Grundlage der geltend gemachten Ansprüche ist § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO in
entsprechender Anwendung.
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Streithelferin des
Klägers die Versicherungssumme am 2. April 2008 an den Beklagten als Be-
rechtigten ausgezahlt. Die Berechtigung des Beklagten folgt aus § 173 Abs. 2
Satz 2 InsO in entsprechender Anwendung.
a) Der Beklagte war nicht nach § 166 Abs. 2 InsO einziehungsbefugt.
Diese Vorschrift erlaubt dem Verwalter die Einziehung oder anderweitige Ver-
wertung einer Forderung, welche der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs
abgetreten hatte. Auf verpfändete Forderungen ist sie nicht, auch nicht entspre-
chend, anwendbar (BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - IX ZR 262/01, NZI 2002,
599 f; vom 7. April 2005 - IX ZR 138/04, NZI 2005, 384, 385; vgl. auch Berger,
Festschrift für Gero Fischer, 2008, S. 1, 4).
b) Der Beklagte war jedoch deshalb zur Einziehung der Versicherungs-
summe befugt, weil der Kläger als der einzige andere in Betracht kommende
Berechtigte nach den insoweit maßgebenden Vorschriften des Bürgerlichen
Gesetzbuchs nicht zur Einziehung der Versicherungsleistung berechtigt war.
aa) Gemäß § 1282 Abs. 1 BGB ist der Pfandgläubiger erst dann zur Ein-
ziehung der gepfändeten Forderung berechtigt, wenn Pfandreife gemäß § 1228
Abs. 2 BGB eingetreten ist. Nach dieser Vorschrift tritt Pfandreife bereits dann
ein, wenn die gesicherte Forderung nur teilweise fällig geworden ist. Die gesi-
13
14
15
16
17
- 8 -
cherte Forderung aus der Pensionszusage vom 4. August 1993 entstand jedoch
nicht insgesamt mit Ablauf des Monats, in welchem der Kläger sein 60. Lebens-
jahr vollendete, sondern von diesem Zeitpunkt an Monat für Monat neu, jeweils
aufschiebend bedingt durch den Erlebensfall (vgl. BGH, Urteil vom 7. April
2005, aaO; vom 10. Juli 1997 - IX ZR 161/96, BGHZ 136, 220, 223). Am 2. April
2008 waren überhaupt erst Pensionsansprüche für die Monate November 2006
bis einschließlich März 2008 in Höhe von (17 x 1.022,58
€ =) 17.383,86 € ange-
fallen.
bb) § 1282 Abs. 1 Satz 2 BGB erlaubt dem Pfandgläubiger die Einzie-
hung der Forderung nur insoweit, als sie zu seiner Befriedigung erforderlich ist.
Handelt es sich bei der gesicherten Forderung um eine Rente, ist eine Einzie-
hung nur entsprechend den vereinbarten Rentenzahlungen möglich (Lehleiter,
EWiR 1996, 7, 8; Blomeyer, VersR 1999, 653, 659). Auch aus diesem Grunde
war der Kläger nicht befugt, die Versicherungssumme einzuziehen, soweit sie
den Betrag von 17.383,86
€ überstieg. Ist der Pfändungsgläubiger nach den
allgemeinen Vorschriften mangels Fälligkeit der Hauptforderung nicht zur Ein-
ziehung der verpfändeten Forderung berechtigt, kann im Insolvenzverfahren
nichts anderes gelten. Der Absonderungsberechtigte hat auch hier keinen An-
spruch darauf, dass noch nicht entstandene und nicht fällige Forderungen be-
friedigt werden. Auf der anderen Seite ist der Versicherer weder vertraglich
noch gesetzlich verpflichtet, die Versicherungssumme ratierlich an den Pfän-
dungsgläubiger auszuzahlen; er hat Anspruch darauf, die von ihm geschuldete
Einmalzahlung als solche erbringen zu dürfen. Damit ist der Verwalter nicht nur
berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Versicherungssumme entgegen zu
nehmen.
18
- 9 -
cc) Es kann sich damit nur noch die Frage stellen, ob die Versicherungs-
summe gemäß oder entsprechend § 1281 BGB an den Pfandgläubiger und den
Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gläubigers gemein-
sam zu leisten ist. Diese Frage ist zu verneinen. Der Senat hat in dem ver-
gleichbaren Fall der vorzeitigen Beendigung der verpfändeten Rückdeckungs-
versicherung ein alleiniges Einzugsrecht des Verwalters entsprechend § 173
Abs. 2 Satz 2 InsO angenommen (BGH, Urteil vom 7. April 2005 - IX ZR
138/04, NZI 2005, 384 f). Ein solches entspricht auch in anderen Fällen der feh-
lenden Pfandreife dem wohlverstandenen Interesse der Insolvenzgläubiger an
der zügigen Verwertung des zur Masse gehörenden Vermögens einerseits und
des auch nach § 1281 BGB nicht allein einzugsberechtigten Pfandgläubigers
andererseits. Ein nur gemeinsam auszuübendes Einzugsrecht würde die Ver-
wertung der verpfändeten Forderung erschweren.
Außerhalb des Insolvenzverfahrens dient die Vorschrift des § 1281 BGB
dem Schutz des noch nicht einziehungsberechtigten Pfandgläubigers davor,
dass der Pfandschuldner die verpfändete Forderung einzieht und den Erlös
verbraucht. Im Insolvenzverfahren bedarf der Pfandgläubiger dieses Schutzes
nicht in gleicher Weise. Zu den Amtspflichten des Insolvenzverwalters gehört
auch, die Rechte des Absonderungsberechtigten zu wahren und den aus der
Verwertung eines belasteten Massegegenstandes erzielten Erlös nach Maßga-
be der §§ 165 ff InsO an den Berechtigten auszukehren. Bei schuldhafter Ver-
letzung dieser Pflichten haftet er gemäß § 60 InsO. Die dem Verwalter in Bezug
auf die verpfändete Forderung obliegenden Pflichten, insbesondere im Hinblick
auf die Separierung und die ratenweise Auszahlung des eingezogenen Betrags
nach Fälligkeit des Versorgungsanspruchs, änderten sich bei Anwendung des
§ 1281 BGB im Übrigen nicht. Auch die praktischen Schwierigkeiten, die sich
aus der Pflicht zur Einziehung und Verwahrung der fälligen Versicherungssum-
19
20
- 10 -
me und zur monatlichen Bedienung des Versorgungsanspruchs ergeben mö-
gen (vgl. hierzu etwa Rhein/Lasser, NZI 2007, 153 f), würden nicht gelöst.
2. Nach Eintritt der Pfandreife ist der Verwalter verpflichtet, den absonde-
rungsberechtigten Pfandgläubiger aus dem durch die Einziehung der verpfän-
deten Forderung erzielten Erlös zu befriedigen. Diese Pflicht folgt wie in den
gesetzlich geregelten Fällen eines Verwertungsrechts des Verwalters aus § 170
Abs. 1 Satz 2 InsO (analog). Das Einziehungsrecht des Verwalters ändert
nichts am Recht des Absonderungsberechtigten auf abgesonderte Befriedi-
gung, also auch nichts daran, dass dem absonderungsberechtigten Gläubiger
der Verwertungserlös zusteht.
3. Da der Verwalter mit der Feststellung und Einziehung der verpfände-
ten Forderung sowie mit der Auskehrung des Erlöses an den Pfandgläubiger
befasst ist, hat er zuvor entsprechend § 170 Abs. 1 Satz 1 InsO die Kosten der
Feststellung und der Verwertung (§ 171 InsO) abzurechnen. Die Vorschrift des
§ 170 Abs. 1 Satz 1 InsO gilt unmittelbar nur für die Fälle des § 166 Abs. 1 und
2 InsO, in welchem das Gesetz dem Insolvenzverwalter ausdrücklich das Recht
zuweist, mit Absonderungsrechten belastete bewegliche Sachen und Forderun-
gen zu verwerten. Ob sie auch im Fall des § 173 Abs. 2 Satz 2 InsO gilt, ob der
Verwalter also auch dann die Kosten der Feststellung und der Verwertung be-
anspruchen kann, wenn er den belasteten Vermögensgegenstand nach ergeb-
nisloser Fristsetzung verwertet, ist streitig (vgl. etwa Uhlenbruck/Brinkmann,
InsO, 13. Aufl., § 173 Rn. 14: Verwertungs-, nicht aber Feststellungskosten;
Flöther in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2009, § 173 Rn. 9: keine Kostenbeiträge;
HK-InsO/Landfermann, InsO, 6. Aufl., § 173 Rn. 6: §§ 171, 170 Abs. 1 InsO
gelten entsprechend). Zieht der Verwalter eine verpfändete Forderung ein, weil
mangels Fälligkeit der Hauptforderung kein Einziehungsrecht des Pfandgläubi-
21
22
- 11 -
gers besteht, und separiert oder hinterlegt er den Erlös zur Auskehrung an den
Pfandgläubiger nach Eintritt der Pfandreife, wird der damit verbundene Aufwand
regelmäßig demjenigen entsprechen, der für eine Verwertung nach § 166
Abs. 1 und 2 InsO erforderlich ist; dies rechtfertigt eine entsprechende Anwen-
dung des § 171 InsO.
4. Der Kläger hat danach Anspruch auf Auskehrung der Versicherungs-
summe in Höhe seiner Pensionsansprüche für die Zeit ab November 2006 bis
zum Zeitpunkt des erneuten Schlusses der mündlichen Verhandlung abzüglich
der Kostenbeiträge gemäß § 171 InsO. Der verbleibende Betrag ist bis zu sei-
ner Erschöpfung Monat für Monat in Höhe der monatlich geschuldeten Pension
an den Kläger auszuzahlen; wird das Insolvenzverfahren aufgehoben, ist ein
etwa noch vorhandener Betrag gemäß §§ 191 Abs. 1, 198 InsO zugunsten des
Klägers zu hinterlegen.
IV.
Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist auf-
zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzu-
verweisen (563 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif
(§ 563 Abs. 3 ZPO), weil der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit Gegen-
forderungen erklärt hat. Mit dieser hat sich das Berufungsgericht noch nicht be-
fasst. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Aufrechnung nicht von vornhe-
rein deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte verpflichtet ist, die Versiche-
rungssumme zugunsten des Klägers zu verwahren. Ob und in welchem Umfang
die Aufrechnung zulässig ist, richtet sich vielmehr nach dem gesicherten Pensi-
onsanspruch. Da der Kläger gegenüber diesen in erster Linie auf § 64 Abs. 2
23
24
- 12 -
GmbHG aF gestützten Gegenforderungen die Einrede der Verjährung erhoben
hat (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 3, § 43 Abs. 4 GmbHG aF), wird jedoch zu prüfen
sein, ob und in welchem Umfang sich gegebenenfalls die gegenseitigen Forde-
rungen in unverjährter Zeit aufrechenbar gegenüber standen (§ 215 BGB).
Kayser
Gehrlein
Vill
Lohmann
Fischer
Vorinstanzen:
LG Neuruppin, Entscheidung vom 29.01.2010 - 5 O 27/10 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 12.10.2011 - 7 U 41/10 -