Urteil des BGH vom 05.04.2005
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 167/04
Verkündet am:
5. April 2005
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
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BGB § 1191; AGBG §§ 3, 9 Bl
Eine Grundschuld nebst persönlicher Haftungsübernahme und Vollstreckungsun-
terwerfung sichert nicht nur die originär eigenen Ansprüche einer Bausparkasse,
sondern auch die abtretungsweise erworbenen Forderungen aus einem "Voraus-
darlehen".
BGH, Urteil vom 5. April 2005 - XI ZR 167/04 - Thüringer OLG
LG Gera
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 5. April 2005 durch die Richter Dr. Joeres, Dr. Müller,
Dr. Wassermann, Dr. Appl und Dr. Ellenberger
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des
Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 18. Mai
2004 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einer
vollstreckbaren notariellen Urkunde. Dem liegt folgender Sachverhalt
zugrunde:
Die Kläger, ein Monteur und seine Ehefrau, wurden Anfang 1997
von einem Vermittler geworben, zwecks Steuerersparnis ohne Eigenkapi-
tal eine Eigentumswohnung in O. zu erwerben. Am 14. März 1997
unterbreitete die A. AG (nachfol-
gend: Verkäuferin) den Klägern ein entsprechendes notarielles Kaufan-
gebot, das diese mit notariell beurkundeter Erklärung vom 22. März 1997
annahmen. Zur Finanzierung des Kaufpreises von 150.464 DM schloß
die beklagte Bausparkasse als Vertreterin der Landeskreditbank
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(nachfolgend: L-Bank) am 24. März 1997 mit ihnen einen
Darlehensvertrag über 181.000 DM, der als tilgungsfreies "Vorausdarle-
hen" bis zur Zuteilungsreife zweier zeitgleich geschlossener Bausparver-
träge über 90.000 DM und 91.000 DM dienen sollte.
Der Darlehensvertrag enthält unter anderem folgende Bedingun-
gen:
"§ 2 Kreditsicherheiten
Die in § 1 genannten Darlehen werden gesichert durch:
...
- Grundschuldeintragung zugunsten der Bausparkasse
über 181.000 DM mit mindestens 12 v.H. Jahreszinsen.
…
§ 5 besondere Bedingungen für Vorfinanzierungen
...
Die Bausparkasse kann das Darlehen der L-Bank
vor Zuteilung des Bausparvertrages ablösen, sobald Umstände
eintreten, die in der Schuldurkunde Ziffer 4 a bis e geregelt sind
mit der Folge, daß die Bausparkasse in das beste-
hende Vertragsverhältnis eintritt. …"
Die in dem Darlehensvertrag in Bezug genommene vorformulierte
Schuldurkunde der Beklagten enthält unter Ziffer 11 b folgende Rege-
lung:
"die Grundschuld dient der Sicherung aller gegenwärtigen und
künftigen Forderungen der Gläubigerin gegen den Darlehensneh-
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mer aus jedem Rechtsgrund, auch soweit sie nur gegen einen Dar-
lehensnehmer begründet sind; ..."
In notarieller Urkunde vom 11. Juni 1997 bestellte die Verkäuferin
an dem Kaufgegenstand zugunsten der Beklagten eine Grundschuld über
181.000 DM zuzüglich 12% Jahreszinsen. Die Kläger übernahmen als
Gesamtschuldner die persönliche Haftung für die Zahlung des Grund-
schuldbetrages samt Zinsen und Nebenleistungen und unterwarfen sich
insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
Im September 2002 widerriefen die Kläger das "Vorausdarlehen"
nach dem Haustürwiderrufsgesetz. Nachdem die L-Bank ihre Ansprüche
aus dem "Vorausdarlehen" daraufhin am 28. Februar 2003 an die Be-
klagte abgetreten hat, nimmt diese die Kläger aus der notariellen Urkun-
de vom 11. Juni 1997 persönlich in Anspruch. Diese halten dem unter
anderem entgegen, die Grundschuld nebst der Haftungsübernahme und
Vollstreckungsunterwerfung sichere nur die aus den Bausparverträgen
künftig entstehenden Ansprüche der Beklagten, nicht aber die durch Ab-
tretung der L-Bank erworbenen Forderungen aus dem "Vorausdarlehen".
Darüber hinaus verstoße das in der persönlichen Haftungsübernahme
liegende abstrakte Schuldversprechen gegen § 10 Abs. 2 VerbrKrG a.F.
(analog).
Das Landgericht hat die Vollstreckungsabwehrklage abgewiesen.
Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungs-
gericht nur beschränkt zugelassenen Revision verfolgen sie ihren Klage-
antrag weiter.
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Entscheidungsgründe:
A.
Die Revision ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
I.
Zwar hat das Berufungsgericht im Urteilstenor und in den Ent-
scheidungsgründen die Zulassung der Revision auf die Frage des Um-
fanges der Grundschulderstreckung auf abgetretene Forderungen aus
"Vorausdarlehen" beschränkt. Diese Beschränkung der Zulassung der
Revision ist aber unzulässig. Die Zulassung der Revision kann nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur auf einen tat-
sächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes be-
schränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der
Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte. Unzulässig
ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren materiell-rechtlichen
Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken
(BGHZ 101, 276, 278 f.; 111, 158, 166; Senatsurteile vom 20. Mai 2003
- XI ZR 248/02, W M 2003, 1370, 1371, vom 23. September 2003 - XI ZR
135/02, W M 2003, 2232, vom 20. April 2004 - XI ZR 171/03, W M 2004,
1230, 1231 und vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 255/03, W M 2005, 127,
128; BGH, Urteil vom 4. Juni 2003 - VIII ZR 91/02, W M 2003, 2139,
2141). Danach scheidet hier die Beschränkung der Zulassung auf die
Frage des Haftungsumfangs der Grundschuld und der sie verstärkenden
persönlichen Sicherheiten der Kläger aus, da es sich insoweit nur um ein
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einzelnes Rechtsproblem im Rahmen der gegen die Zwangsvollstreckung
aus der notariellen Urkunde vom 11. Juni 1997 gerichteten Klage han-
delt.
II.
Bei einer unzulässigen Beschränkung der Revisionszulassung muß
das angefochtene Urteil in vollem Umfang überprüft werden (BGH, Urteil
vom 7. Juli 1983 - III ZR 119/82, W M 1984, 279, 280). An diesem Grund-
satz ist auch nach der Änderung des Rechtsmittelrechts festzuhalten.
Fehlt es an einer wirksamen Beschränkung der Zulassung, so ist allein
die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam, die Revision da-
her unbeschränkt zuzulassen (Senatsurteile vom 20. Mai 2003, aaO,
vom 23. September 2003, aaO S. 2233, vom 20. April 2004, aaO und
vom 26. Oktober 2004, aaO; BGH, Urteil vom 4. Juni 2003, aaO jeweils
m.w.Nachw.).
B.
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
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Die Kläger hätten ihre auf Abschluß des Darlehensvertrages ge-
richteten Willenserklärungen nicht wirksam widerrufen. Ihr Vortrag zur
Haustürsituation sei unschlüssig. Es fehle auch an der Kausalität zwi-
schen einer etwaigen Haustürsituation und dem Abschluß des Darle-
hensvertrages.
Die Kläger seien aufgrund der Grundschuldbestellung nebst der
persönlichen Haftungsübernahme und Unterwerfungserklärung in der
notariellen Urkunde vom 11. Juni 1997 verpflichtet, die Zwangsvollstrek-
kung in ihr gesamtes Vermögen zu dulden. Die Grundschuld sichere
auch die von der L-Bank an die Beklagte abgetretenen Forderungen aus
dem "Vorausdarlehen". Der Sicherungszweck ergebe sich aus § 2 des
Darlehensvertrages, der auf die in § 1 genannten Darlehen, also sowohl
auf das Bauspardarlehen als auch auf das "Vorausdarlehen", Bezug
nehme. Aufgrund der Abtretung fielen Sicherungsnehmerin und Forde-
rungsinhaberin nicht mehr auseinander. Nach Ziff. 11 b der zum Be-
standteil des Darlehensvertrages gewordenen vorformulierten Schuldur-
kunde der Beklagten seien die in der Person der L-Bank entstandenen
Ansprüche und Forderungen in den Haftungsbereich der Grundschuld
miteinbezogen. Die danach vorgesehene Sicherung "aller gegenwärtigen
und künftigen Forderungen … aus jedem Rechtsgrund" verstoße nicht
gegen § 3 AGBG, sondern sei bei einer Personenidentität zwischen
Schuldner und Sicherungsgeber in der Kreditpraxis seit langem üblich.
Daß die Forderungen aus dem "Vorausdarlehen" erst am 28. Februar
2003 an die Beklagte abgetreten worden seien, ändere nichts, weil es
sich auch bei ihnen um "künftige Forderungen" im Sinne der Vertrags-
klausel handele.
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§ 10 Abs. 2 VerbrKrG a.F. sei auf das in der persönlichen Haf-
tungsübernahme liegende abstrakte Schuldanerkenntnis mit Vollstrek-
kungsunterwerfung weder direkt noch entsprechend anwendbar. Die Vor-
schrift wolle den Kreditnehmer im Bereich des Verbraucherkreditgeset-
zes vor den besonders großen Haftungsrisiken schützen, die sich aus
der hohen Verkehrsfähigkeit von Wechseln oder Schecks und den damit
verbundenen weitgehenden Einwendungsausschlüssen gegenüber gut-
gläubigen Dritterwerbern solcher Wertpapiere ergäben. Eine solche Ver-
kehrsfähigkeit komme aber einem notariellen Schuldanerkenntnis oder
Schuldversprechen nicht zu, so daß es schon an dem für einen Analo-
gieschluß erforderlichen vergleichbaren Sachverhalt fehle.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Ein Widerrufsrecht gemäß § 1 HWiG hat das Berufungsgericht
rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen verneint.
2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Grundschuld nebst
persönlicher Haftungsübernahme und Vollstreckungsunterwerfungserklä-
rung der Kläger nicht nur die erst nach Zuteilungsreife der Bausparver-
träge auszureichenden Darlehen der Beklagten, sondern auch die abtre-
tungsweise erworbenen Ansprüche aus dem "Vorausdarlehen" sichert,
läßt, anders als die Revision meint, keinen Rechtsfehler erkennen.
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a) Der Grundschuldbestellung vom 11. Juni 1997 liegt eine ent-
sprechende Sicherungsvereinbarung der Prozeßparteien zugrunde. Aus
dem von den Klägern mit der L-Bank geschlossenen Darlehensvertrag
vom 24. März 1997 geht hervor, daß die zugunsten der Beklagten zu be-
stellende Grundschuld alle aus den beiden Kreditverhältnissen resultie-
renden Ansprüche sichern sollte. Andernfalls wäre auch nicht zu erklä-
ren, daß die Beklagte gemäß § 2 Abs. 5 des Darlehensvertrages berech-
tigt ist, die valutierende Grundschuld für die L-Bank treuhänderisch zu
verwalten oder auf sie zu übertragen. Diese ursprüngliche Sicherungsab-
rede ist bestehen geblieben, als die Beklagte durch den am 28. Februar
2003 geschlossenen Abtretungsvertrag (§ 398 BGB) selbst Darlehens-
gläubigerin und wegen der damit verbundenen Beendigung des Treu-
handauftrages auch wirtschaftlich Inhaberin der Grundschuld mit den
haftungserweiternden persönlichen Sicherheiten wurde.
b) Abgesehen davon ergibt sich aus Ziff. 11 b der Schuldurkunde,
daß die Grundschuld die abgetretenen Forderungen aus dem "Voraus-
darlehen" sichert. Die in der Kreditpraxis, auch bei Bausparkassen, übli-
che Erstreckung des Grundschuldsicherungszwecks auf künftige Forde-
rungen ist - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - für
den Vertragsgegner weder überraschend noch unangemessen (§§ 3, 9
AGBG), sofern es sich um Forderungen aus der bankmäßigen Ge-
schäftsverbindung handelt (siehe etwa BGHZ 101, 29, 32 f. m.w.Nachw.;
vgl. ferner Clemente, Recht der Sicherungsgrundschuld 3. Aufl.
Rdn. 286 a; Gaberdiel, Kreditsicherung durch Grundschulden 7. Aufl.
Rdn. 679). Daß grundsätzlich nicht nur originär eigene, sondern auch
durch eine Abtretung erworbene Forderungen Dritter nach der allgemei-
nen Verkehrsanschauung der bankmäßigen Geschäftsverbindung zuge-
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rechnet werden können, ist höchstrichterlich seit langem anerkannt (vgl.
z.B. BGH, Urteile vom 24. April 1958 - II ZR 94/57, WM 1958, 722, 723
und vom 17. Dezember 1980 - VIII ZR 307/79, W M 1981, 162 f.). Nichts
spricht dafür, daß für den abtretungsweise erworbenen Anspruch aus
dem "Vorausdarlehen" andere Grundsätze gelten, zumal dieses nach § 5
Abs. 5 des Darlehensvertrages in Verbindung mit der Schuldurkunde von
der Beklagten abgelöst werden konnte.
c) Das abstrakte Schuldversprechen und die diesbezügliche Un-
terwerfung der Kläger unter die sofortige Zwangsvollstreckung teilen den
Sicherungszweck der Grundschuld. Sie sind in der notariellen Urkunde
über die Bestellung der Grundschuld erklärt worden und beziehen sich
auf die Zahlung des Grundschuldbetrages samt Zinsen und Nebenlei-
stungen.
3. Entgegen der Auffassung der Revision ist § 10 Abs. 2 VerbrKrG
a.F. (jetzt: § 496 Abs. 2 BGB) auf das abstrakte Schuldanerkenntnis der
Kläger nicht analog anwendbar. Die Ausnahmevorschrift verbietet nach
ihrem klaren und eindeutigen Wortlaut ausschließlich die Begebung von
Wechseln oder Schecks zur Besicherung von Ansprüchen des Kreditge-
bers aus einem Verbraucherkreditvertrag. Für notarielle Schuldaner-
kenntnisse oder Schuldversprechen gilt das Verbot dagegen nicht. Es
besteht - wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat - auch keine
planwidrige Regelungslücke. Dafür sind Wortlaut, Entstehungsgeschichte
und Schutzzweck der Norm zu eindeutig (siehe Senatsurteile vom
15. März 2005 - XI ZR 135/04, Umdruck S. 15 f., XI ZR 136/04, Umdruck
S. 16 f., XI ZR 137/04, Umdruck S. 15 f., XI ZR 323/04, Umdruck S. 10 f.,
XI ZR 324/04, Umdruck S. 10 f., XI ZR 325/04, Umdruck S. 10 f. und
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XI ZR 334/04, Umdruck S. 12; siehe auch bereits Senatsbeschluß vom
23. November 2004 - XI ZR 27/04, Umdruck S. 3). Eine Vorlage an den
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Auslegung des
Art. 10 der Verbraucherkreditrichtlinie ist nicht veranlaßt, weil diese
Richtlinie nach Art. 2 Abs. 1 lit. a) auf Kreditverträge, die zum Erwerb
von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder Gebäude bestimmt
sind, keine Anwendung findet.
III.
Die Revision der Kläger war daher zurückzuweisen.
Joeres Müller Wassermann
Appl Ellenberger