Urteil des BGH vom 14.03.2017

BGH (unternehmen, metro, gruppe, abhängigkeit, verhältnis zu, pacta sunt servanda, anbieter, konzern, zivilrechtlicher anspruch, verhalten)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
KVR 8/01
Verkündet am:
24. September 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Kartellverwaltungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Konditionenanpassung
GWB § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2, § 32
a) Die Kartellbehörde kann nach Untersuchung der konkreten Verhältnisse
auf einem Markt (hier: Lebensmittelhandel) Schwellenwerte festsetzen,
bei deren Erreichen die - von dem nachfragemächtigen Unternehmen
zu widerlegende - Vermutung begründet ist, daß seine Vertragspartner
kleine oder mittlere und von ihm abhängige Unternehmen sind. Dabei
steht eine nachfragebedingte Abhängigkeit eines Unternehmens nicht
schlechthin einer unternehmensbedingten Abhängigkeit (vgl. BGH,
Beschl. v. 19.1.1993 - KVR 25/91, WuW/E 2875 ff. - Herstellerleasing)
gleich.
b) Es stellt eine Vorzugsbedingung im Sinne von § 20 Abs. 3 GWB dar,
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wenn ein nachfragestarkes Unternehmen nach einer Fusion, ohne daß
dafür zivilrechtlich eine Handhabe besteht, seine Lieferanten veranlaßt,
sich mit einer rückwirkenden, sie schlechter stellenden Konditionenan-
passung einverstanden zu erklären und entsprechende Ausgleichs-
zahlungen zu leisten. Ein solches Vorgehen begründet die - von dem
nachfragestarken Unternehmen zu widerlegende - Vermutung, daß für
die Einräumung dieses Vorteils sachlich gerechtfertigte Gründe nicht
bestehen.
BGH, Beschluß vom 24. September 2002 - KVR 8/01 - Kammergericht
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom
9. Juli
2002
durch
den
Präsidenten
des
Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Raum
und Dr. Meier-Beck
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Bundeskartellamts gegen den Beschluß
des Kammergerichts vom 29. November 2000 wird zurückgewiesen,
soweit sie sich gegen die Aufhebung von Nr. 1 der Untersagungs-
verfügung des Bundeskartellamts vom 26. Februar 1999 richtet.
Im übrigen wird der genannte Beschluß vom 29. November 2000
aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Ent-
scheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens,
an das Kammergericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 511.291,88
(= 1 Mio. DM) festgesetzt.
Gründe:
A.
Die betroffene GmbH besorgt als 100%ige Tochter des Metro-Konzerns
den Einkauf für die Konzerngesellschaften. In dieser Eigenschaft hatte sie auch
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für das Jahr 1998 mit einer Reihe von Lieferanten Rahmen- oder Jahresverein-
barungen getroffen, die Grundlage des Leistungsaustausches sein sollten; die
Preise für die einzelnen Produkte werden erst im Laufe des jeweiligen Jahres
unter Berücksichtigung der aktuellen Marktlage festgelegt. Im Jahr 1997 erzielte
die Metro-Gruppe, die zu den größten europäischen Handelsunternehmen ge-
hört, einen Inlandsumsatz von mehr als 50 Mrd. DM. Außer im Abholgroßhan-
del ist der Konzern auch im Einzelhandel, und zwar schwerpunktmäßig auf
Großverkaufsflächen, mit Konsum- und Gebrauchsgütern tätig. Allein im sog.
Food-Bereich lag 1997 der Umsatz im Inland bei etwa 21,6 Mrd. DM, fast 70%
davon entfiel auf den Einzelhandel, der Rest wurde im Großhandel erzielt.
Unter dem Vorbehalt kartellbehördlicher Genehmigung übernahm der
Metro-Konzern die allkauf-Gruppe mit Wirkung zum 1. Januar 1998. Diese Un-
ternehmensgruppe
hatte
ihren
Tätigkeitsschwerpunkt
im
SB-Waren-
hausgeschäft; der Umsatz im inländischen Lebensmitteleinzelhandel lag 1997
bei rund 3 Mrd. DM. Nach Freigabe des Zusammenschlusses durch das Bun-
deskartellamt am 22. Juni 1998 wurde der Übergang von den Unternehmen
alsbald vollzogen.
Die Betroffene, die durch den Zusammenschluß näheren Aufschluß über
die Lieferantenstruktur der übernommenen Unternehmensgruppe erhielt, stellte
fest, daß dieselben Lieferanten sowohl allkauf als auch die Gesellschaften des
Metro-Konzerns mit Waren versahen, daß aber dem Nachfrager in dem einen
oder in dem anderen Fall offensichtlich günstigere Konditionen eingeräumt wor-
den waren. Das nahm sie zum Anlaß, an diese Lieferanten heranzutreten, sie
mit Hilfe ihnen übersandter Formblätter um die Auflistung der Vergleichsdaten
zu bitten und von ihnen, rückwirkend auf den 1. Januar 1998, eine Konditionen-
angleichung auf das für die Einkäufer jeweils günstigere Niveau zu fordern.
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Aufgrund der in diesem Zusammenhang getroffenen neuen Vereinbarungen
- sie sind in ihrer Ausgestaltung abhängig vom Geschäftsvolumen und der je-
weiligen "Konditionendifferenz" - waren die Lieferanten zu im einzelnen ausge-
handelten Ausgleichszahlungen an die Metro-Gruppe verpflichtet, soweit sie bis
zur Freigabe des Zusammenschlusses - gemessen an den neuen Abreden - zu
hohe Vergütungen vereinnahmt hatten. Neben anderen sind 20 Unternehmen
aus dem Lebensmittelbereich (einschließlich Körperpflege-, Wasch-, Putz- und
Reinigungsmitteln) auf diese Forderung eingegangen und haben vor dem
31. Dezember 1998 die nach den neuen Konditionenvereinbarungen zu leisten-
den Beträge gezahlt.
Das Bundeskartellamt hat der Betroffenen, gestützt auf § 20 Abs. 2 und
3, § 32 GWB, durch Beschluß vom 26. Februar 1999 untersagt, die genau be-
zeichneten 20 Unternehmen zu der beschriebenen Konditionenanpassung und
zu entsprechenden Ausgleichszahlungen zu veranlassen. Außerdem hat es ihr
untersagt, dieselben Unternehmen zu gleichartigen Ausgleichszahlungen an-
läßlich weiterer Unternehmenskäufe des Metro-Konzerns zu veranlassen
(WuW/E DE - V 94).
Es ist der Auffassung, daß es sich bei diesen Lieferanten um kleine oder
mittlere Unternehmen handelt, die von der Betroffenen als marktstarker Nach-
fragerin abhängig sind. Den Schwellenwert, von dem an ein solcher Lieferant
sowohl im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern als auch im Verhältnis zur Be-
troffenen nicht mehr als kleines oder mittleres Unternehmen anzusehen sei, hat
das Bundeskartellamt mit 500 Mio. DM Umsatz angesetzt; im horizontalen Ver-
gleich stünden diese Lieferanten nämlich im Wettbewerb zu großen Konzernen
mit Jahresumsätzen von teilweise deutlich mehr als 10 Mrd. DM, während sie
bei Berücksichtigung des vertikalen Verhältnisses zur Betroffenen und dem
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Konzern, dem sie angehört, ebenfalls - ungeachtet der absoluten Umsatzzah-
len - kleine oder mittlere Unternehmen seien.
Eine Abhängigkeit der genannten Lieferanten von der marktstarken
Nachfragerin bestehe bereits dann, wenn der Abnahmeanteil der Betroffenen
7,5% des Gesamtumsatzes dieser Unternehmen ausmache; denn dann be-
stünden keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten, auf andere Ab-
satzmöglichkeiten auszuweichen. Zu Lasten der Betroffenen, so hat das Bun-
deskartellamt gemeint, falle dabei ihre hohe Präsenz am Absatzmarkt und der
bevorzugte Zugang bestimmter Abnehmergruppen - dazu gehören z.B. Gast-
wirte und Kleinunternehmer - zu dem alle Vertriebsschienen umfassenden flä-
chendeckenden Verkaufsstellennetz der Metro-Gruppe ins Gewicht. Die Tatsa-
che, daß sich die 20 genannten Unternehmen zu einer ihnen nachteiligen rück-
wirkenden Konditionenanpassung und dementsprechend zu Ausgleichszahlun-
gen bereit gefunden hätten, indiziere die Abhängigkeit von der nachfragestar-
ken Betroffenen.
Ein sachlich gerechtfertigter Grund für diese rückwirkende Angleichung,
die als Einräumung von Vorzugsbedingungen anzusehen sei, bestehe nicht,
weil ihr keine besondere Leistung zugrunde liege. Die jeweils für das Folgejahr
ausgehandelten Konditionen bildeten vielmehr das leistungsgerechte Markter-
gebnis ab, das die Betroffene nach dem Zusammenschluß einseitig und rück-
wirkend zu ihren Gunsten zu ändern suche; im wirtschaftlichen Ergebnis habe
das Vorgehen der Betroffenen zur Folge, daß die Lieferanten einen Teil des
Preises für die übernommene allkauf-Gruppe zu tragen hätten.
Gegen diesen Beschluß hat die Betroffene Beschwerde eingelegt. Sie
hält die gesetzlichen Voraussetzungen für die Untersagungsverfügung für nicht
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gegeben. Der Vorgang bezüglich der Übernahme der allkauf-Gruppe sei bei
Erlaß der Verfügung abgeschlossen gewesen. Damit sei für den ersten Teil der
Untersagungsverfügung kein Raum mehr gewesen.
Davon abgesehen habe sich das Bundeskartellamt von unrichtigen
rechtlichen Vorstellungen leiten lassen und es versäumt, den Sachverhalt ord-
nungsgemäß und ohne Verletzung ihres, der Betroffenen, rechtlichen Gehörs
zu ermitteln. Der Schwellenwert von 500 Mio. DM Umsatz für die Feststellung,
ob ein Lieferant ein kleines oder mittleres Unternehmen sei, sei ebenso unzu-
treffend gewählt, wie die Umsatzquote von 7,5% nichts über die Abhängigkeit
eines Lieferanten von der Metro-Gruppe auszusagen vermöge. Wenn man sich
- wie geboten - an die entsprechenden Zahlen der Europäischen Kommission
halte, blieben nur sechs Lieferanten übrig, die in die genannte Gruppe fallen
könnten. Davon abgesehen, habe das Amt sich nicht einmal an diese selbst
gewählten Kriterien gehalten, wie ihre, der Betroffenen, angestellten Recher-
chen ergeben hätten; schon deswegen sei bei einem Teil der in dem Beschluß
genannten 20 Lieferanten für die Untersagung kein Raum. Unzutreffend sei fer-
ner die Annahme des Bundeskartellamts, die genannten Unternehmen hätten
keine Ausweichmöglichkeiten, wenn sie von der Metro-Gruppe "ausgelistet"
würden; in Wirklichkeit sei die Lage umgekehrt: Metro sei auf die Belieferung
angewiesen, wenn sie nicht ihre Marktgeltung bei den Kunden gefährden wolle.
Die einvernehmlich verabredete Konditionenanpassung sei im übrigen
ein normaler Vorgang im Zuge einer Unternehmensübernahme; es handele sich
weder um die Einräumung von Vorzugsbedingungen, noch seien die von den
Lieferanten gewährten Preisnachlässe sachlich nicht gerechtfertigt gewesen,
denn die Metro-Gruppe habe rückwirkend ab Januar 1998 auch das wirtschaft-
liche Risiko des Zusammenschlusses tragen müssen. Verkannt habe das Bun-
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deskartellamt auch, daß es den Lieferanten darum habe gehen müssen, lang-
fristig ihre Geschäftsbeziehungen zu der Metro-Gruppe zu sichern und ihre
künftigen Absatzchancen nach dem Zusammenschluß zu stärken. Dieser Ziel-
setzung wäre die Verweigerung von Verhandlungen über eine Konditionenan-
passung und des Abschlusses neuer individueller Vereinbarungen nicht förder-
lich gewesen. Sie hat auch in Abrede gestellt, daß ihre Konkurrenten nicht
ebensolche Konditionen von den genannten Herstellern eingeräumt erhielten,
und rügt die insoweit fehlende Klärung des Sachverhalts durch das Bundes-
kartellamt.
Schließlich gehe die Ansicht des Bundeskartellamts fehl, in der Konditio-
nenanpassung liege ein Verstoß gegen § 14 GWB; die Abreden beträfen aus-
schließlich das Innenverhältnis von Lieferanten und Gesellschaften der Me-
tro-Gruppe, während die Lieferanten in ihrer Preisgestaltung gegenüber ande-
ren Abnehmern keinerlei Bindungen aus dem Verhältnis mit ihr, der Betroffe-
nen, unterlägen.
Das Beschwerdegericht hat durch den angefochtenen Beschluß die Un-
tersagungsverfügung aufgehoben (WuW/E DE - R 699). Hiergegen richtet sich
die - zugelassene - Rechtsbeschwerde des Bundeskartellamts.
B.
Die Rechtsbeschwerde ist hinsichtlich des ersten Teils der Untersa-
gungsverfügung nicht begründet und deswegen zurückzuweisen, im übrigen
führt sie zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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I.
1. Das Beschwerdegericht hat den ersten Teil der Untersagungsverfü-
gung - sinngemäß - mit der Begründung aufgehoben, für die getroffene Anord-
nung habe kein Regelungsbedarf mehr bestanden, weil sie sich auf einen in der
Vergangenheit vollständig abgeschlossenen Sachverhalt bezogen habe, der
einer Regelung für die Zukunft, wie sie dem Wesen der Untersagungsverfügung
eigen sei, nicht mehr zugänglich sei.
2. Dies hält im Ergebnis den Angriffen des Rechtsbeschwerdeführers
stand. Auch im kartellrechtlichen Untersagungsverfahren ist, wie der Senat ver-
schiedentlich ausgesprochen hat, eine Begehungsgefahr, nämlich die ernste
Besorgnis einer drohenden Gesetzesverletzung, Voraussetzung für den Erlaß
der Maßnahme (vgl. BGH, Beschl. v. 16.12.1976 - KVR 5/75, WuW/E 1474,
1481 - Architektenkammer; Beschl. v. 18.11.1986 - KVR 1/86, WuW/E 2313 f.
- Baumarkt-Statistik; Beschl. v. 7.10.1997 - KVR 16/96, BGHR GWB § 37a
Abs. 1 - Begehungsgefahr 1; BGHZ 147, 325, 341 f. - Ost-Fleisch). Von einer
drohenden Gesetzesverletzung, der mit einer in die Zukunft gerichteten Unter-
sagungsverfügung begegnet werden muß (vgl. BGH WuW/E 1474, 1481
- Architektenkammer), kann nur dann die Rede sein, wenn das Handeln des
Betroffenen sich nicht in einer einmaligen und in der Vergangenheit vollständig
abgeschlossenen Vorgehensweise erschöpft, sondern - wie dies z.B. bei Boy-
kott oder Diskriminierungen der Fall sein wird - in die Zukunft wirkt (Bornkamm
inLangen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 32 GWB Rdn. 4 und 20 f.).
Eine solche in die Zukunft gerichtete Wirkung hat das der Betroffenen mit
Nr. 1 der Verfügung vom 26. Februar 1999 untersagte Verhalten nicht, so daß
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das Beschwerdegericht das Vorhandensein einer Begehungsgefahr zutreffend
verneint hat. Der Betroffenen ist nämlich nicht schlechthin verboten worden, im
Zuge von Unternehmensübernahmen auf bestimmte mit ihr und den übernom-
menen Unternehmen geschäftlich verbundene Lieferanten mit dem Ziel einzu-
wirken, sich mit einer rückwirkenden Konditionenanpassung und der Leistung
von Ausgleichszahlungen einverstanden zu erklären, wobei die Begehungsge-
fahr durch das im Zuge der Übernahme der allkauf-Gruppe gezeigte Verhalten
der Betroffenen begründet wurde; Nr. 1 - anders als Nr. 2 - der Verfügung un-
tersagt vielmehr ausschließlich die von der Betroffenen im Zusammenhang mit
der Umsetzung der allkauf-Übernahme entwickelten Aktivitäten und bezieht sich
allein auf die Herbeiführung von Konditionenanpassungen und die Verpflichtung
zu Ausgleichszahlungen mit 20 bestimmten Lieferanten, die sowohl mit der Be-
troffenen als auch mit der allkauf-Gruppe Rahmen- und Jahresvereinbarungen,
allerdings unterschiedlichen Inhalts, geschlossen hatten. Im Februar 1999 ging
diese Untersagung ins Leere, weil zu dieser Zeit die Betroffene sämtliche, allein
den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 22. Juni 1998 betreffenden Anpassungs-
vereinbarungen nicht nur geschlossen, sondern durch Entgegennahme der da-
nach geschuldeten Ausgleichszahlungen umgesetzt hatte.
Der Rechtsbeschwerdeführer kann demgegenüber nicht mit Erfolg gel-
tend machen, das Untersagungsverfahren, das bewußt lediglich einen objekti-
ven Verstoß gegen Bestimmungen des GWB voraussetzt, einen Nachweis des
Verschuldens des Betroffenen aber nicht verlangt (vgl. Bornkamm inLan-
gen/Bunte aaO, § 32 GWB Rdn. 4; Bechtold GWB, 2. Aufl., § 32 Rdn. 1;
Fischötter in Gemeinschaftskommentar zum GWB [GK], 4. Aufl., § 37a Rdn. 1),
werde unzumutbar erschwert. Damit überdehnt er den Sinn des Untersagungs-
verfahrens; denn es dient nicht dazu, Grundsatzfragen in der Weise abstrakt zu
klären, daß sich die Gerichte zur Auslegung von Vorschriften des GWB gut-
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achtlich zu äußern hätten (zutr. Fischötter in GK § 37a Rdn. 6; zur Unzulässig-
keit eines Feststellungsverfahrens ferner Emmerich in Immenga/Mestmäcker
GWB, 2. Aufl., § 37a Rdn. 22). Die Ausgestaltung als objektives Verfahren soll
der Kartellbehörde durch den Verzicht auf den Nachweis subjektiver Vorausset-
zungen lediglich das Einschreiten gegen kartellrechtswidriges Verhalten er-
leichtern. Soweit dadurch im Einzelfall zugleich die gerichtliche Überprüfung
getroffener Maßnahmen und der ihnen zugrundeliegenden Auslegung von Be-
stimmungen des GWB eher eröffnet ist, handelt es sich um reflexartige Wirkun-
gen. Voraussetzung für den Zugang zu dieser gerichtlichen Kontrolle bleibt aber
auch dann, daß durch die behördliche Maßnahme ein zukünftiges rechtswidri-
ges Verhalten untersagt werden soll.
Die Frage, ob durch Nr. 1 der angefochtenen Verfügung der Betroffenen
auch hat verboten werden sollen, gleichartige Aktivitäten anläßlich weiterer
Unternehmensübernahmen durch die Metro-Gruppe zu entfalten, stellt sich im
vorliegenden Fall nicht, weil derartige Verhaltensweisen Gegenstand der Ver-
botsverfügung Nr. 2 sind.
II.
1. Nr. 2 der Untersagungsverfügung hat das Kammergericht deswegen
aufgehoben, weil die Betroffene - selbst wenn man von allen anderen, näher
ausgeführten Bedenken gegen die Vorgehensweise des Bundeskartellamts ab-
sehe - sich nicht Vorzugsbedingungen habe einräumen lassen. Maßgebend für
die Entscheidung, ob ein Vorzug i.S.v. § 20 Abs. 3 Satz 1 GWB vorliege, sei
nämlich entgegen der Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers nicht das Vertikal-
verhältnis zwischen der Betroffenen und den Gesellschaften der Metro-Gruppe
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einerseits und den Lieferanten andererseits; vielmehr sei auf das Horizontalver-
hältnis zwischen der Betroffenen und ihren Wettbewerbern abzustellen. In die-
sem Bereich habe sich die Betroffene keinen Vorsprung vor anderen Handels-
unternehmen mit Hilfe ihrer Nachfragemacht verschafft, sondern - soweit es um
die Erstreckung ihrer Konditionen auf die allkauf-Lieferanten geht - nur markt-
gängige Konditionen erzielt, während es bei der Übernahme der all-
kauf-Vereinbarungen für die Lieferungen an Metro-Gesellschaften allein um die
Beseitigung eines Konditionennachteils gehe.
2. Diese Begründung ist, wie die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend
macht, nicht in allen Punkten frei von Rechtsirrtum.
a) Entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts fehlt es für die Ver-
fügung Nr. 2 nicht an der erforderlichen Begehungsgefahr. Diese wird nämlich
in der Erscheinungsform der Wiederholungsgefahr, unter der - nachstehend
noch zu erörternden - Voraussetzung, daß bereits die Verhaltensweise der Be-
troffenen bei der Umsetzung des Zusammenschlusses der Metro-Gruppe und
der allkauf-Unternehmen kartellrechtswidrig war, schon dadurch belegt, daß die
Betroffene für sich in Anspruch genommen hat, sich rechtmäßig zu verhalten,
wenn sie nach einer Unternehmensübernahme durch den Metro-Konzern die
Lieferanten zu Vereinbarungen über rückwirkend anzupassende Konditionen
und zur Leistung von Ausgleichszahlungen auffordere.
b) Wegen mangelnder Bestimmtheit ist Nr. 2 ebenfalls nicht aufzuheben.
Auch wenn dies in dem Verfügungstenor nicht unmittelbar zum Ausdruck
kommt, ist nach der ausdrücklichen Anknüpfung an Nr. 1 des Beschlusses und
der Verwendung des Wortes "gleichartig" noch hinreichend deutlich, Vorausset-
zung für die Untersagung solle sein, daß die genannten 20 Lieferanten nicht nur
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Vertragspartner der Betroffenen, sondern zugleich auch des übernommenen
Unternehmens sind. Mit dieser selbstverständlichen Einschränkung ist den Be-
denken des Beschwerdegerichts Rechnung getragen, daß im Zeitpunkt der
Untersagungsverfügung nicht absehbar ist, ob die genannten Unternehmen
überhaupt betroffen wären. Die dem angefochtenen Beschluß zugrundeliegen-
de einengende Sicht hätte zur Folge, daß der Kartellbehörde auch die Möglich-
keit genommen wäre, zukünftiges kartellrechtswidriges Verhalten zu unterbin-
den, und sie - anders als dies dem zweifelsfrei im GWB zum Ausdruck gekom-
menen Willen des Gesetzgebers entspricht - nur reaktiv in Form des Bußgeld-
verfahrens einschreiten könnte. Soweit die genannten Unternehmen zu dem
dann maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr in die Kategorie der "kleinen oder
mittleren Unternehmen" fallen sollten, würde das Bundeskartellamt, wie sein
Verhalten im vorliegenden Verfahren erneut belegt, ohnehin keine Rechte aus
seiner Verfügung herleiten.
c) Zutreffend ist zwar die Auffassung des Beschwerdegerichts, daß das
Bundeskartellamt den für seine Untersagungsverfügung maßgeblichen Sach-
verhalt nicht in dem gebotenen Umfang (vgl. BT-Drucks. 8/2136 S. 24) geklärt
hat. Es hat daraus indessen, wie der Rechtsbeschwerdeführer mit Recht rügt,
nicht die erforderlichen Konsequenzen gezogen und seinerseits die fehlenden
Feststellungen dazu getroffen, ob die 20 in der Untersagungsverfügung aufge-
führten Lieferanten zur Gruppe der kleinen oder mittleren Unternehmen gehö-
ren, ob sie von der Betroffenen und dem Metro-Konzern abhängig sind und ob
für die Gewährung von Vorzugsbedingungen sachlich gerechtfertigte Gründe
vorliegen. Dies nötigt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur
Zurückverweisung der Sache an das Kammergericht; damit wird den Beteiligten
zugleich die Gelegenheit gegeben, im Hinblick auf die nachfolgend zu erörtern-
den Voraussetzungen und Grenzen des § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 GWB ihren
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Sachvortrag zu vertiefen und zu ergänzen.
(1) Daß die Betroffene Normadressatin des § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2
Satz 1 GWB ist, stellt sie mit Recht nicht in Frage.
(2) Dagegen ist nicht ordnungsgemäß festgestellt, daß alle 20 in dem
Beschluß des Bundeskartellamts vom 26. Februar 1999 aufgeführten Lieferan-
ten der Metro/allkauf-Gruppe zu den in § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 GWB
angesprochenen kleinen oder mittleren Unternehmen gehören.
Für drei von ihnen erkennt auch die Rechtsbeschwerde - mit unter-
schiedlicher Begründung - an, daß sie nicht mehr in den Schutzbereich des
§ 20 Abs. 3 GWB fallen, und leitet folgerichtig aus der Untersagungsverfügung
insofern keine Rechte her. Unabhängig davon, ob auch bei weiteren Unterneh-
men - wie die Betroffene geltend macht - die von dem Bundeskartellamt zu-
grundegelegte Umsatzschwelle von 500 Mio. DM überschritten ist, ist das von
ihm gewählte Verfahren, diesen Schwellenwert zu ermitteln, nicht sachgerecht.
Der Gesetzgeber hat bewußt nicht alle von einem nachfragestarken Un-
ternehmen abhängigen Anbieter unter den Schutz des § 20 Abs. 3 GWB ge-
stellt, weil er angenommen hat, große Unternehmen könnten sich auch bei be-
stehender Abhängigkeit ohne diesen Schutz behaupten. Wann diese Schutzbe-
dürftigkeit besteht, also ein kleines oder mittleres Unternehmen vorliegt, ist im
Gesetz nicht bestimmt; die Einstufung läßt sich auch nicht nach absoluten
Zahlen festlegen (vgl. z.B. Rixen in Frankfurter Kommentar zum GWB (FK),
3. Aufl., § 20 Rdn. 293 i.V.m. Rdn. 46; Bunte in FK aaO, § 4 Rdn. 47; Köhler
BB 1999, 1017), weil die Verhältnisse auf dem jeweils maßgeblichen Markt
nicht ausgeblendet werden dürfen, wenn der die Sicherung der Freiheit des
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Wettbewerbs als Institution bezweckende Sinn der Vorschrift erreicht werden
soll (vgl. BGH, Beschl. v. 19.1.1993 - KVR 25/91, WuW/E 2875, 2878
- Herstellerleasing). Maßgebend ist danach eine unter funktionalen Gesichts-
punkten vorzunehmende Prüfung, die von den Besonderheiten des jeweils rele-
vanten Marktes auszugehen und dabei regelmäßig das Horizontalverhältnis zu
den Wettbewerbern auf der Anbieterseite, unter besonderen Voraussetzungen
ausnahmsweise auch das Vertikalverhältnis zu dem nachfragestarken Unter-
nehmen (vgl. BGH WuW/E 2875, 2878 - Herstellerleasing) einzubeziehen hat.
Diesen Anforderungen wird die Untersagungsverfügung nicht gerecht.
Ob es sich um ein kleines oder mittleres Unternehmen handelt, muß in jedem
Einzelfall festgestellt werden. Diese Einordnung ergibt sich nicht bereits aus der
Eigenart der Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten, wie der Senat dies
ausnahmsweise für den Fall der unternehmensbedingten Abhängigkeit in dem
bereits erwähnten Verfahren "Herstellerleasing" angenommen hat, in dem es
nach der Natur der Sache unausweichlich war, daß die Händler einer be-
stimmten Automarke als kleine oder mittlere Unternehmen angesehen worden
sind, selbst wenn sie höchste Umsätze erzielten und ihre Mitwettbewerber weit
hinter sich ließen. Anders als der Rechtsbeschwerdeführer (ebenso Schultz in
Langen/Bunte aaO, § 20 GWB Rdn. 213; Rixen in FK aaO, § 20 Rdn. 50; kri-
tisch Köhler BB 1999, 1017 Fn. 1) meint, sind eine derartige, nur in Ausnah-
mefällen anzuerkennende unternehmensbedingte und eine nachfragebedingte
Abhängigkeit nicht mit der Folge gleichzusetzen, daß die unter funktionalem
Gesichtspunkt notwendige Prüfung der Schutzbedürftigkeit des abhängigen
Unternehmens unterbleiben könnte.
Wenn es danach im vorliegenden Fall auf die Ermittlung des Schwellen-
werts für den Lebensmittelhandel ankommt, mag die von dem Bundeskartellamt
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herangezogene Grenze von 500 Mio. DM Jahresumsatz ein plausibler Wert
sein, der die - widerlegliche - Vermutung begründen kann, daß sämtliche An-
bieter von Waren dieser Sparte, die nicht mehr als diesen Jahresumsatz erzie-
len, zu den nach § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 GWB schutzbedürftigen klei-
nen oder mittleren Unternehmen gehören. Der Senat verkennt insbesondere
nicht, daß die Kartellbehörde auf die Verwendung von derartigen, den Lebens-
mittelhandel als Ganzen statt einzelner Produkte oder Produktgruppen in den
Blick nehmenden Schwellenwerten angewiesen ist, wenn sie der ihr nach § 20
Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 GWB übertragenen Aufgabe soll sachgerecht nach-
gehen können. Allerdings setzt dies voraus, daß dieser Schwellenwert nach-
vollziehbar und widerspruchsfrei ermittelt und daß nicht ohne plausible Begrün-
dung eine bestimmte Grenze postuliert wird. Dem von der Untersagungsverfü-
gung betroffenen Unternehmen muß danach die Möglichkeit eröffnet werden,
die Vermutung zu widerlegen, nämlich darzutun, daß dieser Schwellenwert un-
richtig gewählt worden ist oder daß der an sich zutreffend ermittelte Wert im
konkreten Fall keine zutreffende Aussage über die Einordnung eines Lieferan-
ten zur Gruppe der kleinen oder mittleren Unternehmen enthält. Indem das
Bundeskartellamt ausschließlich die in dem Verhältnis zu den 20 genannten
Lieferanten der Metro besonders umsatzstarken Unternehmen in den Blick ge-
nommen und sich im übrigen - wie ausgeführt: zu Unrecht - auf die behauptete
nachfragebedingte Abhängigkeit der 20 herausgegriffenen Lieferanten von der
Betroffenen gestützt hat, ist es hinter den zu stellenden Anforderungen an die
Klärung des Sachverhalts zurückgeblieben.
Nicht zu folgen vermag indessen der Senat der Auffassung des Kam-
mergerichts, diese Lücken zu füllen, sei im vorliegenden Fall entgegen § 70
Abs. 1 GWB nicht seine Aufgabe. Das Bundeskartellamt hat in rechtlich nicht zu
beanstandender Weise auf den Umsatzanteil der Lieferanten abgestellt und
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lediglich insofern Lücken in der Tatsachenfeststellung gelassen, als es ver-
säumt hat, den jährlichen Gesamtumsatz des hier in Rede stehenden Lebens-
mittelhandels (einschließlich der üblicherweise einbezogenen Nebenprodukte
des täglichen Bedarfs) zu ermitteln. Wenn in dieser Lage das Beschwerdege-
richt die fehlenden Tatsachenfeststellungen nachholt, zieht es entgegen der von
der Betroffenen vertretenen Auffassung nicht unzulässigerweise die Funktionen
der Kartellbehörde an sich (vgl. dazu K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker
GWB, 3. Aufl., § 70 Rdn. 4 m.w.N.).
(3) Das Bundeskartellamt hat in gleicher Weise auch die Abhängigkeit
der in der Untersagungsverfügung aufgeführten Unternehmen nicht hinreichend
plausibel festgestellt. Die Gleichstellung von unternehmensbedingter mit nach-
fragebedingter Abhängigkeit, ohne für die letztere konkrete Feststellungen ge-
troffen zu haben, kommt, wie bereits ausgeführt, nicht in Betracht.
Dem Rechtsbeschwerdeführer kann auch nicht darin gefolgt werden, daß
jeder mit der Metro-Gruppe in Vertragsbeziehungen stehende Anbieter von die-
sem nachfragestarken Unternehmen abhängig sei, wenn er wenigstens 7,5%
seines Umsatzes mit Metro-Gesellschaften abwickele (kritisch auch Köhler BB
1999, 1017). Abhängigkeit besteht, wie sich aus § 20 Abs. 2 Satz 1 GWB ergibt,
auf den § 20 Abs. 3 Satz 2 GWB Bezug nimmt, allein dann, wenn keine ausrei-
chende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen,
bestehen. Auch in diesem Zusammenhang hält es der Senat für nicht unzuläs-
sig, wenn die Kartellbehörde, um ihre gesetzlichen Befugnisse sachgerecht
ausüben zu können, bestimmte Grenzwerte heranzieht, bei deren Überschrei-
ten eine Abhängigkeit des Lieferanten von dem nachfragestarken Unternehmen
- widerleglich - vermutet wird. Ohne eine Betrachtung der Verhältnisse auf dem
konkreten Markt - hier also dem Lebensmittelhandel - kann dieser Wert jedoch
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nicht in der erforderlichen plausiblen Weise hergeleitet werden (vgl. auch Köh-
ler BB 1999, 1017). Dem ist das Bundeskartellamt nicht gerecht geworden,
wenn es - ohne weitere Untersuchungen - unterstellt hat, daß bei einem Anteil
der Lieferungen des Anbieters an Metro von mindestens 7,5% die Abhängig-
keitsvermutung besteht.
Auch insoweit hätte das Kammergericht die fehlenden Feststellungen
treffen müssen. Der Betroffenen hätte sodann Gelegenheit gegeben werden
müssen, diese Vermutung der Abhängigkeit des kleinen oder mittleren Unter-
nehmens von dem Metro-Konzern zu widerlegen. In dem zuletzt genannten Zu-
sammenhang kommt es auf die konkreten Gegebenheiten des Marktes, und
zwar nicht des Lebensmittelhandels insgesamt, sondern der in Rede stehenden
Produkte des jeweiligen Lieferanten an. Hier kann sich erweisen, daß der pau-
schal für den gesamten Lebensmittelhandel entwickelte Wert keine zutreffende
Aussage über die Abhängigkeit liefert, etwa weil eine andere Wettbewerbssi-
tuation besteht oder weil - wie die Betroffene wiederholt, etwa unter Hinweis auf
das Produkt "Rotkäppchen"-Sekt, angeführt hat - auch das Ansehen und die
Bedeutung des einzelnen Anbieters und seiner Produkte dazu führen können,
daß der nachfragestarke Metro-Konzern auf die Belieferung nicht verzichten
kann. So erscheint es nicht von vornherein fernliegend, daß die Metro-Gruppe,
will sie in dem umkämpften Lebensmittelmarkt ihre Stellung als sachgemäß
sortiertes Unternehmen halten und festigen, darauf angewiesen ist, bestimmte
von ihren Kunden nachgefragte Produkte zu führen. Unter Umständen können
in einem solchen Fall selbst bei einer Absatzquote von deutlich mehr als 10%
ausreichende und zumutbare Möglichkeiten für den Anbieter bestehen, seine
Produkte auf anderen Wegen als über die Metro-Gruppe abzusetzen. Ferner
können Ausweichmöglichkeiten bestehen, auf die auch ein kleines oder mittle-
res Unternehmen zurückgreifen kann, wenn es sich den von ihm als nicht hin-
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nehmbar empfundenen Forderungen eines nachfragestarken Handelsunter-
nehmens entziehen will.
Nicht gefolgt werden kann dem Bundeskartellamt ferner darin, daß das
Eingehen der Lieferanten der Betroffenen auf deren Wunsch nach Konditionen-
anpassung und Leistung von im Einzelfall ausgehandelten Ausgleichszahlun-
gen die Abhängigkeit des Lieferanten belege. Auch wenn ein solches Entge-
genkommen während des laufenden Vertrages oftmals ein Indiz dafür ist, daß
der Lieferant sich abhängigkeitsbedingt den Forderungen des nachfragestarken
Unternehmens beugt, ist der von dem Bundeskartellamt gezogene Schluß nicht
zwingend, weil objektive Gründe bestehen können, die einen Lieferanten zu
einem solchen Verhalten bewegen können. Der Anbieter kann etwa Wert auf
eine langfristige Aufrechterhaltung und Stärkung seiner Vertragsbeziehungen
zu dem Nachfrager legen und deswegen Handlungsspielräume, die ihm der für
das laufende Jahr geschlossene Rahmenvertrag nach dem Grundsatz "pacta
sunt servanda" eröffnet, nicht ausnutzen. Denkbar ist auch, daß er die Bitte der
anderen Seite nach Konditionenanpassung nicht als Zumutung, sondern - etwa
im Hinblick auf die bei größerer Absatzmenge üblichen höheren Rabattsätze -
als angemessene Reaktion auf die neue Unternehmensstruktur seines Ver-
tragspartners empfindet. Schließlich kann er es als vorteilhaft für die Abwick-
lung seiner Aufträge ansehen, daß er es nur noch mit einem Abnehmer zu tun
hat, dessen Zuverlässigkeit und dessen Bonität er schätzt, so daß er bereit ist,
für diesen ihm durch die Fusion seiner bisherigen Abnehmer entstehenden
Vorteil eine Vergütung zu leisten.
(4) Schließlich wendet sich die Rechtsbeschwerde im Ergebnis mit Erfolg
dagegen, daß das Kammergericht angenommen hat, die Betroffene habe die in
der Untersagungsverfügung aufgeführten Unternehmen nicht veranlaßt, ihr oh-
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ne sachlich gerechtfertigten Grund Vorzugsbedingungen einzuräumen.
Entsprechend dem nicht einheitlichen Verständnis des § 20 Abs. 3 GWB
im Schrifttum (vgl. etwa Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S. 268 f.
m.Nw.; Markert in Immenga/Mestmäcker aaO, § 20 Rdn. 252 ff.; Bechtold
GWB, 2. Aufl., § 20 Rdn. 52 ff.; Rixen in FK aaO, § 20 Rdn. 292 ff.; Schultz in
Langen/Bunte aaO, § 20 GWB Rdn. 208; Möschel Recht der Wettbewerbsbe-
schränkungen, Rdn. 660, 662 f.), das den Normzweck teilweise nur im Schutz
der Wettbewerber des Nachfragers sieht, teilweise aber darüber hinausgehend
auch den Anbieter vor einem marktstarken Nachfrager schützen will, wird die
Frage, worin Vorzugsbedingungen bestehen und welches Verhältnis den Maß-
stab für die Beurteilung abgibt, unterschiedlich beantwortet. Nach dem in den
Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 8/2136 S. 25) zum Ausdruck gekommenen
Willen des Gesetzgebers steht die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen
durch unbillige Ausübung von Nachfragemacht jedenfalls im Vordergrund des
Normanwendungsbereichs (strenger Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb,
S. 269 f., der ausschließlich auf den Wettbewerbsbezug abstellt). Ob in beson-
deren Ausnahmefällen der Vorschrift auch ein Schutzzweck für das Vertikalver-
hältnis zwischen Nachfrager und Anbieter beigemessen werden kann, wie von
den Parteien erörtert, bedarf hier keiner Entscheidung.
Die Auffassung des Kammergerichts, von der Einräumung von Vorzugs-
bedingungen könne allein dann gesprochen werden, wenn die Betroffene für
Gesellschaften des Konzerns, dem sie angehört, letztlich niedrigere Einkaufs-
preise vereinbart, als ihre Wettbewerber sie erzielen, ist von Rechtsirrtum be-
einflußt und führt weitgehend dazu, daß für die Anwendung des § 20 Abs. 3
GWB kein Raum bleibt. Demgegenüber hat das Bundeskartellamt zutreffend
angenommen, daß es bereits als Vorzugsbedingung im Sinne des § 20 Abs. 3
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GWB anzusehen ist, wenn ein nachfragestarkes Unternehmen, ohne daß hier-
für ein zivilrechtlicher Anspruch besteht, seine Lieferanten dazu bewegt, für in
der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte andere, ihnen ungünstigere
Lieferkonditionen zu vereinbaren und Ausgleichszahlungen zu leisten. Wettbe-
werber der Betroffenen haben diese Möglichkeit, in laufende Verträge mit
Rückwirkung einzugreifen, nämlich nicht. Ob im Falle einer Fusion - wie die Be-
troffene vorgetragen hat - die Konditionenanpassung im Lebensmittelhandel
üblich ist, ist keine Frage des Vorhandenseins einer Vorzugsbedingung, son-
dern kann allenfalls im Rahmen der Prüfung ein Rolle spielen, ob diese Vor-
zugsbehandlung sachlich gerechtfertigt ist.
Veranlaßt danach das nachfragestarke Unternehmen seine Lieferanten
entgegen den üblichen zivilrechtlichen Regeln zu einer rückwirkenden Konditio-
nenanpassung, so begründet dies lediglich die - wiederum widerlegliche - Ver-
mutung, daß hierfür sachlich gerechtfertigte Gründe nicht bestehen, das Einge-
hen der Anbieter auf das Anpassungsverlangen vielmehr Ausdruck ihrer Ab-
hängigkeit als kleine oder mittlere Unternehmen von dem Nachfrager ist. Die
unerläßliche Möglichkeit, diese Vermutung zu widerlegen, hat das Bundeskar-
tellamt der Betroffenen zu Unrecht verweigert.
Denn dem Bundeskartellamt kann nicht gefolgt werden, daß es
- unabhängig von dem Blick auf die Wettbewerber der Betroffenen - den Vorteil,
den sich der Metro-Konzern hat gewähren lassen, darin erblickt, daß die Kondi-
tionenanpassung und die je individuell vereinbarte Ausgleichszahlung ein nicht
leistungsgerechtes Entgelt sei. Zu dieser Auffassung ist das Bundeskartellamt
nur deswegen gelangt, weil es angenommen hat, der in den jeweiligen Jahres-
gesprächen zwischen den Lieferanten und der Betroffenen bzw. allkauf verein-
barte Konditionenrahmen spiegele jeweils das leistungsgerechte Marktergebnis
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wider. Die Unrichtigkeit dieses Ansatzes ergibt sich schon aus den eigenen
Ausführungen der Rechtsbeschwerde, nach denen allkauf teilweise besser ver-
handelt hat als die Betroffene und diese deswegen gehindert sein soll, dieses
günstigere Ergebnis für sich nutzbar zu machen. Gerade wenn, wie im Falle
allkauf, der kleinere Nachfrager in der Lage ist, günstigere Konditionen mit
demselben Anbieter zu vereinbaren, als sie der marktmächtigere Wettbewerber
eingeräumt erhält, spricht dies - wie auch die Lebenserfahrung - dagegen, daß
jedes Verhandlungsergebnis das leistungsgerechte Marktergebnis widerspie-
gelt.
Davon abgesehen ist die generelle Aussage unzutreffend, daß der Kon-
ditionenanpassung und der Ausgleichszahlung keinerlei Gegenleistung der Be-
troffenen gegenüberstehen kann. Nach der auch von der Rechtsbeschwerde
zitierten Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 8/2136 S. 16 und 25;
ferner WuW 1980, 337, 353 f.) sind sachlich nicht gerechtfertigte Vorzugsbe-
dingungen jedenfalls nicht Mengen- und Funktionsrabatte. Wenigstens teilweise
- genaue Feststellungen hierzu haben weder das Bundeskartellamt noch, von
seinem Standpunkt aus folgerichtig, das Kammergericht getroffen - handelt es
sich bei den Anpassungen und Ausgleichszahlungen, die die Betroffene von
den Lieferanten erwirkt hat, um Mengenrabatte, weil nämlich die Abnahme-
mengen beider früher selbständiger Unternehmen zusammengerechnet werden
und darauf der entsprechend günstigere Rabattsatz angewandt wird.
Durch den - mit wirtschaftlicher Rückwirkung zum Jahresbeginn vollzo-
genen - Zusammenschluß der bisher selbständigen Handelsunternehmen ha-
ben sich, anders als der Rechtsbeschwerdeführer meint, die Marktverhältnisse
für die Lieferanten nachhaltig geändert. Diese haben es nunmehr nur noch mit
einem Abnehmer zu tun, mit dem sie auf der Grundlage der früheren Rahmen-
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vereinbarungen die Preise im laufenden Jahr von Fall zu Fall festlegen, der ihr
Vertragspartner bei gemeinsamen Werbe- und Verkaufsaktionen ist, mit dem
Gewährleistungs- und Kulanzfragen einschließlich etwaiger Produkthaftungsan-
sprüche zu klären sind und der für die finanzielle Abwicklung der Geschäfte zu-
ständig ist. Diese Umstände, die auch bei den üblichen Jahresverhandlungen
Eingang in die jeweiligen Erwägungen der Lieferanten finden müssen und dort
unbestreitbar zulässig sind, können für die betroffenen Anbieter auch während
des laufenden Jahres ebenso ein durch Konditionenanpassung und Aus-
gleichszahlung zu entgeltender Vorteil sein, wie die Sicherung und Stärkung der
Vertragsbeziehungen in den Folgejahren.
Ob diese - oder andere - Erwägungen, die vorzutragen Sache der Be-
troffenen ist, die Leitungsorgane der in der Untersagungsverfügung genannten
Unternehmen haben bewegen können, dem Anpassungswunsch der Betroffe-
nen zu folgen, und ob sie als sachlich gerechtfertigte Gründe für die rückwir-
kende Konditionenanpassung anzuerkennen sind, hat das Kammergericht in
dem wieder eröffneten Beschwerdeverfahren zu prüfen.
Hirsch Goette Bornkamm
Raum Meier-Beck