Urteil des BGH vom 19.11.2012

BGH: vermögensverfall, verbindlichkeit, gefährdung, wahrscheinlichkeit, entstehung, tatsachenfeststellung, rechtsanwaltschaft, honorarforderung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (Brfg) 56/12
vom
19. November 2012
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, die Richterinnen Lohmann und
Dr. Fetzer sowie den Rechtsanwalt Dr. Wüllrich und die Rechtsanwältin
Dr. Hauger
am 19. November 2012 beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das
Urteil des 1. Senats des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofs
vom 30. Juli 2012 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000
€ fest-
gesetzt.
Gründe:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg,
weil ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO nicht gegeben ist (vgl.
§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefoch-
tenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser
Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder
eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage
gestellt wird (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg)
30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
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a) Der Kläger wendet sich ohne Erfolg gegen das Vorliegen eines Ver-
mögensverfalls. Seine Erwartung, aus der Bearbeitung eines familienrechtli-
chen Mandats Einnahmen in "nicht unerheblicher Höhe" zu erzielen, ändert
nichts daran, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses
des Widerspruchsverfahrens in Vermögensverfall geraten war. Der Anwaltsge-
richtshof hat zutreffend und vom Kläger unbeanstandet ausgeführt, dass zu
diesem Zeitpunkt vollstreckbare Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der
Finanzverwaltung und dem Rechtsanwaltsversorgungswerk in beträchtlicher
Höhe bestanden. Die Würdigung des Anwaltsgerichtshofs, auf Grund dieser
Beweisanzeichen sei von einem Vermögensverfall des Klägers auszugehen,
zumal nicht zu erkennen sei, dass dieser aufgelaufene und neu entstehende
Verbindlichkeiten in absehbarer Zeit erfüllen könne, begegnet keinen und zumal
keinen ernstlichen Bedenken. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass und in
welcher Höhe zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids die als-
baldige Entstehung und Begleichung der angeführten Honorarforderung mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen ist.
Im Hinblick darauf, dass bereits die Verbindlichkeiten des Klägers ge-
genüber der Finanzverwaltung und des Versorgungswerks ungeordnete finan-
zielle Verhältnisse belegen, kommt es für die Richtigkeit der angefochtenen
Entscheidung nicht darauf an, ob der Kläger sich bei Abschluss des Widerrufs-
verfahrens noch einer weiteren titulierten Forderung der D. Woh-
nungsgesellschaft mbH & Co. KG in Höhe von 2.800
€ ausgesetzt sah.
b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung
ergeben sich auch nicht im Hinblick auf die Annahme des Anwaltsgerichtshofs,
die Interessen der Rechtsuchenden seien gefährdet. Der Kläger ist als Einzel-
anwalt tätig und kann daher nicht darauf überwacht werden, ob er selbst aufer-
legte Beschränkungen hinsichtlich der Annahme von Fremdgeld einhält (vgl.
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Senatsbeschluss vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 55/11, juris Rn. 10 m.w.N.).
Der Hinweis des Klägers darauf, dass bisher keine Beanstandungen oder
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgt seien, genügt nicht, um eine Gefähr-
dung der Mandanteninteressen auszuräumen.
2. Auch ein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler (§ 112e Satz 2
BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) ist nicht dargelegt.
Abgesehen davon, dass schon zweifelhaft ist, ob die angeblich unterblie-
bene Erörterung der Forderung der D. Wohnungsgesellschaft mbH &
Co. KG im Termin zur mündlichen Verhandlung einen Verfahrensfehler dar-
stellt, fehlt es jedenfalls an Vortrag zu dessen Entscheidungserheblichkeit. Der
Kläger legt nicht substantiiert dar, was er vorgetragen hätte, wenn diese Ver-
bindlichkeit im Termin mündlich erörtert worden wäre (vgl. zu diesem Erforder-
nis Senatsbeschluss vom 16. September 2011 - AnwZ (Brfg) 28/11, juris Rn. 8)
und inwiefern dies möglicherweise zu einer abweichenden Entscheidung ge-
führt hätte (vgl. dazu BVerwG, NJW 2008, 3157 Rn. 4). Ausweislich der Ent-
scheidungsgründe des angefochtenen Urteils war der vom Anwaltsgerichtshof
bejahte Fortbestand dieser Verbindlichkeit für die Entscheidung nicht tragend.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Tolksdorf
Lohmann
Fetzer
Wüllrich
Hauger
Vorinstanz:
AGH Brandenburg, Entscheidung vom 30.07.2012 - AGH I 10/11 -
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