Urteil des BGH vom 24.01.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZR 47/11
vom
24. Januar 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BauFordSiG § 1
a) Das Bauforderungssicherungsgesetz in der ab 1. Januar 2009 geltenden
Fassung ist anwendbar, wenn die pflichtwidrige Tathandlung nach dem
31. Dezember 2008 erfolgt.
b) Der Begriff der Herstellung oder des Umbaus eines Baues im Sinne von § 1
BauFordSiG ist nicht auf Gebäude beschränkt, sondern mit der Herstellung
oder dem Umbau eines Bauwerks gleichbedeutend.
BGH, Beschluss vom 24. Januar 2013 - VII ZR 47/11 - OLG Koblenz
LG Koblenz
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richter Halfmeier, Kosziol,
Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesge-
richts Koblenz vom 3. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
(§ 97 Abs. 1 ZPO).
Gegenstandswert: 92.587 €
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen zweckwid-
riger Verwendung von Baugeld in Anspruch. Der Beklagte war Geschäftsführer
der Komplementär-GmbH einer Kommanditgesellschaft (künftig nur: KG). Diese
nahm im Auftrag von drei Kommunen im Jahr 2008 Tiefbau- und Straßenbau-
arbeiten vor. Die KG bestellte und erhielt von der Klägerin, mit der sie in ständi-
ger Geschäftsverbindung stand, im Jahr 2008 Baustoffe, unter anderem Pump-
schächte, Druckrohrleitungen, Stahlbetonrohre, Pflaster- und Bordsteine. Diese
wurden im Straßenkörper zu Entwässerungsanlagen und nach Verfüllung der
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Baugruben zu einem geschlossenen Straßenkörper verarbeitet. Die KG erhielt
im Januar und Februar 2009 Werklohn von den Auftraggebern. Der Beklagte
beglich damit Steuerverbindlichkeiten der KG und von ihr geschuldete Sozial-
versicherungsbeiträge. Über das Vermögen der KG wurde am 1. April 2009 das
Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Klägerin hat den Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 1
BauFordSiG auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Klage hatte Er-
folg. Das Berufungsgericht (OLG Koblenz, BeckRS 2011, 02787) hat die Beru-
fung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde ver-
folgt er seinen Klageabweisungsantrag weiter.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Weder hat die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entschei-
dung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend das Gesetz über die Sicherung
der Bauforderungen (Bauforderungssicherungsgesetz - BauFordSiG) vom
23. Oktober 2008 (BGBl. I 2022, 2582) in der ab dem 1. Januar 2009 geltenden
Fassung angewandt. Das Berufungsurteil weicht entgegen der Auffassung der
Beschwerde nicht von den Grundsätzen des Senatsurteils vom 19. August 2010
(VII ZR 169/09, BauR 2010, 2107 = NZBau 2010, 746) ab. Entsprechend dem
in Art. 170 EGBGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken
ist danach davon auszugehen, dass Inhalt und Wirkung eines Rechtsverhältnis-
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ses nach dem Recht zu beurteilen sind, das zur Zeit der Verwirklichung seines
Entstehungstatbestandes
galt
(BGH,
Urteil
vom
19. August 2010
- VII ZR 169/09, aaO Rn. 6; siehe bereits BGH, Urteil vom 22. Januar 1987
- IX ZR 100/86, BGHZ 99, 363, 369). Dem hat das Berufungsgericht Rechnung
getragen. Im Rahmen eines auf das Bauforderungssicherungsgesetz gestützten
Schadensersatzanspruchs
kommt es für die Anspruchsentstehung auf den
Zeitpunkt der pflichtwidrigen Tathandlung an (Stammkötter, Bauforderungssi-
cherungsgesetz, 3. Aufl., Exkurs II Rn. 9, S. 222; Wolff in: Messerschmidt/Voit,
Privates Baurecht, 2. Aufl., § 1 BauFordSiG Rn. 88; Hammacher, NZBau 2011,
713, 714; Kainz in: Kuffer/Wirth, Handbuch des Fachanwalts Bau- und Architek-
tenrecht, 3. Aufl., 2. Kapitel Teil D Rn. 165). Diese fand hier nach dem
1. Januar 2009 statt. Das Baugeld, welches der Beklagte zweckwidrig verwen-
det hat, hat die KG Anfang 2009 erhalten.
2. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauFordSiG in der ab dem
1. Januar 2009 geltenden Fassung sind Baugeld auch solche Beträge, die der
Empfänger von einem Dritten für eine im Zusammenhang mit der Herstellung
eines Baues oder Umbaues stehende Leistung, die der Empfänger dem Dritten
versprochen hat, erhalten hat, wenn an dieser Leistung andere Unternehmer
auf Grund eines Werk-, Dienst- oder Kaufvertrags beteiligt waren. Die Absiche-
rung der Ansprüche des Geldgebers durch Grundpfandrechte ist ab dem
1. Januar 2009 weggefallen. Die Erweiterung des Baugeldbegriffs durch Ab-
kopplung von der dinglichen Sicherung war eine wesentliche Änderung durch
das BauFordSiG (näher Joussen in: Ingenstau/Korbion/Kratzenberg/Leupertz,
VOB, 18. Aufl., Anhang 1: Sicherung von Vergütungsansprüchen der Bauunter-
nehmer, Rn. 256 f., 276, 280 zu § 1 BauFordSiG; Wolff, aaO, vor § 1
BauFordSiG Rn. 7).
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a) Als "Bau" im Sinne des § 1 BauFordSiG sind nicht nur Gebäude zu
verstehen, vielmehr ist der Begriff gleichbedeutend mit dem Begriff des Bau-
werks. Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Gesetzesmaterialien zum Ge-
setz zur Änderung des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen vom
29. Juli 2009 (BGBl. I 2436; zu diesem Änderungsgesetz siehe Stammkötter,
BauR 2009, 1521). Danach war beabsichtigt, die Begriffe "Bau oder Umbau"
umzuformulieren in "Herstellung oder Umbau von Bauwerken". Damit war keine
inhaltliche Änderung verbunden. Es sollte lediglich klargestellt werden, dass mit
der Ausweitung des Baugeldbegriffs auch eine Ausweitung der vom
Anwendungsbereich des Gesetzes betroffenen Baumaßnahmen einhergeht.
Baugeld waren früher nur solche Gelder, zu deren Kreditabsicherung eine
Hypothek oder Grundschuld eingetragen war. Faktisch betraf das Gesetz daher
nur Gebäude. Mit der Ausdehnung des Baugeldbegriffs war diese Einschrän-
kung auf Gebäude nicht mehr aus dem Gesetzeszweck ableitbar. Die allgemei-
ner gehaltene Bezeichnung "Bauwerk" sollte dem Rechnung tragen
(BT-Drucks. 16/13159, S. 6). Diese Formulierung ist zwar nicht Gesetz gewor-
den, vielmehr verblieb es bei dem Begriff "Bau". Dies ist jedoch unschädlich,
weil der Gesetzgeber ohnehin nur eine Klarstellung beabsichtigt hatte (vgl. auch
Joussen, aaO Rn. 280 zu § 1 BauFordSiG). Insbesondere bieten weder das
Gesetz noch die Gesetzesmaterialien einen Anhaltspunkt für eine etwa vom
Gesetzgeber gewollte Beschränkung auf den Begriff des Gebäudes.
b) Für die Vorläuferregelung, das Gesetz über die Sicherung von Baufor-
derungen vom 1. Juni 1909 (GSB), hat der Bundesgerichtshof zwar entschie-
den, dass der Herstellung eines Baues nur solche Leistungen dienen, die sich
auf wesentliche Teile des Gebäudes beziehen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1989
- VI ZR 281/88, BauR 1989, 758; siehe auch MünchKommBGB/Stresemann,
6. Aufl., § 94 Rn. 38). Ziel dieser Entscheidung, die die Lieferung von Mobiliar
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für ein Wohnhaus betraf, war es, die Verwendungspflicht auf wesentliche Be-
standteile eines Gebäudes zu begrenzen (vgl. auch BGH, Urteile vom
12. Dezember 1989 - VI ZR 311/88, BauR 1990, 241 unter II 2 a; vom
11. April 2001 - 3 StR 456/00, BGHSt 46, 373, 377; Beschluss vom
14. Januar 2003 - 4 StR 336/02, NStZ 2004, 284 Rn. 8). Diese Begrenzung be-
ansprucht nach wie vor Geltung (Wolff, aaO § 1 BauFordSiG Rn. 32; Bruns in:
Glöckner/von Berg, Fachanwaltskommentar Bau- und Architektenrecht 2011,
§ 1 BauFordSiG Rn. 13). Es ging jedoch nicht darum, Bauwerke, die keine Ge-
bäude sind, dem Geltungsbereich des Gesetzes zu entziehen.
c) Demgemäß entspricht es in Übereinstimmung mit dem Berufungsge-
richt nahezu geschlossener Ansicht im Schrifttum, dass sich der Anwendungs-
bereich
des
Bauforderungssicherungsgesetzes
jedenfalls
in
der
ab
1. Januar 2009 geltenden Fassung nicht auf Gebäude beschränkt, sondern
allgemein Bauwerke umfasst (Joussen, aaO Rn. 280 zu § 1 BauFordSiG;
Bruns, aaO § 1 BauFordSiG Rn. 10; Wolff, aaO § 1 BauFordSiG Rn. 32;
Stammkötter, IBR 2011, 142; zur Vorläuferregelung siehe bereits Koeble in:
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., Teil 10 Rn. 176). Der Be-
griff des Bauwerks wiederum erfasst, wie der Senat bereits entschieden hat,
auch Maßnahmen des Tief- und Straßenbaus (BGH, Urteile vom 12. März 1992
- VII ZR 334/90, BauR 1992, 502 unter II 1; vom 12. November 1992
- VII ZR 29/92, BauR 1993, 217 unter II 1; jeweils zu § 638 BGB a.F.).
d) Die Beschwerde zeigt nur eine Stimme im Schrifttum auf, wonach die
Neuregelung des Bauforderungssicherungsgesetzes keine Tiefbaumaßnahmen
umfasse, weil sich der Geltungsbereich des Gesetzes auf Gebäude beschränke
(Wittjen, ZfBR 2009, 418 Fn. 37). Diese vereinzelt gebliebene abweichende
Literaturauffassung gebietet die Zulassung der Revision jedoch nicht (vgl. BGH,
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Beschlüsse vom 8. Februar 2010 - II ZR 156/09, NJW-RR 2010, 978 Rn. 3;
vom 8. Februar 2010 - II ZR 54/09, NJW-RR 2010, 1047 Rn. 3; vom
20. Dezember 2012 - IX ZR 72/11, juris, Rn. 2; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl.,
§ 543 Rn. 5a; Hk-ZPO/Kayser/Koch, 5. Aufl., § 543 Rn. 9).
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeig-
net wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Re-
vision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).
Kniffka
Halfmeier
Kosziol
Kartzke
Jurgeleit
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 30.04.2010 - 8 O 318/09 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 03.02.2011 - 5 U 631/10 -
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