Urteil des BGH vom 14.02.2008

HEITEC Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 162/05 Verkündet
am:
14. Februar 2008
Führinger
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
HEITEC
MarkenG § 5 Abs. 2 Satz 1, § 15 Abs. 2, § 21 Abs. 4; BGB § 242 Cc; UmwG
§ 18 Abs. 1, § 20 Abs. 2 Nr. 2
a) Die Beschränkung des Schutzumfangs eines an eine beschreibende oder
sonst freizuhaltende Angabe angelehnten Zeichens dient dazu, eine Mono-
polisierung der freizuhaltenden Angabe durch den Inhaber des Zeichens zu
vermeiden. Im Verhältnis zu anderen Zeichen, die sich ebenfalls an die frei-
zuhaltende Angabe anlehnen und diese verfremden, ist der Schutzumfang
nicht begrenzt.
b) Bei einer Unternehmensverschmelzung durch Aufnahme kommen die für
den Rechtsvorgänger abgelaufene Zeitdauer und der von diesem erworbe-
ne Besitzstand an einem Unternehmenskennzeichen dem Rechtsnachfol-
ger auch dann zugute, wenn er von der Möglichkeit der Fortführung der
Firma des übernommenen Unternehmens keinen Gebrauch gemacht hat.
c) Die Verwirkung beschränkt sich auf die konkret beanstandete Zeichenform
sowie auf geringfügige Abwandlungen, bei denen der Abstand gegenüber
dem Klagezeichen gewahrt bleibt.
BGH, Urt. v. 14. Februar 2008 - I ZR 162/05 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 14. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. August 2005 aufge-
hoben.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. Januar 2000 abgeändert:
I. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt,
1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeich-
nung des auf den Vertrieb und die Herstellung von Network-
Computing, CAE-Lösungen, Systemintegration, Hardware,
e-Business sowie Services, insbesondere Consulting, Pla-
nung, Installation, Wartung, Systemservice, Konstruktions-
und NC-Programmierungsservice, Outsourcing und Schu-
lungen gerichteten Unternehmens die Bezeichnung "HAITEC
AG" zu benutzen oder benutzen zu lassen,
2. in die Löschung des Bestandteils "HAITEC" in ihrer im Han-
delsregister des Amtsgerichts M. unter HR B
eingetragenen Firma "HAITEC Aktiengesellschaft" einzuwilli-
gen,
3. der Klägerin für die Zeit ab 15. Oktober 1998
a) über den Umfang der vorstehend unter 1. bezeichneten
Handlungen Rechnung zu legen unter Angabe des erziel-
ten Umsatzes sowie der Art und des Umfangs betriebe-
ner Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern und
Werbemitteln, der Stückzahl und den Verteilungs- und
Erscheinungsdaten für die einzelnen Kalendervierteljahre,
b) Auskunft zu erteilen über den Vertrieb der unter der Be-
zeichnung "HAITEC" und/oder der Firma "HAITEC AG"
vertriebenen Waren und/oder Dienstleistungen, insbe-
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sondere unter Angabe der Namen und Anschriften der
Hersteller, der Lieferanten und deren Vorbesitzer, der
gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber sowie unter
Angabe der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten
Waren bzw. zur Verfügung gestellten Dienstleistungen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, der
Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den vorste-
hend unter I 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und ent-
stehen wird.
III. Der Beklagten zu 1 wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ge-
gen die vorstehend unter I 1 bezeichnete Unterlassungsver-
pflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ord-
nungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu
sechs Monaten und im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren an-
gedroht, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Vorstands-
mitgliedern der Beklagten zu 1 zu vollziehen ist.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2
bis 4, 3/4 der im ersten und zweiten Rechtszug angefallenen ge-
richtlichen Kosten und 3/20 der im dritten Rechtszug angefallenen
gerichtlichen Kosten zu tragen.
Die Beklagte zu 1 hat jeweils 1/4 der im ersten und zweiten
Rechtszug angefallenen gerichtlichen Kosten und der dort angefal-
lenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie 17/20 der im
dritten Rechtszug angefallenen Gerichtskosten und außergerichtli-
chen Kosten der Klägerin zu tragen.
Ihre weiteren außergerichtlichen Kosten haben die Klägerin und die
Beklagte zu 1 selbst zu tragen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Klägerin betreibt seit 1984 - ursprünglich als Gesellschaft mit be-
schränkter Haftung mit dem Firmenschlagwort "HEITEC" und seit ihrer Um-
wandlung in eine Aktiengesellschaft zum 28. Januar 2000 unter der Firma "HEI-
TEC AG" - ein EDV-Systemhaus, das im Bereich der Industrieplanung, der Be-
ratung und der Schulung auf den Geschäftsfeldern Systemberatung und
-integration, Analyse, Automatisierungsplanung und -technik, Vermittlung von
technischem und wirtschaftlichem Know-how, Unternehmensberatung, Kon-
struktions- und Anlagenplanung, Netz- und Prüftechnik, Hard- und Software-
entwicklung, Dokumentenmanagement und Archivierung tätig ist. Sie ist Inha-
berin der für Computer, Unternehmensberatung und weitere Waren und Dienst-
leistungen der Klassen 9, 16, 35, 41 und 42 am 13. Juli 1991 angemeldeten
deutschen Wortmarke "HEITEC". Des Weiteren ist die Klägerin Inhaberin der
am 14. August 1998 für entsprechende Waren und Dienstleistungen der ge-
nannten Warenklassen angemeldeten Gemeinschaftsmarke "HEITEC". Wider-
spruch und Beschwerde der Beklagten zu 1 gegen die Eintragung dieser Ge-
meinschaftsmarke blieben ohne Erfolg.
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Die am 15. Oktober 1998 errichtete und am 1. Dezember 1998 mit ihrer
Firma "HAITEC Aktiengesellschaft" in das Handelsregister eingetragene Be-
klagte zu 1 betreibt ebenfalls ein EDV-Systemhaus. Sie befasst sich mit der
Entwicklung und dem Vertrieb EDV-gestützter Lösungen und Systeme, vor al-
lem für technische Anwendungsbereiche, und bietet damit verbundene Dienst-
leistungen an. Zuvor hatte seit 1989 die HAITEC Gesellschaft für Entwicklung
und Vertrieb EDV-gestützter Lösungen mbH (im Weiteren: HAITEC I) bestan-
den. Deren im Jahr 1993 gegründete Tochtergesellschaft HAITEC Gesellschaft
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für den Vertrieb von CAE-Lösungen mbH (im Weiteren: HAITEC II) firmierte im
Jahr 1997 in "HAITEC Gesellschaft für den Vertrieb von EDV-Lösungen mbH"
um. Mit Vertrag vom 26. Januar 1998 wurde die HAITEC I auf die HAITEC II
verschmolzen. Diese Gesellschaft wurde dann durch Vertrag vom 11. März
1999 rückwirkend zum 31. Dezember 1998 auf die Beklagte zu 1 verschmolzen.
Ursprünglich hatte die Klägerin auch die Vorstandsmitglieder der Beklagten
zu 1 verklagt. Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen im Berufungs-
verfahren richtet sich die Klage nur noch gegen die Beklagte zu 1 (nachfolgend:
Beklagte).
Mit Schreiben vom 28. Juni 1990 mahnte die Klägerin die HAITEC I we-
gen der Verwendung des Firmenbestandteils "HAITEC" ab. Die HAITEC I lehn-
te die Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung mit Schreiben vom
4. Juli 1990 ab. Auf eine weitere, mit Schreiben vom 6. Dezember 1994 erfolgte
Aufforderung zur Unterlassung der Firmenbezeichnung "HAITEC" ging die HAI-
TEC I nicht ein.
3
Mit Schreiben vom 8. Oktober 1996 wandte sich die Klägerin mit Berech-
tigungsanfragen an die HAITEC II und die ebenfalls zur Unternehmensgruppe
der Beklagten gehörende ARCAD HAITEC GmbH. Nachdem die Adressaten
der Schreiben eine Verwechslungsgefahr in Abrede gestellt und auf die Rege-
lung der Verwirkung in § 21 MarkenG hingewiesen hatten, teilte die Klägerin
ihnen mit Schreiben vom 12. März 1997 mit, dass sich die Angelegenheit nun-
mehr endgültig erledigt habe.
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Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagte wegen der
Benutzung des Zeichens "HAITEC" auf Unterlassung, Löschung der Firma der
Beklagten, Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung in Anspruch. Sie
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stützt sich dabei insbesondere auf ihre Unternehmensbezeichnung und ihre
nationale Marke.
Die Klägerin hat vorgetragen, zwischen den maßgeblichen Zeichen bzw.
Zeichenbestandteilen "HEITEC" und "HAITEC" bestehe in schriftbildlicher und
begrifflicher Hinsicht eine hochgradige Ähnlichkeit und in klanglicher Hinsicht
Übereinstimmung. Das Firmenschlagwort "HEITEC" sei überaus kennzeich-
nungskräftig und habe zudem aufgrund der Größe und Bekanntheit des Unter-
nehmens der Klägerin Verkehrsgeltung erlangt. Die Parteien böten insbesonde-
re auf den Geschäftsfeldern Hardware, Software, Network-Computing, CAE-
Lösungen, Systemintegration, Konstruktions- und NC-Programmierungsservice,
Outsourcing und Schulungen gleichartige oder einander nahestehende Waren
und Dienstleistungen an. Auch markenrechtlich bestehe Verwechslungsgefahr.
Die Klagemarke sei zudem als bekannte Marke zu qualifizieren. Die Beklagte
könne sich als neu gegründete juristische Person mit neuer Firmierung auch
nicht im Hinblick auf das frühere Verhalten der Klägerin gegenüber anderen
HAITEC-Firmen auf Verwirkung berufen. Die Verschmelzung der HAITEC II auf
die Beklagte ändere daran nichts; die Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 20
Abs. 1 UmwG umfasse Firmenrechte und damit zusammenhängende Rechts-
positionen nicht. Auch seien der von der Beklagten behauptete schutzwürdige
Besitzstand nicht übertragbar und die Verwechslungsgefahr gerade seit der
Existenz der Beklagten und der Berichterstattung im Zusammenhang mit deren
beabsichtigtem Börsengang evident geworden.
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Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung -
im ersten Rechtszug beantragt,
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1. es der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu un-
tersagen, im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung des auf den Vertrieb
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und die Herstellung von Network-Computing, CAE-Lösungen, Systemintegra-
tion, Hardware, e-Business sowie Services, insbesondere Consulting, Pla-
nung, Installation, Wartung, Systemservice, Konstruktions- und NC-
Programmierungsservice, Outsourcing und Schulungen gerichteten Unter-
nehmens die Bezeichnung "HAITEC AG" zu benutzen oder benutzen zu las-
sen,
2. die Beklagte zu verurteilen, in die Löschung des Bestandteils "HAITEC" in ih-
rer Firma einzuwilligen,
3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin über den Umfang der unter 1. be-
zeichneten Handlungen ab 15. Oktober 1998 Rechnung zu legen unter An-
gabe des erzielten Umsatzes sowie der Art und des Umfangs betriebener
Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern und Werbemitteln, der Stück-
zahl, den Verteilungs- und Erscheinungsdaten für die einzelnen Kalendervier-
teljahre,
4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 15. Oktober 1998 Auskunft über
den Vertrieb der unter der Bezeichnung "HAITEC" und/oder der Firma "HAI-
TEC AG" vertriebenen Waren/Dienstleistungen, insbesondere unter Angabe
der Namen und Anschriften der Hersteller, der Lieferanten und deren Vorbe-
sitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber sowie unter Angabe
der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren bzw. zur Verfügung ge-
stellten Dienstleistungen zu erteilen,
5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu
ersetzen, der ihr aus den unter 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist
und künftighin entstehen wird.
Die Beklagten haben das Bestehen einer Verwechslungsgefahr zwi-
schen den sich gegenüberstehenden Zeichen in Abrede gestellt. Außerdem
seien die möglichen Klageansprüche jedenfalls verwirkt.
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Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die
möglichen Ansprüche der Klägerin seien jedenfalls verwirkt.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
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Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihre
Klageansprüche gegen die Beklagte weiter. Diese beantragt, das Rechtsmittel
zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat eine Verwechslungsgefahr zwischen den
Klagezeichen und der angegriffenen Bezeichnung der Beklagten verneint. Hilfs-
weise hat es eine Verwirkung der Klageansprüche angenommen. Zur Begrün-
dung hat es ausgeführt:
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Auch wenn man zugunsten der Klägerin von zwischen den Parteien be-
stehender Branchennähe und teilweiser Branchenidentität ausgehe und die
Kennzeichnungskraft der Geschäftsbezeichnung "HEITEC" im Hinblick auf de-
ren langjährige intensive Benutzung als durchschnittlich anzusehen sei, fehle es
an einer die Annahme einer Verwechslungsgefahr rechtfertigenden Zeichen-
ähnlichkeit zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen "HEITEC" und
"HAITEC". Auf deren Ähnlichkeit oder Identität in klanglicher Hinsicht könne
nicht abgestellt werden, weil das mit dem Begriff "High Tech" übereinstimmen-
de Klangbild für im Hochtechnologiebereich tätige Unternehmen beschreibend
wirke und insoweit auch ein Freihaltebedürfnis bestehe. Auf der Grundlage des
Klagevortrags könne nicht ermittelt werden, ob der für den Erwerb einer klangli-
chen Kennzeichnungskraft durch Verkehrsgeltung erforderliche hohe Zuord-
nungsgrad im Kollisionszeitpunkt erreicht gewesen sei. Dem bestehenden Frei-
haltebedürfnis sei bereits durch die enge Bemessung des Schutzumfangs
Rechnung zu tragen. Die Annahme einer Verwechslungsgefahr könne daher
nicht darauf gestützt werden, dass der angesprochene Verkehr, wenn er den
sich gegenüberstehenden Zeichen in schriftbildlicher Form begegne, jeweils
auch den Begriff "High Tech" assoziieren werde. In schriftbildlicher Hinsicht wi-
chen die Zeichen zwar nur in einem einzigen Buchstaben voneinander ab. Die
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Anlehnung an den geläufigen Begriff "High Tech" halte den Verkehr aber dazu
an, auf geringe Unterschiede in der Schreibweise zu achten. Die angegriffene
Bezeichnung "HAITEC" weiche von der Bezeichnung "HEITEC", die wie die
eingedeutschte Schreibweise der englischen Wortfolge wirke, schon insofern
signifikant ab, als ein im Englischen wie "ei" ausgesprochener Vokal bei Umset-
zung in die deutsche Schreibweise üblicherweise nicht mit "ai" wiedergegeben
werde. Vor allem verbinde sich mit der Silbe "HAI-" des angegriffenen Kennzei-
chens die Vorstellung eines allgemein bekannten Raubfischs, der im übertrage-
nen Sinne in alltagssprachlichen Wortbildungen und Redewendungen im Zu-
sammenhang mit Phänomenen des Geschäftslebens eine Rolle spiele. Dies
werde dem Verkehr noch dadurch zusätzlich nahegebracht, dass die Beklagte
ihre Geschäftsbezeichnung vielfach in Verbindung mit ihrem markenrechtlich
geschützten Hai-Logo verwende.
Mögliche Ansprüche der Klägerin wären im Übrigen verwirkt. Der Be-
klagten als Rechtsnachfolgerin der HAITEC I und der HAITEC II komme der auf
diese Unternehmen entfallende Duldungszeitraum und der von diesen erwor-
bene Besitzstand zugute. Die Klägerin habe, obwohl sie seit 1990 gewusst ha-
be, dass die HAITEC I die Bezeichnung "HAITEC" als Firmenschlagwort geführt
habe, ihren deswegen in Betracht kommenden Unterlassungsanspruch erst
über vier Jahre nach dem diesen Anspruch ablehnenden Schreiben der Gegen-
seite wieder aufgegriffen, nach der erneuten Anspruchsablehnung wiederum
fast zwei Jahre zugewartet und nach der dritten Anspruchsablehnung sogar
ausdrücklich bestätigt, dass sich die Angelegenheit endgültig erledigt habe. Die
Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen hätten bis zu der mit Schreiben vom
11. Juni 1999 erfolgten Abmahnung einen wertvollen Besitzstand erworben. Die
Klageansprüche seien auch nicht deshalb teilweise begründet, weil die Beklag-
te mit dem Verwirkungseinwand eine Ausdehnung ihres Besitzstandes seit der
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Bekräftigung des für sie entstandenen Vertrauenstatbestandes nicht verteidigen
könne. Der mit der Gründung der Beklagten verbundene Wechsel der Rechts-
form und der sodann beabsichtigte Börsengang hätten sich in den Bahnen einer
1997 bereits angelegten natürlichen Unternehmensfortentwicklung bewegt.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin führt zur
Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verurteilung der Beklagten nach
den Klageanträgen. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind
aus § 5 Abs. 2 Satz 1, § 15 Abs. 2, 4 und 5 MarkenG, § 242 BGB begründet
(nachfolgend unter II 1) und auch weder gemäß § 23 Nr. 2 MarkenG wegen
lediglich beschreibender Benutzung der Angabe durch die Beklagte ausge-
schlossen (nachfolgend unter II 2) noch gemäß § 21 Abs. 4 MarkenG i.V. mit
§ 242 BGB verwirkt (nachfolgend unter II 3).
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1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass es an einer
für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichenden Ähnlichkeit der
sich gegenüberstehenden Zeichen der Parteien fehle. Auf der Grundlage der
getroffenen Feststellungen kann das Bestehen einer Verwechslungsgefahr zwi-
schen den sich gegenüberstehenden Zeichen "HEITEC" und "HAITEC" jedoch
nicht verneint werden.
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a) Das Berufungsgericht hat im rechtlichen Ansatz zutreffend angenom-
men, dass die Beurteilung der Verwechslungsgefahr i.S. des § 15 Abs. 2
MarkenG unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist,
wobei von einer Wechselwirkung zwischen dem Grad der Ähnlichkeit der sich
gegenüberstehenden Zeichen, der Kennzeichnungskraft des prioritätsälteren
Zeichens und dem wirtschaftlichen Abstand der Tätigkeitsgebiete der Parteien
auszugehen ist und ein größerer Abstand der Tätigkeitsgebiete durch einen
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höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine gesteigerte Kenn-
zeichnungskraft des älteren Zeichens ausgeglichen werden kann und umge-
kehrt (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 19.7.2007 - I ZR 137/04, GRUR 2007,
888 Tz. 15 = WRP 2007, 1193 - Euro Telekom, m.w.N.).
b) Im Blick auf die im Streitfall gegebenen Verhältnisse ist das Beru-
fungsgericht von zwischen den Parteien bestehender Branchennähe bzw. teil-
weise auch Branchenidentität und von einer durchschnittlichen Kennzeich-
nungskraft der von der Klägerin benutzten Geschäftsbezeichnung "HEITEC"
ausgegangen. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird
von den Parteien auch nicht angegriffen.
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c) Bei der Prüfung der Frage, inwieweit die sich gegenüberstehenden
Zeichen der Parteien übereinstimmen oder ähnlich sind, hat das Berufungsge-
richt allein auf die Firmenschlagworte "HEITEC" und "HAITEC" abgestellt. Dies
entspricht dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr dazu neigt, längere Firmen-
bezeichnungen auf ihre unterscheidungskräftigen Bestandteile zu verkürzen,
die ihrer Art nach geeignet sind, im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf
das Unternehmen verwendet zu werden; beschreibende Zusätze in den Firmie-
rungen bleiben daher regelmäßig außer Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2002
- I ZR 230/99, GRUR 2002, 898 = WRP 2002, 1066 - defacto, m.w.N.; BGHZ
168, 28 Tz. 13 - Impuls). Dementsprechend hat auch der von der Beklagten
vorgenommene Wechsel der Rechtsform keinen Einfluss auf die Beurteilung
der Frage, ob zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen der Parteien
eine Verwechslungsgefahr besteht.
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d) Das Berufungsgericht hat angenommen, die sich gegenüberstehen-
den Zeichen stimmten in klanglicher Hinsicht und - soweit der angesprochene
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Verkehr, wenn ihm das betreffende Zeichen in schriftbildlicher Form begegne,
den geläufigen Begriff "High Tech" assoziieren werde - auch in begrifflicher Hin-
sicht überein und seien in schriftbildlicher Hinsicht ähnlich. Es hat aber die von
ihm festgestellte Übereinstimmung der sich gegenüberstehenden Zeichen in
klanglicher Hinsicht und in begrifflicher Hinsicht für ungeeignet und deren Ähn-
lichkeit in schriftbildlicher Hinsicht für zu gering erachtet, um eine Verwechs-
lungsgefahr zu begründen. Dem kann nicht beigetreten werden.
aa) Bei der Beurteilung der Frage, ob kennzeichenrechtliche Verwechs-
lungsgefahr besteht, ist der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden
Zeichen im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermit-
teln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht regelmäßig bereits die
hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGHZ 139, 340, 347 - Li-
ons; BGH, Urt. v. 28.8.2003 - I ZR 9/01, GRUR 2003, 1044, 1046 = WRP 2003,
1436 - Kelly; Urt. v. 6.5.2004 - I ZR 223/01, GRUR 2004, 783, 784 = WRP
2004, 1043 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
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bb) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon
ausgegangen, dass der Schutzumfang eines Zeichens, das sich - wie hier das
Klagezeichen "HEITEC" an "High Tech" - an eine beschreibende oder sonst
freizuhaltende Angabe anlehnt, nach Maßgabe der Eigenprägung und Unter-
scheidungskraft, die dem Zeichen trotz dieser Anlehnung seine Schutzfähigkeit
verleihen, eng zu bemessen ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.3.2003 - I ZR 60/01, GRUR
2003, 963, 965 = WRP 2003, 1353 - AntiVir/AntiVirus, m.w.N.). Es hat indessen
nicht berücksichtigt, dass die Begrenzung des Schutzumfangs dazu dient, eine
Erstreckung des aus dem geschützten Zeichen fließenden Ausschließlichkeits-
rechts auf die beschreibende oder sonst freizuhaltende Angabe zu vermeiden.
Dagegen unterliegt der Schutzumfang eines solchen Zeichens keiner besonde-
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ren Beschränkung, wenn es um das Verhältnis zu anderen Bezeichnungen
geht, die sich in gleicher oder ähnlicher Weise an den beschreibenden oder
freizuhaltenden Begriff anlehnen und ihn verfremden.
cc) Das Berufungsgericht hat die für die Begründung einer Verwechs-
lungsgefahr seiner Ansicht nach zu geringe Zeichenähnlichkeit in schriftbildli-
cher Hinsicht insbesondere damit begründet, dass die Beklagte ihre Geschäfts-
bezeichnung in der Regel in Verbindung mit ihrem markenrechtlich geschützten
Hai-Logo verwende. Es hat hierbei vernachlässigt, dass die Beklagte ihre Ge-
schäftsbezeichnung nach den getroffenen Feststellungen nicht durchgängig,
sondern nur in der Regel mit dem Hai-Logo verwendet, sofern eine solche bild-
liche Ergänzung möglich und passend erscheint. Soweit das Berufungsgericht
zur Begründung seiner Auffassung, die Zeichenähnlichkeit sei für die Annahme
einer Verwechslungsgefahr zu gering, ferner auf die Senatsentscheidung
"Bally/BALL" (Urt. v. 10.10.1991 - I ZR 136/89, GRUR 1992, 130, 132 = WRP
1992, 96) und darauf verweist, dass der Aussagegehalt der ersten Silbe des
angegriffenen Zeichens (Hai) die Erfassung der schriftbildlichen Abweichung
erheblich erleichtere, liegt dem eine zergliedernde, nicht - wie es geboten wä-
re - eine auf den Gesamteindruck abstellende Betrachtung zugrunde.
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e) Nach allem ist davon auszugehen, dass zwischen den Parteien Bran-
chennähe und teilweise sogar Branchenidentität besteht, das Klagezeichen ei-
ne durchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweist und die sich gegenüberste-
henden Zeichen in klanglicher Hinsicht identisch und in bildlicher Hinsicht ähn-
lich sind. Bei diesen Gegebenheiten kann eine Verwechslungsgefahr zwischen
den sich gegenüberstehenden Zeichen der Parteien nicht verneint werden.
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2. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht gemäß § 23 Nr. 2 MarkenG
ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist es dem Inhaber eines Zeichens
verwehrt, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr ein mit dem
Zeichen identisches oder diesem ähnliches Zeichen als Angabe über die
Merkmale oder Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen zu benutzen,
sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Die Freistellung
vom Zeichenschutz gemäß § 23 Nr. 2 MarkenG setzt daher eine - zumindest
auch
- beschreibende Angabe voraus (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.2004
- I ZR 308/01, GRUR 2004, 949, 950 = WRP 2004, 1285 - Regiopost/Regional
Post, m.w.N.). Eine solche beschreibende Angabe verwendet die Beklagte
nicht.
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3. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die streitge-
genständlichen Ansprüche zumindest verwirkt wären.
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a) Im rechtlichen Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht davon aus-
gegangen, dass bei einer Rechtsnachfolge, die - wie im Streitfall - die Fortfüh-
rung eines Unternehmens durch einen anderen Rechtsträger umfasst, in den
Verwirkungszeitraum auch die Zeit einzubeziehen ist, während deren der
Rechtsvorgänger des Verletzers die Kennzeichnung benutzt hat, gegen deren
Benutzung durch den Verletzer sich der Inhaber des älteren Rechts nunmehr
wendet (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.1980 - I ZR 69/78, GRUR 1981, 60, 62 - Sitex).
Damit kommen die für den Rechtsvorgänger aufgelaufene Zeitdauer und der
von diesem erworbene Besitzstand dem Rechtsnachfolger zugute, soweit mit
der Rechtsnachfolge keine zeichenrechtlich relevante Veränderung des bis da-
hin bestehenden Zustands verbunden ist (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.1980
- I ZR 70/78, GRUR 1981, 66, 68 - MAN/G-man). Der Umstand, dass von der
Möglichkeit der Fortführung der Firma des übernommenen Unternehmens ge-
27
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mäß § 18 Abs. 1 UmwG weder bei der Verschmelzung der HAITEC I auf die
HAITEC II noch bei der Verschmelzung dieses Unternehmens auf die Beklagte
Gebrauch gemacht worden ist und die Firmenbezeichnungen, die jeweils Ge-
genstand der Abmahnung waren, damit nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 UmwG erlo-
schen sind, steht dem nicht entgegen.
b) Das Berufungsgericht hat aber nicht hinreichend beachtet, dass sich
die Verwirkung immer auf einen bestimmten Sachverhalt beziehen muss und
dass die angegriffene Verwendung des Zeichens "HAITEC" nicht der Verwen-
dung entspricht, für die die Beklagte den Schutz der Verwirkung in Anspruch
nehmen kann.
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Der Verwirkungseinwand, der auf einen im Vertrauen auf die Benut-
zungsberechtigung geschaffenen schutzwürdigen Besitzstand gegründet ist,
darf nicht dazu führen, zusätzliche Rechtspositionen des Benutzers neu zu
schaffen und damit die Rechtslage des nach Treu und Glauben nur ausnahms-
weise und in bestimmten Grenzen schutzwürdigen Rechtsverletzers über diese
Grenzen hinaus zu erweitern (BGH, Urt. v. 4.3.1993 - I ZR 65/91, GRUR 1993,
576, 578 - Datatel, m.w.N.; vgl. auch Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 21
MarkenG Rdn. 46 f.; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 21 Rdn. 53). Die
rechtsvernichtende Wirkung der Verwirkung erfasst daher die konkrete Verlet-
zungshandlung, die Gegenstand der Beanstandung war. In zeichenmäßiger
Hinsicht beschränkt sie sich dementsprechend auf die konkrete Form des ur-
sprünglich angegriffenen Zeichens und auf geringfügige Abwandlungen, sofern
diese dem verletzten Kennzeichen nicht näherkommen (Hacker in Ströbele/
Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 21 Rdn. 56 i.V. mit Rdn. 25 und 28; vgl. auch
Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 17
Rdn. 23 m.w.N.).
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Im Streitfall bezogen sich die Beanstandungen der Klägerin, die Anlass
für eine Verwirkung der Ansprüche sein konnten, auf die Firmierungen "HAITEC
Gesellschaft für Entwicklung und Vertrieb EDV-gestützter Lösungen mbH"
(= HAITEC I) und "HAITEC Gesellschaft für den Vertrieb von CAE-Lösungen
mbH" (= HAITEC II). Während die Firma der Klägerin lediglich "HEITEC GmbH"
lautete, zeichneten sich die zunächst beanstandeten Firmierungen der Beklag-
ten dadurch aus, dass sie neben dem Schlagwort "HAITEC" längere beschrei-
bende Angaben enthielten. Auf diesen Umstand wurde auch in den Erwiderun-
gen, mit denen die Ansprüche der Klägerin zurückgewiesen wurden, ausdrück-
lich hingewiesen. Die nunmehr mit der Klage angegriffene Bezeichnung stimmt
zwar mit den damals beanstandeten Firmierungen HAITEC I und HAITEC II im
Schlagwort ("HAITEC") überein, sie enthält aber - außer dem Rechtsformhin-
weis - keinerlei beschreibende Angaben mehr. Auch wenn die Ansprüche der
Klägerin hinsichtlich der Firmierungen, die sie 1990 und 1996 beanstandet hat-
te, verwirkt sind, braucht sie sich den Verwirkungseinwand nicht entgegenhal-
ten zu lassen, wenn sich die Beklagte dem Unternehmenskennzeichen der Klä-
gerin weiter annähert, und sei es auch nur durch das Fallenlassen beschrei-
bender, das Zeichen nicht prägender Bestandteile.
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III. Die Klägerin kann von der Beklagten danach Unterlassung der Be-
nutzung der (isolierten) Bezeichnung "HAITEC AG" (§ 15 Abs. 2, Abs. 4, § 5
Abs. 2 Satz 1 MarkenG), Einwilligung in die Löschung des Bestandteils "HAI-
TEC" der für die Beklagte im Handelsregister des Amtsgerichts M. unter
HR B eingetragenen Firma "HAITEC Aktiengesellschaft" (vgl. BGH
GRUR 1981, 60, 64 - Sitex; GRUR 2002, 898, 900 - defacto, jeweils m.w.N.),
Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten (§ 15 Abs. 2, 4 und 5, § 5
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Abs. 2 Satz 1 MarkenG) sowie zur Vorbereitung der Durchsetzung ihres Scha-
densersatzanspruchs Auskunftserteilung (§ 242 BGB) verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1, § 97
Abs. 1 ZPO sowie § 565 i.V. mit § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog.
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Bornkamm Pokrant Schaffert
Bergmann
Koch
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 12.01.2000 - 2/6 O 321/99 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 04.08.2005 - 6 U 33/00 -