Urteil des BGH vom 30.12.2002

BGH (fonds, beitritt, finanzierung, bank, zug, kredit, darlehensvertrag, darlehen, anleger, beteiligung)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 321/03
Verkündet am:
27. September 2004
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 27. September 2004 durch die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Kraemer, Münke und Dr. Strohn
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird, unter Zurückweisung im übrigen,
das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 14. Zivilsenat in
Freiburg - vom 30. Dezember 2002 teilweise aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer
des Landgerichts Offenburg vom 30. November 2000 wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, daß die Reduzierung des Rückzah-
lungsanspruchs der Beklagten das Darlehen aus dem Vertrag vom
25. April 1997, Kreditnummer 3, betrifft.
Auf die Anschlußberufung der Kläger wird die Beklagte unter Ab-
weisung der weitergehenden Zinsforderung verurteilt, an die Klä-
ger 7.584,48 € (= 14.833,96 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem
24. März 2000 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Betei-
ligung an der G.-GbR, S. Straße 7 und 9, D., Fonds Nr. 14.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Kläger verlangen von der beklagten Bank die Erstattung von Zinsen,
die sie auf ein Darlehen gezahlt haben, mit dem sie ihren Beitritt zur G.-GbR,
S. Straße 7 und 9, D., Fonds Nr. 14 (im folgenden: Fonds, Fondsgesellschaft)
finanzierten. Außerdem begehren sie die Feststellung, daß sie der Beklagten
auf Grund des Kreditvertrages keine weiteren Leistungen mehr schulden.
Die Kläger unterzeichneten am 12. Februar 1992 eine "Beitrittserklärung"
zu dem Fonds. Darin verpflichteten sie sich zum Beitritt und boten einem
Rechtsanwalt M. F. den Abschluß eines auf die Verwendung der ein-
zuzahlenden Gelder bezogenen Treuhandvertrages nebst gesonderter Voll-
macht an.
Die Fondsgesellschaft war von der Do. GmbH und deren Ge-
schäftsführer
W. Gr.
gegründet
worden.
Gesellschaftszweck
war
der Erwerb, die Bebauung, wirtschaftliche Ausnutzung und Verwaltung des
Grundstücks S. Straße 7 und 9 in D.. Die Einlage der Kläger soll-
te 30.000,00 DM betragen und in vollem Umfang mit einem von der Beklagten
zu gewährenden, durch Abtretung einer Lebensversicherung gesicherten
Kredit finanziert werden. Dementsprechend unterzeichneten die Kläger am
28. Februar 1992 einen Darlehensvertrag, durch den ein ihnen von der Beklag-
ten bereits gewährter Kredit zur Finanzierung ihrer Fondsbeteiligung um
35.400,00 DM aufgestockt wurde. Im April 1997 schlossen die Parteien unter
Beibehaltung der der Beklagten gewährten Sicherheiten einen für die Kläger
zinsgünstigeren Folgevertrag, mit dem das ursprüngliche Darlehen abgelöst
wurde.
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In der Folgezeit konnten die in dem Fondsprospekt veranschlagten und
von der Do. GmbH für die Dauer von fünf Jahren garantierten Mieten
nicht erwirtschaftet werden. Die Do. GmbH stellte im Juni 1996 ihre
Zahlungen ein. Ein Konkursantrag wurde mangels Masse abgelehnt. Der Initia-
tor
des
Fonds,
W. Gr.,
wurde
1999
wegen
Kapitalanlagebetrugs
in vier Fällen, u.a. hinsichtlich des Fonds 14, rechtskräftig verurteilt. Er hatte
sich oder der Do. GmbH ohne Wissen der Anleger von der Grund-
stücksverkäuferin und Bauträgerin, der Dom. GmbH, einen Teil der
in dem Fondsprospekt für den Erwerb und die Bebauung des Grundstücks ver-
anschlagten 9,2 Mio. DM, nämlich etwa 4,3 Mio. DM, zurückzahlen lassen. Auf
diese Weise war von dem insgesamt aufgebrachten Kapital des Fonds in Höhe
von 12,25 Mio. DM weniger als die Hälfte in das Bauvorhaben geflossen.
Die Kläger verlangen von der Beklagten mit ihrer am 24. März 2000 zu-
gestellten Klage Rückzahlung geleisteter Zinsen von 14.833,96 DM Zug um
Zug gegen Abtretung ihres Fondsanteils, hilfsweise ihres Abfindungsanspruchs.
Außerdem wollen sie die Feststellung erwirken, daß sich der Darlehensrückzah-
lungsanspruch der Beklagten um 35.400,00 DM reduziert. Während des
Rechtsstreits haben sie mit Schreiben vom 10. Juli 2000 die Kündigung ihrer
Mitgliedschaft in der Fondsgesellschaft erklärt.
Das Landgericht hat dem Feststellungsbegehren stattgegeben und die
Zahlungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlan-
desgericht die Klage unter Zurückweisung der Anschlußberufung der Kläger
insgesamt abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgen die Kläger ihre Klageforderungen weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen
Urteils zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das landgerichtli-
che Urteil und zur Verurteilung der Beklagten gemäß dem Zahlungsantrag der
Kläger.
I. Die Kläger brauchen der Beklagten den Betrag von 35.400,00 DM nicht
zurückzuzahlen und haben gegen sie einen Anspruch auf Rückgewähr ihrer
bereits geleisteten Zinszahlungen. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 3, Abs. 2 Satz 4
VerbrKrG in seiner hier anzuwendenden bis zum 30. September 2000 gelten-
den Fassung.
1. Das Berufungsgericht hat gemeint, den Klägern sei ein Einwendungs-
durchgriff nach § 9 Abs. 3 VerbrKrG jedenfalls deshalb versagt, weil ein Scha-
densersatzanspruch der Kläger aus Verschulden bei Vertragsschluß wegen
Täuschung durch den Initiator bei ihrem Fondsbeitritt mangels wirksamer, weil
verspätet geltend gemachter außerordentlicher Kündigung der Fondsmitglied-
schaft nicht mehr durchsetzbar sei. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht
stand.
2. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 21. Juli 2003 (II ZR 387/02,
ZIP 2003, 1592, 1593 f.; ebenso Urteile v. 14. Juni 2004 - II ZR 393/02, ZIP
2004, 1394, 1396 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1405, sowie BGH, Urt. v.
23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233 f.) entschieden hat,
finden auf einen Kredit zur Finanzierung einer Beteiligung an einer Anlagege-
sellschaft gemäß § 9 Abs. 4 VerbrKrG die Vorschriften des § 9 Abs. 1-3
VerbrKrG Anwendung, weil der Beitritt nach seinem wirtschaftlichen Zweck und
wegen der Schutzbedürftigkeit des Anlegers einem Vertrag über eine entgeltli-
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che Leistung gleichzustellen ist. Der Beitritt der Kläger zur Fondsgesellschaft
und der zu seiner Finanzierung geschlossene Darlehensvertrag der Parteien
sind ein verbundenes Geschäft i.S. von § 9 Abs. 1 VerbrKrG. Dessen Voraus-
setzungen liegen nach der Rechtsprechung des Senats vor, wenn sich die
Fondsgesellschaft und die Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen (vgl.
Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1594; v. 14. Juni 2004
- II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1396, 1398 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402,
1405). Das war hier der Fall. Die Beklagte hat ihre Vertragsformulare dem von
den Fondsinitiatoren eingeschalteten Vermittlungsunternehmen zur Verfügung
gestellt.
Der Annahme eines Verbundgeschäftes steht, anders als das Beru-
fungsgericht gemeint hat, nicht entgegen, daß die Parteien am 25. April 1997
einen Folgevertrag zu dem Darlehensvertrag vom Februar 1992 - zu für die Klä-
ger günstigeren Konditionen - geschlossen hatten. Mit dem "neuen" Kredit wur-
de zwar das Darlehen von 1992 abgelöst. Der Sache nach handelte es sich
jedoch nur um eine Anschlußfinanzierung, die den von Anfang an bestehenden
Verbund zwischen Beitritt und Kreditgewährung nicht entfallen ließ.
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die Kläger
sich, ohne daß es auf die Kündigung ihrer Fondsmitgliedschaft und deren vom
Berufungsgericht - zu Unrecht - angenommene Verspätung (vgl. Sen.Urt. v.
21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1594 f.; wegen des Verwirkungs-
einwands vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 374/02, ZIP 2004, 1407, 1408 f.)
ankäme, der Beklagten gegenüber nach § 9 Abs. 3 VerbrKrG darauf berufen,
daß ihnen gegen die Gründungsgesellschafter des Fonds, die Do.
GmbH
und
W. Gr.,
Schadensersatzansprüche
u.a.
aus
dem
Ge-
sichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß zustehen (vgl. Sen.Urt. v.
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10. Oktober 1994 - II ZR 95/93, ZIP 1994, 1851, 1852). Die Verjährungseinrede
greift - abgesehen von der verspäteten Geltendmachung (BGHZ 1, 234, 239) -
nicht durch, weil die Verjährungsfrist in diesem Falle dreißig Jahre betrug (§ 195
BGB a.F.).
a) Wie der Senat in seinen Urteilen vom 14. Juni 2004 (II ZR 393/02, ZIP
2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1406) entschieden hat,
kann der bei seinem Eintritt in eine Fondsgesellschaft getäuschte Anleger bei
Vorliegen eines Verbundgeschäfts nicht nur seine Beteiligung kündigen und die
daraus folgenden Ansprüche auch der Bank entgegenhalten, sondern darüber
hinaus dem Kreditinstitut alle Ansprüche entgegensetzen, die er gegen die Pro-
spektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter des Fonds hat, weil diese
in dem Dreiecksverhältnis des Verbundgeschäfts Kunde - Verkäufer - Bank wie
ein Verkäufer zu behandeln sind. Nach den Feststellungen des Berufungsge-
richts
ist
W. Gr.
wegen
Kapitalanlagebetrugs,
u.a.
im
Zusam-
menhang mit dem hier betroffenen Fonds 14, rechtskräftig verurteilt worden.
Anhaltspunkte dafür, daß die Verurteilung zu Unrecht erfolgt sein könnte oder
gerade die Kläger nicht zu den Betrugsopfern gehört haben könnten, sind nicht
vorgetragen oder sonst ersichtlich.
b) Die gegenüber den Gründungsgesellschaftern des Fonds bestehen-
den Schadensersatzansprüche sind darauf gerichtet, den Anleger so zu stellen,
als wäre er der Fondsgesellschaft nicht beigetreten und hätte mit dem den Bei-
tritt finanzierenden Institut keinen Darlehensvertrag geschlossen (Sen.Urt v.
14. Juni 2004 - II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004,
1402, 1406).
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Danach brauchen die Kläger der Beklagten nur die Fondsbeteiligung, die
sie ihr bereits sicherungshalber abgetreten haben, bzw. ihren Abfindungsan-
spruch sowie in entsprechender Anwendung von § 255 BGB ihre
Schadensersatzansprüche
gegen
die
Do. GmbH
und
W. Gr.
zu
überlassen. Die Darlehensvaluta, die in Höhe von 35.400,00 DM dem Anteils-
erwerb diente, brauchen sie der Beklagten dagegen nicht zurückzuzahlen. Im
Wege des Rückforderungsdurchgriffs entsprechend § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG
(vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1595) können sie
von der Beklagten Rückgewähr der Zinszahlungen von 14.833,96 DM verlan-
gen, die nach ihrer unbestrittenen Darstellung aus ihrem Vermögen aufgebracht
wurden und den zur Finanzierung ihres Fondbeitritts dienenden Kreditanteil von
35.400,00 DM betrafen.
II. Damit erweist sich die Revision der Kläger - bis auf eine geringfügige
Zuvielforderung von Zinsen, nämlich für die Zeit vom 29. April 1999 bis
23. März 2000 - als begründet. Mit Rücksicht auf den erst im Berufungsverfah-
ren vorgetragenen Abschluß eines Folgevertrages für den Kreditvertrag vom
Februar 1992, der, wie ausgeführt, ebenso wie der erste Vertrag Teil des ver-
bundenen Geschäfts ist, war der Feststellungsausspruch des Landgerichts da-
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hin zu korrigieren, daß er den Rückzahlungsanspruch der Beklagten aus dem
Folgevertrag betrifft.
Goette
Kurzwelly
Kraemer
Münke
Strohn