Urteil des BGH vom 09.10.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 59/07 Verkündet
am:
9. Oktober 2008
Preuß
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
InsO §§ 43, 129, 130, 131
In der Insolvenz eines selbstschuldnerischen Bürgen können von ihm erbrachte Zah-
lungen gegenüber dem Gläubiger angefochten werden.
BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 - IX ZR 59/07 - OLG Rostock
LG Neubrandenburg
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter Raebel
und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Rostock vom 26. Februar 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 13. August 2002 eröffneten Insol-
venzverfahren über das Vermögen der B. GmbH
(im Folgenden: Schuldnerin). Am Stammkapital der Schuldnerin waren die Ge-
sellschafter K. , N. und G. gleichmäßig beteiligt. Sie waren
zugleich - wiederum gleichmäßig - Gesellschafter einer Schwestergesellschaft,
der T. GmbH (im Folgenden: T. Alt) und der
H. GbR. Letztere hatte die Funktion einer Besitzgesellschaft, die der
Schuldnerin das in ihrem Eigentum stehende Betriebsgrundstück zur Verfügung
stellte. Die Beklagte war die Hausbank der Schuldnerin und ihrer Gesellschaf-
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ter. Diesen hatte sie im Jahre 1999 Darlehen in Höhe von jeweils rund
820.000 DM gewährt. Für diese Darlehen hatte sich die Schuldnerin selbst-
schuldnerisch verbürgt.
Am 29. April 2002 schlossen die Schuldnerin und die T. Alt rückwir-
kend auf den 1. September 2001 einen Verschmelzungsvertrag, mit dem die
T. Alt ihr gesamtes Vermögen auf die Schuldnerin als aufnehmende Gesell-
schaft übertrug. Am selben Tag (29. April 2002) veräußerte die T. Alt mit
Wirkung vom 30. April 2002 ihr Sach- und sonstiges Anlagevermögen an die
am 27. März 2002 von zwei bisherigen Mitarbeitern der Schuldnerin gegründe-
te, aber noch nicht eingetragene T.
GmbH (fortan: T. Neu) zum Preis von 409.325,39 €.
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Der von der Beklagten finanzierte Kaufpreis von 409.326,02 € ging am
14. Juni 2002 auf einem neu eingerichteten Konto der Schuldnerin bei der Be-
klagten ein und wurde von dort noch am selben Tag an die H. GbR wei-
tergeleitet. Diese überwies sodann - ebenfalls noch an diesem Tage - jeweils
136.441,80 € (insgesamt also 409.325,40 €) auf die negativen Darlehenskonten
der Mitgesellschafter K. , N. und G. bei der Beklagten.
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Am 30. Juli 2002 stellte die Schuldnerin den Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Der Gesellschafter N. ist verstor-
ben; die bekannten Erben haben die Erbschaft ausgeschlagen. Der Gesell-
schafter K. ist in der Insolvenz.
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Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung
die Rückerstattung eines Betrages von 409.000 €. Nachdem er gegen den Ge-
sellschafter G. ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Neubran-
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denburg (Az.: 2 O 120/05) auf Zahlung von 536.013,64 € erwirkt hatte, hat er
seinen Antrag im vorliegenden Rechtsstreit auf Verurteilung der Beklagten ne-
ben dem gesamtschuldnerisch haftenden Mitgesellschafter G. umge-
stellt. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Beru-
fungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren
weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurück-
verweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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A.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZIP 2007, 1073 ff veröffentlicht
ist, hat gemeint, die Voraussetzungen einer unmittelbar gegen die Beklagte
durchgreifenden Anfechtung seien nicht gegeben. Die anfechtungsrechtlich re-
levanten Vorgänge müssten grundsätzlich wie im Bereicherungsrecht in der
jeweiligen Leistungsbeziehung betrachtet werden; deshalb sei zwischen den
Überweisungen der insgesamt 409.325,40 € durch die Schuldnerin an die
H. GbR und der Rückführung der debitorischen Darlehenskonten der
Gesellschafter infolge der Überweisungen der H. GbR zu trennen. Eine
Deckungsanfechtung gemäß §§ 130, 131 InsO komme nicht in Betracht, weil
Forderungen der Beklagten gegen die Schuldnerin nicht betroffen seien. Die
Anfechtungstatbestände der §§ 132, 133 InsO schieden ebenfalls aus. Zwar
könnten auch mittelbare Zuwendungen, bei denen der Schuldner Vermögen an
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den gewünschten Empfänger verschiebe, angefochten werden. Vorliegend be-
ruhten die Zahlungsvorgänge aber auf nachvollziehbaren wirtschaftlichen und
rechtlichen Grundlagen: Es sei nicht ersichtlich, dass die Zwischenstationen nur
eingeschaltet worden seien, um Vermögen von der Schuldnerin zur Beklagten
zu verschieben. Eine Haftung der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der Gesell-
schafter gemäß § 145 Abs. 2 Nr. 1 InsO scheide aus, denn eine Einzelrechts-
nachfolge komme bei bloßen Geldzahlungen nicht in Betracht. Der Nachfolger
müsse den anfechtbar weggegebenen Gegenstand selbst erlangt haben. Dies
sei hier nicht der Fall. Ein Anspruch wegen sittenwidriger Schädigung aus § 826
BGB scheitere, weil die Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten nicht fest-
gestellt werden könne; gegen die Sittenwidrigkeit spreche, dass am 14. Juni
2002 über ein von der Schuldnerin beantragtes Konsolidierungsdarlehen noch
nicht entschieden gewesen sei.
B.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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I.
Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
zugelassen. Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält keinen Zusatz,
durch den die Zulassung der Revision eingeschränkt wird. Nach gefestigter
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind für die Prüfung des Umfangs der
zugelassenen Revision zwar auch die Entscheidungsgründe des Berufungsur-
teils heranzuziehen (BGH, Urt. v. 3. März 2005 - IX ZR 45/04, NJW-RR 2005,
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715, 716 m.w.N.). Für eine wirksame Beschränkung der Zulassung ist es aber
erforderlich, dass sich dies klar aus den Gründen ergibt. Der Bundesgerichtshof
hat es wiederholt als unzureichend angesehen, wenn das Berufungsgericht le-
diglich eine Begründung für die Zulassung der Revision genannt hat, ohne wei-
ter erkennbar zu machen, dass es die Zulassung auf den durch die Rechtsfrage
betroffenen Teil des Streitgegenstandes hat beschränken wollen (BGHZ 153,
358, 361). Die Zulassung der Revision im Hinblick auf die Überprüfung der re-
striktiven Anwendung des § 145 Abs. 2 Nr. 1 InsO stellt keine Beschränkung
dar, die den Senat daran hindert, auch die übrigen anfechtungs- und delikts-
rechtlichen Ansprüche zu überprüfen. Ein anderer Streitgegenstand ist nicht
gegeben.
II.
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings einen Anspruch des
Klägers aus § 143 Abs. 1, §§ 135, 145 Abs. 2 InsO verneint.
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Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, eine Rechtsnachfol-
ge der Beklagten komme nicht in Betracht. Die Einzelrechtsnachfolge im Sinne
des § 145 Abs. 2 Nr. 1 InsO setzt voraus, dass der Rechtsnachfolger den Ge-
genstand erlangt, der aufgrund der Anfechtung herausgegeben werden soll
(BGHZ 100, 36, 41; 155, 199, 203 f; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 145
Rn. 19; Jaeger/Henckel, InsO § 145 Rn. 27; Kübler/Prütting/Paulus, InsO § 145
Rn. 7). Geht es um die Zahlung einer Geldsumme, muss der Rechtsnachfolger
die einzelnen Geldscheine oder Münzen erhalten haben, die aufgrund der An-
fechtung herauszugeben sind (BGHZ 100, aaO).
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Hieran ändert die vom Berufungsgericht für möglich gehaltene Parallele
zur Ersatzaussonderung nichts. Bei dieser genügt es, dass der Gegenwert des
auszusondernden Gegenstandes noch unterscheidbar auf dem Konto des
Schuldners vorhanden ist. Anders als bei der Ersatzaussonderung führt die Ver-
rechnung von Geldleistungen, wie sie vorliegend vorgenommen worden ist,
zum Erlöschen der entsprechenden Forderungen, d.h. eine Rechtsnachfolge
kann nicht stattfinden.
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Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Pfandrechts der Beklagten an
den bei ihr geführten Konten. Das Pfandrecht ändert nichts an dem Erlöschen
der jeweiligen Forderung durch den Zahlungsvorgang. Eine Rechtsnachfolge ist
deshalb nicht gegeben.
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III.
Rechtsfehlerhaft ist demgegenüber die Auffassung des Berufungsge-
richts, eine Deckungsanfechtung gemäß §§ 130, 131 InsO scheitere daran,
dass Forderungen der Beklagten gegen die Schuldnerin nicht betroffen seien.
Das Berufungsgericht hat die von der Schuldnerin für die Darlehensschulden
ihrer Gesellschafter gegenüber der Beklagten übernommene selbstschuldneri-
sche Bürgschaft nicht berücksichtigt. Die Beklagte war Insolvenzgläubigerin
unabhängig davon, ob auf die Hauptschuld oder auf die Bürgschaft gezahlt
worden ist. In beiden Fällen hätte sie eine Leistung auf eine Insolvenzforderung
erhalten.
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Zu den Insolvenzgläubigern gehört jeder, der in der Insolvenz eine For-
derung im Sinne des § 38 InsO oder einen nachrangigen Anspruch gehabt hät-
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te, weil dessen Erfüllung geeignet ist, die Befriedigungsaussichten der Gläubi-
gergesamtheit zu schmälern (BGH, Urt. v. 20. Juli 2006 - IX ZR 44/05,
WM 2006, 1637, 1638 Rn. 10). Ob der Empfänger der Leistung des Schuldners
tatsächlich an dem Verfahren teilnehmen würde, ist unerheblich. Die Gläubiger-
benachteiligung durch die Rechtshandlung des Schuldners ist davon nicht ab-
hängig (BGH, aaO).
An dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des selbstschuldneri-
schen Bürgen kann der Hauptgläubiger wegen seiner Bürgschaftsforderung
teilnehmen. Bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft findet der Grundsatz
der Doppelberücksichtigung (§ 43 InsO) Anwendung (vgl. Begr. zu § 50 RegE,
BT-Drucks. 12/2443 S. 124; MünchKomm-InsO/Bitter, aaO § 43 Rn. 11; Münch-
Komm-InsO/Kirchhof, aaO § 130 Rn. 19; Jaeger/Henckel, aaO § 130 Rn. 19;
HmbK-InsO/Lüdtke, 2. Aufl. § 43 Rn. 8; ferner RGZ 152, 321, 322).
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Das Berufungsgericht durfte deshalb die Anfechtbarkeit nicht unter Hin-
weis auf die fehlende Gläubigerstellung der Beklagten verneinen.
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IV.
Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar
(§ 561 ZPO).
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1. Die Anfechtbarkeit scheitert nicht an der zeitlichen Begrenzung durch
die §§ 130, 131 InsO. Die Teilbefriedigung der Ansprüche der Beklagten ist am
14. Juni 2002 erfolgt, die Schuldnerin hat den Insolvenzantrag am 30. Juli 2002
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gestellt. Die anfechtbare Rechtshandlung liegt deshalb innerhalb der Zeiträume
des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO und des § 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO.
2. Die Anfechtung gegen die Beklagte scheidet auch nicht deswegen
aus, weil diese nicht die richtige Anfechtungsgegnerin ist. Die Voraussetzungen
einer mittelbaren Zuwendung liegen in dem Verhältnis zwischen der Schuldne-
rin und der Beklagten vor.
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a) Als Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar sind auch mittelba-
re Zuwendungen, bei denen der Schuldner Vermögensbestandteile mit Hilfe
einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebt, ohne mit die-
sem äußerlich in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten (BGHZ 38, 44, 46;
72, 39, 41 f; 142, 284, 287; BGH, Urt. v. 19. März 1998 - IX ZR 22/97,
WM 1998, 968, 975, insoweit in BGHZ 138, 291 n.a.; v. 5. Februar 2004 - IX ZR
473/00, ZIP 2004, 917, 918 f; v. 16. November 2007 - IX ZR 194/04, WM 2008,
173, 176 z.V.b. in BGHZ 174, 228 Rn.
25; MünchKomm-InsO/
Kirchhof, 2. Aufl. § 129 Rn. 68; Jaeger/Henckel, aaO, § 130 Rn. 36 ff;
Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl. § 129 Rn. 83 f jeweils m.w.N.). Für den Dritten
muss hierbei erkennbar gewesen sein, dass es sich um eine Leistung des
Schuldners gehandelt hat (BGHZ 142, 284, 287).
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b) Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
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aa) Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellun-
gen des Landgerichts plante die Schuldnerin von Anfang an, den von der T.
Neu gezahlten Kaufpreis so zu verwenden, dass der auf ihrem eigens dafür bei
der Beklagten eingerichteten Konto eingegangene Betrag über die H.
GbR auf die Konten der Gesellschafter der Schuldnerin bei der Beklagten ein-
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gezahlt werden sollte. Dieses von der Schuldnerin entwickelte Konzept hatte
deren Buchhalter Z. schon in einem Vermerk vom 28. Mai 2002 skizziert
und in einem Flussdiagramm entsprechend dargestellt. Am Ende des Zah-
lungsweges sollte das der T. Neu gewährte Darlehen, mit dem diese ihre
Kaufpreisschuld bei der Schuldnerin beglich, wieder bei der Beklagten auf den
Darlehenskonten der Geschäftsführer der Schuldnerin ankommen. Empfänger
der Leistung waren nicht nur die Gesellschafter der Schuldnerin als Kontoinha-
ber. Auch die Beklagte als Gläubigerin der Darlehens- und Bürgschaftsforde-
rung hat mit der Verringerung der Schulden eine Zuwendung erhalten. Bei einer
Überweisung auf das debitorisch geführte Konto eines anderen kann sich der
Anfechtungsanspruch nicht nur gegen diesen, sondern auch gegen die Emp-
fängerbank richten (vgl. BGH, Urt. v. 19. März 1998, aaO; Uhlenbruck/Hirte,
aaO § 129 Rn. 84).
bb) Die Beklagte hat auch erkannt, dass sie eine Leistung der Schuldne-
rin erhielt. Ihr war nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Fest-
stellungen des Landgerichts der geplante Zahlungsweg bekannt. Dies ergibt
sich insbesondere aus der E-mail ihres Vertreters D. , dessen Kenntnis
sich die Beklagte zurechnen lassen muss. Darin wird die Auffassung vertreten,
die Zahlungen an die H. seien "insolvenzsicher".
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht auf die
wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen der einzelnen Zahlungsvorgänge
an. Entscheidend ist der vorgefasste und auch verwirklichte Plan der Schuldne-
rin, welcher der Beklagten bekannt war.
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3. Eine Anfechtung scheitert auch nicht an dem Fehlen einer Gläubiger-
benachteiligung im Sinne des § 129 InsO. Diese liegt vor, wenn die Befriedi-
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gung der Insolvenzgläubiger verkürzt, vereitelt, erschwert, gefährdet oder ver-
zögert wird (BGHZ 165, 343, 350; BGH, Urt. v. 29. November 2007 - IX ZR
121/06, WM 2008, 223, 226 z.V.b. in BGHZ 174, 314 Rn. 27; HK-InsO/Kreft,
4. Aufl. § 129 Rn. 36 ff; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 129 Rn. 76 ff; Küb-
ler/Prütting/Paulus, aaO § 129 Rn. 22 ff; Uhlenbruck/Hirte, aaO § 129 Rn. 91 ff,
je m.w.N.). Hier ist dem Vermögen der Schuldnerin durch den Entzug der Mittel
aus dem Verkauf des Betriebsvermögens der T. Alt die wesentliche Haf-
tungsbasis entzogen worden. Ohne die Verschiebung des Betrages an die Be-
klagte hätte der Betrag zur Befriedigung der Gläubiger der Schuldnerin zur Ver-
fügung gestanden.
Der Annahme einer Gläubigerbenachteiligung steht nicht entgegen, dass
der Kaufvertrag mit der T. Neu noch von der T. Alt abgeschlossen worden
ist. Mit der Verschmelzung ist das Vermögen der T. Alt auf die Schuldnerin
nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG übergegangen. Zwar ist nicht festgestellt, ob die
Verschmelzung durch Eintragung in das Register des Sitzes der Schuldnerin als
übernehmende Rechtsträgerin am 14. Juni 2002 bereits dinglich vollzogen war
(§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Jedoch können die Parteien mit schuldrechtlicher
Wirkung einen anderen Zeitpunkt vereinbaren (Semler/Stengel/Kübler, UmwG
2. Aufl. § 20 Rn. 6). Schuldnerin und T. Alt haben die Verschmelzung unab-
hängig von dem Zeitpunkt der Eintragung tatsächlich vollzogen. Die Vermögen
der beiden Gesellschaften sind nicht bis zur Eintragung der Verschmelzung ge-
trennt worden. Der Kaufpreis ist auf ein Konto der Schuldnerin gezahlt worden,
so dass deren Gläubiger ohne die sofortige Weiterleitung Zugriff hätten nehmen
können.
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IV.
Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die
Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur
Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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Für die erneute tatrichterliche Verhandlung der Sache weist der Senat
auf folgendes hin:
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1. Der Erfolg der Anfechtungsklage hängt von der Feststellung der sons-
tigen Voraussetzungen der §§ 130, 131 InsO ab, mit denen sich das Beru-
fungsgericht - aus seiner Sicht konsequent - bislang nicht auseinandergesetzt
hat.
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Ob § 130 oder § 131 InsO anwendbar ist, beantwortet sich danach, ob
die Beklagte gegen die Schuldnerin bereits fällige Ansprüche hatte. Falls dies
nicht der Fall war, kommt es weiter auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin
(§ 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO) oder Kenntnis der Beklagten von der Gläubigerbe-
nachteiligung (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO) an. Hierzu hat das Berufungsgericht
gegebenenfalls weitere Feststellungen zu treffen.
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2. Die erneute mündliche Verhandlung gibt den Parteien gegebenenfalls
auch Gelegenheit, zu dem Gesichtspunkt einer Haftung der Beklagten aus
§ 826 BGB, die das Berufungsgericht aus subjektiven Gründen verneint hat,
weiter vorzutragen.
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Ganter Raebel Vill
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 20.04.2006 - 2 O 300/04 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 26.02.2007 - 3 U 96/06 -