Urteil des BGH vom 29.01.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZB 88/07
vom
29. Januar 2009
in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 2b; § 1060 Abs. 1; InsO § 181
a) Ein nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergangener, auf eine
Leistung gerichteter Schiedsspruch kann als bloße Feststellung zur In-
solvenztabelle auszulegen sein, wenn aufgrund der Entscheidungs-
gründe feststeht, dass die zuerkannte Forderung nur ein Recht auf
insolvenzmäßige Befriedigung verschaffen sollte und es sich bei ihr
nicht um eine Masseforderung handeln kann.
b) Ein (inländischer) Schiedsspruch, der eine Insolvenzforderung feststellt,
die nicht zuvor in gleicher Weise nach Grund und Betrag zur Insolvenz-
tabelle angemeldet wurde, verstößt gegen den ordre public interne.
c) Für einen inländischen Schiedsspruch gilt grundsätzlich der ordre
public interne.
BGH, Beschluss vom 29. Januar 2009 - III ZB 88/07 - OLG Köln
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dörr, Galke und Dr. Herrmann sowie
die Richterin Harsdorf-Gebhardt
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss
des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. November
2007 - 9 Sch 8/06 und 9 Sch 9/06 - aufgehoben
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Ober-
landesgericht zurückverwiesen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 187.997,84 €.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin betreibt die Vollstreckbarerklärung zweier zu ihren
Gunsten ergangener inländischer Schiedssprüche. Während des Schiedsver-
fahrens, das in der Hauptsache einen Anspruch der Antragstellerin auf Rück-
zahlung von Werklohn sowie Schadensersatzforderungen zum Gegenstand
hatte, wurde über die Vermögen der beiden Schiedsbeklagten das Insolvenz-
verfahren eröffnet. Das Schiedsgericht, ein niederländischer Rechtsanwalt,
führte den Rechtsstreit gegen die Schiedsbeklagten "vertreten durch" die An-
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tragsgegner des vorliegenden Verfahrens "als Insolvenzverwalter" weiter. Die
Antragsgegner widersprachen dem und ließen sich zur Sache nicht ein. Nach-
dem die Antragstellerin - von den Antragsgegnern vorläufig bestrittene - Forde-
rungen zu den Insolvenztabellen angemeldet hatte, erließ das Schiedsgericht
unter dem 31. Mai 2005 einen vorläufigen Schiedsspruch, mit dem es seine
Zuständigkeit feststellte und den Schiedsbeklagten Ausgleichszahlungen für die
von der Antragstellerin geleisteten Kostenvorschüsse auferlegte. Mit endgülti-
gem Schiedsspruch vom 7. März 2006 verurteilte es die Schiedsbeklagten als
Gesamtschuldner, an die Antragstellerin 1.727.524,57 € nebst Zinsen und Kos-
ten zu zahlen.
Die Antragstellerin hat beantragt, die Schiedssprüche für vollstreckbar
zu erklären, soweit sie Zahlungen auferlegen, und zwar in Bezug auf die zuer-
kannten Hauptforderungen nebst Zinsen mit der Maßgabe, dass die Ansprüche
zur jeweiligen Insolvenztabelle festgestellt werden. Für die im vorläufigen und
im endgültigen Schiedsspruch enthaltenen Kostenaussprüche hat die Antrag-
stellerin die Maßgabe hilfsweise erklärt.
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Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen und die
Schiedssprüche aufgehoben (SchiedsVZ 2008, 152). Hiergegen richtet sich die
Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 1065 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1062
Abs. 1 Nr. 4 und § 1059 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, da die Rechts-
sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Rechtsmit-
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tel ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung so-
wie zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das
Oberlandesgericht
hat bei seiner Entscheidung offen gelassen, ob
der nach dem Wortlaut seines Tenors auf Verpflichtung zur Leistung gerichtete
endgültige Schiedsspruch dahingehend auszulegen sei, dass die titulierten For-
derungen lediglich gemäß § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2 InsO zur Insolvenztabelle
festgestellt werden. Jedenfalls verstoße seine Anerkennung gegen den ordre
public, weil sich nicht ausschließen lasse, dass eine Entscheidung des
Schiedsgerichts ergangen sei, die über die Anmeldungen zu den Insolvenzta-
bellen hinausgehe. Vielmehr sei sogar davon auszugehen, dass nicht alle im
Schiedsspruch zuerkannten Forderungen angemeldet worden seien. Der vor-
läufige Schiedsspruch sei damit ebenfalls hinfällig.
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2.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
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a) Der Schiedsspruch verstößt nicht allein deshalb gegen den ordre pub-
lic (§ 1060 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1059 Abs. 2 Nr. 2b) ZPO), weil er seinem
Wortlaut nach entgegen §§ 87, 174 ff InsO eine Leistungsverurteilung enthält.
Er ist vielmehr dahin auszulegen, dass durch ihn die zuerkannten Forderungen
zu den jeweiligen Insolvenztabellen festgestellt werden.
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aa) Ein nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergangenes, auf eine
Leistung gerichtetes Urteil ist nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts und
des Bundesgerichtshofs als bloße Feststellung zur Insolvenztabelle auszulegen,
wenn insbesondere aufgrund der Entscheidungsgründe feststeht, dass die gel-
tend gemachte Forderung nur ein Recht auf insolvenzmäßige Befriedigung ver-
schaffen sollte und es sich bei ihr nicht um eine Masseforderung handeln kann
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(RG, Urteil vom 4. Juli 1933 - III 31/33 - WarnRspr. 1933 Nr. 167, S. 359, 361;
BGH, Urteil vom 10. Juni 1963 - II ZR 137/62 - KTS 1963, 175, 176; BGH, Be-
schluss vom 29. Juni 1994 - VIII ZR 28/94 - ZIP 1994, 1193, 1194 mit zust.
Anm. Pape, EWiR 1994, 899, 900; MünchKommInsO/Breuer, 2. Aufl., § 87
Rn. 21; MünchKommInsO/Schumacher, 2. Aufl., § 179 Rn. 6). An dieser noch
zur Konkursordnung ergangenen Rechtsprechung ist auch nach Inkrafttreten
der Insolvenzordnung festzuhalten. Die Rechtslage ist insofern noch klarer ge-
worden. Während es unter Geltung der Konkursordnung für den Gläubiger
möglich war, auf die Teilnahme am Konkurs zu verzichten und seine Forderung
außerhalb des Konkursverfahrens im Wege der Leistungsklage geltend zu ma-
chen (BGHZ 25, 395), ist diese Möglichkeit dem Insolvenzgläubiger nunmehr
durch § 87 InsO genommen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2004 - V ZR 100/04 -
ZIP 2004, 2345, 2346; Begründung der Bundesregierung zur InsO, BT-Drucks.
12/2443, S. 137; MünchKommInsO/Breuer, 2. Aufl., § 87 Rn. 17). Eine nicht
titulierte Insolvenzforderung kann damit heute ausschließlich im
Wege der Anmeldung und gegebenenfalls der Feststellung zur Tabelle geltend
gemacht werden.
Bei der Auslegung von Schiedssprüchen ist jedenfalls kein strengerer
Maßstab als bei der Auslegung staatlicher Urteile anzulegen. Die Feststellung
einer Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle ist auch im Schiedsverfahren
möglich (Heidbrink/Gräfin von der Groeben, ZIP 2006, 265, 269; Flöther, Aus-
wirkungen des inländischen Insolvenzverfahrens auf Schiedsverfahren und
Schiedsabrede, 2001, S. 63, 108; Smid, DZWiR 1993, 485, 491 f; Jestaedt,
Schiedsverfahren und Konkurs, 1985, S. 123, 126).
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bb) Aufgrund der Gesamtumstände und insbesondere der Entschei-
dungsgründe steht fest, dass die in den Schiedssprüchen ausgesprochene Zu-
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erkennung von Forderungen der Antragstellerin nur ein Recht auf insolvenzmä-
ßige Befriedigung verschaffen sollte.
(1) Die Antragsgegner waren als Insolvenzverwalter an die Schiedsabre-
den der früheren Schiedsbeklagten gebunden (vgl. BGHZ 24, 15, 18; Senats-
beschluss vom 20. November 2003 - III ZB 24/03 - ZInsO 2004, 88, m.w.N.).
Dies gilt auch für den Feststellungsrechtsstreit (vgl. MünchKommInsO/Schu-
macher, 2. Aufl., vor §§ 85 bis 87 Rn. 54 und § 180 Rn. 11; Heidbrink/Gräfin
von der Groeben, ZIP 2006, 265, 266).
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(2) Dem Schiedsrichter war ausweislich der Gründe seiner Entscheidung
bekannt, dass während des laufenden Rechtsstreits vor dem Schiedsgericht
über die Vermögen beider Beklagter Insolvenzverfahren eröffnet worden waren
(Nummern 1.2 und 1.3 des endgültigen Schiedsspruchs), die Antragstellerin
ihre Ansprüche in diesen Verfahren angemeldet hatte und die Insolvenzverwal-
ter die Forderungen vorläufig bestritten hatten (Nummer 10. (13) des endgülti-
gen Schiedsspruchs).
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(3) Das Schiedsgericht hat, wie sich aus Nummern 1.2 und 1.3 des end-
gültigen Schiedsspruchs ergibt, weiter erkannt, dass das Verfügungsrecht über
das Vermögen der damaligen Beklagten mit der Eröffnung der Insolvenzverfah-
ren auf die nunmehrigen Antragsgegner übergegangen war. Es hat dem durch
die Beteiligung der Insolvenzverwalter, eine vorübergehende Aussetzung des
Verfahrens sowie die Gewährung von Fristverlängerungen Rechnung getragen
(siehe Nummern 4.6 und 4.11 bis 4.17 des vorläufigen sowie Nummern 1.2 und
1.3 des endgültigen Schiedsspruchs). Insbesondere hat es nach der Eröffnung
der Insolvenzverfahren Stellungnahmen von den Insolvenzverwaltern erbeten
(siehe Nummern 4.7, 4.10, 4.11 bis 4.13 des vorläufigen sowie Nummer 9.3 des
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endgültigen Schiedsspruchs) und diesen auch im Übrigen Gelegenheit gege-
ben, sich vollumfänglich an dem Verfahren zu beteiligen.
(4) Dass das Schiedsgericht die Insolvenzverwalter nicht ausdrücklich als
Parteien bezeichnet hat, ist unschädlich. Zwar verstieße die Fortführung des
Verfahrens mit einer anderen als der prozessführungsbefugten Partei - mithin
hier der Insolvenzverwalter - gegen das Gebot der ordnungsgemäßen Vertre-
tung (BGH, Urteil vom 19. Januar 1967 - II ZR 37/64 - MDR 1967, 565). Auch
gehört dieses Gebot zum ordre public (Begründung der Bundesregierung zum
SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, S. 59; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbar-
keit, 7. Aufl., Kap. 24 Rn. 48). Deshalb hat das Schiedsgericht in Verfahren mit
Bezug auf eine Insolvenzmasse dem Übergang der Verfügungsbefugnis durch
eine Beteiligung des Verwalters Rechnung zu tragen (Jaeger/Windel, InsO,
§ 85 Rn. 68, MünchKommInsO/Schumacher, 2. Aufl., vor §§ 85 bis 87 Rn. 53;
Flöther aaO, S. 39 ff; Jestaedt aaO, S. 35 f, 44) und dem Gemeinschuldner eine
Einwirkung zu verwehren (Flöther aaO, S. 36 bis 44; Smid DZWiR 1993, 485,
487; siehe auch Regierungsbegründung zur KO in: Hahn, Die gesamten Mate-
rialien zu den Reichsjustizgesetzen, Band 4, Materialien zur Konkursordnung,
Neudruck 1983, S. 70). Dies hat das Schiedsgericht im Ergebnis beachtet.
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hat es nach Unterrichtung
über die Eröffnung der Insolvenzverfahren den Schriftverkehr allein mit den An-
tragsgegnern geführt und diese damit der Sache nach als Parteien behandelt.
Aus diesen Gründen ist der Schiedsspruch dahingehend auszulegen, dass er
gegen die Insolvenzverwalter als Parteien ergangen ist.
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(5) Gegenstand des Schiedsverfahrens waren Rückzahlungs- bezie-
hungsweise Schadensersatzansprüche, die bereits vor Eröffnung des Insol-
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venzverfahrens entstanden waren und bei denen es sich daher zweifelsfrei um
Insolvenzforderungen im Sinne des § 38 InsO handelte.
(6) Da es gerade die Eigenart von Insolvenzverfahren darstellt, dass
Gläubiger für vor der Insolvenzeröffnung entstandene Forderungen lediglich
eine quotale Befriedigung erlangen, ergibt sich damit aus den Gründen des
Schiedsspruchs hinreichend, dass dessen Gegenstand nur die insolvenzmäßi-
ge Befriedigung der zugesprochenen Ansprüche war. Dafür, dass das Schieds-
gericht eine unabhängig von einer Quote zu erfüllende Masseverbindlichkeit
hätte zusprechen wollen, gibt es keinen Anhaltspunkt.
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cc) Der Senat kann diese Auslegung des Schiedsspruchs selbst vor-
nehmen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist unbeschränkt dazu befugt, einen
Schiedsspruch auszulegen (BGHZ 24, 15, 20).
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b) Einer Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs mit der Maßgabe,
dass die ausgeurteilten Forderungen zur Insolvenztabelle festgestellt werden,
steht nicht entgegen, dass dadurch kein vollstreckungsfähiger Titel geschaffen
wird, weil die Feststellung zur Insolvenztabelle eo ipso wirkt und keiner Vollstre-
ckung mehr bedarf (vgl. z.B. MünchKommInsO/Schumacher, 2. Aufl., § 183
Rn. 4; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 183 Rn. 5). Nach dem Senatsbeschluss
vom 30. März 2006 (III ZB 78/05 - NJW-RR 2006, 995, 996, Rn. 10 f) ist eine
Vollstreckbarerklärung auch dann möglich, wenn der Schiedsspruch keinen
vollstreckbaren Inhalt hat, sofern - wie es hier der Fall ist - der Kläger ein sons-
tiges rechtlich anzuerkennendes Interesse an der Vollstreckbarerklärung hat.
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c) Dass das Schiedsgericht den Rang der Forderungen nicht festgestellt
hat, hindert die Vollstreckbarerklärung ebenfalls nicht. Zwischen den Parteien
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steht außer Streit, dass es sich - wie im Zweifel anzunehmen ist - um eine ge-
wöhnliche Insolvenzforderung handelt.
d) Der Schiedsspruch ist danach anzuerkennen, soweit die Hauptforde-
rungen zu den Insolvenztabellen angemeldet worden sind.
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Dem Oberlandesgericht ist allerdings darin beizupflichten, dass ein inlän-
discher Schiedsspruch, der Insolvenzforderungen feststellt, die nicht zuvor in
gleicher Weise nach Grund und Betrag zur Insolvenztabelle angemeldet wur-
den, gegen den ordre public interne verstößt und nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2b)
ZPO aufzuheben ist. Zu Unrecht hat es jedoch den Schiedsspruch insgesamt
aufgehoben, da die Antragstellerin jedenfalls einen Teil der ausgeurteilten
Hauptforderungen zu den Insolvenztabellen angemeldet hatte.
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aa) Im Schrifttum zum Insolvenz- und Schiedsgerichtsrecht ist es einhel-
lige Meinung, dass § 87 InsO, der die gleichmäßige und gemeinschaftliche Be-
friedigung der Insolvenzgläubiger (§ 1 InsO) sicherstellen soll, - anders als
§ 240 ZPO (z.B.: BGH, Urteil vom 21. November 1966 - VII ZR 174/65 - WM
1967, 56, 57; MünchKommInsO/Schumacher, vor §§ 85 bis 87 Rn. 53) - zum
ordre public gehört (MünchKommInsO/Schumacher, aaO; Ehricke ZIP 2006,
1847, 1850; Flöther aaO, S. 109; vgl. zur KO auch: Smid DZWiR 1993, 485,
487, 493; Jestaedt aaO, S. 111) und dass das Anmelde- und Feststellungsver-
fahren nach §§ 174 ff InsO zwingende Rechtsfolge des § 87 InsO ist (BGH,
Urteil vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 165/02 - NJW-RR 2004, 1050, 1052; Jae-
ger/Windel, Insolvenzordnung, § 87 Rn. 8 f; MünchKommInsO/Breuer, 2. Aufl.,
§ 87 Rn. 17; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 87 Rn. 7; vgl. auch
BGHZ 173, 103, 106 Rn. 12).
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Dem tritt der Senat bei. Die gleichmäßige und gemeinschaftliche Befrie-
digung aller Insolvenzgläubiger aus dem begrenzten Schuldnervermögen (§ 1
InsO) gehört zum Kern des Insolvenzrechts (so bereits Hahn aaO S. 47, 71;
vgl. z.B. auch: BGH, Urteil vom 23. Oktober 2003 aaO). Die Notwendigkeit, die
in einem gerichtlichen Verfahren verfolgte Forderung zur Insolvenztabelle an-
zumelden (§§ 87, 174, 181 InsO), dient der verfahrensmäßigen Gewährleistung
dieses - dem ordre public interne zuzurechnenden - Grundsatzes (BGH aaO)
und besteht deshalb für Schiedsgerichtsverfahren gleichermaßen zwingend wie
für Prozesse vor den staatlichen Gerichten.
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Der Grund für das vorrangig zu betreibende Anmeldungs- und Prüfungs-
verfahren liegt unter anderem darin, dass das Feststellungsurteil gegenüber
dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern wirkt (§ 183 Abs. 1
InsO). Letztere müssen ebenso wie der Verwalter zunächst Gelegenheit erhal-
ten, die angemeldete Forderung zu prüfen und gegebenenfalls zu bestreiten
(BGHZ aaO; BGH, Urteil vom 27. September 2001 - IX ZR 71/00 - ZIP 2001,
2099).
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Die grundlegende Bedeutung dieser Regelung hat bereits die Regie-
rungsbegründung des Entwurfs der Konkursordnung herausgestellt. Jeder
Gläubiger werde durch die Teilnahme des anderen in seinen Bezügen ge-
schmälert und müsse daher die Befugnis haben, die Forderung des anderen
nach ihrer Richtigkeit (…) zu prüfen, zu bestreiten und den sich daraus erge-
benden Streit selbständig durchzuführen. Deshalb folge aus dem Grundsatz der
gemeinschaftlichen Befriedigung aller aus dem begrenzten Schuldnervermö-
gen, dass kein Gläubiger rücksichtslos gegen die anderen sein einzelnes Be-
friedigungsrecht gegen den Schuldner verfolgen dürfe. Das gleiche Recht aller
verlange, dass keiner seinen Anspruch anders als im gemeinsamen Verfahren
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ausüben dürfe; es berechtige jeden, den Anspruch des anderen zu prüfen. Dar-
auf beruhe der Zwang, Forderungen zu dem gemeinschaftlichen Prüfungsver-
fahren anzumelden (Hahn aaO, S. 47, 71, 325). Der Gesetzgeber der Insol-
venzordnung hat bei der Neufassung der §§ 87, 174 ff InsO darauf verwiesen,
dass er insoweit an die Regelungen des Konkursrechts anknüpfe (Begründung
der Bundesregierung BT-Drucks. 12/2443 S. 137, 183, 185).
Ob dem Beteiligungsrecht der Gläubiger, wie die Beschwerde geltend
macht, in der Praxis vielfach nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt, ist
unerheblich.
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Entgegen der Ansicht der Beschwerde unterliegt der Schiedsspruch auch
nicht dem tendenziell großzügigeren internationalen ordre public (vgl. hierzu
Senatsbeschluss vom 26. Februar 2006 - III ZB 50/05 - NJW 2007, 772, 774
Rn. 28, insoweit nicht in BGHZ 166, 278 abgedruckt). Vielmehr ist der ordre
public interne anzuwenden, da im Hinblick auf den Schiedsort inländische
Schiedssprüche vorliegen (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 27. Aufl., § 1061 Rn. 3).
Für einen inländischen Schiedsspruch gilt aus Gründen der Rechtssicherheit
und Rechtsklarheit grundsätzlich der ordre public interne, unabhängig davon,
ob und in welchem Umfang neben deutschen auch ausländische Parteien an
dem Verfahren beteiligt sind oder ob - wie hier - der Schiedsrichter auslän-
discher Staatsangehöriger ist (weitergehend wohl Schwab/Walter, Kap. 30
Rn. 21; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., Anhang § 1061 Rn. 135).
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Ebenso unbeachtlich ist der Hinweis der Beschwerde darauf, dass § 240
ZPO nicht dem ordre public zuzuordnen ist. Auch wenn das Schiedsverfahren
nicht von Gesetzes wegen unterbrochen wird (z.B.: RGZ 62, 24 f; BGH, Urteil
vom 21. November 1966 - VII ZR 174/65 - KTS 1966, 246, 247), darf es nicht
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weiter betrieben werden, bis Gelegenheit bestand, die Forderung anzumelden
und das insolvenzrechtliche Prüfungsverfahren durchzuführen (vgl. Jaeger/Win-
del, InsO, § 85 Rn. 68; MünchKommInsO/Schumacher, 2. Aufl., vor §§ 85 bis
87 Rn. 53).
bb) Wie das Oberlandesgericht selbst ausgeführt hat, sind die zu den
Tabellen angemeldeten und die im Schiedsverfahren geltend gemachten Forde-
rungen allerdings (jedenfalls) nur teilweise inkongruent. Aus diesem Grunde
hätte die Vorinstanz den Antrag auf Vollstreckbarerklärung (zumindest) nicht
zur Gänze zurückweisen dürfen, es sei denn, alle im Schiedsverfahren zuer-
kannten Forderungen sind nur partiell zu den Tabellen angemeldet und in die-
sem Umfang nicht teilurteilsfähig.
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(1) Betrifft ein Aufhebungsgrund nur einen Teil des Schiedsspruchs, so
ist nur dieser aufzuheben und der Rest für vollstreckbar zu erklären, sofern der
bestehen bleibende Teil des Schiedsspruchs teilurteilsfähig ist (RGZ 46, 419,
421 f; Senatsurteil vom 31. Januar 1980 - III ZR 83/78 - KTS 1980, 241, 243;
BGH, Urteil vom 6. April 1961 - VII ZR 7/60 - MDR 1961, 846; MünchKomm
ZPO/Münch, 3. Aufl., § 1059 Rn. 72 und § 1060 Rn. 25; Wieczorek/Schütze,
ZPO, 3. Aufl., § 1041 Rn. 63; Lachmann, Handbuch der Schiedsgerichtspraxis,
3. Aufl., Rn. 2389). Um festzustellen, ob und inwieweit diese Voraussetzungen
für die Forderungen, die zu den Insolvenztabellen angemeldet worden waren,
erfüllt sind, bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen.
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(2) Soweit die im Schiedsverfahren eingeklagten und die zu den Insol-
venztabellen angemeldeten Forderungen - in teilurteilsfähigem Umfang - iden-
tisch sind, besteht kein Aufhebungsgrund (§ 1060 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1059
Abs. 2 ZPO).
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(a) Die Rüge, zwischen der seinerzeitigen Schiedsbeklagten zu 1
(M. ) und der Antragstellerin habe von Anfang an keine wirksame Schieds-
vereinbarung bestanden (vgl. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), steht der Vollstreck-
barerklärung des Schiedsspruchs nicht entgegen. Mit dem vorläufigen Schieds-
spruch vom 31. Mai 2005 hat das Schiedsgericht seine Zuständigkeit auch ge-
genüber der damaligen Schiedsbeklagten zu 1 bejaht. Hiergegen hat der An-
tragsgegner zu 2 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht innerhalb der
Frist des § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO (Zugang des Zwischenschiedsspruch beim
Antragsgegner: 13. Juni 2005, siehe Nummer 9.1 des endgültigen Schieds-
spruchs) gestellt. Die nach Ablauf dieser Frist erhobene Zuständigkeitsrüge ist
auch für das Verfahren der Vollstreckbarerklärung präkludiert (vgl. Senatsbe-
schluss vom 27. März 2003 - III ZB 83/02 - MDR 2003, 890 f).
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(b) Den Antragsgegnern ist im Schiedsverfahren hinreichend rechtliches
Gehör gewährt worden.
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Das Schiedsgericht hat den Parteien ausreichend Gelegenheit gegeben,
das insolvenzrechtliche Prüfungsverfahren durchzuführen. Die Antragsgegner
haben die Forderungen in den Prüfungsterminen am 30. April 2003 bezie-
hungsweise vor dem 12. August 2004 vorläufig bestritten. Nach Erlass des vor-
läufigen Schiedsspruchs wurde das Verfahren ausweislich Nummer 9 des end-
gültigen Schiedsspruchs erst wieder ab Juni 2005 weiter betrieben.
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Entgegen der Ansicht der Antragsgegner würde ihr Grundrecht auf recht-
liches Gehör durch die (teilweise) Vollstreckbarerklärung der Schiedssprüche
auch nicht deshalb beeinträchtigt, weil sie in dem Schiedsverfahren keine mate-
riellrechtlichen Einwände gegen die Hauptforderungen erhoben haben. Hierzu
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hatten sie ausreichend Gelegenheit. Wenn sie sich stattdessen entschlossen,
sich nicht zur Sache einzulassen, weil sie rechtsirrig (siehe oben a bb (1)) der
Auffassung waren, sie seien an die von den Gemeinschuldnerinnen getroffenen
Schiedsabreden nicht gebunden und an dem Schiedsverfahren nicht beteiligt,
und weiter darauf vertrauten, ein Leistungsausspruch im Schiedsverfahren kön-
ne auch nicht als Feststellung zur Insolvenztabelle für vollstreckbar erklärt wer-
den, handelten sie mit dieser freiwilligen Beschränkung ihrer Rechtsverteidi-
gung auf eigenes prozessuales Risiko.
e) Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif, so dass sie an das
Oberlandesgericht zurückzuverweisen ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Die Vorin-
stanz hat - von ihrem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine abschließenden
Feststellungen dazu getroffen, in welchem Umfang die im Schiedsverfahren
zuerkannten Forderungen - in teilurteilsfähigem Umfang - mit denen kongruent
sind, die zu den Insolvenztabellen angemeldet worden waren. Vielmehr hat es
sich darauf beschränkt darzulegen, dass keine vollständige Identität besteht.
Die erforderlichen Feststellungen sind nachzuholen.
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3.
Die angefochtene Entscheidung kann hinsichtlich der Kostenaussprüche
in dem Zwischenschiedsspruch und der endgültigen Entscheidung des
Schiedsgerichts ebenfalls keinen Bestand haben. Für das weitere Verfahren
weist der Senat jedoch darauf hin, dass die Vollstreckbarerklärung hinsichtlich
der Kosten schon dann zu versagen sein wird, wenn die Vollstreckbarerklärung
des endgültigen Schiedsspruchs auch nur teilweise abgelehnt wird. Der Aus-
spruch über die Kosten eines Schiedsverfahrens wird ohne weiteres hinfällig,
wenn der Schiedsspruch in der Hauptsache aufgehoben wird (Senatsurteil vom
31. Januar 1980 - III ZR 83/78 - KTS 1980, 241, 243; Schwab/Walter, 7. Aufl.,
Kap. 33 Rn. 12). Da sich die Grundlage, auf der das Schiedsgericht die Kosten-
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entscheidung nach § 1057 Abs. 1 Satz 2 ZPO getroffen hat, schon durch die
Teilaufhebung verändert, eine sachliche Änderung des Schiedsspruchs auf-
grund des Verbotes der révision au fond jedoch allein dem Schiedsgericht ob-
liegt, gilt dies auch bei einer lediglich teilweisen Aufhebung des Schiedsspruchs
(MünchKommZPO/Münch, 3.
Aufl., §
1057 Rn.
28; Stein/Jonas/Schlosser,
22. Aufl., § 1057 Rn. 14; offen gelassen im Senatsurteil vom 31. Januar 1980,
aaO). Gleiches trifft im Ergebnis wegen § 1056 Abs. 1 ZPO für die im vorläufi-
gen Schiedsspruch enthaltene Anordnung der Ausgleichszahlung zu, sofern
das Oberlandesgericht nicht nach § 1059 Abs. 4 ZPO verfährt.
Schlick
Dörr
Galke
Herrmann
Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanz:
OLG Köln, Entscheidung vom 13.11.2007 - 9 Sch 8/06 + 9 Sch 9/06 -