Urteil des BGH vom 09.02.2010

BGH (beweislast, transport, lieferung, vertrag, eignung, gegenstand, sache, annahme, kaufrecht, angebot)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 82/07 Verkündet
am:
9. Februar 2010
Wermes
Justizamtsinspektor
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 9. Februar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die
Richter Gröning, Dr. Berger, Dr. Grabinski und Hoffmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 9. Mai 2007 verkün-
dete Urteil des 6. Senats des Oberlandesgerichts Naumburg auf-
gehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zu-
rückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist ein im Straßenbau tätiges Unternehmen, das dabei Stra-
ßenfräsmaschinen einsetzt, die auf Tiefladesattelaufliegern transportiert wer-
den. Im Februar 2004 ließ sie sich von der Beklagten ein Angebot eines sol-
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chen dreiachsigen Aufliegers unterbreiten, der zum Transport einer bestimmten
Fräsmaschine (W. W 1000 F) geeignet sein sollte. Die Beklagte legte ein
dies-
bezügliches Angebot vor. Kurz darauf unterbreitete die Beklagte auf Bitten der
Klägerin ein Angebot für einen zweiachsigen Auflieger zu einem günstigeren
Preis, das die Klägerin annahm. Nach Lieferung des Aufliegers beglich sie den
berechneten Preis. In der Folgezeit platzten beim Transport von Fräsen des
Typs W 1000 F mehrfach Reifen, was die Klägerin der Beklagten mit Schreiben
vom 16. Dezember 2004 und dem Bemerken, der Auflieger entspreche nicht
den gewünschten Erfordernissen, mitteilte. Nach einem von der Klägerin in Auf-
trag gegebenen Sachverständigengutachten sind die Reifenschäden auf eine
Überschreitung der Achslast der Hinterachsen und die Ungeeignetheit der La-
defläche zurückzuführen. Der Auflieger ist, was im Prozess unstreitig ist, für den
Transport der Fräse W 1000 F nicht geeignet. Die Parteien haben insoweit dar-
um gestritten, ob die Beklagte auf diese Ungeeignetheit hingewiesen hat.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Erstat-
tung der geleisteten Zahlung Zug um Zug gegen Rückgabe des Aufliegers so-
wie Zahlung von Gutachtenkosten und Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen
und die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des
Aufliegers im Annahmeverzug befinde. Das Landgericht hat die Klage abgewie-
sen; das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben.
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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, der die Klägerin entgegen-
tritt, erstrebt die Beklagte in erster Linie die Aufhebung des angefochtenen Ur-
teils und die Zurückweisung der von der Klägerin eingelegten Berufung.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zu-
rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Parteien hätten einen
Werkvertrag geschlossen. Der Schwerpunkt des Vertrags liege nicht auf kauf-
vertraglichen, sondern auf werkvertraglichen Elementen, da der Sattelauflieger
nach den konkreten Vorstellungen und Vorgaben der Klägerin habe hergestellt
werden sollen. Es hat des Weiteren gemeint, die Klägerin habe bewiesen, dass
der Zweiachsauflieger sich auch nach dem hierüber geschlossenen Vertrag für
den Transport der Fräse W 1000 F habe eignen sollen. Zwar treffe die Annah-
me des Landgerichts zu, dass in Anbetracht der widersprüchlichen Aussagen
der Zeugen nicht festgestellt werden könne, ob der Zeuge E. , ein Mitar-
beiter der Beklagten, den bei der Klägerin beschäftigten Zeugen H. über
die fehlende Eignung eines Zweiachsaufliegers für den Transport der Frä-
se W 1000 F informiert habe; entgegen der Ansicht des Landgerichts gehe die-
ses non liquet aber zu Lasten der Beklagten, weil die Eignung, eine solche Ma-
schine zu transportieren, zunächst beiderseitige Vorstellung geworden und es
erwiesen sei, dass die Klägerin die Beklagte um Prüfung gebeten hatte, ob dies
auch im Falle der Herstellung eines Zweiachsaufliegers gewährleistet sei. Wenn
die Beklagte vor diesem Hintergrund ein Angebot für einen solchen zweiachsi-
gen Auflieger einreiche, habe die Klägerin zu Recht davon ausgehen dürfen,
dass die Beklagte dessen Eignung auch für den Transport der Fräse W 1000 F
bejahe. Diese gemeinsame Vorstellung von der Verwendung der Sache hätte
die Beklagte nur vor Annahme des Angebots durch eine für die Klägerin er-
kennbare Äußerung ändern können. Dass sie einen entsprechenden Hinweis
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erteilt habe, könne indes nicht festgestellt werden. Der Wiederholung der Be-
weisaufnahme bedürfe es nicht, weil es, das Berufungsgericht, wie das Landge-
richt, seiner Entscheidung die Aussagen der beiden Zeugen zugrunde lege und
sie nur abweichend würdige.
Selbst wenn das Vorliegen eines Mangels, insbesondere wegen einer
anderen Beweislastverteilung, verneint würde, wäre der Klage stattzugeben.
Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei unabhän-
gig von der Frage des Mangels auch nach den Grundsätzen des Verschuldens
bei Vertragsschluss gerechtfertigt. Angesichts des ihr bekannten Verwendungs-
zwecks für den Auflieger hätte es der Beklagten oblegen, die Klägerin darüber
zu informieren, dass ein Transport mit dem zweiachsigen Auflieger nicht mög-
lich sei. Das non liquet zu dieser Frage gehe zu Lasten der für die Erfüllung der
vorvertraglichen Verpflichtung darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten.
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II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. a) Die Einordnung des geschlossenen Vertrages als Werkvertrag ist
rechtsfehlerhaft. Nach § 651 Satz 1 BGB finden auf einen Vertrag, der, wie hier,
die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Sachen zum
Gegenstand hat, die Vorschriften über den Kauf Anwendung. Werkvertrags-
rechtliche Bestimmungen treten nur ergänzend, und nicht verdrängend neben
das Kaufrecht, wenn der Vertrag die Lieferung einer nicht vertretbaren Sache
zum Gegenstand hat (§ 651 Satz 3 BGB). Kaufrecht ist mithin auf sämtliche
Verträge mit einer Verpflichtung zur Lieferung herzustellender oder zu erzeu-
gender beweglicher Sachen anzuwenden (BGH, Urt. v. 23.7.2009
- VII ZR 151/08, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, Tz. 19 unter Hin-
weis auf BT-Drucks. 14/6040, S. 268). Unerheblich für die vertragsrechtliche
Einordnung ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts deshalb, dass
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der Auflieger nach den konkreten Vorstellungen und Vorgaben der Klägerin ha-
be hergestellt werden sollen. Das mag die Annahme rechtfertigen, der Vertrag
habe die Lieferung einer nicht vertretbaren Sache zum Gegenstand gehabt.
Dies ändert ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 651 Satz 3 BGB aber
nichts an der grundsätzlichen Anwendbarkeit von Kaufrecht (vgl. insoweit auch
BGH, aaO Tz. 18 ff.).
b) Ob ausnahmsweise Werkvertragsrecht anwendbar sein könnte, wenn
ein zwischen Unternehmen geschlossener Vertrag die Lieferung typischer In-
vestitionsgüter, namentlich in den Produktionsprozess einzupassender Maschi-
nen oder Investitionsanlagen, und im Zusammenhang damit die Erbringung zu-
sätzlicher wesentlicher Planungs-, Konstruktions-, Integrations- und Anpas-
sungsarbeiten zum Gegenstand hat, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung
(vgl. insoweit auch BGH, aaO Tz. 22). Zwar kann davon ausgegangen werden,
dass die Beklagte, um ihre Lieferungspflicht zu erfüllen, auch gewisse Pla-
nungs- oder Konstruktionsleistungen erbringen musste, worauf schon hindeutet,
dass ihr vor Vertragsschluss die Dokumentation der Fräse W 1000 F übergeben
wurde. Soweit in den Gründen des angefochtenen Urteils insoweit davon die
Rede ist, der Beklagten sei die technische Dokumentation des herzustellenden
Sattelaufliegers übergeben worden, handelt es sich ausweislich des Zusam-
menhangs der Entscheidungsgründe um ein Versehen. Bei den gegebenenfalls
erbrachten Planungs- bzw. Konstruktionsleistungen kann es sich nach Lage
des Streitfalls nur um solche gehandelt haben, die als Vorstufe zu der im Mittel-
punkt des Vertrags stehenden Lieferung anzusehen sind. Der Herstellung von
zu liefernden Sachen gehen typischerweise gewisse Planungsleistungen voraus
und die Vorschrift des § 651 BGB würde weitgehend leer laufen, wenn dieser
Umstand dazu führte, statt Kaufrecht Werkvertragsrecht anzuwenden.
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c) Die auf vertragsrechtliche Bestimmungen gestützte Verurteilung kann
danach schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht auf
der Grundlage des von ihm eingenommenen Rechtsstandpunkts nicht geprüft
hat, ob die Klägerin den Untersuchungs- und Rügepflichten aus § 377 Abs. 1
oder gegebenenfalls § 377 Abs. 3 HGB nachgekommen ist, die sie auch bei
einem Vertrag treffen, der, wie hier, die Lieferung herzustellender oder zu er-
zeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat (§ 381 Abs. 2 HGB, vgl.
auch BGH aaO Tz. 27).
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2. Bei seiner Annahme, die Klägerin habe bewiesen, dass der gelieferte
Auflieger mangelhaft sei, hat das Berufungsgericht die Beweislast verkannt.
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Das Berufungsgericht ist ausweislich des Zusammenhangs der Gründe
davon ausgegangen, dass die Parteien die Eignung zum Transport der Fräse
W 1000 F zwar nicht vertraglich i. S. einer Beschaffenheit des Aufliegers (§ 434
Abs. 1 Satz 1, § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB) vereinbart, aber nach dem Vertrag
vorausgesetzt haben (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
BGB). Nach allgemeinen Grundsätzen trägt die Klägerin als Bestellerin des an
sie ausgelieferten Aufliegers die Beweislast dafür, dass die Vertragspartner die
Eignung zu dieser Verwendung vertraglich noch im Zeitpunkt des Vertrags-
schlusses vorausgesetzt haben. Von einer entsprechenden vertraglichen Vor-
aussetzung kann nicht ausgegangen werden, wenn eine Partei der anderen vor
Vertragsschluss zu erkennen gegeben hatte, dass eine von ihr beabsichtigte
Verwendung fraglich oder gar ausgeschlossen sei. Mit ihrem Vorbringen, die
Klägerin in diesem Sinne aufgeklärt zu haben, trägt die Beklagte nicht die tat-
sächlichen Voraussetzungen für rechtshindernde, rechtshemmende oder
rechtsvernichtende Umstände vor, für die sie als diejenige, die sich darauf be-
ruft, die Beweislast trüge (vgl. etwa BGH, Urt. v. 13.11.1998 - V ZR 386/97,
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NJW 1999, 352 f.). Vielmehr handelt es sich bei solchem Vorbringen um sub-
stanziiertes Bestreiten, das an der allgemeinen Beweislastverteilung nichts än-
dert (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.1990 - V ZR 160/90, NJW 1992, 892, bei juris
Tz. 8) und im Streitfall lediglich die in der Natur der Sache begründete Beson-
derheit aufweist, dass die Klägerin nunmehr einen Negativbeweis dahin zu füh-
ren hat, dass die Beklagte sie nicht auf die fehlende Eignung zum Transport der
Fräse W 1000 F hingewiesen habe. Dieser Umstand, der nur daraus resultiert,
dass die Beklagte ihrer Verpflichtung zum substanziierten Bestreiten genügt
hat, ist indes ohne Einfluss auf die Beweislast (vgl. Zöller/Greger ZPO, 27. Aufl.,
Vor § 284 Rdn. 18, 24). Der Hinweis der Revisionserwiderung, in Fällen, in de-
nen, wie hier, ein schriftlicher Vertrag geschlossen worden ist, trage für Um-
stände, die außerhalb der Urkunde liegen, die Partei die Beweislast, die daraus
ein günstiges Auslegungsergebnis herleiten wolle, trifft zu, ändert aber nichts
daran, dass es der Klägerin obliegt, diesen Beweis zu führen. Denn dass der
Auflieger so beschaffen sein sollte, dass die Fräse W 1000 F damit transportiert
werden kann, ist gerade nicht der Vertragsurkunde zu entnehmen, sondern soll
von den Parteien vertraglich vorausgesetzt worden sein. Entsprechend liegt ein
Sachmangel nur dann vor, wenn die Parteien diese Verwendungsmöglichkeit
vorausgesetzt haben. Nachdem der Auflieger an sie ausgeliefert worden ist,
trägt die Klägerin insoweit die Beweislast. Soweit die Revisionserwiderung dar-
auf hinaus will, dass die Klägerin der Übersendung des zweiten Angebots in
Anbetracht der zuvor erbetenen Prüfung den konkludenten Erklärungswert bei-
legen durfte, dass ein Zweiachsauflieger für den Transport der fraglichen Fräse
geeignet sei, lässt diese Sichtweise das Vorbringen der Beklagten außer Acht.
3. Soweit das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten auch auf
die Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht gestützt hat, beruht dies
ebenfalls auf der unzutreffenden Beurteilung der im Streitfall gegebenen Vertei-
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lung der Beweislast. Wird ein Schadensersatzanspruch daraus hergeleitet, dass
ein vorvertraglich geschuldeter Hinweis unterblieben ist und dies zum Schaden
geführt hat, geht es nicht um Erfüllung, sondern um die Anspruchsvorausset-
zungen. Deshalb muss der Anspruchsteller diesen Sachverhalt darlegen und
i. S. eines Negativbeweises beweisen. Wie bereits ausgeführt, reicht es dafür
nicht aus, dass nach dem Beweisergebnis offen geblieben ist, ob der Verpflich-
tete seiner Hinweispflicht genügt hat.
4. Im wiedereröffneten Berufungsrechtszug wird das Berufungsgericht
den Sachverhalt nach Maßgabe des vorstehend Ausgeführten erneut zu würdi-
gen haben. Sollte es dabei zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Sachmangel
vorliegt, wird es außerdem die Erfüllung der Rügeobliegenheit aus § 377 HGB
zu prüfen haben (oben II 1 a. E.).
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Dem Einwand der Revision, die Schadensberechnung sei in einem Fall
wie dem vorliegenden nur schlüssig, wenn der Erwerber den Umfang der gezo-
genen Nutzungen darlege, kann nicht beigetreten werden. Die Beweislast für
die Voraussetzungen der einzelnen Ansprüche im Rückabwicklungsverhältnis
trägt der jeweilige Rückgewährgläubiger (vgl. MünchKomm.BGB/Gaier, 5. Aufl.,
§ 346 Rdn. 69 m.w.N. in Fn. 8); verlangt der Verkäufer einer Eigentumswoh-
nung im Rahmen des Rücktritts vom Käufer Nutzungsersatz in bestimmter Hö-
he, so trägt er dafür die Beweislast (BGH, Urt. v. 22.11.1990 - V ZR 160/90,
NJW 1992, 892, bei juris Tz. 8). Verlangt, wie hier, der Käufer im Rahmen der
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Rückabwicklung die Rückzahlung des Kaufpreises und will der Verkäufer eine
Nutzungsvergütung in Ansatz bringen, trägt Letzterer als Rückgewährsgläubi-
ger dieses Anspruchs dafür die Beweislast. Das ergibt sich, worauf die Revisi-
onserwiderung zutreffend hinweist, auch aus § 348 BGB.
Scharen Gröning Berger
Grabinski
Hoffmann
Vorinstanzen:
LG Dessau, Entscheidung vom 03.11.2006 - 3 O 92/05 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 09.05.2007 - 6 U 198/06 -