Urteil des BGH vom 28.02.2008

BGH (prospekt, beteiligung, anleger, kenntnis, aufhebung, abschluss, verantwortlichkeit, verhandlung, risiko, bezug)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 151/06
Verkündet
am:
28. Februar 2008
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter
Dr. Wurm, Dörr, Wöstmann und die Richterin Harsdorf-Gebhardt
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 13. Januar 2006 im Kos-
tenpunkt - mit Ausnahme der Entscheidung über die außergericht-
lichen Kosten der Beklagten zu 2 - und insoweit aufgehoben, als
die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage abgewiesen worden
ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechts-
zugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger zeichnete am 14. Dezember 2000 - unter Einschaltung der
D. GmbH als Treuhänderin - eine Kommanditeinlage über 200.000 DM
zuzüglich 5 v.H. Agio an dem Filmfonds V.
Dritte KG. Die Fondsgesellschaft geriet im Jahr 2002 im Zusammenhang
mit der Insolvenz der Produktionsdienstleisterin in eine wirtschaftliche Schief-
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lage. Es stellte sich heraus, dass an die Produktionsdienstleisterin überwiesene
Gelder nicht zurückzuerlangen waren und Erlösausfallversicherungen für auf-
genommene Produktionen nicht abgeschlossen waren.
Wegen behaupteter Mängel des Prospekts begehrt der Kläger Zug um
Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung Rückzahlung des
eingezahlten Betrags von 107.371,29 € nebst Zinsen. Im Hinblick auf eine Aus-
schüttung von 3.067,75 € nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils hat
der Kläger die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt. Der Kläger hält die
Beklagte zu 1 - Tochtergesellschaft einer international tätigen Großbank - als
(Mit-)Initiatorin und Hintermann für prospektverantwortlich. Diese war von der
Fondsgesellschaft mit der Beratung bei der Auswahl und Heranziehung poten-
tieller Vertragspartner und der Optimierung des gesamten Vertragswerks sowie
der gesamten Koordination des Eigenkapitalvertriebs und von der Her-
ausgeberin des Prospekts mit der Erstellung eines Prospektentwurfs beauftragt
worden und nahm als Einzahlungstreuhänderin für die Fondsgesellschaft die
Gelder der Anleger entgegen. Die Beklagte zu 2, eine Wirtschaftsprüfungsge-
sellschaft, hat der Kläger wegen behaupteter Fehler bei der ihr von der Beklag-
ten zu 1 aufgetragenen Prüfung des Prospekts in Anspruch genommen.
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Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Senat nur
in Bezug auf die Beklagte zu 1 zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sei-
nen Klageantrag gegen diese weiter.
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Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zu-
rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit es die gegen die
Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte) gerichtete Klage betrifft.
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I.
Das Berufungsgericht verneint Mängel des Prospekts. Aus dem Prospekt
werde hinreichend deutlich, dass der vorgesehene Abschluss von Erlösausfall-
versicherungen projektbezogen sei; er habe nicht so verstanden werden dürfen,
dass im Zeitpunkt seiner Herausgabe die Versicherungsverträge bereits abge-
schlossen gewesen seien. Auch die auf S. 38 des Prospekts dargestellte "Rest-
risiko-Betrachtung" sei inhaltlich nicht zu beanstanden, da sie im Zusammen-
hang mit anderen Passagen des Prospekts gesehen werden müsse, in denen
auf das Risiko eines Totalverlustes hingewiesen werde. Der Prospekt suggerie-
re auch keine Mittelfreigabekontrolle, sondern mache deutlich, dass es sich um
eine nachträgliche Mittelverwendungskontrolle handele, die nicht als "un-
brauchbarer Absicherungsmechanismus" anzusehen sei. Unter diesen Um-
ständen könne offen bleiben, ob die Beklagte prospektverantwortlich sei und ob
die erhobenen Ansprüche verjährt seien.
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II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem maßgeben-
den Punkt nicht stand. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Berufungsge-
richts, dass der Prospekt nicht zu beanstanden sei.
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1.
Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrund-
sätzen hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitritts-
interessenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt,
den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher
Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrich-
ten (vgl. BGHZ 79, 337, 344; 116, 7, 12; 123, 106, 109 f; BGH, Urteile vom
29. Mai 2000 - II ZR 280/98 - NJW 2000, 3346; vom 6. Februar 2006 - II ZR
329/04 - NJW 2006, 2042, 2043 Rn. 7). Dazu gehört eine Aufklärung über
Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder den vom Anleger verfolgten
Zweck gefährden können (vgl. BGHZ 79, 337, 344; Urteil vom 26. September
1991 - VII ZR 376/89 - NJW 1992, 228, 230
115, 213>). Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist daher nicht al-
lein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Ge-
samtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des Unternehmens vermit-
telt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 - II ZR 175/81 - NJW 1982, 2823, 2824).
Dabei dürfen die Prospektverantwortlichen allerdings eine sorgfältige und ein-
gehende Lektüre des Prospekts bei den Anlegern voraussetzen (vgl. BGH, Ur-
teil vom 31. März 1992 - XI ZR 70/91 - NJW-RR 1992, 879, 881).
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2.
Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht die sachli-
che Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts nicht rechtsfehlerfrei festge-
stellt. Bei seiner Sicht berücksichtigt es nämlich nicht hinreichend den in den
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Leitgedanken vorbereiteten und durch die als "worst-case-Szenario" bezeichne-
te „Restrisiko-Betrachtung“ vermittelten Gesamteindruck, dass der Anleger mit
seiner Beteiligung ein nur begrenztes Risiko eingehe. Dies hat der Senat - nach
Erlass der angefochtenen Entscheidung - in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007,
die eine Beteiligung an derselben Fondsgesellschaft betrafen, entschieden
(III ZR 300/05 - NJW-RR 2007, 1329, 1331 Rn. 13 f; III ZR 125/06 - WM 2007,
1503, 1504 f Rn. 14 f) und hieran - nach erneuter Überprüfung - in seinem Urteil
vom 22. November 2007 (III ZR 210/06) festgehalten. Auf die genannten Urteile
nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
III.
Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Grün-
den als richtig dar (§ 561 ZPO).
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1.
Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - kei-
ne Feststellungen zur Frage getroffen, inwieweit die Beklagte als Prospektver-
antwortliche in Betracht kommt, aber erhebliche Bedenken gegen die Auffas-
sung des Landgerichts erhoben, das deren Prospektverantwortlichkeit, ohne
hierüber Beweis zu erheben, verneint hat. Diese Bedenken sind berechtigt. Je-
denfalls kann nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vorbrin-
gen des Klägers die Verantwortlichkeit der Beklagten für Prospektmängel nicht
ausgeschlossen werden. Der Senat hat in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007
eine Prospektverantwortlichkeit der Beklagten als (Mit-)Initiatorin oder Hinter-
mann für möglich erachtet und befunden, abschließend könne hierüber erst
nach Erhebung der angebotenen Beweise entschieden werden (III ZR 125/06
- WM 2007, 1503, 1505 f Rn. 17-22; III ZR 185/05 - NJW-RR 2007, 1479 f
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Rn. 9-13). Darüber hinaus hat er in einigen Parallelsachen, in denen Anleger
über ihnen später bekannt gewordene Vorgänge aus einem einen anderen
Filmfonds betreffenden Verfahren gegen die Beklagte vor dem Landgericht
F. vorgetragen hatten, im Hinblick auf die behauptete Kenntnis
der Beklagten, dass es mit dem Abschluss von Erlösausfallversicherungen
Probleme gegeben habe, - unabhängig vom Grad ihrer Einflussnahme auf die
Gestaltung des Prospekts - auch deren deliktsrechtliche Verantwortlichkeit nach
§§ 31, 826, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB für möglich erachtet (vgl.
hierzu Senatsurteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06 - WM 2007, 1503, 1506
Rn. 23; Senatsbeschlüsse vom 20. Dezember 2007 - III ZR 306/06, III ZR 23
bis 27/07, III ZR 61/07, jeweils Rn. 9).
2.
Es fehlen auch tragfähige Feststellungen zu der von der Beklagten erho-
benen Verjährungseinrede.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verjähren Prospekt-
haftungsansprüche im engeren Sinn bei einer gesellschaftsrechtlichen Beteili-
gung in analoger Anwendung der in den gesetzlich geregelten Fällen der Pros-
pekthaftung bestimmten kurzen Verjährung (§ 20 Abs. 5 KAGG, § 12 Abs. 5
AuslInvestmG, jeweils in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung) in - sei-
nerzeit - sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektmangels, spätestens jedoch
in drei Jahren nach dem Beitritt (vgl. BGHZ 83, 222, 224; BGH, Urteil vom
8. Juni 2004 - X ZR 283/02 - NJW 2004, 3420, 3421; Senatsbeschluss vom
31. Oktober 2007 - III ZR 258/05 - Rn. 7; Senatsurteil vom 22. November 2007
- III ZR 210/06 - Rn. 13). Insoweit wird das Berufungsgericht den Vortrag der
Parteien darauf zu überprüfen haben, wann der Kläger von dem hier festgestell-
ten Prospektmangel, nämlich der unklaren Aussage über das Ausmaß der mit
der Beteiligung einzugehenden Risiken, Kenntnis erlangt hat. Sollte es im weite-
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ren Verfahren darauf ankommen, ob ein denkbarer deliktischer Anspruch ver-
jährt ist, müsste das Berufungsgericht einen selbständig zu beurteilenden Ver-
jährungsbeginn in Betracht ziehen.
3.
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die erfor-
derlichen Feststellungen zu treffen.
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Schlick
Wurm
Dörr
Wöstmann
Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 04.07.2005 - 32 O 4783/05 -
OLG München, Entscheidung vom 13.01.2006 - 10 U 4037/05 -